Das Liebespfand - Toni Waidacher - E-Book

Das Liebespfand E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Christel Großstetter saß in ihrer Kammer, sie hatte sich tief über den Tisch gebeugt. Geschickt zeichnete sie mit dem Bleistift die Konturen eines Dirndls auf das weiße Papier. Sie hielt eine Sekunde inne, nahm einen Radiergummi und wischte damit über eine Stelle. Nachdenklich blickte das junge Madl vor sich hin, dann setzte es den Bleistift erneut an und verbesserte die ausradierte Stelle mit einem schwungvollen Strich. Auf dem Blatt entstand das Modell eines Trachtenkleides, wie es sich Christel schon lange wünschte. Die zwanzigjährige Bauerntochter war nicht nur im Entwerfen auf dem Papier geschickt, fast alle ihre Sachen hatte sie selbst genäht, und wenn es besondere Anlässe gab, wie Geburts- und andere Jubeltage, dann saß sie wochenlang vorher eifrig an einer Bluse, einer Hose oder anderen Kleidungsstücken, die sie schneiderte, um damit den Familienmitgliedern eine Freude zu machen. »Kind, wo bleibst' denn?« hörte sie die ungeduldige Stimme ihrer Mutter. »Der Vater und Thomas kommen gleich heim, und das Mittagessen ist net vorbereitet!« »Ich komme schon«, rief Christel zurück und packte rasch die Stifte und den Malblock zusammen. Dann eilte sie die Treppe hinunter. Hanna Großstetter erwartete sie mit einem vorwurfsvollen Blick. »Hast' schon wieder über deinem Malkram gehockt?« fragte sie und schüttelte den Kopf. »Christel, vergiß das endlich. Du bist eine Bauerntochter und keine Modeschöpferin! Du weißt genau, wie der Vater darüber denkt.« Die hübsche junge Frau biß sich auf die Lippe. Es war nicht das erste Mal, daß sie sich diesen Vorwurf anhören mußte. Zwar freuten sich alle in der Familie, wenn sie von ihr mit

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Der Bergpfarrer – 145 –

Das Liebespfand

Ich werde die Tage zählen ...

Toni Waidacher

Christel Großstetter saß in ihrer Kammer, sie hatte sich tief über den Tisch gebeugt. Geschickt zeichnete sie mit dem Bleistift die Konturen eines Dirndls auf das weiße Papier. Sie hielt eine Sekunde inne, nahm einen Radiergummi und wischte damit über eine Stelle. Nachdenklich blickte das junge Madl vor sich hin, dann setzte es den Bleistift erneut an und verbesserte die ausradierte Stelle mit einem schwungvollen Strich.

Auf dem Blatt entstand das Modell eines Trachtenkleides, wie es sich Christel schon lange wünschte. Die zwanzigjährige Bauerntochter war nicht nur im Entwerfen auf dem Papier geschickt, fast alle ihre Sachen hatte sie selbst genäht, und wenn es besondere Anlässe gab, wie Geburts- und andere Jubeltage, dann saß sie wochenlang vorher eifrig an einer Bluse, einer Hose oder anderen Kleidungsstücken, die sie schneiderte, um damit den Familienmitgliedern eine Freude zu machen.

»Kind, wo bleibst’ denn?« hörte sie die ungeduldige Stimme ihrer Mutter. »Der Vater und Thomas kommen gleich heim, und das Mittagessen ist net vorbereitet!«

»Ich komme schon«, rief Christel zurück und packte rasch die Stifte und den Malblock zusammen.

Dann eilte sie die Treppe hinunter. Hanna Großstetter erwartete sie mit einem vorwurfsvollen Blick.

»Hast’ schon wieder über deinem Malkram gehockt?« fragte sie und schüttelte den Kopf. »Christel, vergiß das endlich. Du bist eine Bauerntochter und keine Modeschöpferin! Du weißt genau, wie der Vater darüber denkt.«

Die hübsche junge Frau biß sich auf die Lippe. Es war nicht das erste Mal, daß sie sich diesen Vorwurf anhören mußte. Zwar freuten sich alle in der Familie, wenn sie von ihr mit selbstgeschneiderten Kleidungsstücken bedacht wurden, aber Christels Traum, eines Tages als richtige professionelle Modedesignerin zu arbeiten, nahm niemand ernst.

»Ich muß mich jetzt um den Garten kümmern«, sagte die Bäuerin. »Sieh zu, daß das Essen rechtzeitig auf dem Tisch steht.«

»Keine Sorge«, murmelte Christel.

Während die Mutter das Haus verließ, ging sie in Speisekammer, in der die große Kühltruhe stand. Dort holte sie einen Plastikeimer heraus, in dem sie in der letzten Woche die Suppe eingefroren hatte, von der genug übrig geblieben war, um sie heute noch einmal auf den Tisch bringen zu können. Christel lief damit in die Küche und stellte den Eimer in das Spülbecken. Sie ließ warmes Wasser darüber laufen, bis sich der eisige Suppenblock löste, und füllte ihn in einen großen Topf um, den sie auf den Herd stellte.

Während sie darauf wartete, daß der Topf sich langsam erwärmte und die Suppe heiß wurde, deckte sie den Tisch. Zwischen den Zeitungen, die auf der Eckbank lagen, entdeckte sie einen Prospekt, mit dem für eine neue Zeitschrift geworben wurde.

Ach, du lieber Himmel, dachte sie, noch so ein Frauenmagazin!

Beim Händler in St. Johann gab es unzählige solcher Zeitschriften und ›Regenbogenblätter‹. Christel schaute zwar auch immer wieder das Regal durch, wenn sie im Dorf einkaufte. Aber eigentlich interessierte sie sich nur für die reinen Modeblätter mit ihren Schnittmustern.

Sie wollte den Prospekt gerade zum Altpapier aussondern, als ihr Blick auf etwas fiel, das sie sofort elektrisierte. Diese neue Zeitschrift hieß ›Mode & Frau‹, und um den Verkauf anzukurbeln, rief man die Leserinnen zu einem Zeichenwettbewerb auf.

Christel vergaß die Suppe auf dem Herd und starrte wie gebannt auf das, was dort geschrieben stand. Das Magazin veranstaltete diesen Wettbewerb in Zusammenarbeit mit dem bekannten Münchner Modedesigner Hubert Aschau. Als erster Preis winkte nicht nur die Veröffentlichung des Modells –, der Modezar, wie Aschau auch genannt wurde, bot der Gewinnerin die Möglichkeit, ihren Entwurf unter seiner fachkundigen Anleitung in seinem Atelier selbst zu schneidern!

Alle weiteren Informationen würden in der ersten Ausgabe von ›Mode & Frau‹ zu finden sein.

Die junge Frau las noch einmal. Christel spürte, wie ihr Herz schneller schlug.

Sie mußte die Zeitschrift unbedingt haben! Das war die Chance, auf die sie schon so lange wartete!

Ziemlich lange saß Christel auf der Eckbank, und in Gedanken sah sie sich bereits den ersten Preis entgegen nehmen und im Atelier stehen, wo sie zusammen mit Hubert Aschau an ›ihrem‹ Modell arbeitete!

Ein gefährliches Zischen und Brodeln riß sie in die Wirklichkeit zurück. Die Suppe auf dem Herd drohte überzukochen. Rasch steckte Christel den Prospekt in die Schürzentasche und verhinderte das Unglück.

Wenig später hörte sie ihren Vater und den Bruder auf den Hof fahren. Die Mutter kam herein und überzeugte sich davon, daß das Essen noch rechtzeitig fertig geworden war.

»Braucht jemand was aus dem Dorf?« fragte Christel, als sie am Tisch saßen.

Willi Großstetter schüttelte den Kopf.

»Was willst’ denn schon wieder in St. Johann?« Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Bist doch erst gestern drunten gewesen.«

»Nix Besond’res«, erwiderte die Tochter.

Thomas, der zwei Jahre ältere Bruder, sah sie an und lächelte.

»Ich würd’ gern die neue Sportzeitung haben, wenn du fährst«, meinte er und zwinkerte ihr zu.

Er ahnte, daß sie gerne fahren würde. Wahrscheinlich, so vermutete er, wollte sich seine Schwester wieder mal irgendeine Modezeitung kaufen.

Christel warf ihm einen dankbaren Blick zu.

»Bring’ ich dir mit«, antwortete sie lächelnd.

*

Mit den Zeitschriften auf dem Gepäckträger bog Christel Großstetter am Nachmittag gutgelaunt in die Einfahrt zum Nachbarhof ein. Florians Mutter saß auf der Bank vor dem Haus und nähte. Vor ihr auf dem Tisch stand eine Kaffeetasse.

»Grüß dich, Irmi«, rief die Besucherin und stieg vom Rad.

»Grüß dich«, nickte die Bäuerin zurück. »Schön, daß du vorbeischaust. Setz’ dich. Magst’ auch einen Kaffee?«

Christel lehnte dankend ab.

»Wie geht’s zu Haus’?« erkundigte sich Irmi Hoffmeier.

»Alles bestens«, erwiderte die junge Frau und strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn. »Wo steckt denn der Florian?«

»Droben, am Hang. Langsam wird’s Zeit, daß das Heu eingebracht wird. Willst du hinauf zu ihm?«

Christel überlegte einen Moment. Der Hang lag noch höher als der Großstetterhof. Mit dem Fahrrad war es ein müßiges Unterfangen, da hinauf zu wollen. Besser war es, erst nach Hause zu fahren und das Auto zu nehmen.

»Ja«, antwortete sie, »aber net mit dem Rad.«

»Ach, wärst’ dann so lieb und nimmst ihm was zu essen und zu trinken mit hinauf?« fragte Florians Mutter. »Der Franz ist auf der and’ren Seite, im Wald. Bevor der zurück ist, ist Florian wahrscheinlich schon verhungert, und ich kann hier net fort. Der Vertreter von der Versicherung wollt’ jetzt endlich vorbeischauen, wegen dem Schaden, den das Unwetter am Scheunendach verursacht hat.«

Vor einigen Tagen war ein ziemlicher Wolkenbruch über dem Wachnertal niedergegangen. Die orkanartigen Windböen hatte das halbe Dach abgedeckt. Franz und Florian Hoffmeier hatten es notdürftig geflickt und nun warteten sie ungeduldig auf den Mann von der Versicherung, der sich erst das Ausmaß des Schadens ansehen mußte, bevor das Geld fließen konnte.

»Freilich nehm’ ich ihm was mit«, nickte Christel.

Die Bäuerin stand auf, um die Sachen aus dem Haus zu holen. Ein paar Minuten später war ein Korb auf dem Gepäckträger des Rades befestigt, und die Bauerntochter fuhr winkend vom Hof.

Zu Hause angekommen, lud Christel den Korb ins Auto um, schrieb rasch einen Zettel für ihre Mutter und setzte sich hinter das Lenkrad. Bis zum Hang waren es gute zehn Minuten zu fahren. Zuerst war es noch eine relativ breite Straße, die hinaufführte, doch nach und nach verengte sie sich, und aus dem geteerten Straßenbelag wurde ein sandiger Untergrund, auf dem man nur langsam fahren konnte.

Christel sah Florian auf der Wiese. Er saß auf dem Traktor, hinter den eine Mähmaschine montiert war. Sie hupte zweimal, aber offenbar konnte er sie wegen des Motorenlärms nicht hören. Erst als sie ausgestiegen war und winkend am Wegesrand stand, sah der Bauernsohn sie, als er den Traktor wendete und bergan fuhr. Er gab Gas und fuhr noch schneller, dann hielt er an, sprang aus dem Führerhaus und lief ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen.

»Schön, daß du da bist!« rief Florian und gab ihr einen zärtlichen Kuß.

Christel schmunzelte.

»Freust’ dich meinetwegen, oder wegen der Brotzeit, die ich mitbringe?« fragte sie schelmisch lächelnd.

»Ach du!« sagte er und küßte sie erneut. »Natürlich bin ich glücklich, daß du da bist!«

Er zog die rechte Augenbraue in die Höhe.

»Aber wenn ich ehrlich sein soll – Hunger hab’ ich auch«, setzte er grinsend hinzu und nahm ihr den Korb ab.

Sie setzten sich auf die Wiese. Christel deutete auf das bereits gemähte Gras.

»Bist’ ja schon weit gekommen«, meinte sie.

Florian hatte Kaffee eingeschenkt und biß herzhaft in ein belegtes Brot.

»Hmm«, nickte er kauend, »bin auch froh, wenn ich hier fertig bin.«

Er trank einen Schluck und streckte anschließend das Kreuz durch.

»Gott sei Dank ist morgen Wochenend’«, sagte er. »Ich freu’ mich schon auf uns’ren Abend.«

Christel und der Bauernsohn waren seit gut einem Jahr zusammen. Auf dem Tanzabend im ›Löwen‹ hatte es zwischen ihnen gefunkt, und seither waren sie unzertrennlich. Für alle, die sie kannten, stand fest, daß die beiden einmal heiraten würden, und der Bauerntochter konnte nichts Besseres passieren. Den väterlichen Hof würde einmal Thomas erben. Natürlich hatte sie Anspruch auf einen Erbteil, der ihre Mitgift war. Und sie würde dann die zukünftige Bäuerin auf dem Hoffmeierhof sein, wenn sich Florians Eltern auf das Altenteil zurückzogen.

So weit, so gut. Allerdings gab es da ein kleines Hindernis; Christel war sich nicht recht darüber im Klaren, ob sie so ein Leben wollte. In ihren Träumen sah sie sich als bekannte Modeschöpferin, die mit ihren Modellen die Welt eroberte. Schon immer hatte sie gerne mit Nadel und Faden hantiert. Sie war gerade erst acht Jahre alt gewesen, als sie ihre ersten Entwürfe zu Papier brachte. Ungelenk natürlich noch, aber man konnte doch erahnen, daß in dem Madl mehr schlummerte. Als Christel später die Hauptschule in der Stadt besuchte, bescheinigte ihr die Kunstlehrerin ein außerordentliches Talent, besonders, was die Gestaltung mit Stoffen anging, und vielleicht war sie es sogar, die der Bauerntochter den Floh ins Ohr setzte, Christel solle sich ernsthaft damit beschäftigen, ob sie nicht eines Tages ihr Talent zum Beruf machen wolle.

Seither hatte sie dieser Gedanke nicht mehr losgelassen. Aber es kam, wie so oft im Leben, anders, als sie gedacht hatte. Der Großstetterhof war seit über hundert Jahren im Familienbesitz. Willi, ihr Vater, hatte schon früh mitarbeiten müssen und er erwartete das gleiche von seinen Kindern. Eine Magd oder einen Knecht hatte es nie gegeben, nur zur Saison wurden Hilfskräfte eingestellt, die bei der Ernte mit Hand anlegten. Schnell zerstoben Christels Träume von einer Schneiderlehre, die eine gute Voraussetzung für den späteren Beruf gewesen wäre.

Und dennoch ließ sie von ihrem Ziel nie wirklich ab und versuchte, die Arbeit auf dem Hof mit ihrem Hobby in Einklang zu bringen.

Vielleicht eines Tages, hoffte sie immer, kam das Unerwartete, das ihr den Weg ebnen konnte.

War dieser ausgeschriebene Wettbewerb genau das, worauf sie immer gewartet hatte?

Christel mußte daran denken, als Florian sagte, daß er sich auf den morgigen Abend freue. Seit sie zueinander gefunden hatten, waren sie jeden Samstag in den ›Löwen‹ gegangen. Die Eltern der beiden saßen zusammen, aber sie mischten sich unter das junge Volk und hatten ihre Gaudi.

Doch jetzt hätte sie viel lieber darauf verzichtet. Es gab noch einiges zu tun auf dem Hof, und Christel wollte sich so schnell wie möglich an einen Entwurf machen, den sie für den Wettbewerb einreichen wollte.

»Ich muß wieder«, sagte Florian und gab ihr einen Kuß. »Dank’ dir schön für die Brotzeit. Bis morgen, Spatzl.«

Sie nickte und ging zu ihrem Wagen. Während sie nach Hause fuhr, entstand vor ihrem geistigen Auge schon das Modell eines todschicken Kleides, von dem sie sicher war, daß es den ersten Preis gewinnen konnte.

*

Blasius Eggensteiner hatte einmal mehr schlechte Laune, als er das Essen auf dem Tisch stehen sah. In der Schüssel dampfte eine graugrüne Suppe, von der ein eigenartiger Geruch aufstieg. Daneben stand ein Brotkorb, in dem sich allerdings keine weißen Semmeln befanden, sondernd das harte Knäckebrot, von dem seine Haushälterin überzeugt war, daß es der Verdauung förderlich war und das Pfarrer Eggensteiner verabscheute.

Dennoch setzte sich der Engelsbacher Geistliche an den Tisch, an dem Hermine Wollschläger und Florian Decker bereits Platz genommen hatten.

Der junge Vikar sprach das Tischgebet und wünschte allseits gesegnete Mahlzeit.

»Bitte, sagen Sie, Hochwürden«, wandte sich Florian an Blasius, nachdem er sich von der Suppe bedient hatte, »spräche etwas dagegen, wenn ich in der nächsten Woche ein paar Tage frei nehmen würd’?«

Der rundliche Pfarrer biß in eine Brotscheibe und zermalmte sie hörbar. Dann führte er seinen Löffel zum Mund und blickte dabei den Vikar an.

»Darf man erfahren, wozu Sie freihaben möchten?«

»Natürlich«, nickte Florian. »Ich möcht’ nach Haus’ fahren. Meine kleine Nichte hat Geburtstag, und da ich ihr Firmpate bin...«

»In der nächsten Woche steht allerhand an«, bemerkte Blasius. »Zwei Taufen, am Wochenend’ die Hochzeit der Kathrin Schreiner und des Sepp Harlinger. Ich weiß net, ob ich Ihnen da freigeben kann.«

Hermine Wollschläger warf den beiden Männern einen Blick zu, sagte aber nichts. Florian verzog keine Miene, als er die Absage hörte. Eigentlich hatte er fast damit gerechnet.

»Heut’ nachmittag müssen S’ zu der Frau Burger«, erklärte der Geistliche. »Soviel ich gehört hab’, liegt sie krank im Bett und kann net zur Beichte kommen.«

»Ich weiß«, nickte der Vikar. »Frau Brandner und ich waren heut’ morgen schon bei ihr. Es geht ihr net besonders gut, und sie möcht’ gern’, daß Sie, Hochwürden, ihr die Beichte abnehmen.«

Pfarrer Eggensteiner schüttelte unwillig den Kopf.

»Das geht net. Ich hab’ zu tun«, erwiderte er kurz.

Florian Decker schürzte die Lippen.

Der Weg zum Burgerhof ist dir bloß zu weit, dachte er ärgerlich.

Blasius schob die Suppe, von der er kaum mehr als zwei Löffel gegessen hatte, beiseite und lehnte sich zurück. Er sah den Vikar an.

»Wenn es Ihnen aber zu viel ist, dann sagen S’ es nur«, meinte er. »Ich kann auch dem Bischof mitteilen, daß Sie überfordert sind mit Ihrer Arbeit.«

»Entschuldigen Sie«, begehrte Florian auf, »ich hab’ doch gar nix gesagt!«

»Gesagt net. Aber ich seh’s an Ihrem Gesicht.«

Gerne hätte Florian etwas darauf erwidert. Aber er senkte nur den Kopf und aß weiter. Er wußte nur zu gut, daß der Geistliche händeringend nach einem Grund suchte, um ihn beim Bischof anzuschwärzen, damit er ihn loswurde. Seit er seine Stelle als Hilfspfarrer in Engelsbach angetreten hatte, zeigte ihm Pfarrer Eggensteiner, daß er ihn nicht mochte. Dazu trug nicht nur das Äußere des Vikars bei, der seine schulterlangen Haare im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden hatte und lieber Jeans anstelle einer Soutane trug. Auch die Tatsache, daß Florian bei den Gläubigen mittlerweile sehr viel beliebter war als der ewig mürrisch dreinblickende Eggensteiner, war einer der Gründe, warum die beiden nicht miteinander auskamen.

»Vielen Dank, Frau Wollschläger, die Suppe war wieder mal ganz ausgezeichnet«, sagte Florian, weil er genau wußte, daß er wenigstens damit Hochwürden einen Seitenhieb versetzen konnte.

Der Geistliche sah ihn auch gleich entsprechend an und stand auf.

»In den nächsten zwei Stunden bin ich fort«, erklärte er beim Hinausgehen.