Das Märchen von der glücklichen Milchkuh und ihren Kälbern - Karin Larcher - E-Book

Das Märchen von der glücklichen Milchkuh und ihren Kälbern E-Book

Karin Larcher

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Beschreibung

Gott hat uns die Tiere anvertraut nicht ausgeliefert! Weshalb lassen selbst Tierfreunde zu, dass im Namen der Gesundheit, des Wirtschaftswachstums und der Religion tagtäglich Millionen Tiere ausgebeutet, gequält und grausamst ermordet werden? Liegt es an der Unwissenheit, der Ignoranz, Bequemlichkeit oder Leichtgläubigkeit ... egal, nichts gibt uns das Recht, Tieren Schmerz zuzufügen. Erst wenn wir das spüren, kann die Erde zu dem friedlichen Ort werden, von dem wir alle träumen -- auch die Tiere! Die Wahrheit verschwindet nicht dadurch, dass man sie ignoriert.

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Seitenzahl: 41

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Wo immer ein Tier in den Dienst des Menschen

gezwungen wird, gehen die Leiden, die es

erduldet, uns alle an.

Albert Schweizer

Heute ist es so weit. Ja, ich spüre, dass es heute soweit ist. Heute kommt mein drittes Kalb zur Welt. Das wissen auch der Bauer und der Tierarzt, die gerade in den Stall gekommen und zu mir getreten sind. Aber vielleicht darf ich das Kalb diesmal so zur Welt bringen, wie ich es will. Vielleicht wird es nicht aus mir herausgerissen, sodass mich mein ganzer Leib schmerzt. Und vielleicht darf es diesmal bei mir bleiben. Vielleicht darf ich es ablecken, es berühren, ihm ganz nahe sein. Vielleicht darf ich ihm in die Augen sehen, vielleicht ...

Meine beiden ersten Kälber wurden mir einfach entrissen und auch wenn ich anderes erhoffe, spüre ich doch tief in meinem traurigen Herzen, dass es wieder so sein wird. Wieder darf ich nicht die liebende, fürsorgende Mutter sein. Wieder werde ich nur zur minderwertigen Milchmaschine degradiert. Ich kann es in den finsteren Gesichtern der beiden Männer sehen, in ihren eiskalten Augen ...

Aber so ist das nun mal auf dieser Welt. Der Mensch greift brutal in unser Leben und das unserer Kälber ein, so als wären wir nicht aus Fleisch und Blut und ebenso empfindsam, wie er selbst. Der Mensch bestimmt, was mit uns passiert und wie herzlos und gewaltsam es passiert. Unsere Kinder werden uns Milchkühen einfach fortgenommen, für immer. Und auch wenn ich es nicht sicher weiß, spürt mein müdes Herz dennoch, dass unseren Kälbern in Menschenhand nichts Gutes widerfährt.

Wir haben nicht die geringste Chance, unsere Kleinen vor diesem Zugriff zu schützen, angekettet wie wir hier auf engstem Raum, Schulter an Schulter zu leben verurteilt sind. Tag für Tag, Jahr für Jahr.

Leben! Es ist reine Häme, unser tristes Dasein überhaupt als solches zu bezeichnen. Wir Milchkühe werden der Möglichkeit beraubt, uns um unsere schutzlosen Kälber zu kümmern, für sie da zu sein, wie es Mütter für ihre Kinder von Natur aus normalerweise sind – sein sollten, aber das ist den Menschen vorbehalten. Denn wir sind ja nur hier, um Milch für die Menschen zu produzieren. Das haben die Menschen irgendwann beschlossen. Mit welchem Recht, das weiß ich nicht. Wir fühlen doch genauso wie sie. Wir sehnen uns nach einem schönen Leben mit Licht und Liebe. Doch keines von beiden ist für uns bestimmt. Nur die schmerzhafte Trennung, sie widerfährt uns immer wieder. Sie ist unser herzloses Schicksal.

Selbst jetzt, da meine Wehen einsetzen, nimmt man mir die Kette nicht von meinem Hals, damit ich mich wenigstens jetzt ein wenig besser bewegen kann. Es ist schlimm, angekettet zu sein, aber wirklich schlimm ist es, wenn das Ungeborene heranwächst und der eigene Körper mehr und mehr nach erleichternder Bewegung verlangt. Aber uns wird nicht mehr zugestanden, als nur von einem Bein auf das andere zu treten und nur mit angewinkelten Beinen dazuliegen, auf hartem Boden im eigenen Mist.

Wie gerne würde ich mich wenigstens einmal auf die Seite legen und in weichem Stroh meine schmerzenden Beine von mir strecken. Wie gerne würde ich einmal den Wind und die Sonne nicht nur durch die kleinen Fenster erahnen, sondern auf meiner Haut spüren. Wie gerne würde ich als beseeltes Lebewesen behandelt werden, mit Respekt und Wohlwollen ...

Ich versuche meinen Kopf zu drehen und sehe, wie der Tierarzt seine grässlich kalten Gummihandschuhe anzieht. Sie reichen weit über seine Ellenbogen, damit er auch ja tief genug in mich eindringen kann, um sich mein Kalb zu holen. Genauso, wie er es getan hat, als er mich gewaltsam schwanger gemacht hat.

*

Ich weiß nicht, was ich von der Welt da draußen zu erwarten habe. Ich habe keine Vorstellung von meinem Leben oder wie es verlaufen wird. Keine Idee davon, was ich erfahren oder wie es mir außerhalb meiner lieben Mama ergehen wird. Ich bin wahrscheinlich einfach nur in der selben positiven Erwartung wie wohl alle Lebewesen, die kurz davor stehen, den liebevollen, nährenden Körper ihrer Mutter zu verlassen und die nichts anderes kennen als Liebe und Geborgenheit. Ich bin eingebettet in dem Vertrauen darauf, dass es mir bei meiner Mama ganz bestimmt gut gehen wird und mir niemand willentlich Leid zufügen wird.

Alleine der Umstand, dass mich meine Mama in den sicheren Monaten immer wieder spüren ließ, dass sie unglücklich ist, verwirrt mich. Doch ich bin mir sicher, dass sie glücklich ist, sobald wir uns sehen. Sobald ich bei ihr liege, neben ihr stehe und hinter ihr herlaufen kann. Das muss einfach wunderbar sein. Wie freue ich mich schon darauf!