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Jedes Kind muss lesen lernen! Mit Kirsten Boie für das Lesen kämpfen Schon lange engagiert sich Kirsten Boie für die Leseförderung. 2019 hat sie mit der "Hamburger Erklärung" auch auf den politischen Bühnen für Aufsehen gesorgt. Zu ihrem 70. Geburtstag erscheint nun eine Streitschrift, in der sie sich voll und ganz dem Thema Lesen verschrieben hat. Die Autorin erzählt, wie sie selbst als Kind das Lesen entdeckte, wie sich ihr neue Welten eröffneten und wie immens die gesellschaftliche Bedeutung des Lesens für die Gegenwart und unsere gemeinsame Zukunft ist.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
JEDES KIND MUSS LESEN LERNEN!
Diese klare Forderung stellt die renommierte Kinderbuchautorin Kirsten Boie an die Politik. Denn Kinder, die lesen, werden auch zu mündigen Bürgern. Kirsten Boie erzählt, wie sie selbst das Lesen entdeckte und sich ihr völlig neue Welten und Wege eröffneten. Und das gilt damals wie heute: Das Lesen hat einen unschätzbaren Wert für unsere Gesellschaft und unsere gemeinsame Zukunft.
Liebeserklärung und Streitschrift für eine der schönsten Beschäftigungen der Welt
»Ich wünsche mir, dass wir ein Land der Leser werden«, sagt Kirsten Boie in ihrer Dankesrede zur Auszeichnung »Der Förderin des Buches« in Berlin.
Voraussetzung für diesen Wunsch ist natürlich das Vermögen überhaupt lesen zu können. Wer wie Kirsten Boie schon in frühester Kindheit zu einer begeisterten Leserin wurde, kann nachvollziehen, was Nichtlesern entgeht, die nicht in die spannenden Abenteuer, fantastischen Welten und berührenden Erlebnisse eines Buches, geschrieben in einer wunderbaren Sprache, abtauchen können.
Als Autorin scheint sie sich beim Schreiben immer daran zu erinnern, denn sie besitzt eine besonders ausgeprägte Fähigkeit, sich in andere Menschen und deren Gefühlswelt hineinzuversetzen. Ihre Geschichten spielen im Alltag der Kinder und handeln von den großen und kleinen Problemen, die ihnen begegnen. Dieser besondere Blick auf die Realität zieht sich durch all ihre Bücher: Scheidung, Patchwork-Familien, Fremdenfeindlichkeit, Flucht und Asyl, Aidswaisen in Afrika, Menschen mit Handicap, Gewalt in der Schule oder der Umgang mit digitalen Medien. So zeigt sie immer wieder, dass auch die vermeintlich schweren Themen für Kinder erzählt werden können, macht Fremdes vertraut und Vertrautes zum großen Abenteuer.
Kirsten Boie ist eine der beliebtesten Kinderbuchautorinnen im deutschsprachigen Raum, die zu Recht in die Nähe ihres großen Vorbilds Astrid Lindgren gerückt wird. Denn wie Astrid Lindgren schafft auch sie es, mit ihrer genauen Beobachtungsgabe, einer gesunden Portion Humor und verblüffendem Sprachwitz die Herzen der Kinder zu bewegen, ihre Sorgen und Nöte ernst zu nehmen und ihnen Mut zu machen. Doch sie ist nicht nur als Autorin ein Glücksfall, sondern auch als schreibender Mensch, der sich politisch einmischt und sich seit vielen Jahren engagiert, ob für Aidswaisen in Swasiland oder für die Leseförderung vor unserer Haustür. So hat sie im Sommer 2018 zusammen mit vielen prominenten Erstunterzeichnern die »Hamburger Erklärung« ins Leben gerufen, um auf die fehlende Lesekompetenz viel zu vieler Kinder aufmerksam zu machen.
Unermüdlich weist Kirsten Boie darauf hin, dass Lesen eben nicht nur bedeutet, den Zugang zu einer fantastischen Welt aus Geschichten zu bekommen. Lesen, genauer: Lesen können – ist für sie ein wichtiger Teil der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen und die Grundlage für eine selbstbestimmte Zukunft.
Kirsten Boie ist ein Glücksfall für alldiejenigen, die ihre Bücher mit Begeisterung lesen, sie ist aber auch ein ganz besonderer Glücksfall für unser Haus. Es ist eine wahre Freude, mit einer so vielseitigen Persönlichkeit über Jahrzehnte hinweg zusammenzuarbeiten und sie auf ihrem Weg begleiten zu dürfen.
Silke Weitendorf
Es war einmal ein kleines Mädchen, und das war gar nicht so lange nach dem Krieg, den damals alle immer nur »der Krieg« nannten, als hätte es nicht auch tausend andere Kriege gegeben auf der Welt. Diesen Krieg aber hatte ihr eigenes Land angefangen, und am Schluss hatte der Krieg auch in ihrem eigenen Land getobt und es in Trümmern zurückgelassen, und darum wussten alle Menschen, wovon die Rede war, sie wurden ja überall jeden Tag daran erinnert.
Im Winter hatte das kleine Mädchen genau wie seine Freundinnen Frostbeulen an den Füßen, weil es zu kalt war und die Schuhe zu dünn; am Ende jeden Monats gab es mittags Milch, die auf der Fensterbank in der Sonne sauer geworden war, mit Schwarzbrotbrocken darin; und weil Zucker darübergestreut werden durfte, liebte das Mädchen dieses Essen. Süßigkeiten gab es sonst nämlich nicht.
Ein neues Kleid bekam es nur zu Pfingsten, sonst trug es auf, was die vielen älteren Cousinen abgelegt hatten, und auch das fand es ganz selbstverständlich.
War das kleine Mädchen also arm? Wenn man es damals gefragt hätte, hätte es bestimmt erstaunt den Kopf geschüttelt; aber niemand hat es gefragt, und von alleine darüber nachgedacht hat es natürlich nicht. Es fand (wie bis heute alle Kinder auf der Welt), dass sein Leben haargenau so war, wie ein Kinderleben offenbar sein musste. Es kannte ja nichts anderes, und da, wo es lebte, ging es den anderen Kindern schließlich genau wie ihm.