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Von Liebe, Ehrverletzung, Mord und Rache handelt das um 1200 entstandene "Nibelungenlied". In über 2000 Strophen erzählt das Heldenepos von Siegfried, dem heldenhaften Drachentöter, von König Gunther und dessen schöner Schwester Kriemhild, von der isländischen Königin Brunhild und dem verschlagenen Vasallen Hagen von Tronje, der den Schatz der Nibelungen bei Worms im Rhein versenkt. Hier in der lesefreundlichen Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen von Felix Genzmer. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.
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Seitenzahl: 473
Übersetzt von Felix Genzmer
Anmerkungen und Nachwort von Bernhard Sowinski
Reclam
1965, 1992, 2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2021
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-961908-8
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-978-3-15-014190-8
www.reclam.de
Das Nibelungenlied
Wie Kriemhild bei den Burgunden aufwuchs
Wie Sigfrid erzogen ward
Wie Sigfrid nach Worms kam
Wie Sigfrid mit den Sachsen stritt
Wie Sigfrid Kriemhild zum ersten Male sah
Wie Gunther gen Island zu Brünhild fuhr
Wie Gunther mit seinen Gefährten nach Island kam
Wie Sigfrid zu den Nibelungen, seinen Recken, fuhr
Wie Sigfrid nach Worms gesandt ward
Wie König Gunther zu Worms mit Frau Brünhild Hochzeit feierte
Wie Sigfrid sein Weib zu seinem Heimatlande brachte und wie sie daheim ihre Hochzeit feierten
Wie Gunther Sigfrid und Kriemhild nach Worms einlud, wo man ihn später erschlug
Wie Kriemhild mit ihrem Mann zum Hofgelage zog
Wie sich die Königinnen überwarfen
Wie man zu Worms Fehde ansagte
Wie Sigfrid ermordet ward
Wie Kriemhild ihren Mann beklagte und wie man ihn begrub
Wie Kriemhild dort blieb und ihr Schwäher von dannen ritt
Wie der Nibelungenhort nach Worms gebracht ward
Wie der König Etzel nach Frau Kriemhild zu Worms seinen Boten sandte
Wie Kriemhild von Worms schied, als sie zu den Hunnen fuhr
Wie Kriemhild und Etzel in der Stadt Wien Hochzeit feierten
Wie der König Etzel und Frau Kriemhild zu ihren Gefreundten nach Worms sandten
Wie die Boten zum Rheine kamen und wie sie von dort schieden
Wie die Könige zu den Hunnen zogen
Wie sie mit Else und Gelfrat stritten und wie es ihnen da gelang
Wie der Markgraf die Könige mit ihren Recken in seinem Hause empfing und wie er sie dann versorgte
Wie die Nibelunge zu Etzels Burg kamen und wie sie da empfangen wurden
Wie er nicht vor ihr aufstand
Wie die Könige mit ihren Recken schlafen gingen und was ihnen da geschah
Wie die Herren zur Kirche gingen
Wie Blödel mit Dankwart in der Herberge stritt
Wie Dankwart die Nachricht seinen Herren zum Hofe brachte
Wie Iring erschlagen ward
Wie die drei Könige mit ihrer Schwester über die Sühne redeten
Wie Rüdeger erschlagen ward
Wie Dietrichs Recken alle erschlagen wurden
Wie Dietrich Gunther und Hagen bezwang
Anmerkungen
Literaturhinweise
Textausgaben
Ausgewählte Forschungsliteratur
Nachwort
Das Nibelungenlied um 1200
Sagengeschichtliches
Aufbau und Erzählstruktur
Das Erzählkonzept der Nibelungengeschichten
Sigfrid und seine Liebesgeschichte
Kriemhilds Liebe und Rache
Hagens Gegenspiel
Zur Rezeption des Nibelungenliedes
Zur vorliegenden Übersetzung
Erstes Abenteuer
Uns sind in alten Mären Wunder viel gesagt
von Helden, reich an Ehren, von Kühnheit unverzagt,
von Freude und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen,
von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen.
Es erwuchs in Burgunden ein edles Mägdelein,
dass in allen Landen kein schöneres mochte sein:
Kriemhild war sie geheißen; sie ward ein schönes Weib.
Um sie mussten der Degen viel verlieren Leben und Leib.
Geliebt zu werden ziemte der minniglichen Maid.
Viel Recken sie begehrten; keinem war sie leid.
Schön ohne Maßen, so war ihr schmucker Leib.
Der Jungfrau edle Sitten wären eine Zier für jedes Weib.
Sie pflegten drei Könige, edel und reich:
Gunther und Gernot, denen keiner gleich,
und Giselher, der junge, ein ausgewählter Degen.
Die Maid war ihre Schwester; die Fürsten hatten sie zu pflegen.
Ute ihre Mutter, die reiche Herrin, hieß.
Ihr Vater, der hieß Dankrat, der das Erbe hinterließ
nach seines Lebens Ende, an Kraft ein mächtiger Mann,
der auch in seiner Jugend großer Ehren viel gewann.
Die Herren waren milde, von Herkunft hochgeboren,
maßlos kühn an Kräften, die Recken auserkoren,
dort bei den Burgunden; so war ihr Land genannt.
Sie wirkten starke Wunder später noch in Etzels Land.
Zu Worms an dem Rheine sie saßen in ihrer Kraft.
Aus ihren Landen diente viel stolze Ritterschaft
in rühmlichen Ehren all ihres Lebens Zeit.
Voll Jammers später sie starben durch zweier edler Frauen Streit.
Die drei Könige waren, wie ich gegeben an,
hohes Heldenmutes. Ihnen waren untertan
auch die besten Recken, von denen man gesagt,
starke und vielkühne, in scharfen Kämpfen unverzagt.
Das war von Tronje Hagen und auch der Bruder sein,
Dankwart, der gar schnelle, von Metz Herr Ortwein,
die beiden Markgrafen, Gere und Ekkewart,
Volker von Alzei, in allen Kräften wohl bewahrt.
Rumolt war Küchenmeister, ein auserwählter Degen,
Sindold und Hunold; die alle mussten pflegen
des Hofes und der Ehren, den Königen untertan.
Sie hatten noch manchen Recken, den ich nimmer nennen kann.
Dankwart war der Marschall. Da war der Neffe sein
Truchsess des Königs: von Metz Herr Ortwein.
Sindold, der war Mundschenk, ein auserwählter Degen;
Kämmerer war Hunold. Sie konnten hoher Ehren pflegen.
Von des Hofes Glanze und ihrer großen Kraft,
von ihrer hohen Würde und ihrer Ritterschaft,
die die Herren da übten in Freuden all ihr Leben,
davon könnte euch wahrlich niemand volle Kunde geben.
In diesen hohen Ehren träumte Kriemhilden,
wie sie zöge einen Falken, einen starken, schönen, wilden,
den ihr zwei Aare erkrallten: da sie das musste sehn,
ihr konnt auf dieser Erde nie ein größer Leid geschehn.
Den Traum sie da sagte ihrer Mutter Uten.
Die konnte nicht besser deuten ihn der Guten:
»Der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann.
Ihn wolle Gott behüten; sonst ist es bald um ihn getan.«
»Was sagt ihr vom Manne, vielliebe Mutter mein?
Ohne Reckenminne, so will ich immer sein.
So schön will ich bleiben bis an meinen Tod,
dass ich von Mannesminne nie gewinnen möge Not.«
»Lehn ab es nicht so gänzlich«, die Mutter sprach also;
»sollst du je auf Erden von Herzen werden froh,
das ist von Mannesminne. Du wirst ein schönes Weib,
wenn Gott dir bescheret noch eines guten Ritters Leib.«
»Dies Wort in Ruhe bleibe, Herrin mein, fürwahr!
Es ist an manchem Weibe oft schon worden klar,
wie Liebe mit Leide am Ende lohnen kann.
Ich muss sie meiden beide; so ficht kein Missgeschick mich an.«
Kriemhild hielt im Mute von Minne frei den Sinn.
Sie lebte, die viel Gute, manchen Tag dahin,
so dass sie niemand wusste, den sie wünschte zum Mann,
bis sie doch mit Ehren einen kühnen Ritter gewann.
Das war derselbe Falke, den sie im Traume sah,
den ihr gedeutet die Mutter. Wie rächte sie es da
an ihren nächsten Magen, die ihn geschlagen tot!
Durch des einen Sterben kam mancher Mutter Kind in Not.
Zweites Abenteuer
Da wuchs in den Niederlanden eines reichen Königs Kind,
sein Vater, der hieß Sigmund, seine Mutter Sigelind,
in einer reichen Feste, weithin wohlbekannt,
drunten an dem Rheine; Santen war sie genannt.
Ich sag euch von dem Degen, wie so schön er ward.
Er blieb vor jeder Schande immer wohl bewahrt.
Ruhmreich und kräftig ward bald der kühne Mann.
Hei, was an hohen Ehren auf dieser Erde er gewann!
Sigfrid war geheißen der schnelle Degen gut.
Er erprobte viele Reiche in kraftbeherztem Mut.
Seines Leibes Stärke bracht ihn in manches Land.
Hei, was an schnellen Degen er bei den Burgunden fand!
Bevor der kühne Degen erwachsen war zum Mann,
da hatt er solche Wunder mit seiner Hand getan,
davon in aller Zukunft man singen mag und sagen,
dass wir von dem verschweigen müssen viel in diesen Tagen.
In seinen besten Zeiten, zu seinen jungen Tagen,
mochte man viele Wunder von Sigfrid schon sagen,
wie Ehren ihm erwuchsen, wie schön ward sein Leib.
Drum dachte sein in Minne manches anmutige Weib.
Man erzog ihn mit der Sorgfalt, die ziemt dem edeln Mann;
durch sein eignes Wesen viel Tugend er gewann.
So ward er zur Zierde für seines Vaters Land,
dass man in allen Dingen wahrhaft herrlich ihn erfand.
Er war nun erwachsen und zu Hof zu gehn bereit.
Die Leute sahn ihn gerne; manche Frau und manche Maid
wünschten, dass sein Wille ihn immer zöge dahin.
Ihm waren hold gar viele; das spürte wohl des Degens Sinn.
Nie ließ ohne Obhut man reiten ihn als Kind.
Ihn ließ mit Kleidern zieren seine Mutter Sigelind.
Sein pflegten auch die Weisen, denen Ehre wohlbekannt.
Drum mochte er wohl erwerben beides: die Leute wie das Land.
Nun war er reif an Kräften, dass er Waffen trug;
was dazu er brauchte, das hatte er genug.
Schon sann er zu werben um manches schöne Weib.
Die dachten wohl mit Ehren an des kühnen Sigfrids Leib.
Da ward von König Sigmund den Mannen kund gemacht,
er hätte mit lieben Freunden ein hohes Fest bedacht.
Die Kunde man da brachte in andrer Könige Land.
Den Fremden und den Freunden gab er Ross und Gewand.
Wen man finden konnte, der Ritter sollte sein,
von Art seiner Magen, die Edelknaben fein,
den lud man nach dem Lande zu der Festlichkeit,
dass mit dem jungen König das Schwert er nähme zur selben Zeit.
Von dem hohen Feste konnte man Wunder sagen,
Sigmund und Sigelind mochten davon tragen
viel Ehre durch Geschenke, die verteilte ihre Hand.
Drum sah man viele Fremden zu ihnen reiten durch das Land.
Vierhundert Schwertdegen sollten gekleidet sein
mit dem jungen König. Manch schönes Mägdelein
war rastlos am Werke; sie waren ihm alle hold.
Viele edeln Steine legten die Frauen in das Gold.
Die wollten sie mit Borten auf die Gewande nähn
den stolzen Schwertdegen; das musste so geschehn.
Der Wirt ließ Sitze bauen für manchen kühnen Mann
zu einer Sonnenwende, bei der die Festlichkeit begann.
Da ging zu einem Münster so mancher schmucke Knecht
und mancher edle Ritter. Die Alten taten recht,
dass sie den Jungen dienten, wie man ihnen einst getan;
sie hatten ihre Kurzweil und auch viel Freude daran.
Gott man da zu Ehren eine Messe sang.
Mit Macht von den Leuten da jeder vorwärtsdrang,
wie sie zu Rittern wurden nach Ritterbrauch gemacht
mit also hohen Ehren, dass nie man schaute mehr an Pracht.
Sie eilten, wo sie fanden gesattelt Rosse viel
in dem Hofe Sigmunds; da gabs ein Ritterspiel,
dass man ertosen hörte Palas und Saal.
Die hochgemuten Degen erhoben mächtigen Schall.
Von Alten und von Jungen man hörte manchen Stoß;
es ward vom Schäftebrechen das Getöse groß.
Splitter sah man fliegen bis zum Palas hinan;
von mancher Recken Hände ward voll Eifers dies getan.
Der Wirt gebot es zu lassen. Man führte die Rosse fort.
Nun sah man auch zerbrochen viel starke Schilde dort,
viele edeln Steine gestreut auf das Feld
von lichten Schildes Spangen; die hatte da ein Stoß zerschellt.
Da gingen des Wirtes Gäste, wo man sie sitzen hieß.
Von vieler edeln Speise Ermattung sie verließ,
vom allerbesten Weine, den man in Fülle trug.
Den Fremden und Bekannten bot man Ehre da genug.
So viel auch bei Kurzweil den Tag sie brachten zu,
viele fahrenden Leute kamen nicht zur Ruh.
Sie dienten um die Gaben, die man da reichlich fand.
Drum ward ihr Lob zur Zierde König Sigmunds ganzem Land.
Der Fürst hieß verleihen Sigfrid, dem jungen Mann,
Lande und Burgen, wie einst er selbst getan.
Seinen Schwertgenossen gab viel seine Hand.
Da freute sie die Reise, dass sie gekommen in das Land.
Die Festlichkeit währte bis an den siebenten Tag.
Siglind, der reichen, von Alters ob es lag,
um des Sohnes willen zu verteilen rotes Gold.
Sie konnte es wohl verdienen, dass ihm die Leute waren hold.
Gar wenig man an armen Fahrenden da fand:
Rosse und Kleider verschleudert ihre Hand,
als hätten sie zu leben nur eines Tages Zeit.
Man sah bei Ingesinde nie größre Freigebigkeit.
Mit preislichen Ehren schloss die Festlichkeit.
Mächtige Herren hörte man sagen nach der Zeit,
dass sie den Jungen wollten haben zu ihrem Herrn.
Sigfrid, dem gar schmucken, lag solches Begehren fern.
Solange beide lebten, Sigmund und Sigelind,
nicht wollte die Krone tragen ihr geliebtes Kind.
Doch wollt er Herr werden aller Gewalt im Land,
die irgend furchtbar dünkte den Degen kühn und vielgewandt.
Ihn durfte niemand schelten, seit er die Waffen nahm.
Zur Ruhe kam gar selten der Recke lobesam.
Es suchte nichts als Streiten seine starke Hand.
Die ward zu allen Zeiten in fremden Reichen wohlbekannt.
Drittes Abenteuer
Den Herren traf da selten irgendein Herzeleid.
Er vernahm die Kunde, dass eine so schöne Maid
bei den Burgunden wäre, wie man nur wünschen kann,
von der er noch viele Freuden und viel Mühsal auch gewann.
Von ihrer stolzen Schönheit ging die Kunde weit;
und auch ihr Hochgemüte zu der gleichen Zeit
hatte bei der Jungfrau so mancher Held erkannt.
Das lockte viele Degen hin in König Gunthers Land.
So viele um ihre Minne man auch werben sah,
Kriemhild in ihrem Sinne selber nie geschah,
dass sie jemand wollte haben zum trauten Mann.
Noch fremd geblieben war ihr, dem bald sie wurde untertan.
Da sann auf hohe Minne der Siglinde Kind.
Aller andern Werben, das ging in den Wind.
Er mochte wohl verdienen schöner Frauen Leib.
Bald ward die edle Kriemhild des kühnen Helden Sigfrid Weib.
Ihm rieten seine Magen und auch manch andrer Mann,
wenn auf stete Minne sich richtete sein Plan,
dass er eine wählte, die an Rang gleich ihm käme.
Da sprach der edle Sigfrid: »Kriemhild alsdann ich nehme,
die edele Jungfrau aus Burgundenland
in ihrer großen Schönheit. Das ist mir wohlbekannt,
kein Kaiser sei so mächtig; hätt er ein Weib im Sinn,
ihm zu minnen ziemte diese reiche Königin.«
Diese Märe hörte da König Sigmund.
Davon sprachen seine Leute. Dadurch ward ihm kund
der Willen seines Sohnes. Das war ihm bitter leid,
dass er werben wollte um diese herrliche Maid.
So vernahm es auch die Mutter, die edle Sigelind.
Sie musste schwere Sorge haben um ihr Kind:
sie meint ihn zu verlieren durch Gunthers Heeresbann.
Die Werbung man dem Degen sehr zu widerraten begann.
Da sprach der starke Sigfrid: »Viellieber Vater mein,
ohn aller Frauen Minne wollte ich immer sein,
ich würbe denn, wo mein Herze innige Liebe hat.«
Was man auch reden mochte, es gab dawider keinen Rat.
»Willst du davon nicht lassen«, der König sprach also,
»so bin ich deines Willens doch im Innern froh
und will zum Ziel dir helfen, wie ichs am besten kann.
Doch hat der König Gunther gar manchen übermütigen Mann.
Wenns niemand anders wäre als Hagen, der Degen;
der weiß voll Übermutes der Hoffahrt zu pflegen,
so dass ich sehr befürchte, dass es uns werde leid.
Solche Mär erzählt man von den Recken weit und breit.«
»Wie kann uns das hindern?« hub da Sigfrid an.
»Was ich nicht in Freundschaft von ihnen erbitten kann,
das mag mit ihren Kräften erwerben meine Hand;
ich trau mich zu erzwingen beides, Leute und Land.«
»Die Rede ist mir schmerzlich«, sprach König Sigmund;
»denn wenn diese Märe am Rheine würde kund,
dann dürftest du nimmer reiten in das Land:
Gunther und Gernot, die sind mir lange bekannt.
Mit Gewalt erwerben kann niemand die Maid«,
sprach der König Sigmund. »Da weiß ich wohl Bescheid.
Wollen wir aber mit Recken reiten in das Land,
unsern besten Freunden gebe ich die Fahrt bekannt.«
»So ist mir nicht zumute«, sprach da Sigfrid,
»dass mir Recken sollen zum Rheine folgen mit,
wohl auf einer Heerfahrt; das wäre mir gar leid,
sollt ich so erzwingen diese herrliche Maid.
So soll sie erwerben allein meine Hand:
Ich will mit zwölf Gefährten in König Gunthers Land;
dazu sollt Ihr mir helfen, Vater Sigmund.«
Da gab man seinen Degen zu Kleidern Stoff, grau und bunt.
Da vernahm auch diese Kunde seine Mutter Sigelind.
Sie begann zu trauern um ihr liebes Kind.
Sie war in schwerer Sorge vor König Gunthers Heer.
Die Königin, die edle, darüber weinte sie sehr.
Da kam der Herr Sigfrid, wo die Frau er sah,
hin zu seiner Mutter. Gütig sprach er da:
»Um meinetwillen sollt Ihr nimmer weinen, Frau:
sorglos jeden Helden zu bestehn ich mich getrau.
Doch helfet mir zur Reise nach Burgundenland,
dass ich mit meinen Recken habe solch Gewand,
wie es so stolze Helden in Ehren mögen tragen.
Dank dafür will ich Euch von Herzen immer sagen.«
»Willst du davon nicht lassen«, sprach Frau Sigelind,
»so helf ich dir zur Reise, mein einziges Kind,
mit der besten Kleidung, die je ein Ritter trug,
dir und deinen Gefährten; ihr sollt von allem haben genug.«
Da neigte sich ihr mit Züchten der vielkühne Mann.
Er sprach: »Zur Fahrt will ich niemand nehmen an
außer zwölf Gefährten, prächtig anzusehn.
Ich will gern versuchen, wie es um Kriemhild möge stehn.«
Da saßen schöne Frauen den Tag und die Nacht;
wenig war auf Muße eine von ihnen bedacht,
bis sie gefertigt hatten Sigfrids Kleiderstaat.
Der wollte für seine Ausfahrt weiter haben keinen Rat.
Sein Vater gab zur Zierde ein ritterlich Gewand,
darin er reiten sollte zum Burgundenland.
Ihre lichten Brünnen, die waren auch bereit,
und ihre festen Helme; ihre Schilde waren schön und breit.
So kam für ihre Ausfahrt die Zeit nun heran.
Wie es ihnen ergehen würde, zu sorgen man begann,
ob sie wieder kommen würden in ihr Land.
Da belud man für die Degen Pferde mit Waffen und Gewand.
Schön waren die Rosse, das Reitzeug golden rot.
Dünkte sich jemand höher, das wäre keine Not,
als Sigfrid es wäre und auch seine Mannen.
Urlaub er begehrte, zu reiten nun nach Worms von dannen.
Den gewährten traurig König und Königin.
Er tröstete sie beide mit minniglichem Sinn.
Er sprach: »Um meinetwillen traget keine Pein!
Um mein Leben sollt Ihr immer ohne Sorge sein.«
Trauer schuf es den Recken; es weinte manche Maid.
Mich dünkt, dass im Herzen sie ahnten das Leid,
dass ihnen viele Freunde darum lägen tot.
Sie hatten Grund zur Klage; das schuf ihnen einstmals Not.
Am siebenten Morgen zu Worms auf den Strand
ritten nun die Kühnen. All ihr Gewand
war von rotem Golde; geziert ihr Reitzeug war.
Die Rosse gingen in Ordnung in des Herren Sigfrids Schar.
Neu waren ihre Schilde, stark sowie breit,
und licht ihre Helme, als mit dem Geleit
Sigfrid zu Hofe ritt in Gunthers Land.
Man schaute an Helden nie so herrliches Gewand.
Die Schwertspitzen reichten nieder auf den Sporn;
sie führten scharfe Speere, die Ritter auserkorn.
Sigfrid führte einen wohl zwei Spannen breit,
der mit seinen Schneiden gar gefährlich war im Streit.
Goldrote Zäume hielt ihre Hand;
mit seidnen Brustriemen kamen sie in das Land.
Das Volk allenthalben sie anzustaunen begann.
Gunthers Mannen liefen viele zu ihnen da heran.
Die hochgemuten Recken, Ritter sowie Knecht,
eilten ihnen entgegen – sie taten, wie es recht –
und empfingen die Gäste in ihrer Herren Land;
sie nahmen ihnen die Rosse und die Schilde von der Hand.
Zu dem Stall man wollte die Rosse führen fort.
Doch Sigfrid sprach, der starke, zu den Helden dieses Wort:
»Lasst uns noch die Pferde eine Weile stehn!
Das ist meine Absicht: wir wollen bald von hinnen gehn.
Man soll auch unsre Schilde davon nimmer tragen.
Wo ich den König finde, kann mir das jemand sagen,
Gunther, den reichen, aus Burgundenland?«
Da sagte es ihm einer, dem genau es war bekannt.
»Wollt Ihr den König finden, das kann wohl geschehn:
in jenem weiten Saale hab ich ihn gesehn
unter seinen Degen. Wollt Ihr gehn hinan,
so könnt Ihr bei ihm finden manchen auserwählten Mann.«
Inzwischen auch dem König gebracht die Kunde war,
auf seinem Hofe wäre eine wackre Ritterschar,
die lichte Brünnen trüge und herrliches Gewand.
Sie kannte noch niemand in der Burgunden Land.
Den König nahm es wunder, woher gekommen an
die herrlichen Recken, so glänzend angetan
und mit so schönen Schilden, neu sowie breit.
Dass niemand es sagen konnte, das tat dem König Gunther leid.
Antwort gab ein Recke, der hieß Ortwein –
stark sowie mutig mochte er wohl sein –:
»Wenn wir sie nicht erkennen, so sollt Ihr holen gehn
meinen Oheim Hagen; den wollen wir sie lassen sehn.
Ihm sind kund die Reiche und alles fremde Land.
Kann er sie erkennen, so gibt ers uns bekannt.«
Ihn ließ der König holen mit den Mannen sein.
Züchtiglich trat er am Hofe vor dem König ein.
Was der Herrscher wolle, so fragte da Hagen.
»Es sind zu meinem Hause gekommen fremde Degen,
die niemand hier kennet; habt im fremden Land
Ihr sie schon gesehen, so gebt es, Hagen, uns bekannt!«
»Das tu fürwahr ich gerne.« Zum Fenster trat er da;
mit prüfendem Blicke er auf die Gäste sah.
Wohl gefiel ihm ihr Geräte und auch ihr Gewand;
doch waren sie ihm fremde in der Burgunden Land.
Er sprach, woher auch kämen die Recken an den Rhein,
sie möchten Fürsten selber oder Fürstenboten sein.
»So schön sind ihre Rosse, ihre Kleider sind so gut.
Woher sie auch geritten, sie haben einen hohen Mut.«
Also sprach da Hagen: »Soweit ichs sagen mag,
sah ich auch nimmer Sigfrid bis auf diesen Tag,
so will ich doch glauben, wie es damit auch geht,
dass er es ist, der Recke, der dort so herrlich vor uns steht.
Er bringet uns Märe her in dieses Land:
die kühnen Nibelungen schlug des Helden Hand,
die reichen Königssöhne Schilbung und Nibelung;
er wirkte große Wunder mit seines starken Armes Schwung.
Als der Held alleine ohn alle Hilfe ritt,
fand er vor einem Berge – so teilte man mir mit –
beim Nibelungenhorte manchen kühnen Mann.
Sie waren ihm noch fremde, bis er die Kunde dort gewann.
Der Hort König Nibelungs, der wurde da getragen
aus einem hohlen Berge. Nun hört Wunder sagen,
wie ihn teilen wollten die Nibelungen dann!
Das sah der Degen Sigfrid. Der Held zu wundern sich begann.
Er kam so nahe ihnen, dass er die Recken sah
und ihn auch die Degen. Einer sagte da:
›Hier kommt der starke Sigfrid, der Held aus Niederland.‹
Viel seltsame Dinge er bei den Nibelungen fand.
Den Recken wohl empfingen Schilbung und Nibelung,
Einmütig baten die edeln Fürsten jung,
den Schatz ihnen zu teilen, den vielkühnen Mann.
Sie baten ihn so lange; und er gelobte es alsdann.
Er sah viel edle Steine, wie wir hörten sagen –
hundert Lastwagen könnten es nicht tragen –,
noch mehr des roten Goldes von Nibelungenland.
Das sollte alles teilen des vielkühnen Sigfrids Hand.
Sie gaben ihm zum Lohne König Nibelungs Schwert.
Doch ward der Dienst ihnen gar übel gewährt,
den ihnen da leisten sollte der vielkühne Mann:
er bracht es nicht zustande. Da griffen sie den Helden an.
Den Schatz musste er liegen lassen ungeteilt.
Der beiden Könige Mannen kamen zum Kampf geeilt.
Mit ihres Vaters Schwerte, das Balmung war genannt,
erstritt von ihnen der Kühne den Hort und das Nibelungenland.
Sie hatten da als kühne Freunde zwölf Mann,
die stark wie Riesen waren. Was focht ihn das an?
Die schlug alsbald im Zorne Sigfrids starke Hand;
und siebenhundert Recken bezwang aus Nibelungenland
er mit dem guten Schwerte, geheißen Balmung.
In ihrem starken Schrecken gar manche Recken jung,
den vor dem Schwert sie hatten und vor dem kühnen Mann,
das Land mit den Burgen machten sie ihm untertan.
Dazu die reichen Könige, die schlug er beide tot.
Durch Alberich kam er darauf in große Not:
seine Herrn wollt schleunig rächen seine Hand,
bevor die große Stärke er an Sigfrid erkannt.
Da konnt ihn nicht bestehen der kräftige Zwerg.
Wie die wilden Löwen liefen sie an den Berg,
wo er die Tarnkappe Albrich abgewann.
Da ward der Herr des Hortes Sigfrid, der vielkühne Mann.
Die da gewagt zu kämpfen, die lagen alle erschlagen.
Den Schatz ließ alsbald er hinbringen und tragen,
woher Niblungs Mannen zuvor ihn gebracht.
Alberich, der starke, ward zum Kämmerer gemacht.
Er musst ihm Eide schwören. Er diente ihm als Knecht;
jeder Art Dienste leistet’ er ihm recht.«
So sprach Hagen von Tronje: »Das hat er getan.
Also große Kräfte nie ein Recke noch gewann.
Noch eine Mär weiß ich; die ist mir wohl bekannt:
Einen Linddrachen erschlug des Helden Hand.
Dann badet’ er in dem Blute. So ward dem Recken wert
die Haut von solcher Härte, dass keine Waffe sie versehrt.
Nun sollen wir den Helden empfangen desto bass,
dass wir uns nicht zuziehn seinen starken Hass.
Er ist so kühnes Sinnes; man soll hold ihm nahn.
Er hat mit seinen Kräften so manches Wunder schon getan.«
Da sprach der reiche König: »Du sprichst, mein ich, wahr.
Nun sieh, wie heldenmäßig er steht vor Streitgefahr,
er und seine Degen, der wunderkühne Mann.
Wir wollen ihm entgegen hinuntergehn und ihn empfahn.«
»Das mögt Ihr«, sprach Hagen; »Ehre ziemt ihm schon:
er ist von hoher Abkunft, eines reichen Königs Sohn,
er steht so da, der hehre; mich dünkt – das wisse Christ! –
dass es nichts Kleines wäre, darum er hergeritten ist.«
Da sprach der Herr des Landes: »So sei er uns willkommen!
Er ist kühn und edel; das hab ich wohl vernommen.
Das soll er auch genießen im Burgundenland.«
Da ging der König Gunther hin, wo Sigfrid er fand.
Der Fürst und seine Recken empfingen so den Gast,
dass mit hohen Ehren begann seine Rast.
Drum neigte sich ihnen der Vielkühne da.
Züchtiglich stehen vor seinen Recken man ihn sah.
»Mich wundert«, sprach der König, zu seinem Gast gewandt,
»von wannen Ihr, edler Sigfrid, kommt in unser Land,
oder was Ihr begehret zu Worms an dem Rhein?«
Da sprach der Gast zum König: »Das soll Euch unverhohlen sein.
Mir ward gesagt die Märe in meines Vaters Land,
dass hier bei Euch wären – das hätt ich gern erkannt –
die allerkühnsten Recken – so hab ichs oft vernommen –
die je gewann ein König; darum bin ich hergekommen.
Auch hörte ich Euch selber Mannheit zugestehn,
so dass man keinen kühnern König je gesehn.
Das rühmen viel die Leute in diesem ganzen Land.
So will ich nimmer ruhen, bis ich es selber habe erkannt.
Ich bin auch ein Recke und soll die Krone tragen.
Ich will das gern erreichen, dass sie von mir sagen,
dass mit Recht ich hätte die Leute wie das Land.
Dafür sei meine Ehre und auch mein Haupt gesetzt zum Pfand.
Seid Ihr nun so tapfer, wie Euch die Kunde zeiht,
so frag ich nicht, ob es jemand sei lieb oder leid.
Ich will von Euch erzwingen, was Euch gehöret an;
Land sowie Burgen, das soll mir werden untertan.«
Den König nahm es wunder und sein Volk umher,
als er vernommen hatte des Helden Begehr,
dass er die Absicht hätte, zu nehmen ihm sein Land.
Das hörten seine Degen; da wurden sie gar zornentbrannt.
»Wie hätt ich das verdienet«, sprach Gunther, der Degen,
»dem mein Vater lange in Ehren obgelegen,
dass wirs verlieren sollten ob jemandes Kraft?
Wir ließen übel sehen, dass wir auch pflegen Ritterschaft.«
»Ich will davon nicht lassen«, sprach der kühne Mann.
»Mag sein, dass durch deine Kräfte Friede das Land gewann;
ich will sein nun walten und auch des Erbes mein.
Doch gewinnt es deine Stärke, so soll es dir untertänig sein.
Dein Land und auch das meine sollen gleich viel wiegen:
wer von uns beiden den andern kann besiegen,
dem soll es alles dienen, die Leute und auch das Land.«
Dawider schnell alleine der Herr Gernot Worte fand.
»Wir wollen es nicht vollbringen«, sprach da Gernot,
»dass wir Lande erzwingen, darum jemand tot
läge von Reckenhänden. Wir haben ein reiches Land,
das dient uns mit Rechten und niemand besser zugewandt.«
In grimmigem Zorne da standen die Freunde sein;
da war auch darunter von Metz Herr Ortwein.
Der sprach: »Diese Sühne ist mir von Herzen leid;
wider Euch hat Sigfrid unverdient erhoben Streit.
Ob Ihr und Eure Brüder auch hättet keine Wehr
und ob er auch führte ein großes Königsheer,
ich wollte wohl erstreiten, dass der kühne Mann
den Übermut, den großen, wohl mit Rechten gäbe dran.«
Darob grimmig zürnte der Held aus Niederland:
»Vermessen nicht erhebe wider mich die Hand!
Ich bin ein reicher König, du eines Königs Mann.
Dir ziemt es nicht zum Streite wider meinesgleichen zu treten an.«
Nach Schwertern rief da eifrig von Metz Herr Ortwein.
Er mochte Hagens von Tronje Neffe wahrlich sein.
Dass der so lang geschwiegen, das war dem König leid.
Eingriff da aber Gernot, der Recke kühn und kampfbereit.
Er sagte zu Ortwein: »Halt dein Zürnen an!
Uns hat der Herr Sigfrid solches noch nicht getan.
Wir können es wohl noch schlichten in Güte, das ist mein Rat,
und ihn zum Freunde haben. Das ist die rühmlichere Tat.«
Antwort gab da Hagen: »Es mag uns sein zum Leid
und allen andern Degen, dass er ritt zum Streit
jemals her zum Rheine. Er hätt es lassen sollen.
Ihm hätten meine Herren solch ein Leid nicht antun wollen.«
Da sprach aber Sigfrid, der kraftvolle Held:
»Wenn Euch, was ich gesprochen, Herr Hagen, missfällt,
so will ich lassen sehen, dass die Hände mein
werden gar gewaltig bei den Burgunden sein.«
»Das denke ich zu wenden«, sprach da Gernot.
Allen seinen Degen zu reden er verbot
etwas Übermütiges, was ihm wäre leid.
Da gedachte auch Sigfrid an die gar herrliche Maid.
»Was ziemt uns zu streiten?« sprach weiter Gernot.
»Wenn darob nun Helden müssen liegen tot,
wir hätten wenig Ehre, täten wir es schon.«
Darauf gab ihm Antwort Sigfrid, König Sigmunds Sohn.
»Warum wartet Hagen und auch Ortwein,
dass er ablehnt zu kämpfen mit den Freunden sein,
deren er so viele hier zu Lande hat?«
Sie mussten die Rede meiden; das war Gernots Wille und Rat.
»Ihr sollt uns sein willkommen«, sprach Giselher, das Kind,
»und Eure Heergesellen, die mit Euch gekommen sind.
Wir wollen gern Euch dienen, ich und die Magen mein.«
Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers Wein.
Da sprach der Herr des Landes: »Was uns gehöret an,
erbittet Ihrs mit Ehren, das sei Euch untertan,
und sei mit Euch geteilet, Leben und Gut.«
Da ward dem Herren Sigfrid ein wenig sanfter zumut.
Da ließ man sie behalten all ihr Wehrgewand
und gab ihnen Herberge, die beste, die man fand,
allen Knappen Sigfrids ein gut Gemach allda.
Den Gast fortan man gerne bei den Burgunden sah.
Man bot ihnen große Ehre danach manche Tage:
tausendfach vermehren müsst ich, was ich sage.
Das hat verdient seine Stärke; ihr sollt wohl wissen das.
Man sah wohl selten jemand, der wider ihn empfunden Hass.
Der Kurzweil sich beflissen die Herrscher und ihre Mannen;
stets war er der Beste, was sie auch begannen.
Gleichtun konnt ihm niemand: so groß war seine Kraft,
ob den Stein sie warfen oder schleuderten den Schaft.
Wenn so vor den Frauen nach höfischem Brauch
die wackeren Ritter der Kurzweil pflegten auch,
da sah man immer gerne den Helden aus Niederland.
Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt.
Alsbald an dem Hofe fragten die schönen Fraun,
wer sei der fremde Recke, so stolz anzuschaun:
»Sein Wuchs ist so herrlich, gar reich sein Gewand.«
Da sprachen ihrer viele: »Das ist der König aus Niederland.«
Was man beginnen mochte, dazu war er bereit.
Er trug in seinem Herzen eine minnigliche Maid
und einzig ihn die Jungfrau, die nimmer er geschaut.
Sie sprach im Geheimen von ihm gar vieles lieb und traut.
Wann immer auf dem Hofe die Jugend das Spiel begann,
Ritter sowie Knappen, so schaut es eifrig an
Kriemhild durch die Fenster, die Königin hehr.
Keine Kurzweil brauchte zu solchen Zeiten sie mehr.
Wüsst er, dass ihn schaute, die er im Herzen trug,
davon hätt er Kurzweil immerdar genug.
Könnt auch er sie schauen, glauben ihr mirs könnt:
ihm wäre auf dieser Erde nie ein besser Los gegönnt.
Wenn er bei den Recken auf dem Hofe stand,
wie es noch jetzt die Leute zur Kurzweil tun im Land,
so stand da so minnig der Siglinde Kind,
dass ihm in Herzensliebe manche Frau war wohlgesinnt.
Auch er dacht zuweilen: Wie soll das geschehn,
dass ich die edle Jungfrau könnte mit Augen sehn,
die ich von Herzen minne, wie ichs lang getan?
Sie ist mir gar fremde. Drum muss ich traurig sein fortan.
Wenn die mächtigen Fürsten ritten in das Reich,
so mussten stets die Ritter mit ihnen allzugleich.
Mit diesen ritt auch Sigfrid. Das war den Frauen leid.
Er hatte durch hohe Minne viel Beschwerde allezeit.
So wohnt er bei den Herren – das ist gewisslich wahr –
in König Gunthers Lande ein volles Jahr,
da er die Minnigliche die ganze Zeit nicht sah,
durch die einst viele Liebe und auch viel Leides ihm geschah.
Viertes Abenteuer
Da kam fremde Nachricht in König Gunthers Land
durch Boten, die von ferne man dorthin gesandt
von unbekannten Recken, die erfüllt von Hass.
Als sie die Mär vernahmen, leid war ihnen von Herzen das.
Die will ich euch nennen: es waren Lüdeger
aus dem Sachsenlande, ein mächtiger König hehr,
dazu vom Dänenlande der König Lüdegast.
Dessen Freunde gern trugen jeder Unterstützung Last.
Ihre Boten waren kommen zum Burgundenland;
dessen Widersacher hatten sie hingesandt.
Man fragte nach ihren Wünschen die unbekannte Schar;
dann brachte man sie eilend zu Hof, wo der König war.
Da sprach der König Gunther: »Nun seid mir willkommen!
Wer euch hierhergesendet, hab ich noch nicht vernommen.
Das möget ihr hören lassen«, sprach der Ritter gut.
Da zagten sie gar heftig vor des grimmen Gunthers Mut.
»Wollt Ihr uns, König, erlauben, dass wir die Botschaft sagen,
die wir Euch nun bringen, so wollen wirs vortragen.
Wir nennen die Herren, die uns hergesandt:
Lüdegast und Lüdeger, die wollen heimsuchen dies Land.
Ihr habt deren Hass erworben, Ihr könnt glauben das.
Wider Euch hegen die Recken grimmen Hass.
Sie planen eine Heerfahrt nach Worms an den Rhein.
Ihnen folgen viele Recken. Daran soll Euch kein Zweifel sein.
Binnen zwölf Wochen soll die Fahrt geschehn.
Habt Ihr gute Freunde, lasst bald sie es ersehn,
dass sie Euch schirmen helfen die Burgen und Euer Land!
Sie werden hier zerhauen manches schmucken Schildes Rand.
Oder wollt Ihr verhandeln, so legt dieses dar!
Dann reitet nicht so nahe ihre starke Schar
nach Worms an dem Rheine zu Euerm Herzeleid,
davon verderben müsste manch guter Ritter hier im Streit.«
»Verzieht nun eine Weile«, der edle König sprach,
»bis ich es erwogen! Ich künde es euch danach.
Hab ich getreue Mannen, denen will ichs vortragen:
so wichtige Botschaft muss ich meinen Freunden sagen.«
Dem König war die Botschaft Leides genug;
die Kunde im Geheimen im Herzen er trug.
Er ließ Hagen holen. Auch andere er entbot.
Er hieß alsbald auch gehen zu Hofe hin zu Gernot.
Da kamen nun die Besten zu ihm, die man fand.
Er sprach: »Heimsuchen will man unser Land
mit starken Heerscharen. Das lasst euch werden leid!
Ohne Verschulden will man wider uns erheben Streit.«
»Dem wehren wir mit Schwertern«, sprach da Gernot.
»Dann stirbt, wem es beschieden; der soll liegen tot.
Darob will ich vergessen nie der Ehre mein.
Unsere Widersacher sollen uns willkommen sein.«
Da sprach der starke Hagen: »Das dünkt mich nicht gut.
Lüdegast und Lüdeger sind erfüllt von Übermut.
Wir können das Heer nicht sammeln in so wenigen Tagen«,
sprach der kühne Recke. »Drum müsst Ihr Sigfrid dieses sagen.«
Herberge den Boten in der Stadt man wies.
Waren sie auch Feinde, gut zu verpflegen hieß
sie Gunther, der reiche – das war wohlgetan –,
bis er fände die Freunde, die zur Hilfe zögen heran.
Dem König seine Sorgen schufen jedoch viel Leid.
Da sah ihn in Trauer der Degen tatbereit,
der nicht wissen konnte, was ihm wäre geschehn.
Da bat er den König, des Kummers Grund ihm zu gestehn.
»Mich wundert es gar schmerzlich«, sprach da Sigfrid,
»wie Ihr so habt verändert die fröhliche Sitt,
die Ihr mit uns nun lange mochtet seither pflegen.«
Drauf antwortet ihm Gunther, der gar stattliche Degen:
»Nicht mag ich allen Leuten von dem Schweren sagen,
das ich muss im Geheimen in meinem Herzen tragen.
Doch soll man wahren Freunden klagen die Herzensnot.«
Da ward Sigfrids Farbe beides, bleich bald und rot.
Er sprach zu dem König: »Empfanget meinen Eid!
Ich will Euch wenden helfen all Euer Leid.
Wollt Ihr Freunde suchen, so will ich einer sein.
Ich denke es zu vollbringen in Ehren bis zum Ende mein.«
»Nun lohn Euch Gott, Herr Sigfrid! Die Rede dünkt mich gut.
Selbst wenn mir Eure Stärke nimmer helfen tut,
ich freue mich doch der Kunde, dass Ihr mir seid so hold.
Sollt ichs noch erleben, ich wohl es Euch vergelten wollt.
Ich will Euch hören lassen, warum ich traurig bin:
durch Boten meiner Feinde vernahm das mein Sinn,
dass sie heimsuchen wollen mit einem Heer mich hie.
Solches taten Degen uns in diesem Land noch nie.«
»Das achtet nur geringe«, sprach da Sigfrid,
»und sänftigt Euern Kummer. Tut, was ich bitt,
lasst mich Euch erwerben Ehre und auch Gewinn,
eh dass Eure Feinde kommen zu diesem Lande hin!
Wenn Eure starken Feinde zur Hilfe hätten wohl
dreißigtausend Recken, ich sie bestehen soll,
hätt ich deren tausend, Ihr könnt vertrauen mir.«
Da sprach der König Gunther: »Das will ich stets vergelten dir.«
»Lasset mir drum folgen von Euch tausend Mann,
da ich von den meinen nicht mehr stellen kann
als nur zwölf Degen! So schirm ich Euer Land.
Euch soll immer dienen fortan in Treuen Sigfrids Hand.
Dazu helfe uns Hagen und auch Ortwein,
Dankwart und Sindold, die werten Recken dein;
auch soll mit uns reiten Volker, der kühne Mann;
der soll die Fahne tragen: niemand besser als er es kann.
Nun lasst die Boten reiten wieder in ihr Land!
Dass sie uns bald da sähen, das gebe man ihnen bekannt,
so dass unsere Städte Frieden haben fortan!«
Da hieß der König entbieten jeden Magen und jeden Mann.
Lüdegers Gesandte zu Hofe kamen so.
Dass sie nach Hause sollten, dess waren sie gar froh.
Da bot ihnen reiche Gaben Gunther, der König gut,
und verhieß ihnen Geleite. Da ward ihnen freudig der Mut.
»Nun sagt«, sprach da Gunther, »dieses den Feinden mein:
sie sollten mit ihrer Ausfahrt daheim lieber sein!
Doch wollen sie heimsuchen mich hier in meinem Land,
es zerrönnen denn meine Freunde, ihnen wird dann Mühsal bekannt.«
Den Boten reiche Gaben man zu Handen trug:
davon hieß ihnen geben der reiche König genug.
Die durften nicht verschmähen Lüdegers Mannen.
Urlaub sie dann nahmen und zogen wohlgemut von dannen.
Als die Boten waren nach Dänemark gekommen
und der König Lüdegast dieses hatte vernommen,
was sie am Rhein geredet; als er erhielt Bescheid,
sein Übermut, der starke, ward ihm ohne Maßen leid.
Man sagte ihm, sie hätten manchen Kühnen bei sich stehn;
darunter hätte einen bei Gunther man gesehn,
der sei geheißen Sigfrid, der Held aus Niederland.
Leid war es Lüdegaste, da er die Kunde recht erkannt.
Da die vom Dänenlande solches hörten melden,
da mühten sie noch mehr sich, zu sammeln ihre Helden,
so dass der König Lüdegast an Magen und Mann
wohl zwanzigtausend Degen zu der Heerfahrt gewann.
Da sammelte auch aus Sachsen der König Lüdeger,
bis sie vierzigtausend hatten und noch mehr,
mit denen sie reiten wollten in König Gunthers Land.
Dort hatten in der Heimat die drei Könige ausgesandt
zu den Burgunden und wackerer Mannen mehr,
die zum Krieg sie wollten führen in ihrem Heer.
Sie eilten, sich zu rüsten. Das schuf manche Not;
darob mussten Degen später schauen viel den Tod.
Sie rüsteten sich zur Reise. Als die Fahrt begann,
die Fahne ward anbefohlen Volker, dem kühnen Mann,
da sie ziehen wollten bei Worms übern Rhein.
Hagen, der starke, der sollte Scharmeister sein.
Mit ihnen ritt Sindold und auch Hunold,
die wohl verdienen mochten reicher Könige Gold,
Dankwart, der schnelle, und auch Ortwein;
die mochten wohl mit Ehren bei dem Heereszuge sein.
»Herr König, bleibt zu Hause«, sprach da Sigfrid,
»da mir Eure Recken sollen folgen mit!
Weilet bei den Frauen und habt guten Mut!
Ich will Euch wohl behüten beides, Ehre so wie Gut.
Die Euch heimsuchen wollen nach Worms an dem Rhein,
das will ich wohl verhüten; es soll ihr Schade sein:
wir wollen ihnen reiten so weit in ihr Land,
dass der Übermut ihnen sei bald in Sorge umgewandt.«
Vom Rheine sie durch Hessen mit den Helden ritten
gegen das Land der Sachsen. Da ward bald gestritten.
Mit Raub und mit Brande verheerten sie das Land,
dass es beiden Fürsten bald mit Schmerzen ward bekannt.
An die Mark sie kamen. Die Knechte rückten an.
Sigfrid, der vielstarke, zu fragen da begann:
»Wer soll das Gesinde uns wohl hüten hie?«
Es ward fürwahr in Sachsen zu größerm Leid geritten nie.
Sie sprachen: »Die Unerfahrenen lasst hüten auf den Wegen
den vielkühnen Marschall! Er ist ein schneller Degen.
Wir büßen umso weniger durch Lüdeger dann ein.
Lassen wir ihn und Ortwein bei der Nachhut darum sein!«
»Selber will ich reiten«, sprach Sigfrid, der Degen,
»und will wider die Feinde der Warte pflegen,
bis ichs recht erkenne, wo die Recken sind.«
Da ward bald gewaffnet der schönen Siglinde Kind.
Das Heer befahl er Hagen, als er ausritt dann,
und mit ihm Gernot, der vielkühne Mann.
Dann ritt allein von dannen er in der Sachsen Land,
wo die rechte Kunde wohl mit Ehren bald er fand.
Er sah das Heer, das große, dort liegen auf der Mark;
wider seine Mannschaft war es überstark.
Es waren wohl vierzigtausend oder noch mehr.
Der Held hohen Mutes sah mit Freuden dieses Heer.
Da hatt sich auch ein Recke aus der Feinde Schar
begeben auf die Warte, der wohlbewaffnet war.
Den sah der Herr Sigfrid und ihn der kühne Mann.
Jeder auf den andern mit Zorn zu blicken da begann.
Ich sag euch, wie er geheißen, der auf Wache stand –
einen lichten Schild aus Golde, den trug seine Hand.
Es war der König Lüdegast; der hielt des Heeres Hut.
Der vieledle Fremdling zeigte gar herrlichen Mut.
Nun hatte auch Herr Lüdegast als Feind ihn sich erkorn.
Den Rossen stachelten beide die Flanken mit dem Sporn.
Sie senkten auf die Schilde die Schäfte mit ihrer Kraft.
Das hat dem hehren König große Mühsal verschafft.
Gespornt die Rosse trugen die Könige geschwind
gewaltig wider einander, als trüge sie ein Wind.
Mit dem Zaum sie sie wandten gar ritterlich sodann.
Mit dem Schwert es erprobte jeder grimmig starke Mann.
Dass das Feld erschallte, schlug da Sigfrid los:
es sprühten aus dem Helme wie von Bränden groß
heißen Feuers Funken von des Helden Hand.
Da stritt gar gewaltig der edle Herr aus Niederland.
Da schlug auch ihm Lüdegast gar manchen starken Hieb,
dass die Spur beider Stärke auf den Schildern blieb.
Das hatten da vernommen von den Seinen dreißig Mann.
Ehe sie zu Hilfe kamen, den Sieg Sigfrid da gewann
durch drei starke Wunden, die er dem König schlug,
durch die lichte Brünne – die waren gut genug.
Das Schwert mit seinen Schneiden hieb aus Wunden Blut.
Da ward dem König Lüdegast nun gar traurig der Mut.
Er bat um sein Leben und bot ihm sein Land
und sagte ihm, er wäre Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken. Sie hatten wohl gesehn,
was da zwischen beiden auf der Warte war geschehn.
Da er ihn von dannen führte, da ward er angerannt
von jenen dreißig Recken. Da wehrte Sigfrids Hand
seinen reichen Geisel mit heftigen Schlägen.
Noch mehr Schaden tat dann Sigfrid, der auserwählte Degen.
Die dreißig er zu Tode da wahrlich alle schlug.
Nur einen ließ er leben. Der ritt schnell genug
und sagte ihnen die Kunde, was hier wäre geschehn;
auch konnte man die Wahrheit an seinem roten Helme sehn.
Dänemarks Kriegern ward es grimmig leid,
dass ihr Herrscher gefangen, als ihnen ward der Bescheid.
Lüdeger man es sagte: zu toben er begann
aus übergroßem Zorne. Ihm war Leid angetan.
Lüdegast, der reiche, ward da gebracht
zu Gunthers Gefolgschaft durch Sigfrids Übermacht.
Er übergab ihn Hagen, der kühne Recke gut.
Als der vernahm die Kunde, da ward ihm fröhlich zumut.
Er hieß die Burgunden die Fahne binden an.
»Nun wohl auch«, sprach Sigfrid, »hier wird noch mehr getan.
Eh der Tag sich neiget, wenn ich am Leben bleib,
trauert im Sachsenlande manches guten Recken Weib.
Ihr Helden von dem Rheine, nun nehmet es wahr:
ich kann euch wohl geleiten zu Lüdegers Schar.
Da seht ihr Helme zerhauen von guter Helden Hand,
eh wir uns wieder wenden hin zum Burgundenland.«
Zu den Rossen eilte Gernot und die ihm untertan.
Volker, der kühne, die Fahne hob alsdann,
der vielstarke Fiedler; da ritt er vor der Schar.
Da waren auch die Gefährten herrlich kampfgerüstet fürwahr.
Sie führten nicht mehr Krieger denn eintausend Mann,
dazu noch zwölf Recken. Zu stieben da begann
der Staub auf der Straße. Sie ritten über Land.
Man sah von ihnen glänzen manchen schmucken Schildesrand.
Dann waren auch die Sachsen mit ihrem Heer gekommen
mit wohlgeschärften Schwertern, wie wir es vernommen.
Die Schwerter schnitten kräftig in der Recken Hand.
Da wollten sie den Fremden die Städte wehren und das Land.
Der Fürsten Scharmeister das Heer da führte an.
Da war auch Sigfrid kommen mit seinen Degen heran,
die er mitgeführet aus dem Niederland.
An diesem Tage ward blutig im Kampfe manches Schildes Rand.
Sindold und Hunold und auch Gernot
schlugen in dem Streite gar manchen Helden tot,
eh sie es recht erprobet, der Kühnheit zu vertraun;
das mussten noch beweinen gar manche wackeren Fraun.
Volker und Hagen und auch Ortwein,
die löschten im Streite gar manches Helmes Schein
mit fließendem Blute, kühn in der Schlacht.
Da ward auch von Dankwart manche Heldentat vollbracht.
Die Dänen erprobten gar wohl ihre Hand.
Vom Anprall hörte man tönen manchen Schildesrand
und auch von scharfen Schwertern, damit man Wunden schlug.
Die streitkühnen Sachsen taten Schaden da genug.
Jedoch die Burgunden drangen vor im Streit.
Von ihnen ward geschlagen manche Wunde weit.
Da sah man über Sättel fließen das Blut.
So warben um die Ehre diese Ritter kühn und gut.
Man hörte laut erschallen in der Helden Hand
ihre scharfen Waffen, da die von Niederland
ihrem Herrn nachdrängten in die dichte Schar.
Ritterlich sie kamen mitsamt Sigfrid fürwahr.
Denen von dem Rheine folgte niemand nach.
Man konnte fließen sehen den blutigen Bach
durch die lichten Helme von Sigfrids starker Hand,
bis er König Lüdeger vor seinen Heergesellen fand.
Dreimal hin und wieder vordrang er da
bis an des Heeres Ende. Nun war auch Hagen nah;
der half ihm wohl erfüllen, was erstrebt sein Mut,
an diesem Tage starben durch sie gar viele Ritter gut.
Als der starke Lüdeger Sigfrid nun fand,
und dass er so kräftig schwang in seiner Hand
die wundscharfe Waffe und ihrer viel erschlug,
darüber ward der König vor Leide zornig genug.
Da gabs ein scharf Gedränge und lauten Schwerterklang,
als beider Gefolge wider einander drang.
Da erprobten die beiden Recken schärfer sich.
Die Scharen begannen zu weichen. Da erhob sich Hass gar grimmiglich.
Dem Herrscher der Sachsen ward gesagt Bescheid,
sein Bruder sei gefangen; das schuf ihm herbes Leid.
Nicht wusst er, dass der Sieger war Siglindes Kind;
man zieh dessen Gernot. Doch bald erkannt er es geschwind.
Solche Schläge gab es von Lüdegers Schwert,
dass unterm Sattel Sigfrids strauchelte das Pferd;
doch erhob es sich wieder. Der kühne Sigfrid
in diesem Kampfessturme auf gefährliche Weise stritt.
Da half ihm wohl Hagen und auch Gernot,
Ortwein und Volker – da lagen viele tot –,
Sindold und Hunold, jeder ein kühner Mann,
um die manche Fraue großen Schaden da gewann.
Im Kampfe untrennbar waren die Fürsten hehr.
Da sah man über die Helme fliegen manchen Speer
durch die lichten Schilde von der Degen Hand.
Man sah gefärbt von Blute manches schmucken Schildes Rand.
In dem starken Sturme schwang sich mancher Mann
nieder von dem Rosse. Einander stürmten an
Sigfrid, der kühne, und auch Lüdeger.
Da stritten wohl um Ehre die beiden Helden kühn und hehr.
Der Schildbeschlag des Königs flog weg durch Sigfrids Hand.
Sieg zu gewinnen dachte der Held aus Niederland
über die kühnen Sachsen. Die hatten Ungemach.
Hei, was an lichten Ringen der schnelle Dankwart zerbrach.
Da hatte König Lüdeger auf dem Schild erkannt
gemalt eine Krone vor Sigfrids Hand.
Nun sah er, dass es wäre der hochgemute Mann.
Der Held zu seinen Freunden da laut zu rufen begann:
»Gebt es auf zu kämpfen, wer mein Mage und Mann,
da ich Sigmunds Erben vor mir sehen kann!
Von Niederland den Starken hab ich hier erkannt,
ihn hat der üble Teufel zu uns Sachsen hergesandt.«
Da senkte man die Fahnen in dem Kampfe nieder.
Frieden er begehrte. Den gewährte man ihm wieder.
Doch musst er Geisel werden in König Gunthers Land.
Dazu hatt ihn gezwungen des kühnen Sigfrids starke Hand.
Einmütig ließen sie da ab vom Streit.
Viel durchschlagne Helme und auch Schilde breit
aus der Hand sie legten, so viel man deren fand;
die trugen blutige Farbe durch der Burgunden Hand.
Die fingen, wen sie wollten: sie hatten die Gewalt.
Da ließen der Herr Gernot und Hagen legen alsbald
die Wunden auf die Bahre. Sie führten mit sich dann
an stattlichen Gefangnen nach Burgund fünfhundert Mann.
Die sieglosen Recken nach Dänemark ritten.
Es hatten auch die Sachsen so tapfer nicht gestritten,
dass man Lob ihnen zollte; drum waren sie verzagt.
Da wurden die Gefallnen von ihren Freunden sehr beklagt.
Die Saumtiere trugen die Waffen an den Rhein.
Es hatte wohl gefochten mit den Recken sein
Sigfrid, der starke, er hatte es gut getan.
Das musst ihm zugestehen aus Gunthers Heere jedermann.
Zurück nach Worms sandte Boten Gernot.
Daheim in seinem Lande den Freunden er entbot,
wie es ihm gelungen wäre und den Freunden sein.
Es hatten die Vielkühnen wohl erhöht der Ehren Schein.
Ihre Knappen eilten und brachten den Bescheid.
Da freuten sich die Schönen, die vorher trugen Leid,
hocherfreut ob der Kunde, die zu ihnen gekommen.
Da ward edler Frauen eifriges Fragen vernommen,
wie der reichen Könige Mannen es geglückt.
Da ward einer der Boten zu Kriemhild geschickt.
Das geschah gar heimlich: sie durfte nicht fragen laut;
denn einer war darunter, der ihrem Herzen lieb und traut.
Da sie den Boten kommen zur Kemenate sah,
Kriemhild, die vielschöne, freundlich sprach sie da:
»Sag an frohe Kunde, so geb ich dir mein Gold!
Tust du es ohne Trügen, so will ich stets dir bleiben hold.
Wie schied aus dem Kampfe mein Bruder Gernot
und meine andern Gefreundten? Blieb ihrer mancher tot?
Und wer tat das Beste? Das sollst du mir sagen.«
So sprach der biderbe Bote: »Wir hatten nirgends einen Zagen.
Doch zuvorderst im Streite ritt niemand so scharf,
vieledle Königstochter, wenn ichs Euch sagen darf,
als der vielkühne Fremde aus dem Niederland.
In dem Kampf vollbrachte große Wunder Sigfrids Hand.
Was die Recken alle in dem Kampf getan,
Dankwart und Hagen, manch edler Königsmann,
wie ehrenvoll sie stritten, das ist doch ein Wind
wider den starken Sigfrid, König Sigmundes Kind.
Sie haben in dem Kampfe der Helden viel geschlagen.
Doch könnte Euch die Taten niemand völlig sagen,
die Sigfrid vollbrachte, ritt er in den Streit.
Den Fraun an ihren Gesippen schuf er grimmiges Leid.
Tod musste beklagen gar manches Helden Braut.
Seine Schläge man hörte auf den Helmen also laut,
dass aus den Wunden strömte das fließende Blut.
Er ist in jeder Tugend ein Ritter tapfer und gut.
Da hat auch viel geleistet von Metz Ortwein:
wen er konnt erlangen mit dem Schwerte sein,
der musste wund da liegen oder meistens tot.
Doch schuf Euer Bruder die allergrößeste Not,
die in Kampfesstürmen konnte je geschehn.
Man muss den Auserwählten die Wahrheit zugestehn:
die stolzen Burgunden bestanden so die Fahrt,
dass sie vor jeder Schande die Ehre haben wohl bewahrt.
Man sah von ihren Händen manchen Sattel leer,
als das Feld hallte von ihren Hieben schwer.
Die Recken von dem Rheine, die haben so gestritten,
dass ihre Feinde besser hätten den Kampf vermieden.
Auch die kühnen Tronjer, die schufen großes Leid,
als mit Heereskräften man sie traf im Streit.
Da schlug manchen zu Tode des kühnen Hagens Hand.
Viel wäre davon zu sagen hier im Burgundenland.
Sindold und Hunold in Gernots Heeresbann
und Volker, der kühne, haben so viel getan,
dass Lüdeger es immer wird bleiben leid,
dass er meine Herren vom Rheine gerufen zum Streit.
Das allerschärfste Streiten, das irgendwo geschah,
vom ersten bis zum letzten, das jemand sah,
das hat gern gefochten Sigfrids starke Hand.
Er bringt reiche Geiseln her in König Gunthers Land.
Die zwang mit seinen Kräften der wackere Mann,
so dass der König Lüdegast Schaden viel gewann,
und auch von den Sachsen der König Lüdeger.
Nun hört von meiner Botschaft, vieledle Königin, noch mehr!
Die hat gefangen beide Sigfrids starke Hand.
Nie wurden so viel Geiseln gebracht in dieses Land,
als durch seine Verdienste kamen an den Rhein.«
Ihr konnte diese Kunde nicht willkommener sein.
»Man bringt an Gesunden fünfhundert oder mehr
und auch an Todwunden, wisset, Fraue hehr,
wohl achtzig blutige Bahren her in unser Land.
Die meisten streckte nieder des kühnen Sigfrids starke Hand.
Die vordem uns vermessen Kampf ansagten am Rhein,
die müssen nun Gefangne König Gunthers sein.
Die bringt man mit Freuden her in unser Land.«
Da erblüht ihre Farbe, da diese Botschaft ihr gesandt.
Es ward ihr lichtes Antlitz vor Liebe rosenrot,
da mit Freude war geschieden aus der großen Not
der minnigliche Recke, Sigfrid, der kühne Mann.
Freude ob der Gefreundten sie mit Rechten auch gewann.
Da sprach die Minnigliche: »Du gabst mir Gutes bekannt.
Dafür sollst du haben zum Lohn ein reich Gewand,
und zehn Mark von Golde man dir zahlen soll.«
So mag man solche Botschaft reichen Frauen bringen wohl.
Man gab ihm zum Lohne das Gold und auch das Kleid.
Da trat an die Fenster manche schöne Maid;
Sie schauten auf die Straße. Reiten man da fand
viele Hochgemuten in der Burgunden Land.
Da sah man Unverletzte; der Wunden Schar da kam.
Sie konnten Grüße der Freunde hören ohne Scham.
Der König seinen Gästen freudig entgegenritt.
Sein übergroßer Kummer, zu Ende war es damit.
Da empfing er wohl die Seinen und die Fremden auch,
wie dem reichen König geziemte solcher Brauch,
gütig ihnen zu danken, die zu ihm gekommen,
dass sie Sieg mit Ehren im Kampfe hatten genommen.
Gunther bat, die Kunde von seinen Freunden zu sagen,
wer auf der Heerfahrt wäre tot und erschlagen.
Da hatt er nur verloren im Ganzen sechzig Mann,
die man beklagen musste, wie man um Helden stets getan.
Die Unversehrten brachten zerhauen manchen Rand,
und manche Helme zerschroten in König Gunthers Land.
Sie stiegen von den Rossen ab vor dem Saal
zu freundlichem Empfange; man hörte fröhlichen Schall.
Zur Herberge brachte die Wegmüden man.
Der König seinen Gästen viel zu danken begann.
Er hieß die Wunden pflegen und schaffen das Gemach,
wie es seiner Tugend gegen Feinde auch entsprach.
Zu Lüdeger sprach er: »Nun seid mir willkommen!
Durch Eure Schuld hab ich Schaden viel genommen.
Der wird mir entgolten, wenn mirs gelingen kann.
Gott lohne meinen Freunden! Sie haben großen Dienst mir getan.«
»Ihr könnt ihnen gerne danken«, sprach König Lüdeger;
»so hohe Geiseln gewann kein König mehr.
Für würdigen Gewahrsam bieten wir reiches Gut,
damit Ihr nun in Gnaden an mir und meinen Freunden tut.«
»Ihr könnt euch«, sprach der König, »frei bewegen hier.
Doch dass meine Feinde nicht entweichen mir,
dafür begehr ich Bürgen, dass aus meinem Land,
sie fliehn nicht ohne Frieden.« Das gelobte ihm der beiden Hand.
Man brachte sie zur Ruhe in guter Herberge da.
Die Verwundeten gar sorglich gebettet man da sah.
Man schenkte den Gesunden Met und guten Wein.
Da konnte das Gefolge nimmer fröhlicher sein.
Die zerhaunen Schilde in den Gewahrsam man trug.
Blutiger Sättel gabs da auch genug;
die hieß man verbergen: so weinten nicht die Fraun.
Gar wehrmüde war da mancher Ritter anzuschaun.
Der König sorgte eifrig für seiner Gäste Wohl.
An Fremden und Bekannten ward das Land da voll.
Wer schwer verletzt, den ließ man gütig verpflegen.
Gering war geworden da der Übermut der Degen.
Wer in Heilkunst bewandert, dem bot man reichen Sold,
Silber ohne Waage, dazu das lichte Gold,
dass sie die Helden heilten nach des Streites Not.
Dazu große Gaben der König seinen Gästen bot.
Wem wieder nach Hause zur Heimfahrt stand der Mut,
den bat er, noch zu bleiben, wie man mit Freunden tut.
Wie dem Gefolge er lohne, ging der König zu Rat:
sie hatten seinen Willen in Ehren erfüllt durch ihre Tat.
Da sprach der König Gernot: »Lasst sie fort alsdann.
Über sechs Wochen, sei ihnen kundgetan,
dass sie zu einem Feste kommen wieder her.
Dann ist mancher geheilet, der nun liegt verwundet schwer.«
Da begehrt auch Urlaub der Held von Niederland.
Als dem König Gunther sein Wille ward bekannt,
bat er minniglich ihn zu ändern seinen Plan.
Wär es nicht um Kriemhild, er hätte nimmer dies getan.
Dazu war zu reich er, dass er nähme Sold.
Er hätt es wohl verdienet: der König war ihm hold
und alle seine Magen: die hatten wohl gesehn,
was durch seine Kräfte in dem Kampfe war geschehn.
Um der Schönen willen zu bleiben er gedacht,
die so gern er sähe. Da ward es so gemacht
ganz nach seinem Wunsche. Sie ward ihm wohlbekannt.
Dereinst ritt er fröhlich heim in seines Vaters Land.
Der Fürst ließ alle Zeiten Ritterspiele pflegen.
Das tat dann frohen Willens so mancher junge Degen.
Auch ließ er Sitze bauen bei Worms an dem Strand
für die, die kommen sollten zu ihm ins Burgundenland.
Zu den selben Zeiten da sie sollten kommen,
da hatte die Frau Kriemhild die Kunde wohl vernommen,
er plane Festlichkeiten für Mage und Mann.
Da ward mit großem Eifer von schönen Frauen viel getan.
Mit Kleidern und mit Bändern, die sie da wollten tragen.
Ute, die reiche, hörte die Kunde sagen
von den stolzen Degen, die da sollten kommen.
Da ward aus seinen Hüllen manches gute Kleid genommen.
Ihrem Kinde zuliebe ließ sie schneiden manches Kleid,
womit sich da zierte manche Frau und manche Maid
und viele junge Recken aus Burgundenland.
Da ward auch vielen Fremden bereitet herrliches Gewand.
Fünftes Abenteuer
Man sah sie nun alltäglich reiten an den Rhein,
die bei den Festlichkeiten gerne wollten sein,
die den Königen zuliebe kamen in das Land.
Man gab da ihrer vielen beides, Ross und Gewand.
Da war auch das Gestühle für alle wohl bereit,
die höchsten und die besten, wie man uns gab Bescheid:
zweiunddreißig Fürsten da zum Festgelag.
Da schmückte sich voll Eifers gar manche Jungfrau für den Tag.
Da war auch gar geschäftig Giselher, das Kind:
die Fremden und ihre Magen, gar gütig gesinnt,
empfingen er und Gernot und beider Mannen da.
Sie begrüßten die Degen, wie es in Ehren stets geschah.
Die goldfarbnen Sättel brachten sie ins Land,
die gezierten Schilde und herrlich Gewand
dem König zuliebe für die Festlichkeit.
Mancher wunde Kranke war zur Freude da bereit.