Das nicht nur geschlagene Kind - Heinrich-Andreas Makiela - E-Book

Das nicht nur geschlagene Kind E-Book

Heinrich-Andreas Makiela

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Beschreibung

Ing. Heinrich-Andreas Makiela wurde in Ost-Oberschlesien, Polen im Jahr 1932 geboren, wo er bis 1973 lebte. Im Jahr 1973 kam er als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland, wo er bis heute lebt. In diesem Buch „Das nicht nur geschlagene Kind“ – eine Autobiografie, beschreibt er sein Leben von Geburt an bis zu seinem 23. Lebensjahr. Er ist Autor von vier Büchern. Drei Bücher sind in deutscher Sprache erschienen: „Schritte zum eigenen Heim“ – 2006, ISBN 3-8334-4818-0. In diesem Buch gibt er zukünftigen Bauherren Tipps und Empfehlungen. Und: „Traumhaus“ – 2006, ISBN 978-3-8334-6785-1. In diesem Buch beschreibt er seine Auseinandersetzungen mit Maklern, Architekten, Bauunternehmern, Handwerkern, Nachbarn, Sachverständigen usw. Und: „Zwei Ehen – ein Leben“, 2016, ISBN 978-3-7528-8373-2. In diesem Buch, eine Autobiografie, beschreibt er sein Leben in erster und zweiter Ehe. Ein Buch erschien im Jahr 2011 in polnischer Sprache, in diesem beschreibt er die Erinnerungen aus dem Leben in seinem Geburtsort in Oberschlesien, Polen, aus den Jahren 1932 bis 1973.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Jahre von 1932 – 1939

Die Jahre von 1939 – 1945

Die Jahre von 1945 – 1947

Die Jahre von 1947 – 1950

Die Jahre von 1950 – 1952

Die Jahre von 1952 – 1955

Vorwort

Gehören Schläge zur Kindererziehung? Kindererzieher wie Eltern, Großeltern, Erzieher im Kindergarten, Lehrer in der Schule, Geistliche in verschiedenen Religionen und andere Personen in verschiedenen Länder sind nicht immer der gleichen Meinung, wenn es um die Erziehungsmethode geht. Kinderbuchautorin Astrid Lindgren sollte gesagt haben: „Kinder sollen mit viel Liebe aufwachsen, aber sie wollen und brauchen auch Normen.“

Unter „... wollen und brauchen auch Normen“ versteht man wohl, dass das Kind sich den Erziehungsnormen der Eltern, Erzieher usw. unterwerfen soll. Zu den Erziehungsnormen gehört wohl nicht, Kinder zu schlagen. Also, Kinder sollen mit viel Liebe und Normen aufwachsen – d. h. bis sie erwachsen sind. Wie sollen Kinder mit viel Liebe und zugleich unter Anwendung von Normen aufwachsen?

In einer intakt lebenden Familie lieben die Eltern ihre Kinder immer. Manche Erzieher behaupten, dass bei Anwendung einiger Erziehungsnormen das Kind spürt, dass es nicht geliebt wird. Die Erziehungsnormen sollten auch angewandt werden, wenn sich das Kind außerhalb des Elternhauses befindet, und zwar durch Personen, die den Eltern bekannt oder unbekannt sind. Damit sind jedoch viele Eltern nicht einverstanden. Sie sind der Meinung, dass ihr Kind keine zusätzlichen Erziehungsnormen braucht. Und so kommt es auch manchmal zwischen den Eltern und den anderen Personen zum Streit. So wächst ein Kind mit zwei Gesichtern auf – zu Hause und außerhalb des Hauses. Viele Kinder benehmen sich dann außerhalb des Elternhauses so, wie es ihnen gefällt, denn keiner wagt es, sie auf schlechtes Benehmen aufmerksam zu machen.

Viele Eltern führen die Erziehungsnormen manchmal etwas zu spät ein, und das Kind widersetzt sich ihnen. Wenn das Kind so erzogen wird, dass es immer mit der Erziehung zufrieden gestellt wird und nicht weint, so werden die Eltern weinen, wenn ihr Kind erwachsen ist. Filmschauspielerin Elizabeth Taylor soll gesagt haben: „Das Geheimnis der Kindererziehung besteht darin, zu wissen, wann man seine Geduld verlieren muss.“

Aus den Medien erfährt man, dass Kinder zu ihrer Entwicklung „Freiraum“ brauchen. In dem Freiraum können sie also tun, was ihnen gefällt. Und so muss man Kinderlärm ertragen, ob auf der Straße, draußen am Schulplatz, am Kindergarten-Spielplatz, in der Kirche usw. Wenn sich in unser Kirche manchmal ein kleines Kind in der hl. Messe befindet, dann ist es laut und stört die Messebesucher. Keiner der Kirchenbesucher erlaubt es sich, darauf aufmerksam zu machen – sonst würde man ihn gleich zum „Kinderfeind” abstempeln. Bei einem Urlaub in Kenia waren wir in der katholischer Kirche zur hl. Messe. Die Kirche war sehr primitiv gebaut, mit einem sandigen Boden. Während der hl. Messe saßen auf dem sandigen Boden um Altar herum viele kleine Kinder brav und stumm. Können die Eltern in Kenia ihre Kinder besser erziehen als wir unsere?

Papst Franziskus sagte bei einer Audienz im Jahr 2015: „Mit Würde ein Kind zu schlagen ist in Ordnung”, um ihm „damit zu seiner Entwicklung und Erwachsenheit [zu] helfen.”

Das, was Papst Franziskus im Jahr 2015 sagte, wendete mein Vater schon seit dem Jahr 1932 an. Mit strenger Disziplin, Schlägen und anderen Strafen half mir mein Vater zu meiner Entwicklung und Erwachsenheit. Ich musste immer gehorsam, wahrhaftig, fleißig usw. sein, sonst wurde ich bestraft – meistens geschlagen, durfte das Haus nicht verlassen. Ab und zu war ich sogar sitzend am Fuß eines Bettes in Eisenkonstruktion angefesselt. In Würde hat mich mein Vater bestimmt nicht geschlagen, wohl aber mit Verstand.

Die Worte von Papst Franziskus „In Würde ein Kind zu schlagen ...” fanden in den Medien eine große und vorwiegend negative Reaktion. Die Redaktion einer Zeitung stellte zehn jungen Eltern die Frage: „Sollte man ein Kind schlagen?” Die meisten Antworten waren „Nein”. Die Frage sollte den Eltern gestellt werden, die erwachsene Kinder haben. Diese wissen es besser, und manche bedauern sogar heute, dass sie ihre Kinder nicht oder zu wenig geschlagen haben.

Jeder erwachsene Mensch ist Mitglied eines Staates und einer Religionsgemeinschaft, und so ist er verpflichtet, auf die Sitten, Regeln, Vorschriften, Gesetze usw. des Staates bzw. der Religion zu achten. Wenn er diese außer Acht lässt, wird er vom Staat bzw. der Religion bestraft. Ein Kind ist Mitglied einer Familie, und so ist es verpflichtet, auf die Erziehungsnormen bzw. -regeln in der Familie zu achten. Wenn das Kind diese außer Acht lässt, müsste es von den Eltern bestraft werden, und das mit einer Strafe, die weh tut. Die Ansicht, Kinder nicht zu schlagen, wird wohl nur von folgenden Menschen vertreten: Psychologen, Erziehern usw., Menschen, die selber keine Kinder haben, oder Eltern, die ihre Kinder vergöttern. Die Diskussion „Sollte man ein Kind schlagen? Nein, ja, vielleicht” bewegte mich dazu, meinen Erziehungsweg zu beschreiben.

Ich denke nicht daran, dass Eltern ihre Kinder schlagen sollen. Ich beschreibe nur die angewandte Erziehungsmethode meines Vaters bei mir. Heute im Alter von 85 Jahren kann ich nur sagen, dass die Methode eine richtige war, denn bis zu dem Alter empfinde ich keine psychischen Störungen bzw. körperlichen Schäden. Solche Kinder, wie ich damals eines war, befinden sich heute in vielen Familien, jedoch dürfen ihre Eltern die Erziehungsmethode meines Vaters nicht mehr anwenden. Denn z. B. Paragraf 1631 des BGB sagt, dass Kinder das Recht auf gewaltlose Erziehung haben. Demnach ist eine Ohrfeige schon eine Körperverletzung, und dafür drohen Geld- oder Haftstrafen. Und so haben die Kinder heute sogar das Recht, ihre Eltern anzuklagen. Heute wäre mein Vater für meine Gewalterziehung bestraft worden, und ich könnte in meinem „Freiraum” Unfug treiben. Meiner Meinung nach muss ein Kind vor Schlägen Angst haben. Es ist schwierig, den Eltern eine Erziehungsmethode vorzuschreiben. Einige Kinder besitzen gute angeborene Eigenschaften, und anderen muss man diese mit friedlichen oder mit unfriedlichen Methoden beibringen.

Kinderarbeit? Bei einer Marokko-Rundreise besuchten wir die Markthalle in Marrakesch. An einem Stand, wo Ledergürtel hergestellt wurden, „arbeiteten“ zwei Kinder – Jungs, im Alter von 9 – 12 Jahren. Ihre Arbeit bestand darin, Löcher in den Gürteln auszuschlagen und die Metallschnallen für die Gurte zu polieren. Eine Dame aus unser Gruppe sagte dem marokkanischen Stadtführer: „Die Kinderarbeit bei euch gefällt mir nicht.” Darauf sagte er: „Die Kinderjahre sind nicht dazu da, um mit Spielzeug zu spielen. In dieser Zeit muss man das Kind auf das Leben eines Erwachsenen vorbereiten.” Hierzu passt ein Sprichwort aus Persien: „Wer seinem Kind kein Handwerk beibringt, bringt ihm das Stehlen bei.”

Dezember, 2017

Heinrich-Andreas Makiela

Die Jahre von 1932 – 1939

Ich wurde am 13. August 1932 in Dąbrówka Wielka, Ost-Oberschlesien, Polen, als zweites von sechs Kindern geboren. Zur Welt brachte mich eine Hebamme in der Wohnung meiner Eltern. Ich bekam die Vornamen Henryk-Andrzej. Eine Woche nach der Geburt wurde ich in der katholischen Pfarrkirche in Dąbrówka Wielka getauft.

Foto: Meine Taufe. Stehend von links: Mein Vater Andreas mit meiner Schwester Sofia, die Schwester und der Schwager meiner Mutter mit meinem Cousin Jan, meine Mutter Stanislawa. Sitzend: meine Taufpaten Helena Szymański und Bruno Październiok. Die Taufpatin hält mich – August 1932.

Geboren bin ich unter dem Sternzeichen Löwe. Die Horoskope beschreiben einiges über die Menschen, so auch mich, den „Löwen-Mann“. Folgend einiges aus einem Horoskop für den „Löwen-Mann“: „Königlich ist er! In seinem Willen, seiner Kraft, seinem Stolz und in seinem Liebesvermögen. Er hebt sein Haupt, schüttelt die Mähne und hat es gern, wenn man bewundernd zu ihm aufsieht. Er kennt seine Ziele, seine Privilegien. Er weiß auch ganz genau, was er nicht will: sich anpassen, zum Beispiel die zweite Geige spielen oder von zarter Hand unterbuttert werden. Nein, all das kann Herr Löwe beim besten Willen nicht ertragen.“ Usw., usw.

Meine Eltern stammten nicht aus Dąbrówka Wielka. Der Vater Andreas, Jahrgang 1903, stammte aus Sachsen (Leipnitz), die Mutter Stanislawa, Jahrgang 1911, stammte aus Wieluń (Welungen), Polen. Die Eltern haben sich in Sachsen kennen gelernt, wo meine Mutter als Waisenkind zu dieser Zeit lebte. Im Jahr 1929 zog meine Mutter zu ihrer Schwester Helena nach Dąbrówka Wielka, Ost-Oberschlesien. Der Vater folgte ihr nach, wo sie im Jahr 1930 geheiratet haben, und sie wurden Eltern von sechs Kindern – zwei Mädchen und vier Jungs.

Foto: Ich (10 Monate - im Stuhl) und meine Schwester Sofia (2 Jahre) im Garten, wo wir wohnten.

Wir wohnten immer zur Miete in Dąbrówka Wielka. Der Vater war von Beruf Friseurmeister und besaß einen Damen- und Herren-Friseursalon. Meine Mutter war immer Hausfrau, aber sie war auch ab und zu im Friseursalon meines Vaters tätig. Vorwiegend war sie mit dem Frisieren der Frauen und Mädchen beschäftigt. Zur Damenfrisur gehörte damals: Herrenschnitt, die Wasserwellen (im feuchten Haar gelegte Wellen) und die Wellen mit der Tollschere.

Die Bewohner von Dąbrówka Wielka waren vorwiegend Bauern und Arbeiter. Sie waren sehr sparsam und wollten nicht zu oft zum Friseur gehen. Im Ort waren auch einige Friseurpfuscher am Werk, und manche Eltern schnitten ihren Kindern selber die Köpfe kahl oder ließen ihnen eine kleine Mähne. Zusätzlich zu den Friseurdiensten hat mein Vater auch der Kundschaft Zähne gezogen. Einen Zahnarzt gab es nur in den Großstädten, und um dorthin zu kommen, brauchte man viel Zeit, und dazu war die Fahrt und der Zahnarzt auch zu teuer. Bei meinem Vater wurde der Zahn am Ort gezogen, und das war auch viel günstiger.

Mein Vater war ebenso Puppendoktor, reparierte Puppen und machte aus den Zöpfen, die er den Mädchen abgeschnitten hatte, Perücken für ihre Puppen. Und so trugen ihre Puppen zum Andenken deren abgeschnittene Haare. Ob er das alles, Puppendoktor und Zähne ziehen, als Friseurlehrling gelernt hatte oder ob er sich das selbst beigebracht hatte, ist mir unbekannt. Jedenfalls bot er diese Dienste in seinem Friseursalon der Kundschaft an.

Foto: Mein Vater (28) im Friseursalon – Dąbrówka Wielka, 1931

Vom 1930 bis 1939 wohnten wir in einer Einzimmer-Dachgeschosswohnung mit einer Wohnfläche von ca. 32 m2. In der kleinen Wohnung lebten zuletzt fünf Personen: die Eltern und drei Kinder (geb. 1931, 1932, 1936). Kein Bad und eine Trocken-Toilette im Hof des Gebäudes. Gekocht und geheizt wurde mit Kohle (Steinkohle). Kein Leitungswasser oder Wasserabfluss. Leitungswasser gab es im Flur des Erdgeschosses. Das Schmutz- bzw. Gebrauchtwasser musste man im Eimer nach draußen tragen, und je nachdem, wie stark es verschmutzt war, wurde es im Hof, auf die Straße oder auf den Misthaufen ausgeschüttet. Öfters musste man den Nachttopf mit der Kacke der kleinen Geschwister nach draußen tragen, um es in der Toilette zu entsorgen, egal ob es Sommer oder Winter war. Erwachsene urinierten vorwiegend in einen Eimer mit Schmutzwasser, was dann auch draußen ausgeschüttet wurde. Die kleinen Kinder trugen meistens kurze Hemdchen, so war der Po frei, um es schnell sauber zu machen.

Der Friseursalon meines Vaters befand sich im Erdgeschoss des Hauses, wo wir wohnten. Die Nutzfläche des Friseursalons war größer als unsere Wohnfläche im Dachgeschoss. Wenn meine Mutter im Friseursalon tätig oder außer Haus war, befanden wir Kinder uns meistens im Friseursalon unter der Aufsicht des Vaters. Um mehr Ruhe in der kleinen Wohnung zu schaffen, war ich öfter in den Friseursalon verbannt und musste dort in einem aus Weide geflochten Sessel ruhig sitzen – der auf dem Foto „Meine Taufe“ zu sehen ist. Wenn keine Kundschaft da war, so hatte mir mein Vater etwas vorgelesen. Oft malte ich mit Buntstiften. Manchmal beschäftigte mich auch die Kundschaft. Von der Straße her führte eine gemauerte Treppe zum Friseursalon, und auf der durfte ich manchmal sitzen, um frische Luft zu schnappen und so auch einiges beobachten. Von der Treppe machte ich mich aber öfter selbstständig und lief weg. Mir gefiel wohl nicht, einsam zu sein und mich der strengen Hausordnung zu unterwerfen. Die Eltern fanden mich immer irgendwo spielend mit fremden Kindern.

Außerhalb unseres Ortes, etwa drei Kilometer von unserer Wohnung entfernt, befand sich ein großes Gewässer, das teilweise mit Schilf zugewachsen war. An schönen Sommersonntagen machten viele Menschen aus unseren Ort und der Umgebung dorthin einen Ausflug. Einmal war ich dort mit den Eltern. Am Wasser, auf den grünen Flächen und unter schön gewachsenen Birken suchten sie da Erholung. Einige machten Picknick, andere fuhren auf den Gewässern mit dem Boot, badeten, fingen Fische oder sangen unter Gitarren- und Akkordeonbegleitung. Als ich mit den Eltern dort war, da musste mir das alles gut gefallen haben, und ich dachte mir wohl, dass sich dort täglich so viele Menschen befänden und so fröhlich seien.

Eines Tages bin ich alleine zu dem Gewässer gegangen. Der Weg führte etwas durch den Ort, der Rest des Weges aber durch die Felder. Als ich dort ankam, war ich wohl enttäuscht, dass dort keine Menschen waren, und so ging ich zurück nach Hause. Bei der Rückkehr war ich so müde, dass ich im Hof eines am Rande des Ortes stehenden Hauses eingeschlafen bin. Die Bewohner des Hauses nahmen mich in das Haus herein, wo ich weiter schlief. Als ich wach wurde und die fremden Leute sah, weinte ich. Meinen Namen wollte ich den Leuten nicht verraten. Ich versuchte nur abzuhauen, was mir nicht gelungen war. Am Ende sind sie mit mir auf die Straße gegangen, und ich ging unter Beobachtung der Leute nach Hause.

Als ich zurück nach Hause kam, waren meine Eltern nicht da. In der Zeit suchten sie mich an dem Gewässer, denn jemand soll ihnen gesagt haben, dass sie einen Bub gesehen hätten, der in die Richtung gegangen sei. Damals war ich um die vier bis fünf Jahre alt. An den Streich konnte ich mich nicht mehr erinnern, das erfuhr ich später von meinen Eltern. Ob ich vom Vater für den Streich bestraft wurde, daran kann ich mich auch nicht erinnern, denn sonst wurde ich für viele andere Streiche meistens vom Vater verprügelt. Aber ich lief den Eltern öfters von Zuhause weg. Vielleicht lag das daran, dass die Eltern zu wenig Zeit hatten, um mich zu beschäftigen.

Als ich zwischen vier bis sechs Jahre alt war, besaß ich ein Dreirad, das in einer Schlosserei angefertigt worden war. Die Räder stammten von einem Kinderwagen, die für mein Gewicht damals stark genug waren. Aber wenn ich manchmal mit dem Fahrrad alleine unterwegs war, machten Jugendliche eine Probefahrt, bei der wurde das Fahrrad kaputt gemacht. Dann trug ich das Fahrrad weinend zurück nach Hause. Die Räder hielten das Gewicht der Jugendlichen nicht aus und gingen zu Bruch. Am Ende konnte ich das Fahrrad nur unter Aufsicht der Eltern benutzen.

Ob ich irgendwelche Spielzeuge in dem Alter hatte, daran kann ich mich nicht erinnern. Einmal zu Weihnachten bekam ich eine Eisenbahn – Lokomotive mit zwei Wagons und runden Schienen. Die Lokomotive mit Antrieb zum Aufziehen. Spielen mit der Bahn durften wir Kinder nur unter Aufsicht der Eltern.

Meine Taufpatin, Tante Helena, nahm mich manchmal aus Erbarmen zu sich nach Hause. Aber mein Verhalten bei ihr war auch nicht anders, ich riss auch bei ihr aus. Am Ende wollte sie mich bei ihr nicht mehr haben. Sie sollte meiner Mutter gesagt haben: „Das ist kein Kind, das ist ein Teufel.“

Wie sollte man so einen „Teufel“ zur Vernunft bringen – nach der Empfehlung von Frau Lindgren, „Kinder sollen mit viel Liebe aufwachsen, aber sie wollen und brauchen auch Normen“, bestimmt nicht, oder doch? Denn aus Liebe zu mir hätte der Vater mir die Freiheit geben und seine angewendete Erziehungsnormen hierzu weglassen können. Vielleicht wäre ich eines Tages selbst zur Vernunft gekommen, oder auch nicht?

Als ich fünf Jahre alt war, ging ich mit meiner Schwester Sofia zum katholischen Kindergarten, der sich in einem Nonnenkloster befand, wo auch die Nonnen die Erzieherinnen waren. Die Erziehung wurde im Geiste der katholischen Lehre geübt. Hin und zurück sind wir zu Fuß gegangen. Die Brote musste jedes Kind mitbringen, und diese trugen wir von zu Hause in kleinen Umhängetaschen. Auf dem Weg hin und zurück konnte ich nicht weglaufen, da ich unter der Aufsicht meiner Schwester war. Nachdem meine Schwester eingeschult war, hatte ich ein Mal den Kindergarten geschwänzt. Um pünktlich zu Hause anzukommen, orientierte ich mich am Kirchenläuten um 12 Uhr und den Schlägen der Kirchenuhr. Nach dem Schwänztag wurde ich zum Kindergarten gebracht und auch abgeholt.

Der strenge Umgang meines Vaters mit mir gefiel nicht nur der Tante Helena nicht, das gefiel auch nicht dem Hausbesitzer, wo wir wohnten, Herrn Październiok – dem Vater meines Taufpaten Bruno. Er sah wohl, dass mir das immer zu Hause sein zu langweilig war. Er ging öfters Fischen, und so nahm er mich ab und zu mit. Er fischte in einem Überschwemmungsgebiet des Flusses Brynica (Brinitza) in dem Ort Przełajka (Przelaika). Wir gingen dorthin zu Fuß ca. 3 km durch die Felder. Unterwegs konnte ich die verschiedene Vöglein sehen und ihren Gesang hören, verschiedene Tiere beobachten und die schöne Natur anschauen usw. Das Anwesen seines Elternhauses lag an dem Überschwemmungsgebiet des Flusses, und dort, am Ufer des Gewässers, hatte er ein Fischerboot am Anker gehabt. Zum Fischen sind wir mit dem Boot gefahren. Dabei konnte ich die Vielfalt der Wasserpflanzen, der Wasservögel, der Fische, der Frösche usw. bewundern und so diese auch kennen lernen.

Herr Październiok hatte auch immer gute Brote und Getränke dabei gehabt. Die Brotzeit war für mich etwas Besonderes, und ich wartete immer ungeduldig auf sie. Er besorgte mir ebenfalls eine kleine Angel, und ich fing auch manchmal einen Fisch. Mir gefiel dabei ebenso die Stille, denn wir unterhielten uns dabei nicht. Im Boot war ich für den Wirt sicher, dass ich ihm nicht irgendwohin wegliefe. Die Stille im Boot machte mich auch müde, und so schlief ich öfters ein.

Einmal, als wir zum Fischen durch die Felder gegangen sind, trug ich meine Sandalen in der Hand, weil ich barfuss laufen wollte. Ihm gefiel das nicht, aber ich bin trotzdem barfuss gelaufen. Statt auf dem Gehweg zu gehen, ging ich im Graben des Feldweges, der mit Gras bewachsen war. Und es passierte – ich trat mit dem Fuß auf ein Stück Glas und zog mir an der Fußsohle eine große ca. 2,5 cm lange stark blutende Schnittwunde zu. Er riss ein Stück Stoff von seinem Hemd und versorgte mir damit die Wunde, und wir gingen weiter. Kurz danach trug er mich ein Teil des Weges.

Wäre ich ordnungsgemäß in Sandalen auf dem Feldweg gegangen, so wäre das nicht passiert. Im Boot, während er fischte, schlief ich nur. Meistens passieren verschiedene Kinderunfälle, wenn die Kleinen den Rat der Eltern bzw. älteren Menschen nicht befolgen. Auf einem geliehenen Fahrrad fuhr mich Herr Październiok nach Hause. Beim Arzt waren wir nicht. Der Vater war im DRK tätig, und so versorgte er mir die Wunde fachmännisch zu Hause. Heute würden die Eltern mit mir zum Arzt gehen, und die Wunde würde bestimmt genäht werden. Zum Anlocken der Fische wurden an den Angelhaken Regenwürmer aufgespießt. Er benutzte auch verschiedene Angelhaken und Köder, wie z. B. kleine Kugeln aus Brotkrumme oder kleine Fische. Es hing davon ab, welche Fischarten er fangen wollte. Die Regenwürmer gruben wir an einem etwas stinkenden Bach aus, die er dann in einer Köderdose aufbewahrte.