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„Maikäfer flieg – der Vater ist im Krieg."
Herbst 1945. Deutschland liegt in Trümmern, von Düsseldorf sind nur noch Ruinen übrig. Die Hebamme Käthe Arensen leidet unter der Trennung von ihrem Mann Wolf, der im Krieg verschollen ist. Eines Nachts taucht eine junge Frau bei ihr auf. Ingrid ist schwanger und völlig verstört. Sie will Käthe nicht sagen, wer der Vater ihres Kindes ist, sondern summt immer nur die Melodie von „Maikäfer flieg“. Käthe zögert nicht lange, sie hilft Ingrid, indem sie in einer halb zerstörten Arztpraxis eine Abtreibung vornimmt. Ingrid verschwindet nach dem Eingriff spurlos, aber wenige Wochen später erscheint ein anderes junges Mädchen bei Käthe, das ebenfalls schwanger ist. Zusammen mit ihrer Freundin Lilo beschließt Käthe, den bedrängten Frauen zu helfen – trotz der Gefahr, als „Engelmacherin“ im Gefängnis zu landen.
Dann taucht Ingrid wieder auf, erneut schwanger, und beginnt Käthe zu erpressen ...
Die berührende Geschichte zweier Frauen im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland – ein Roman über Suche, Wahrheit und die Kraft, sein Leben zu meistern.
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Seitenzahl: 492
GINA MAYER
Das Maikäfermädchen
Roman
ISBN 978-3-8412-0472-1
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, August 2012
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die Originalausgabe erschien 2012 bei Rütten & Loening, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
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Innentitel
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Informationen zur Autorin
Impressum
Inhaltsübersicht
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
August 1948
Danke
»Maikäfer, flieg. Der Vater ist im Krieg.
Die Mutter ist in Pommerland,Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer, flieg.«
(Deutsches Volkslied)
Sie war früher schon einmal hier gewesen. Sie erinnerte sich an das gelbe Haus an der Kreuzung, dessen Front nun von Einschusslöchern überzogen war. Damals war die Fassade frisch verputzt gewesen. Vor dem Krieg, es musste vor dem Krieg gewesen sein. Fensterläden, grün lackiert. Sie erinnerte sich an eine Hakenkreuzfahne vor dem Haus.
Vielleicht täuschte sie sich auch. Vielleicht erinnerte sie sich an ein anderes Haus, in einem anderen Dorf. Wolf und sie waren am Wochenende oft aufs Land gefahren. Sommerfrische nannte Wolf das. Auch wenn es nur für ein paar Stunden war, auch wenn es gerade Herbst, Winter oder Frühling war.
Jetzt war es Sommer. Auf der Straße lag ihr Schatten, viel länger und dünner als sie selbst. Bald würde die Sonne untergehen. Käthe schwitzte. Ihr Schweißgeruch vermischte sich mit dem süßlichen Duft, den sie in der Nase hatte, seit sie am Bahnhof aus dem Taxi gestiegen war. An diesen Geruch erinnerte sie sich nicht. Aber vor dem Krieg hatte alles anders gerochen.
Ihre Hand zitterte. Sie wollte, dass das Zittern aufhörte. Sie spreizte die Finger und zog sie zu einer Faust zusammen.
Sie tastete nach der Waffe in ihrer Handtasche und das half. Ihre Hand hörte auf zu zittern, als sie das kühle Metall spürte.
Bald wäre alles zu Ende. Das Leiden, die Wut, die Angst. Die Erinnerungen, vor allem die. Wenn man keine Erinnerung mehr hatte, empfand man auch keine Schmerzen mehr. Dann war Ruhe.
Aus dem gelben Haus mit den Einschusslöchern rannten drei Kinder. Ein kleines Mädchen mit Zöpfen und einer zerschlissenen Schürze. Eine Größere mit kurzem Haar. Ein Junge. Er hielt einen Ast in der Hand. Als er Käthe sah, legte er ihn an seine Wange, kniff ein Auge zusammen und zielte auf sie. Bevor er abdrücken konnte, schob das ältere Mädchen den Ast nach unten. Sie wirkte erschrocken, als wäre es wirklich ein Gewehr. Der Junge lachte. Das kleine Mädchen mit den Zöpfen starrte Käthe an.
Sie ging weiter, an den Kindern vorbei, Schritt für Schritt in den süßlichen Geruch hinein. Als sie um die Ecke bog, sah sie die rote Ziegelsteinmauer und dahinter die Fabrik. Peter Schmitz Krautfabrik stand auf dem Schild neben dem Tor. Auf dem Hof ein mit Fässern beladener Pferdewagen. Zuckerrübensirup. Jetzt rannte sie fast.
Erst am Ende der Straße stieß sie die Luft wieder aus, atmete tief ein und blickte sich um. Da vorn war das Haus, das sie suchte. Hochstraße 7. Vier kleine Fenster in der Vorderfront, vertrocknete Geranien in den Blumenkästen im Erdgeschoss. Wieder hatte sie das Gefühl, dass sie an dieser Ecke schon einmal gestanden und dieses Haus schon einmal betrachtet hatte. Aber diesmal war sie sich sicher, dass sie sich täuschte. So weit wäre er nicht gegangen.
Die Waffe in ihrer Tasche. Der Lauf war nicht mehr kühl, er fühlte sich klebrig an. Sie würde klingeln. Und wenn er die Tür öffnete, würde sie ihn erschießen. Aber wenn ein anderer öffnete?
Sie drückte die Klingel, während sie noch über eine Antwort nachdachte. Wenn ein anderer öffnete, würde sie sich einen Weg bahnen und ihn finden.
Suchen und finden.
Lukas 11,9.
Sie spürte ein hysterisches Lachen in sich aufsteigen wie eine Luftblase im Wasser. Kurz bevor sie platzte, fiel sie plötzlich wieder in sich zusammen.
Wo war die Wut in ihr, der Hass und die Bitterkeit? Sie empfand nichts. Es war, als hätte sie die Tat bereits begangen. Als wäre alles erledigt. Sein Leben. Und ihres auch.
Aber noch war es nicht vollbracht. Noch war das Ende nicht erreicht. Das Ende der Erinnerung. Zwei Kugeln genügten. Eine für ihn. Und eine für sie selbst.
Mord aus Rache würden die Zeitungen titeln. Aber es ging nicht um Rache. Es ging um Gerechtigkeit.
Sie legte ihr Ohr an die Tür.
Im Haus war alles still.
Er war nicht da. Der Gedanke empörte sie, als wären sie verabredet gewesen und er hätte sie versetzt.
Der Kiesweg neben dem Eingang führte zur Rückseite des Hauses. Die Steine knirschten unter ihren Füßen. Sie bemühte sich nicht, leiser zu gehen. An den Fenstern duckte sie sich, damit man sie von innen nicht sehen konnte.
Die Pistole war jetzt in ihrer Hand. Sie würde sie mit beiden Händen festhalten, wenn sie zielte und abdrückte. Der Rückstoß wird unterschätzt, das hatte sie neulich erst gelesen.
Sie bog um die hintere Ecke des Hauses und stand im Garten. Beerensträucher, Erdbeerstauden, Kartoffeln, Salat, Weg wie mit einem Lineal gezogen. Vier Sonnenblumen am Zaun, Blumen, die wild gewachsen waren, die Zeiten waren hart.
Hinter dem Haus war eine Terrasse, auf der zwei Korbstühle standen. Auf einem der Stühle saß ein Mann. Sie wusste sofort, dass er es war, das Gesicht zur Abendsonne gereckt, als ob er ein Sonnenbad nahm. Er hatte sie erwartet.
Die Pistole in der Hand haltend ging sie näher. Sie setzte sich auf den anderen Stuhl und sah ihn an.
Es werden Scharen über Scharen von Menschen sein im Tal der Entscheidung; denn des Herrn Tag ist nahe im Tal der Entscheidung. Sonne und Mond werden sich verfinstern und die Sterne halten ihren Schein zurück.
Käthe klappte die Bibel wieder zu. Des Herrn Tag ist nahe. Ging es vielleicht auch ein bisschen genauer?
Was bedeutete nahe?
In hundert Jahren? In zehn Jahren? Morgen? Heute?
»Gott hat einen langen Atem«, sagte Käthe und stand auf. Sie trat unter die Dachluke, durch die man in den Himmel blickte. Durch die Öffnung senkte sich feuchter, grauer Nebel und legte sich auf ihr Gesicht. Fensterglas gab es in der ganzen Stadt nicht.
Schnee, die Luft roch nach Schnee.
Es war viel zu kalt für November. Viel zu früh für Schnee.
Käthe nahm das kleine Brett, das an der Wand lehnte, stellte sich auf die Zehenspitzen und klemmte es in die Fensteröffnung.
Es wurde dunkel. Nur an den Kanten drang etwas Tageslicht in die Dachkammer und zeichnete einen weißen Rahmen auf den Holzboden.
In Russland lag der Schnee bereits meterhoch.
Sie dachte an ein Lager, an eine Baracke ohne Ofen, in der die Feldbetten dicht an dicht standen wie die Gräber auf einem Soldatenfriedhof.
Heinrich Abels war in einem englischen Lager gewesen, bevor sie ihm ein Bein amputiert und ihn nach Hause geschickt hatten. Nun saß er bei seiner Dorothee im Laden und erzählte von der Graupensuppe, die es mittags gegeben hatte. Jeden Mittag einen Teller Graupensuppe. Da wünschte man sich gleich in englische Gefangenschaft, wenn man so etwas hörte. Aber beim Russen war es nicht wie beim Engländer. Beim Russen gab es einen Blechtopf lauwarmes Wasser. Zum Essen, zum Trinken, zum Waschen. Erzählte man sich.
Käthe kannte niemanden, der aus der russischen Gefangenschaft nach Hause gekommen war.
Wieder dachte sie an die englische Graupensuppe, und ihr Magen knurrte.
Sie musste los.
Rasch schlüpfte sie in die Männerstiefel, die ihr die Ferns gegeben hatten, nachdem sie Frau Fern von ihrem ersten Sohn entbunden hatte. Die Stiefel waren viel zu groß, es war ihr nicht gelungen, sie gegen kleinere Schuhe einzutauschen. Man hatte ihr einen Sack Kartoffeln, eine Rolle Rupfenstoff, dreizehn Meter Mull oder dreißig Dachziegel angeboten. Und Geld, einen Sack voller Geld hätte sie haben können, doch Geld war in diesen Tagen weniger wert als ein Hitlerbild, das konnte man zumindest an die Amerikaner verkaufen.
Vielleicht hätte sie die Kartoffeln, den Stoff, den Mull oder die Dachziegel nehmen und sich damit erneut auf die Suche machen sollen. Stattdessen stopfte sie die Stiefel mit Zeitungspapier und Lumpen aus und lief damit, als hätte sie Klumpfüße.
Klonkklonkerklonk machten die Stiefel auf der Treppe. Die Flausenberg aus der dritten Etage hatte sich schon beschwert, dass Käthe beim Nachhausekommen einen solchen Lärm machte. Das ist ja nicht auszuhalten, schimpfte sie immer. Das ist ja wie im Krieg.
Seitdem bemühte sich Käthe, die Füße behutsam aufzusetzen, doch es nützte nichts. Die Stiefel waren einfach zu schwer. Soll die Flausenberg mir doch passende besorgen, wenn sie das Gepolter so stört, dachte sie, während sie einen besonders großen und lauten Schritt über das Loch machte, das eine Streubombe in die Treppe zum Dachboden gerissen hatte. Der Hauswart hatte die Öffnung mehrmals zugenagelt, aber nachdem die Bretter immer wieder gestohlen worden waren, hatte er es aufgegeben. Mussten die Hausbewohner eben aufpassen, wo sie hintraten. Mussten sie nachts eben zu Hause bleiben. Wer nach der Sperrstunde noch unterwegs war, war selber schuld. Und dass Käthe Hebamme war und sich ihre Arbeitszeiten nicht aussuchen konnte, war ja nun nicht sein Problem.
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