Das Maul weit geöffnet - Franco Samsa - E-Book

Das Maul weit geöffnet E-Book

Franco Samsa

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Beschreibung

Was tun, wenn das Herz so sticht für jemanden ohne Namen? Ein Fremder, der ein Fremder bleibt, egal wie oft die Sonne scheint und egal wie oft es dunkel wird. Martin Klopfer, er weiß es nicht, schließlich passiert so etwas nicht jeden Tag. Zumindest geschah es noch nie in seinem Leben, er weiß damit nicht umzugehen. Was also tun, könnte man sich fragen, zu dieser Zeit an diesem Ort? Was könnte bloß helfen, um dies zu verdauen, was gekaut werden muss, das Schlucken bleibt nach wie vor schwer. Wie geht es jetzt weiter, wie gestaltet man sich nun diese Sache, die sich Leben nennt? Ja, was wird letztlich kommen, wenn alles wie gehabt vonstattengeht? Sie bleiben offen, diese Fragen aus dem Alltag, begleiten ihm in seinem Dasein. Und dennoch, all das Grübeln, all diese Regung, für einen Fremden, der ein Fremder bleibt.

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Inhaltsverzeichnis

1. Gott gab sich die Kugel

2. Die Neue Deutsche Welle

3. Euster ist ein Moslem

4. Die Musik war echt am Arsch

5. Sein Lieblingslied war „Da Da Da“

6. Lass es mal wie Honig wachsen

7. Bücher sind wie Tiere

8. Lachen hilft, wenn du am Weinen bist

9. Keine Wolke zu sehen

10. Vater war Dichter

11. Vater schrieb

12. “Hol dir ohne Pornos einen runter“

13. Sechzehn Bücher an einem Tag

14. Mutter starb früh

15. Ein Traum von Gott

16. Den Bestatter um Rat erbitten

17. „Ich suche nach einem Bekannten“

18. Wie schon so oft

19. Sieben sind dabei

20. Ein Moment des Leichtsinns

21. Es könnte so einfach sein

22. Lieber Martin

23. Die Nacht verging im Flug

24. Frau Peters war schon da

25. Sie wirken so fremd

26. Schnell ging es vonstatten

27. Nun sitzen wir da

1. Gott gab sich die Kugel

Äußerst überraschend, wie ich finde, doch für die meisten müsste dies wohl eine ernüchternde Information sein. Schließlich hatte ihn der Großteil seiner Mitmenschen nicht sonderlich positiv in Erinnerung. So war er nun mal, nicht gut im Gedächtnis zu behalten. Dennoch, man kann sagen, was man will, alle Tage passierte so was nicht.

Jedenfalls gab Gott sich jetzt die Kugel. Ein billiges Zimmer in einem noch billigeren Hotel gemietet und sich das Hirn weggeblasen, ohne auch nur eine Sekunde die Patrone im Gaumen zergehen zu lassen. Aber nun ja, wie könnte man es ihm in solch einem Moment auch verübeln? Grade, wenn es den meisten, wie bereits erwähnt, egal sein müsste. Solange er sich nicht wieder in Schlägereien verwickelt oder sonstige Scherereien beabsichtigt, kann es ja nur erträglicher sein. Selbst wenn es heißt, dass er 1,80 m unter der Erde liegt.

Gott gab sich also die Kugel, die Überraschung ist groß. Hatte er nicht Träume? Gewicht, welches ihn tagtäglich aufstehen ließ, um dies zu tun, wonach ihm war? Oder habe ich es mir nur eingebildet. Ja, einfach falsch wahrgenommen? Nein, er wirkte nicht so, da bin ich mir sicher.

Jetzt war er dennoch weg, das Verarbeiten ist schwer. Körper ist taub, es gleicht einem Traum. Aber es ist ja noch frisch, wie könnte man es mir auch sonst verübeln? Erfahren habe ich es aus zweiter Hand. Ein Gespräch, um genau zu sein, was mir zu Ohren kam: „Hast du das schon von diesem Verrückten gehört? Dieser irre Quacksalber, der hier sein Unwesen getrieben hat. Soll sich vor 2 Tagen weggemacht haben. Anscheinend erschossen, weißte? Sich ein billiges Zimmer in einem noch billigeren Hotel gemietet und das Hirn weggeblasen, ohne auch nur…“

Und so weiter und so fort. 3 Tage ist es her, als ich davon erfuhr, doch es dauerte etwas, bis ich es wirklich realisierte. Die Nachricht, dass Gott sich umbrachte, gewann natürlich ziemlich schnell an Reichweite, zumindest auf lokaler Ebene. Parallel dazu entstanden wie aus dem Nichts unzählige Gerüchte. Wahrscheinlich aus dem Affekt, dass die Nachrichten dazu sich äußerst schwammig hielten, bis es dann letztlich in der Zeitung stand. Später als man erwartet hätte, aber so viel dazu. Davon abgesehen jedoch hört sich ein Kopfschuss so oder so am plausibelsten an. Es passte zu ihm, zumindest hat er das einmal sogar lauthals von sich gegeben. Ich habe ihm geglaubt, aber es wirklich ernst genommen? Er wirkte einfach nicht so.

Vielen ist es folglich bekannt, egal um welche Wahrheit es sich handelt. Aber wirklich scheren tut es keinem, beziehungsweise bin ich mit anderen dazu noch nicht in Kontakt gekommen. Warum hat er es also getan? Was brachte ihn dazu? Ja, war es vielleicht sogar vermeidlich? Die Antwort bleibt aus, sie ist ja bekannt. Oder nicht? Zumindest kann ich es mir denken...

Würde er jetzt hier stehen, so aufrecht und lebendig, käme mit hoher Wahrscheinlichkeit nur eine Aussage infrage, mit der er seine Taten begründen würde: Ihm war einfach danach.

2. Die Neue Deutsche Welle

Oder auch der Höhepunkt der humanen Natur, wie Gott es definiert hätte. Zu Recht, würde er meinen, anders würde er es ja sonst nicht behaupten. Drum kann es also auch nicht widersprochen werden, was schlussendlich also heißen muss, dass die Deutsche Welle den lang ersehnten Orgasmus darstellte, auf den Mensch und Natur so hart hingearbeitet haben. Gut, Natur ist dann doch etwas übertrieben, aber Mensch reicht ja vollkommen aus. Ein Dilemma, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, schließlich brachte es der Natur ja nichts. Sie bekam Gott und Gaben, doch machte nicht mal Anstalten, auch nur ein verständliches Wort daraus zu filtern. Vielleicht hätte die Musik einfach lauter aufgedreht werden müssen, wie er sich dann mit solch einer Art von Begründung ins Wort fallen würde. So laut, dass selbst der größte Vogel sich nicht getraut hätte, auch nur einen Fuß auf Muttererde zu setzen. Aber das wäre ja natürlich Schwachsinn, wer würde so etwas denn wollen?

„Also ich ganz bestimmt nicht“, das hätte er gesagt. Sich eine Kippe aus seinen Haaren gezogen und ohne sie anzumachen fortgesetzt: „Brauch ich halt nicht, ist deren Verlust. Tut weh, das kann ich nicht leugnen, gerade wenn es genauso deren Verdienst ist wie unserer. Doch wer bin ich, der denen klarmacht, was sie hier verpasst haben? Wieso sollte ich so eine Bürde auf mich nehmen, vor allem wenn ich doch wichtigere Träume habe, hä?“

Grade, wenn er doch wichtigere Träume besaß, aber na ja, so viel dazu. Gott mochte jedenfalls die Neue Deutsche Welle. So sehr, dass es für ihn beinahe nicht infrage kam, freiwillig andere Musik zu hören. Es würde einfach nicht seiner Empfindung entsprechen, seiner Natur. Und diese muss ja natürlich bewahrt werden, das ist klar. So war also aus der Jukebox im „Glück Auf“ beinahe nur eine Musikrichtung zu vernehmen. Als wäre sie darauf getrimmt Hubert Kah und was nicht alles preiszugeben, einzig und allein, weil ihr einfach danach war. Stunde für Stunde, was beachtlich ist, wenn man bedenkt, wie marode sie schon ist. Hat die besten Jahre nun mal hinter sich, doch ihre Anwesenheit wurde nach wie vor geschätzt. Von Gott zumindest auf jeden Fall, der ließ ja mehr als genug Geld dort hineinfließen. Damit auch jeder Anwesende in den Genuss der beinah vergessenden Zeit kam. „Glück Auf“ ist der Name der Kneipe, in der sich besagte Szenarien mehr als oft abgespielt haben. Vor ihr stehe ich also jetzt mit einem Ohr lauschend, um von außen die Musik wahrzunehmen, die nicht vorhanden ist. Bedrückend wie ich finde, es war recht selbstverständlich. Doch nützen tut es nichts, die Zeit scheint vorbei. Tür wird geöffnet, Diele betreten. Schaue mich um und setze mich hin.

3. Euster ist ein Moslem

Will heißen, dass er nicht trinkt. Umso eigenartiger also, dass ihm eine Kneipe gehört, aber wer bin ich, der dies hinterfragen würde? Im Endeffekt geht es ja nur ums Geschäft und solange er über die Runden kommt, ist es ihm wohl gleich, womit er sein Geld verdient. Ansonsten würde er ja hier nicht stehen.

Gesprächig ist er nicht, wirkt beinahe stumm. Steht hinter der Theke und schenkt das Bier aus, so als wäre es das Normalste auf der Welt. Was es natürlich auch ist.

Jedenfalls ist Euster nicht gesprächig. Fragen kann man fragen, Antworten jedoch, bleiben äußerst knapp. So ist er nun mal, niemand scheint es zu stören. Allgemein ist im „Glück Auf“ von einem nicht lebhaften Klientel auszugehen, was in Bezug auf den Namen der Kneipe doch widersprüchlich wirken kann. Müde Geschöpfe, die sich nach Gesellschaft sehnen, jedoch nicht die Mühe aufnehmen, sich in Gespräche zu verheddern. Wenn da nicht Gott gewesen wäre. Dieser hatte es als Aufgabe gesehen, der trostlosen Atmosphäre ein Lächeln zu schenken. Oder eher irgendeine Reaktion hervorzulocken, es gab schon einen Grund, wieso er nicht sonderlich beliebt war. Aber na ja, er war nun mal da. Trank Euster`s Gaben und zelebrierte sein Dasein, als wäre es das Normalste auf der Welt. Was im Grunde genommen natürlich auch stimmte.

Seinen richtigen Namen, den kannte keiner, es gab höchstens nur Vermutungen. Falls überhaupt jemand den Aufwand betrieben hat, darüber nachzudenken. Euster gehörte zu denjenigen, zumindest war es Gott nicht erlaubt, sich im „Glück Auf“ so zu nennen.

„Eine Sache des Respekts“, wie Euster zu sagen pflegte, denn diese Thematik wurde schon mehrmals verdaut. Hochgewürgt und durchgekaut, nur um letztlich denselben und selben Brei zu erhalten. Denn Gott hielt sich natürlich nicht daran. Es wäre doch eine Sache des Respekts, wie er des Öfteren von sich gab, nur um Euster`s Worte mit Belustigung zu verdrehen. Wirklich witzig fand es nur einer, aber der gab sich ja die Kugel. Im Grunde genommen spielten auch nur wenige seine Spielchen mit und nannten ihn so. Warum sollte man auch, er war doch nur ein Spinner. Verbrachte seine Freizeit in einer trübseligen Kneipe und will sich hier als sonst wen profilieren, ja klar, du mich auch. So ähnlich mussten es die meisten wohl gedacht haben. Gab keinen einzigen vernünftigen Satz von sich, aber will Hauptsache Personenkult betreiben. Falls er überhaupt so weit gedacht hat, sein Gedankenlauf bleibt ein Rätsel. Selbst für mich, aber man sollte sich daran wirklich nicht aufhängen. Es würde zu nichts führen.

„Euster“, frage ich jetzt jedenfalls, „hast du es auch schon gehört?“

Groß und schmal, Vollbart und Hakennase, es gleicht einem Klischee. Putzt seine Gläser und lässt sich Zeit beim Antworten: „Er hat mir noch Geld geschuldet.“

Einige Sekunden vergehen, bis ich merke, dass mehr nicht kommt. Was habe ich auch erwartet?

„Mach mir bitte eins.“

4. Die Musik war echt am Arsch

Nein, sie war ja gar nicht an. Habe ich mich etwa ablenken lassen? Ich schaue mich um.

„Vorübergehend außer Betrieb“, wie mir das Schild weismachen will, aber wer`s glaubt, wird selig. Bevor dieses Ding auch nur wieder einen Hauch an Leben zu verspüren mag, werde ich Gott schon Gesellschaft leisten. Nehme ich an, wer bin ich, der dies abstreiten würde? Aber nun gut, davon abgesehen wirkt es heute trister als sonst. Wenig besucht, was an einem Mittwoch nicht allzu verwunderlich