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"The Riddle of the Sands" des irischen Autors Erskine Childers wird oft als der erste moderne Thriller bezeichnet und war am Beginn des 20. Jahrhunderts einer der populärsten Spionageromane. Der 1903 erschienene Roman begründete ein Genre und beeinflusste großen Spionageautoren wie John Buchan, Ian Fleming, John le Carre und viele andere mehr. Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei britische Segler, die mit ihrer Jacht, der "Dulcibella", eigentlich zum Zeitvertreib die deutsche Ostseeküste befahren wollen. Nachdem Carruthers erfährt, dass sein Freund Davies von einem gewissen Dollmann beinahe in einen tödlichen Hinterhalt auf dem Meer gelockt worden war, entscheiden sich die beiden Kameraden, Nachforschungen über Dollmann und seine Machenschaften anzustellen. Ihre Erkundigungen führen sie zu den friesischen Inseln der deutschen Nordseeküste, wo sie schließlich Dollmanns Geheimnis aufdecken und dabei Pläne für eine deutsche Marineinvasion Großbritanniens enthüllen.
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Seitenzahl: 448
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Das Rätsel der Sandbank
Erskine Childers (1903)
Übersetzung: Heike Wolf (2021)
Aureon Verlag GmbH
EIN WORT über den Ursprung und die Urheberschaft dieses Buches.
Im letzten Oktober (1902) besuchte mein Freund „Carruthers“ mich in meiner Wohnung und erzählte mir unter dem vorläufigen Versprechen der Geheimhaltung offen alles über das auf diesen Seiten beschriebene Abenteuer. Bis dahin wusste ich nur so viel wie seine anderen Freunde, nämlich dass er kürzlich während einer Segeltour mit einem gewissen Mr. „Davies“ Erfahrungen gemacht hatte, die seinen Charakter und seine Gewohnheiten tief geprägt hatten.
Am Ende seiner Erzählung -fügte er hinzu, dass die wichtigen Fakten, die im Laufe der Segeltour herausgefunden wurden, den zuständigen Behörden unverzüglich mitgeteilt worden seien und diese sie nach einer gewissen würdevollen Ungläubigkeit, seiner Meinung nach genutzt hätten, um eine große nationale Gefahr abzuwenden. Ich sage, „seiner Meinung nach“, denn obwohl außer Frage stand, dass die Gefahr einstweilen gebannt war, war es zweifelhaft, ob sie auch nur einen Finger zu ihrer Bekämpfung gerührt hatten.
Jedenfalls ruhte die Angelegenheit eine Weile, da er und Mr. „Davies“ dies aus persönlichen Gründen, die sich dem Leser offenbaren werden, ausdrücklich wünschten.
Doch die Ereignisse brachten sie dazu, ihre Entscheidung zu überdenken. Diese deuteten darauf hin, dass die Informationen, die der deutschen Regierung so gefährlich und mühsam abgerungen und so schnell an unsere Regierung weitergeleitet worden waren, auf unsere Politik nur einen höchst kurzlebigen Einfluss hatten. Nachdem die beiden Freunde erkennen mussten, dass die nationale Sicherheit tatsächlich vernachlässigt worden war, wollten sie ihre Geschichte öffentlich machen und dazu wollte „Carruthers“ meinen Rat. Das große Hindernis war, dass ein Engländer, der einen ehrenhaften Namen trug, auf schändlichste in diese Angelegenheit verwickelt war, und dass unschuldige Personen, insbesondere eine junge Dame, Schmerz und Demütigung erfahren würden, wenn ihre Identität bekannt würde, sofern man nicht mit immenser Behutsamkeit vorginge. In der Tat hatten sich bereits beunruhigende Gerüchte verbreitet, die einen Funken Wahrheit und eine Menge Unwahrheiten enthielten.
Nachdem ich beide Seiten der Frage abgewogen hatte, gab ich nachdrücklich meine Zustimmung zur Veröffentlichung. Die persönlichen Nachteile könnten, so dachte ich, durch Fingerspitzengefühl neutralisiert werden, während es aus der Sicht der Öffentlichkeit nur gut wäre, den Fall dem gesunden Menschenverstand des ganzen Landes vorzulegen. Man einigte sich daher auf eine Veröffentlichung und der nächste Punkt war die Form, die sie annehmen sollte.
Es wurde vereinbart, dass ich das Buch überarbeiten sollte, dass „Carruthers“ mir sein Tagebuch geben und mir alle Stadien der „Suche“, wie sie es zu nennen pflegten, aus seiner Sicht erzählen sollte; dass Mr. „Davies“ mit seinen Karten und Landkarten zu mir kommen und das Gleiche tun sollte und die ganze Geschichte wie vom Ersteren erzählt genauso aufgeschrieben werden sollte, wie sie geschehen war. Das Jahr, in dem es geschah, ist verschleiert, die Namen der Personen sind durchweg fiktiv, auf meine Veranlassung hin wurden einige Dinge leicht abgeändert, um die Identität der englischen Beteiligten zu verbergen.
E. C.
März 1903
INHALTSVERZEICHNIS
I Der Brief
II Die Dulcibella
III Davies
IV Rückblick
V Nordwind erwünscht
VI Schlei Förde
VII Die fehlende Seite
VIII Die Theorie
IX Ich heuere an
X Seine Chance
XI Die Spurensucher
XII Meine Einführung
XIII Die Bedeutung unserer Arbeit
XIV Die erste Nacht bei den Inseln
XV Bensersiel
XVI Fregattenkapitän von Brüning
XVII Es wird reiner Tisch gemacht
XVIII Kaiserliche Eskorte
XIX Der Rubikon
XX Das kleine schäbige Buch
XXI Blindlings nach Memmert
XXII Das Quartett
XXIII Geänderte Taktik
XXIV Finesse
XXV Ich mache kehrt
XXVI Die sieben Sielorte
XXVII Das Glück des blinden Passagiers
XXVIII Wir erreichen unser doppeltes Ziel
ICH HABE von Männern gelesen, die, wenn sie durch ihre Berufung gezwungen waren, längere Zeit in völliger Einsamkeit zu leben, es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, sich regelmäßig zum Abendessen umzuziehen, um ihre Selbstachtung zu wahren und einen Rückfall in die Barbarei zu verhindern. Als ich mich um sieben Uhr abends am 23. September desselben Jahres in meiner Wohnung in Pall Mall meiner Abendtoilette widmete, geschah es in dem Bewusstsein, dass man jemandem wie mir – nun, einem jungen Mann guter Herkunft und mit Manieren, der die richtigen Leute kennt, den richtigen Clubs angehört und den eine sichere, möglicherweise brillante Zukunft im Außenministerium erwartet – ein Gefühl selbstgefälligen Märtyrertums nachsehen muss, wenn er mit seiner Vorliebe für das Gesellschaftsleben zur Einsamkeit Londons im September verdammt ist. Ich sage „Märtyrertum“, aber in Wirklichkeit war die Sache unendlich schlimmer. Ein Freund nach dem anderen „entfloh“ zum Sport und an die frische Luft, mit dem Versprechen, zu schreiben, und mit scherzhaften Beileidsbekundungen, und während jeder das sinkende Schiff verließ, fand ich beinahe finstere Freude an meinem Elend und genoss die ersten ein oder zwei Wochen, nachdem sich meine Welt endlich in die vier belebenden Winde des Himmels zerstreut hatte. Obwohl mir die völlige Isolation am liebsten gewesen wäre, stellte ich natürlich fest, dass es einen Bodensatz von Unglücklichen wie mir gab, die aber im Gegensatz zu mir die Situation ausgesprochen prosaisch betrachteten. Nach Büroschluss fanden Flussfahrten und dergleichen statt, aber ich mochte den Fluss wegen seiner lärmenden Vulgarität noch nie und schon gar nicht zu dieser Jahreszeit. Also verließ ich die Frischluftbrigade und lehnte H‘s Angebot, eine Hütte am Flussufer zu teilen und morgens in die Stadt zu gehen, ab. Ich verbrachte zwar ein oder zwei Wochenenden bei den Catesbys in Kent, aber ich war nicht untröstlich, als sie ihr Haus verließen und ins Ausland reisten, denn ich stellte fest, dass mir solch halbherziger Ersatz nicht behagte. Ein vorübergehender Hunger nach faszinierenden Abenteuern führte mich an einigen Abenden in einige zwielichtige Lokale in Soho und weiter östlich. Der Hunger wurde schließlich an einem schwülen Samstagabend gestillt, nachdem ich eine Stunde lang in die stinkende Atmosphäre eines ordinären Musiksaals am Ratcliffe Highway eingetaucht war, wo ich neben einer beleibten Frau saß, die unter der Hitze litt, und die in regelmäßigen Abständen sich selbst und einen Säugling mit Stout aus einer lauwarmen Flasche erfrischte.
In der ersten Septemberwoche hatte ich mich an die trostlose, aber ehrwürdige Routine von Büro, Club und Wohnung gewöhnt. Und nun folgte die grausamste Prüfung, denn mir dämmerte die schreckliche Wahrheit, dass diese Welt, die ich so unentbehrlich fand, auf mich letztlich verzichten konnte. Lady Ashleigh mochte mir versichert haben, dass ich zutiefst vermisst wurde, aber ich erhielt einen Brief von F., der zu ihren Gästen gehörte, und mir als verspätete Antwort auf einen meiner geistreichsten Briefe „in Eile, gehe gleich zur Jagd“ schrieb, wodurch mir bewusst wurde, dass die Hausgesellschaft wenig unter meiner Abwesenheit gelitten hatte und dass sogar von jenen, bei denen ich das aufgrund der diskreten Andeutung des unterstrichenen Worts alle in Lady Ashleighs „wir werden Sie alle vermissen“ angenommen hatte, nur wenige Seufzer an mich verschwendet wurden. Ein Stich, der schmerzhafter, wenn auch etwas weniger tief war, kam von meiner Cousine Nesta, die schrieb: „Es ist schrecklich für dich, jetzt in London hocken zu müssen; aber es muss dir doch eine große Freude sein“ (bösartige kleine Hexe!) „mit einer solch interessanten und wichtigen Arbeit beschäftigt zu sein.“ Dies war eine gerechte Strafe für die unschuldige Illusion, die ich stetig in den Köpfen meiner Verwandten und Bekannten genährt hatte, insbesondere in der Brust der arglosen und bewundernden jungen Frauen, die ich in den letzten beiden Saisons zum Essen ausgeführt hatte; eine Fiktion, die ich fast schon selbst glaubte. Denn die schlichte Wahrheit war, dass meine Arbeit weder interessant noch wichtig war und vor allem darin bestand, Zigaretten zu rauchen, zu sagen, dass Mr. Soundso weg war und voraussichtlich am 1. Oktober zurückkommen würde, von zwölf bis zwei zum Mittagessen abwesend zu sein und in meinen freien Momenten die – sagen wir – weniger vertraulichen konsularischen Berichte zusammenzufassen und die Ergebnisse in unumstößliche Zeitpläne zu pressen.
Es bedurfte nur eines Tropfens, der das Fass meiner Verbitterung überlaufen ließ und das war es, was mich besonders beschäftigte, als ich mich für das Abendessen ankleidete. Noch zwei Tage in dieser toten und gärenden Stadt und meine Leiden wäre zu Ende. Ja, aber – Ironie des Schicksals! – ich konnte nirgendwo hingehen! Die Gesellschaft, die in Morven Lodge zusammengekommen war, zerstreute sich. Einladungen für einen späteren Termin, die ich im Juli mit dem wohligen Gefühl abgelehnt hatte, sehr gefragt zu sein, erhoben sich nun gespenstisch, um mich zu verspotten. Es gab zumindest eine, die ich leicht hätte wiederbeleben können, aber weder in diesem Fall noch in irgendeinem anderen wurde der Wunsch erneut ausgesprochen und es gibt Momente, in denen der Unterschied, ob man sich selbst anbiedert oder einer von mehreren eifrig konkurrierenden Gastgeberinnen nachgibt, zu niederschmetternd ist, als dass man darüber nachdenken könnte. Kurz gesagt, ich befand mich am Rande einer Depression.
Das übliche Schlurfen auf der Treppe bereitete mich auf das Anklopfen und Eintreten von Withers vor. Withers übergab mir schüchtern einen Brief mit deutschem Poststempel und der Aufschrift „Dringend.“ Als ich mich hinsetzte, um ihn zu öffnen, unterbrach eine kurzzeitige Neugier meine Depression. Eine Ecke auf der Rückseite des Umschlags wies eine befleckte Beschriftung auf: „Es tut mir sehr leid, aber da ist noch etwas anderes – ein Paar Takelschrauben von Carey und Neilson‘s, Größe 1 3/8 Zoll, verzinkt.“ Hier ist der Brief:
Jacht 'Dulcibella'
Flensburg, Schleswig-Holstein, 21. September
LIEBER CARRUTHERS,--Du wirst überrascht sein, von mir zu hören, denn es ist lange her, dass wir uns getroffen haben. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, dass das, was ich dir vorschlagen werde, dir nicht gefallen wird, denn ich weiß nichts über deine Pläne und ob du überhaupt in der Stadt bist. Wahrscheinlich wirfst du dich gerade wieder ins Zaumzeug und kannst nicht wegreisen. Ich schreibe dir also nur auf gut Glück, um dich zu fragen, ob du Lust hast, hierherzukommen und mit mir ein wenig zu segeln und, wie ich hoffe, Enten zu jagen. Ich weiß, dass du die Jagd magst, und ich erinnere mich, dass du auch schon segeln warst, obwohl ich das lieber vergesse. Dieser Teil der Ostsee – die Schleswiger Förden – sind ein herrliches Segelrevier – erstklassige Landschaft – und es dürfte bald reichlich Enten geben, falls es kalt genug wird. Ich bin Anfang August aufgebrochen und über Holland und die friesischen Inseln hergekommen. Meine Freunde mussten mich verlassen, und ich benötige dringend neue Gesellschaft, da ich noch eine Weile weitersegeln möchte. Ich muss nicht betonen, wie froh ich wäre, wenn du kommen könntest. Wenn du kannst, schick mir ein Telegramm an die hiesige Post. Nach Flushing und von da aus weiter nach Hamburg wird für dich die beste Route sein, glaube ich. Ich lasse hier ein paar Reparaturen vornehmen und sie werden bis zur Ankunft deines Zuges fertiggestellt sein. Bring dein Gewehr und reichlich Nr. 4-Munition mit. Und würde es dir etwas ausmachen, bei Lancaster anzurufen, nach meinem Gewehr zu fragen und es ebenfalls mitzubringen? Bring auch Ölzeug mit. Nimm besser die Sorte für elf Schilling, Jacke und Hose – nicht die „Yachtsachen“, und wenn du malen willst, bring dein Zubehör mit. Ich weiß, dass du wie ein Einheimischer Deutsch sprichst, und das wird eine große Hilfe sein. Verzeih mir diese Flut von Anweisungen, aber ich habe so ein Gefühl, dass ich Glück habe und du kommen wirst. Jedenfalls hoffe ich, dass es dir und dem Außenministerium gut geht. Auf Wiedersehen.
Mit besten Grüßen, ARTHUR H. DAVIES.
Würdest Du mir bitte einen Prismenkompass und ein Pfund Tabak, Raven Mixture, mitbringen?
Dieser Brief markierte für mich eine Zeitenwende, aber ich ahnte es kaum, als ich ihn in meiner Tasche zerknüllte und mich träge auf den alltäglichen Leidensweg in den Club begab. Natürlich war mir der Club fremd, da mein eigener wegen Reinigungsarbeiten geschlossen war. Ein Zufall, den das Schicksal ausdrücklich eingerichtet hatte, um mir Unannehmlichkeiten zu bereiten. Der Club, von dem man bei diesen Gelegenheiten „Gebrauch machen darf“, irritiert immer durch seine Fremdheit und seine Unbehaglichkeit. Die wenigen Gäste wirkten seltsam und merkwürdig gekleidet, und man fragt sich, wie sie dorthin gekommen waren. Die Wochenzeitung, die man sich wünscht, ist nicht abonniert, das Abendessen ist abscheulich und die Belüftung eine Farce. All diese Übel bedrückten mich an diesem Abend. Und doch war ich verblüfft, als ich feststellte, dass mein Geist auflebte; grundlos, soweit ich es feststellen konnte. Es konnte nicht Davies' Brief sein. Segeln in der Ostsee im September! Allein der Gedanke daran ließ einen schaudern. Eine Kreuzfahrt im August auf einer Dampfyacht in französischen Gewässern oder in den Highlands war gut und schön, aber um was für eine Art Jacht handelte es sich hier? Sie musste eine gewisse Größe haben, um so weit gekommen zu sein, aber ich glaubte, mich hinreichend an Davies' Vermögenssituation zu erinnern, um zu wissen, dass er kein Geld für Luxus hatte. Das brachte mich zu dem Mann selbst. Ich kannte ihn aus Oxford – nicht aus meinem engen Freundeskreis, aber wir waren ein geselliges College, und ich hatte ihn oft gesehen, mochte ihn wegen seiner körperlichen Energie in Verbindung mit einer gewissen Einfachheit und Bescheidenheit, obwohl er in der Tat nichts hatte, auf das er sich etwas einbilden konnte; mochte ich ihn auf die Art und Weise, auf die man in dieser aufgeschlossenen Phase viele Männer mag, mit denen man später nie in Kontakt bleibt. Wir hatten das College im selben Jahr verlassen – vor nunmehr drei Jahren. Ich war für zwei Jahre nach Frankreich und Deutschland gegangen, um die Sprachen zu lernen, er war an der kolonialen Verwaltungsbehörde für Indien nicht angenommen worden und hatte dann angefangen, in einer Anwaltskanzlei zu arbeiten. Ich hatte ihn seitdem nur noch selten gesehen, obwohl ich zugeben musste, dass er sich seinerseits treu an die Freundschaftsbande zwischen uns geklammert hatte. Aber die Wahrheit war, dass wir uns durch die Umstände voneinander entfernt hatten. Ich war mit Bravour ins Berufsleben eingetreten, und bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich ihn seit meinem triumphalen Debüt in der Gesellschaft getroffen hatte, hatte ich keine Gemeinsamkeiten mehr zwischen uns gefunden. Er schien keinen meiner Freunde zu kennen, er kleidete sich mit Gleichgültigkeit und ich hielt ihn für langweilig. Ich hatte ihn immer mit Booten und dem Meer in Verbindung gebracht, aber nie mit dem Segeln nach meiner Vorstellung. Zu College-Zeiten hatte er mich fast dazu überredet, eine armselige Woche in einem offenen Boot zu verbringen, das er ergattert hatte, und irgendwo an der Ostküste zwischen tristen Wattflächen zu segeln. Weiter gab es nichts und ich widmete mich wieder meinem trübseligen Abendessen. Aber ich ertappte mich dabei, wie ich mich beim Entréedaran erinnerte, dass ich kürzlich aus zweiter oder dritter Hand etwas anderes über ihn erfahren hatte – ich konnte mich nicht genau erinnern, was es war. Als ich das Dessert bekam, war ich, in dem Maße, in dem ich überhaupt darüber nachgedacht hatte, zu dem Schluss gekommen, dass das Ganze der Gipfel der Ironie war, so ähnlich wie das Dessert. Nach dem Scheitern meiner schönen Pläne und dem Fiasko meines Martyriums als Trost gebeten zu werden, den Oktober mit einem exzentrischen, mich langweilenden Nichts frierend auf der Ostsee zu verbringen! Doch als ich in der grässlichen Pracht des leeren Raucherzimmers meine Zigarre rauchte, ließ mir das Thema keine Ruhe. Lohnte sich die Sache? Es gab definitiv keine Alternativen.
Ich zog den Brief noch einmal heraus und überflog seine impulsiven Stakkato-Sätze, wobei ich vorgab, zu ignorieren, welch frischer Windstoß, welche gute Laune und welche Kameradschaft von diesem dünnen Stück Papier in den abgewohnten Clubraum wehte. Bei erneuter Betrachtung enthielt es lauter böse Omen – „erstklassige Landschaften“ – aber was ist mit Äquinoktialstürmen und Oktobernebeln? Jeder vernünftige Segler zahlte jetzt seine Crew aus. „Es dürfte Enten geben“ – vage, sehr vage. „Wenn es kalt genug wird“ ... Kälte und Segeln schienen eine unnötig grässliche Kombination zu sein. Seine Begleiter hatten ihn verlassen, warum? Keine „Yachtsachen“, warum nicht? Was die Größe, den Komfort und die Besatzung der Jacht betraf – alles fröhlich ignoriert, so viele unerträgliche Leerstellen. Und übrigens, warum um Himmels Willen „ein Prismenkompass?“ Ich durchblätterte ein paar Zeitschriften, spielte eine Partie Karten mit einem freundlichen alten Kauz, der zu aufdringlich war, als dass er die Mühe des Widerstandes wert gewesen wäre, und ging zurück in meine Wohnung, um zu Bett zu gehen.
DASS ich zwei Tage später mit einer Fahrkarte nach Hamburg in der Tasche auf dem Deck des Dampfers aus Flushing auf und ab ging, mag seltsam erscheinen, ist aber weniger seltsam, wenn Sie meinen Gemütszustand erraten haben. Sie werden jedenfalls erahnen, dass ich absolut überzeugt war, eine Art unbestimmter Buße zu tun, die vielleicht, sofern die richtigen Leute es mitbekamen, deren Aufmerksamkeit auf mein Schicksal lenkte und ich so vielleicht Reue in ihnen erwecken könnte, während es mir die Möglichkeit gab, mich unauffällig zu amüsieren, sofern der unwahrscheinliche Fall eintrat, dass Amüsement möglich war.
Tatsache war, dass ich beim Frühstück am Morgen nach dem Eintreffen des Briefes immer noch diese unerklärliche Erleichterung empfand, die ich zuvor erwähnt hatte, und die stark genug war, um eine erneute Abwägung des Pro und Contra zu rechtfertigen. Ein wichtiges Pro, an das ich vorher nicht gedacht hatte, war, dass es immerhin von großer Selbstlosigkeit zeugte, sich Davies anzuschließen, denn er hatte erwähnt, dass es ihm an Gesellschaft mangele und schien mich wirklich zu brauchen. Fast klammerte ich mich an diesen Gedanken. Als ich an jenem Tag mein Büro erreichte, war es eine vortreffliche Entschuldigung für ein schicksalsergebenes Studium des Continental Bradshaw-Kursbuchs, verbunden mit der Anweisung an Carter, eine große knarrende Wandkarte von Deutschland zu entrollen und mir darauf Flensburg zu zeigen. Mit dem größten Teil der Karte und dem, auf das sie hinwies, war ich einigermaßen vertraut, denn ich hatte mein Jahr in Deutschland nicht verschwendet, was auch immer ich seitdem getan oder nicht getan hatte. Seine Menschen, seine Geschichte, sein Fortschritt und seine Zukunft hatten mich sehr interessiert, und ich hatte noch Freunde in Dresden und Berlin. Flensburg erinnerte an den dänischen Krieg von '64 und ich fragte mich, ob, falls ich reisen würde, die Aussicht, etwas von dieser laut Hörensagen schönen Region Schleswig-Holsteins zu sehen, die unangenehme Art, es zu erleben, aufwog, zu solch später Jahreszeit, in solch unattraktiver Gesellschaft und mit all den anderen Nachteilen, die ich als Beweise für meinen verzweifelten Zustand auflistete.
Zur Mittagszeit war die Last der Unentschlossenheit beseitigt, und ich ertappte mich dabei, Carter mit einem Telegramm an Davies, Postlagernd, Flensburg, zu betrauen. „Danke, erwarte mich am 26. um 21:34 Uhr“, woraufhin drei Stunden später eine Antwort einging: „Begeistert, bitte bring einen Rippingille-Ofen Nr. 3 mit“ – eine verwirrende und merkwürdige Anweisung, die mich trotz des Themas irgendwie frösteln ließ.
In der Tat wankte mein Entschluss immer wieder. Er wankte, als ich am Abend mein Gewehr hervorholte und an die Moorhühner dachte, die es hätte erledigen sollen. Er wankte erneut, als ich die Liste diverser Aufträge betrachtete, die durch Davies' Brief an mich herangetragen wurden und deren Erfüllung mich zu einem willigen Werkzeug zu machen schien, obgleich meine gewählte Rolle, die eines verbitterten Verbannten oder zumindest eines herablassenden Verbündeten war. Nachdem ich das Büro verlassen hatte, stellte ich mich mannhaft den Aufträgen.
Bei Lancaster‘s erkundigte ich mich nach seinem Gewehr, wurde kühl empfangen und musste eine hohe Rechnung bezahlen. Nachdem ich darum gebeten hatte, die Waffe und die Nr. 4-Munition in meine Wohnung zu schicken, kaufte ich die Raven-Mischung mit jenem eigentümlichen Gefühl der Rechtsverletzung, das die Aussicht auf Schmuggel in fremdem Namen immer mit sich bringt, und fragte mich, wo um alles in der Welt Carey und Neilson's war, eine Firma, von der Davies sprach, als ob sie so bekannt wäre wie die Bank of England, stattdessen aber auf „Takelschrauben“ spezialisiert, was auch immer diese sein mochten. Sie klangen jedoch wichtig, und es wäre nur höflich, sie aufzustöbern. Ich brachte sie mit den „wenigen Reparaturen“ in Verbindung.
Dies weckte neue Befürchtungen. In The Stores fragte ich nach einem Rippingille-Ofen Nr. 3 und wurde mit einer gewaltigen und abscheulichen Eisenware konfrontiert, die in zwei geräumigen Tanks Petroleum verbrannte. In der Jacht-Abteilung erkundigte ich mich auch nach Takelschrauben, erfuhr aber, dass sie nicht vorrätig waren, dass Carey und Neilson‘s sie sicherlich hätten und dass sich ihr Geschäft in den Minories, weit im Osten befand, was eine fast so lange Reise wie nach Flensburg bedeutete und doppelt so ermüdend war. Bis ich dort ankam, hätten sie schon geschlossen, also fuhr ich nach dieser anstrengenden Pflichterfüllungsrunde in einem Taxi nach Hause, ließ das Umziehen zum Abendessen aus (für mich epochal), bestellte ein Kotelett aus der Küche im Souterrain und verbrachte den Rest des Abends mit Packen und Schreiben, in der methodischen Tristesse eines Mannes, der seine Angelegenheiten zum letzten Mal in Ordnung brachte.
Die letzte dieser stickigen Nächte verging. Der verwunderte Withers sah mich um acht Uhr frühstücken, und um 9:30 Uhr untersuchte ich geistesabwesend Takelschrauben mit dem, was mir nach einer schwefelhaltigen Fahrt mit der U-Bahn nach Aldgate an Verstand geblieben war. Ich legte großen Wert auf die 3/8er und die Verzinkung und nahm sie gutgläubig entgegen, ohne ihre Funktionen zu kennen. Für das Elf-Schilling-Ölzeug wurde ich an ein abscheuliches Loch in einer Seitenstraße verwiesen, das laut dem Verkäufer immer empfohlen wurde und wo ein dreckiger und mit Juwelen geschmückter Hebräer mit mir über zwei stinkende orangefarbene Exemplare verhandelte (er fing mit 18 Schilling an). Ihr Geruch ließ mich den Handel vorzeitig bei 14 Schilling abschließen und ich eilte mit meinen beiden schäbigen braunen Papierpaketen in mein Büro zurück (denn ich sollte um elf Uhr dort sein).
Später fiel mir der Prismenkompass ein und ich telegrafierte an die Minories, um sofort einen schicken zu lassen, wobei ich ziemlich erleichtert war, dort nicht persönlich anwesend sein zu müssen, um hinsichtlich der Größe und der Marke ins Kreuzverhör genommen zu werden.
Die Antwort lautete: „Nicht vorrätig; versuchen Sie es bei einem Hersteller für Vermessungsinstrumente“ – eine sowohl rätselhafte als auch beruhigende Antwort, denn Davies' Bitte um einen Kompass hatte mir mehr Unbehagen bereitet als alles andere, während die Feststellung, dass das, was er wollte, sich als Vermessungsinstrument herausstellte, eine nicht weniger verwirrende Entdeckung war.
Um sieben Uhr betrachtete ich ein Taxi, das mit meinem persönlichen Gepäck und einer Ansammlung unhandlicher Pakete, die mir meine Einkäufe eingebracht hatten, beladen war. Zwei Umwege wegen dieses erbärmlichen Prismenkompasses – den ich schließlich in Ermangelung einer besseren Möglichkeit aus zweiter Hand in der Nähe von Victoria in einem dieser protzigen Läden, die wie Juweliere aussehen und in Wirklichkeit Pfandleiher sind, erworben hatte – ließen mich beinahe meinen Zug verpassen. Aber um 8:30 Uhr hatte ich den Staub Londons von meinen Schuhen abgeschüttelt und um 10:30 Uhr schlenderte ich bereits über das Deck des Flushing-Dampfers.
Die durch ein mittägliches Gewitter abgekühlte Luft aus dem Westen folgte dem Dampfer, als er durch die ruhigen Kanäle der Themsemündung fuhr und schließlich in die dunklen Weiten der Nordsee hinausglitt. Die Sterne waren hell, Sommerdüfte der Klippen von Kent vermischten sich schüchtern mit den vulgären Abgasen des Dampfers, das Sommerwetter hielt unveränderlich an. Die Natur schien entschlossen zu sein, sich nicht an meiner Buße zu beteiligen, sondern unerschütterlich darauf aus zu sein, mich wegen meiner Fehler milde zu belächeln. Ein unwiderstehliches Gefühl des Friedens und des Losgelöstseins, verbunden mit jenem köstlichen körperlichen Erwachen, das dem nervenkranken Städter durch die Venen fließt, wenn Stadtluft und langweilige Routine hinter ihm liegen, verschafften mir, so unwürdig ich als Objekt dafür auch sein mochte, ein beständiges Gefühl der Ergebenheit. Nachdem ich dieses Gefühl weggeschoben hatte, konnte ich meine Absichten mit kaltem Egoismus betrachten. Wenn das Wetter anhielt, würde ich mit Davies vielleicht zwei nicht unerträgliche Wochen verbringen. Falls es umschlug, und das würde es sicher, konnte ich mich leicht von der Entenjagd entschuldigen; die kühle Logik der Tatsachen würde ihn auf jeden Fall dazu bewegen, seine Jacht aufzugeben, denn er konnte kaum vorhaben, in einer solchen Jahreszeit nach Hause zu segeln. Dann könnte ich die Möglichkeit ergreifen, ein paar Wochen in Dresden oder anderswo zu verbringen. Ich legte behaglich dieses Programm fest und ging dann zu Bett.
Um die bedrückende Geschichte des nächsten Tages kurz zu machen: Ich reiste von Flushing ostwärts nach Hamburg, dann nordwärts nach Flensburg. Vorbei an Deichen, Windmühlen und ruhigen Kanälen, weiter zu flimmernden Stoppelfeldern und lärmenden Städten, schließlich, nach Einbruch der Dunkelheit, durch eine ruhige ebene Gegend, wo der Zug von einem ruhigen kleinen Bahnhof zum anderen tuckerte, dann erreichte ich um zehn Uhr, steif und verschwitzt, den Bahnsteig in Flensburg, wo ich mit Davies Grußworte austauschte.
„Es ist furchtbar nett, dass du gekommen bist.“
„Keineswegs, es ist sehr freundlich von dir, mich einzuladen.“
Wir fühlten uns beide unbehaglich. Sogar im gedämpften Gaslicht entsprach er nicht meinen Vorstellungen eines Seglers – keine weiße Segeltuchhose oder eleganter blauer Serge; und wo war die schneeweiße runde Segelmütze, das Zaubermittel, das eine Landratte so leicht in einen schneidigen Seemann verwandelt? Im Bewusstsein, dass diese beeindruckende Uniform in ganzer Vollkommenheit in meinem Handkoffer bereitlag, fühlte ich mich seltsam schuldig. Er trug eine alte Norfolk-Jacke, schlammbraune Schuhe, eine graue Flanellhose (oder war sie weiß gewesen?) und eine gewöhnliche Tweedmütze. Die Hand, die er mir gab, war verhornt und schien mit Farbe befleckt zu sein; die andere, mit der er ein Paket trug, war mit einem Verband versehen, der eine Erneuerung vertragen hätte. Wir inspizierten uns einen Moment lang gegenseitig. Ich hatte den Eindruck, er unterzog mich schüchtern und hastig einem prüfenden Blick. Das Gesicht war vertraut, und doch nicht vertraut, die angenehmen blauen Augen, die offenen, klaren Gesichtszüge waren dieselben, ebenso die lebhaften und impulsiven Bewegungen; es gab einige Veränderungen; aber der Moment des unbehaglichen Zögerns war vorbei, und das Licht war schlecht und während wir auf dem Bahnsteig zu meinem Gepäck schlenderten, plauderten wir zwanglos über belanglose Dinge.
„Übrigens“, sagte er plötzlich lachend, „ich fürchte, ich bin nicht präsentabel, aber es ist so spät, dass es keine Rolle spielt. Ich habe den ganzen Tag angestrengt gemalt und bin gerade erst fertig geworden. Ich hoffe nur, dass wir morgen etwas Wind haben werden – es war in letzter Zeit hoffnungslos ruhig. Du hast eine Menge Sachen mitgebracht“, schlussfolgerte er, als sich meine Gepäckstücke anhäuften.
Das war seine Belohnung für meine ergebenen Mühen!
„Du hast mir viele Aufträge erteilt!“
„Danke, dass du alles mitgebracht hast. Das ist der Ofen, nehme ich an, das hier Patronen, dem Gewicht nach zu urteilen. Ich hoffe, du hast die Takelschrauben bekommen? Sie sind natürlich nicht wirklich notwendig“, (ich nickte emotionslos und war etwas verletzt), „aber sie sind einfacher als Sicherungsleinen, und man kann sie hier nicht bekommen. Ich meinte diesen Handkoffer“, sagte er langsam und inspizierte ihn zweifelnden Blickes. „Egal! Wir werden es versuchen. Der Gladstone-Koffer allein wird dir nicht reichen, nehme ich an? Weißt du, das Dingi – und außerdem die Luke“, er war in Gedanken versunken. „Wie dem auch sei, wir werden es versuchen. Es gibt leider keine Taxis, aber es ist ganz in der Nähe, und der Gepäckträger wird helfen.“
Mich beschlichen abscheuliche Vorahnungen, während Davies meinen Gladstone-Koffer schulterte und sich die Pakete griff.
„Sind deine Leute nicht da?“, fragte ich.
„Leute?“ Er sah verwirrt aus. „Oh, vielleicht hätte ich dir sagen sollen, dass ich nie bezahlte Helfer habe, es ist nämlich ein ziemlich kleines Boot. Ich hoffe, du hast keinen Luxus erwartet. Ich segele es schon seit einiger Zeit allein. Ein Helfer wäre nutzlos und reichlich überflüssig.“ Er offenbarte diese schreckliche Wahrheit mit einer fröhlichen Zuversicht, der es nicht gelang, meine Besorgnis zu zerstreuen. Unser Aufbruch stockte.
„Es ist ziemlich spät, um an Bord zu gehen, nicht wahr?“, sagte ich mit hölzerner Stimme. Jemand löschte die Gaslichter und der Gepäckträger gähnte demonstrativ. „Ich glaube, ich würde heute lieber in einem Hotel übernachten.“ Eine angespannte Pause.
„Oh, natürlich kannst du das tun, wenn du möchtest“, sagte Davies offensichtlich besorgt. „Aber es scheint sich kaum zu lohnen, die Sachen bis zu einem Hotel (ich glaube, sie befinden sich alle auf der anderen Seite des Hafens) und morgen wieder zurück zum Boot zu schleppen. Es ist recht bequem, und du wirst sicher gut schlafen, da du müde bist.“
„Wir können die Sachen hierlassen“, widersprach ich schwach, „und nur mit meiner Tasche rübergehen.“
„Oh, ich werde sowieso an Bord gehen müssen“, erwiderte er, „ich schlafe nie an Land.“
Er schien sich zaghaft, aber verzweifelt an einen diplomatischen Kompromiss zu klammern. Eine schwere Verzweiflung lähmte meinen Widerstand. Es war besser, dem Schlimmsten ins Auge zu sehen und es hinter sich zu bringen.
„Komm schon“, sagte ich grimmig.
Schwer beladen stolperten wir über Eisenbahnschienen und Schutthaufen und kamen am Hafen an. Davies ging zu einer Treppe voraus, deren mit Unkraut zugewachsene Stufen unten in der Dunkelheit verschwanden.
„Wenn du ins Dingi steigst“, sagte er, nun ganz lebhaft, „dann reiche ich die Sachen herunter.“
Ich stieg vorsichtig hinunter, hielt mich zur Orientierung an einer durchnässten Fangleine fest, die in einem kleinen Boot endete, und merkte, dass sich Schleim an Manschetten und Hose sammelte.
„Gerade halten!“, rief Davies fröhlich, als ich mich beinahe unten angekommen plötzlich hinsetzte, mit einem Fuß im Wasser.
Ich kletterte sehr kläglich in das Dingi und wartete auf das, was als Nächstes passieren würde.
„Nun bring das Boot dicht an die Kaimauer, und vertäue es an dem Ring dort unten“, tönte es von oben, gefolgt vom Lösen der durchweichten Fangleine, die mir beim Herunterfallen die Mütze vom Kopf stieß. „Alles fest? Irgendein Knoten genügt“, hörte ich, während ich mich mit dieser abscheulichen Aufgabe herumschlug, und dann tauchte ein großer, dunkler Gegenstand über mir auf und wurde in das Dingi herabgelassen. Es war mein Handkoffer, der, quer platziert, genau den ganzen Raum in der Mitte des Boots einnahm. „Passt es?“, lautete die besorgte Frage von oben.
„Ausgezeichnet.“
„Großartig!“
Ich kratzte an der schmierigen Mauer, um das Dingi in deren Nähe zu halten, erhielt nach und nach unsere Vorräte und verstaute die Ladung so gut ich konnte, während das Dingi im Wasser immer tiefer sank und sein unsicherer Aufbau immer höher wurde.
„Fang!“, war die endgültige Anweisung von oben, und ein feuchtes, weiches Paket traf mich an der Brust. „Vorsicht, das ist Fleisch. Jetzt zurück zur Treppe!“
Ich gehorchte mühsam und Davies erschien.
„Es ist eine ziemliche Last, und sie liegt recht tief, aber ich glaube, wir werden es schaffen“, überlegte er. „Du sitzt rechts achtern, und ich rudere.“
Ich war zu müde, um mich zu fragen, wie diese monströse Pyramide gerudert werden sollte, oder auch nur darüber nachzudenken, ob wir unterwegs sinken würden. Ich kroch zu dem mir zugewiesenen Sitz, und Davies befreite die verschütteten Ruder, indem er mehrmals an ihnen zerrte, was die gesamte Struktur erschütterte und uns bedenklich schlingern ließ. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie er sich in Ruderposition brachte, aber schließlich bewegten wir uns schleppend ins offene Wasser hinaus. Wir waren anscheinend vom Ende eines schmalen Meeresarms aus aufgebrochen und ließen die Lichter einer großen Stadt hinter uns. Zu unserer Linken befand sich eine lange Reihe beleuchteter Kais, an denen hier und da der vage Rumpf eines Dampfers zu sehen war. Wir passierten die letzten Lichter und fuhren auf ein breiteres Gewässer hinaus, wo eine leichte Brise wehte und an beiden Ufern dunkle Hügel zu sehen waren.
„Ich liege ein Stückchen weiter die Förde runter“, sagte Davies. „Ich hasse es, zu nah an einer Stadt zu sein, und ich habe hier in der Nähe einen Zimmermann gefunden. – Da ist sie! Ich bin gespannt, wie sie dir gefallen wird!“
Ich schrak aus meinem Dämmerzustand. Wir fuhren in eine kleine, von Bäumen umgebene Bucht und näherten uns einem Licht, das in der Takelage eines kleinen Schiffes flackerte, dessen Umrisse sich allmählich abzeichneten.
„Halt das Dingi auf Abstand“, sagte Davies, als wir längsseits zogen.
Kurz darauf war er an Deck gesprungen, hatte die Fangleine befestigt und kam an mein Ende.
„Du reichst alles rauf“, befahl er, „und ich nehme es entgegen.“
Es war eine mühsame Aufgabe, nur dadurch erleichtert, dass ich nicht sehr hoch zu heben brauchte. Als der Stapel an Deck gebracht worden war, folgte ich ihm und stolperte über das schlaffe Fleischpaket, das angesichts der Feuchtigkeit bereits grässliche Anzeichen der Zersetzung zeigte. Ein verschwommenes Bild meiner letzte Einschiffung auf einer Jacht stieg vor meinem geistigen Auge auf, meine makellose Kleidung, das ansehnliche Dingi und die unterwürfigen Matrosen, das in der Augustsonne blitzende Lack und Messing des Fallreeps, die ordentlichen, schneeweißen Decks und Korbstühle unter der Markise des Achterdecks. Welch ein Kontrast zu dieser schäbigen mitternächtlichen Kletterei über feuchtes Fleisch und verstreute Packkisten! Der bitterste Aspekt all dessen war ein wachsendes Gefühl der Minderwertigkeit und Unwissenheit, das ich in meiner Erfahrung mit Jachten noch nie zuvor hatte spüren müssen.
Davies erwachte aus einer weiteren Träumerei über meinen Handkoffer und sagte fröhlich: „Ich zeige dir erst einmal den unteren Bereich, und dann verstauen wir die Sachen und gehen zu Bett.“
Er verschwand eine Kajütenleiter hinunter und ich folgte ihm vorsichtig. Ein vielschichtiger Geruch aus Paraffin, abgestandenem Essen, Tabak und Teer erfüllte meine Nasenlöcher.
„Achte auf deinen Kopf“, sagte Davies und zündete mit einem Streichholz eine Kerze an, während ich mich in die Kabine vortastete. „Setz dich lieber, so kann man sich leichter umschauen.“
Dieser Ratschlag war vielleicht sarkastisch gemeint, denn ich muss eine lächerliche Figur abgegeben haben als ich mich unbeholfen und misstrauisch umschaute, Schultern und Kopf gebeugt, um nicht an die Decke zu stoßen, die im Halbdunkel noch näher am Boden zu sein schien als sie es tatsächlich war.
„Siehst du?“, waren Davies' beruhigende Worte, „es gibt genug Platz, um aufrecht zu sitzen“ (was an sich stimmte, aber ich bin nicht sehr groß, und er ist klein). „Manche Leute legen Wert auf Kopffreiheit, aber ich kümmere mich nicht sehr darum. Das ist der Schwertkasten“, erklärte er, als mein Knie beim Ausstrecken der Beine mit einer scharfen Kante in Berührung kam.
Ich hatte dieses teuflische Hindernis nicht gesehen, denn es war unter dem Tisch versteckt, dessen eines Ende tatsächlich darauf ruhte. Es schien ein langes, niedriges Dreieck zu sein, das in Längsrichtung des Bootes verlief und den naturgemäß begrenzten Raum in zwei Hälften teilte.
„Siehst du, dies ist ein Boot mit flachem Boden, das ohne das Schwert nur sehr wenig Tiefgang hat, deshalb gibt es auch so wenig Kopffreiheit. Bei tiefem Wasser senkt man das Schwert ab, sodass man auf die eine oder andere Weise praktisch überall hinfahren kann.“
Ich war nicht seemännisch erfahren genug, um daraus eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen, aber was ich verstanden hatte, war nicht gerade vielversprechend. Die letzten Sätze wurden vom Vorderdeck aus gesprochen, wo Davies durch eine niedrige Schiebetür, wie die eines Kaninchenstalls, gekrochen war und bereits mit einem Kessel über einem Ofen hantierte, den ich als ramponierten und schäbigen Zwillingsbruder des Nr. 3 Rippingille bezeichnen würde.
„Bald kocht es“, bemerkte er, „und wir trinken etwas Grog.“
Meine Augen waren jetzt an das Licht gewöhnt, und ich nahm den Rest meiner Umgebung auf, die man sehr einfach beschreiben kann. Zwei lange, mit Kissen bedeckte Sitze flankierten die Kabine, die achtern von Schränken begrenzt wurde, von denen einer niedrig gehalten war, um eine Art Miniaturanrichte zu bilden, über der Gläser in einem Gestell hingen. Das Oberdeck war an beiden Seiten sehr niedrig, stieg jedoch in der Mitte auf Schulterhöhe an, wo ein „Remisendach“ mit Oberlicht zusätzlichen Kabinenraum bot. Direkt vor der Tür befand sich ein zusammenklappbarer Waschtisch. An beiden Wänden befanden sich lange Netzregale mit einem Mischmasch aus Flaggen, Karten, Mützen, Zigarrenkisten, Garnknäuel und ähnlichem. Gegenüber dem vorderen Schott befand sich ein Bücherregal, das von Büchern aller Größen überquoll, viele davon auf dem Kopf stehend und einige ohne Einband. Darunter befanden sich ein Pfeifenständer, ein Barometer und eine laut tickende Uhr. Sämtliches Holz war weiß gestrichen, und für ein weniger verbittertes Auge als meines hätte das Innere verlockend gemütlich wirken können. An das hintere Schott waren nachlässig einige Kodak-Drucke genagelt, und direkt über der Türöffnung befand sich das Foto eines jungen Mädchens.
„Das ist meine Schwester“, sagte Davies, der aufgetaucht war und sah, wie ich das Foto ansah. „Jetzt lass uns das Zeug runterbringen.“ Er lief die Leiter hinauf, und bald verdunkelte mein Handkoffer die Luke, und ein großes Zerren und Drücken begann. „Ich hatte schon Angst, dass er zu groß ist“, kam es herunter; „Es tut mir leid, aber du musst an Deck auspacken – vielleicht können wir ihn herunter quetschen, wenn er leer ist.“
Dann bildete der mühsame Rest der Pakete in dem engen Raum zu meinen Füßen allmählich einen neuen Stapel und mein Rücken schmerzte durch das Bücken und die gekrümmte Haltung an ungewohnten Stellen. Davies kam herunter und führte mich mit unverhohlenem Stolz in die Schlafkabine (die andere nannte er „den Salon“). Eine weitere Kerze wurde angezündet und ihr Licht offenbarte zwei kurze und schmale Kojen mit Decken, aber es gab keine Spur von Laken; darunter befanden sich Schubladen, von denen Davies mir einige zuteilte, offensichtlich davon ausgehend, dass sie für meine Kleidung reichlich Platz böten.
„Du kannst deine Sachen beim Auspacken durch das Oberlicht auf deine Koje werfen“, bemerkte er. „Übrigens bezweifle ich, dass für alles, was du hast, noch Platz ist. Ich nehme an, du könntest nicht vielleicht...“
„Nein, könnte ich nicht“, sagte ich kurz.
Die Absurdität dieses Streits fiel mir auf; zwei Männer in der gebückten Haltung von Affen können nicht streiten.
„Wenn du hinausgehst, werde ich auch hinausgehen können“, fügte ich hinzu. Er schien unglücklich über diesen Anflug einer Auseinandersetzung zu sein, aber ich drängte mich vorbei, stieg die Leiter hoch, schnallte im abklingenden Mondlicht diesen verfluchten Handkoffer los und tastete, vor Wut fast überkochend, darin herum, warf mit dem Gefühl, dass es letztlich alles egal sei und es am besten war, es hinter mich zu bringen, einige Sachen durch das Oberlicht; den Rest packte ich mit schuldbewusster Heimlichkeit wieder ein, bevor Davies entdeckte, was es war, und schnallte das Ganze wieder fest. Dann setzte ich mich auf meinen nutzlosen Besitz und zitterte, denn die Herbstkühle hing in der Luft. Plötzlich fiel mir auf, dass es noch schlimmer werden könnte, wenn zu regnen beginnen würde. Der Gedanke veranlasste mich dazu, mich umzuschauen. Die kleine Bucht war bewegungslos wie Glas, oben und unten Sterne, ein paar weiße Häuschen schimmerten an einer Stelle am Ufer, im Westen die Lichter Flensburgs, im Osten dehnte die Förde sich in eine unbekannte Finsternis aus. Von dem sich unten abmühenden Davies erklang gedämpftes Reißen, Schieben und Hämmern, gelegentlich unterbrochen von einem schweren Platschen, wenn etwas aus der Luke hochschoss und ins Wasser fiel.
Ich weiß nicht, wie es passierte. Ob es an dem jämmerlichen Ausdruck lag, den ich zuletzt auf seinem Gesicht gesehen hatte – ein Ausdruck, den ich grundlos mit seiner verbundenen Hand in Verbindung brachte; ob es die nicht greifbare geheimnisvolle Atmosphäre war, die das ganze Vorhaben durchdrang und die sich auch durch die demütigendsten und erniedrigendsten Vorkommnisse nicht zerstreuen ließ oder waren es die Sterne und die kühle Luft die, welche die verkümmerten Instinkte der Jugend und den Lebensgeist weckten; wahrscheinlich waren es tatsächlich all diese Einflüsse, durch einen gnadenlosen Sinn für Humor zementiert, die mir zuflüsterten, dass ich Gefahr lief, mich trotz all meiner mühsamen Berechnungen zu einem gewöhnlichen Narren zu machen; aber was immer es auch war, meine Stimmung änderte sich abrupt. Die Krone des Märtyrers verschwand und die verletzte Eitelkeit heilte schneller als erwartet. Es blieb ein eleganter und zerzauster junger Mann zurück, der in den Tauen und im Dunkeln auf einem lächerlichen Handkoffer saß, der die Jacht, die ihn transportieren sollte, winzig erscheinen ließ; ein junger Mann, der sich in einer seltsamen und anstrengenden Atmosphäre seiner Unwissenheit überaus bewusst war, sich immer noch beleidigt und schikaniert fühlte, sich aber gleichwohl entschlossen war, sich zu amüsieren. Ich greife voraus, denn obwohl der Wandel radikal war, vollzog er sich doch nur langsam. Aber in jedem Fall nahm er hier und jetzt seinen Anfang.
„Grog ist fertig!“, erklang es von unten. Als ich mich auf den Abstieg vorbereitete, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass alle Spuren des Durcheinanders auf wundersame Weise verschwunden waren und eine gemütliche Ordnung herrschte. Gläser und Zitronen standen auf dem Tisch, und ein angenehmer Punschgeruch hatte die früheren Gerüche überlagert. Ich zeigte angesichts dieser Annehmlichkeiten kaum Gefühlsregungen, aber genug, um Davies, der mir voller Freude seine Aufbewahrungsmöglichkeiten zeigte und die „Geräumigkeit“ seiner schwimmenden Behausung lobte, enorm zu beruhigen. „Da ist dein Ofen, siehst du?“, endete er. „Ich habe den alten über Bord geworfen.“ Ich sollte erwähnen, dass es eine Schwäche von ihm war, sich darüber zu freuen, Dinge unter den fadenscheinigsten Vorwänden über Bord zu werfen.
Wir rauchten und plauderten eine Weile, dann kam das Problem des Zubettgehens. Nachdem ich mir einige Male Knöchel und Kopf gestoßen und mich mehrfach schwindelerregend verdreht hatte, lag ich endlich zwischen den rauen Decken. Davies, der sich hingegen schnell und geschickt bewegte, war auch schon in seiner Koje.
„Es ist ziemlich bequem, nicht wahr?“, sagte er, während er das Licht von seinem Platz aus mit einer Genauigkeit, die das Ergebnis langer Übung gewesen sein muss, ausblies.
Mich kribbelte es am ganzen Körper und auf dem Kissen befand sich ein feuchter Fleck, was sich bald durch einen dicken Tropfen erklären ließ, der auf meine Stirn fiel.
„Ich nehme doch an, das Deck ist nicht undicht?“, sagte ich so milde, wie ich konnte. „Es tut mir schrecklich leid“, sagte Davies aufrichtig, während er aus seiner Koje taumelte. „Es muss der starke Tau sein. Ich habe gestern viel abgedichtet, aber die Stelle habe ich wohl übersehen. Ich laufe hoch und repariere es mit dem Ölzeug.“
„Was ist mit deiner Hand los?“, fragte ich schläfrig bei seiner Rückkehr, denn Dankbarkeit rief mir diesen Verband in Erinnerung.
„Nicht viel, ich habe sie mir neulich gezerrt“, lautete die Antwort, und dann folgte die scheinbar unzusammenhängende Bemerkung: „Ich bin froh, dass du den Prismenkompass mitgebracht hast. Er ist natürlich nicht wirklich notwendig, aber“ (gedämpft durch die Decken) „er könnte sich als nützlich erweisen.“
ICH DÖSTE unruhig und in gereizter Stimmung, weil meine Ellbogen und mein Nacken schmerzten und es zwischen den Decken kräftig zog. Es war helllichter Tag, als ich schließlich den Zustand der Abgestumpftheit erreichte, der in Schlummer übergeht. Dieser wurde schließlich durch einen Wasserguss aus dem Oberlicht unterbrochen. Ich fuhr hoch, stieß mit dem Kopf gegen das Deck und blinzelte mit bleischweren Augen nach oben.
„Entschuldigung! Ich schrubbe die Decks. Komm hoch und bade. Gut geschlafen?“, hörte ich eine Stimme von oben fragen.
„Ganz gut“, knurrte ich und trat auf dem Wachstuch in eine Wasserlache. Dann stolperte ich die Leiter hinauf, machte einen Kopfsprung über Bord und versenkte Albträume, Steifheit, Muffigkeit und strapazierte Nerven in der schönsten Förde der Ostsee. Ein kurzes und heftiges Schwimmen, dann war ich wieder voll da und suchte nach einer Möglichkeit, die glatte schwarze Seite hinaufzuklettern, die zwar niedrig, aber auch gnadenlos rutschig war. Davies, in einem weiten Segeltuchhemd, die Ärmel hochgekrempelt, die Flanellhose bis zu den Knien hochgerollt, hing mit einem Seilende in der Hand über mir und plauderte unbekümmert darüber, wie leicht die Arbeit von der Hand ginge, wenn man wüsste, wie sie gemacht würde, bat mich inständig, auf die Farbe zu achten, und sprach über ein Fallreep, das er mal gehabt, aber über Bord geworfen hatte, weil es so schrecklich im Weg gewesen war. Als ich oben ankam, waren meine Knie und Ellbogen zu seiner Bestürzung voller schwarzer Farbe.
Während ich mir Flanellhose und Blazer anzog, schaute ich mich auf dem Deck um und nahm mit einem ungeübten und zweifelnden Blick all das auf, was die Dunkelheit bis dahin verborgen hatte. Das Boot schien sehr klein zu sein (in Wirklichkeit war es sieben Tonnen schwer), etwas mehr als dreißig Fuß lang und neun Fuß breit, eine Größe, die hervorragend für Wochenenden auf dem Solent geeignet war, wenn man so etwas mochte, aber dass sie von Dover in die Ostsee gekommen war, ließ eine physische Anstrengung erahnen, die ich mir nicht hätte träumen lassen. Ich widmete mich der ästhetischen Seite. Eleganz und Schönheit waren meiner Meinung nach für Jachten unerlässlich, aber trotz bester Absichten, es schön zu finden, fand ich hier wenig Ermutigendes. Der Rumpf schien zu niedrig und der Hauptmast zu hoch, das Kabinendach sah klobig aus, und die Oberlichter betrübten das Auge mit glanzlosem Eisen und primitiver Maserung. Was es an Messing gab, auf dem Deichselkopf und anderswo, war mit widerlichem Grün beschlagen. Die Decks hatten nichts von der cremigen Reinheit, die in Cowes erwartet wird, sondern waren rau und grau und wiesen teerige Ausdünstungen um die Nähte und Rostflecken in der Nähe des Bugs auf. Die Seile und die Takelage trugen Trauer, wenn man sie mit dem gelbbraunen Manilahanf verglich, der das künstlerische Auge so erfreut. Der Gesamteindruck wurde auch durch die vielen Anzeichen kürzlicher Ausbesserungen nicht gefälliger. Ein Hauch von Farbe, Lack und Schreinerei lag in der Luft, eine farbenfrohe neue Signalfahne flatterte hoch oben, es schien ein oder zwei neue Seile zu geben, besonders um den winzigen Besanmast herum, der ebenfalls ganz neu aussah. Aber all dies unterstrich nur die allgemeine Schlichtheit und erinnerte an eine respektable Frau aus der Arbeiterklasse, die sich über ihren Stand zu kleiden versuchte und es bald aufgeben würde.
Dass es in seiner Gesamtheitsachlich und solide war, konnte selbst mein ungeschultes Auge erkennen. Viele Teile der Ausrüstung an Deck schienen unverhältnismäßig solide zu sein. Die Ankerkette schien ihren Schützling fast mit Verachtung zu betrachten, das Kompasshäuschen mit seinem Kompass war von fast lächerlich beeindruckender Größe und Auffälligkeit und darüber hinaus das einzige Stück Messing, das poliert war. Zwei riesige Spulen mit dicken, schmuddeligen Verholtauen lagen direkt hinter dem Hauptmast und vervollständigten den verwitterten Anblick des kleinen Schiffes. Ich sollte an dieser Stelle hinzufügen, dass es in ferner Vergangenheit ein Rettungsboot gewesen war und ungeschickt zu einer Jacht umgebaut worden war, indem man eine Gilling, ein Deck und die notwendigen Spieren hinzugefügt hatte. Es war, wie alle Rettungsboote, diagonal aus zwei Teakholzhäuten gebaut und hatte daher eine immense Kraft, obwohl es, was das Aussehen betraf, alle Mängel einer Mischform aufwies.
Hunger und ein „Tee ist fertig“ von unten brachten mich hinunter in die Kabine, wo ich das Frühstück auf dem Tisch über dem Schwertkasten vorfand, wo Davies mit ziemlich rotem Gesicht und rußigen Fingern am Kopfende saß. Es herrschte leichter Mangel an Tellern und Geschirr, aber ich lobte den Speck und konnte dies ehrlich tun, denn seine knusprigen und dampfenden Stückchen hätten die Bemühungen meines Londoner Kochs in den Schatten gestellt. Ich hätte das Essen in der Tat von Herzen genossen, wenn das Sofa und der Tisch nicht so niedrig gewesen wären, dass sie eine gekrümmte Körperhaltung erforderten, die das Schlucken zu einem langwierigeren Prozess als gewöhnlich machte und eine regelmäßige Sehnsucht nach Aufstehen und Strecken auslöste. Ich bemerkte auch, dass Davies mit einer für mich unheimlichen Begeisterung über den Genuss von Weißbrot und frischer Milch sprach, die er für ungewöhnlichen Luxus zu halten schien, obwohl sie sich als Eröffnungsbankett zu Ehren eines anspruchsvollen Fremden eigneten. „Man kann nicht immer an Land gehen“, sagte er, als ich ein diskretes Interesse an diesen Dingen zeigte. „Ich habe drüben auf den friesischen Inseln zehn Tage lang von einem großen Roggenbrot gelebt.“
„Und zum Ende hin ist es hart geworden, nehme ich an?“
„Sehr hart, aber ziemlich gut.
Ich wechselte das Thema und fragte nach seinen Plänen.
„Lass uns sofort aufbrechen“, sagte er, „und die Förde hinunter segeln.“ Ich versuchte, Konkreteres zu erfahren, aber er war verschwunden, und seine Stimme wurde im Vorschiff durch das Klappern und Rauschen des Abwaschs übertönt. Von da an ereignete sich alles mit schwindelerregender Geschwindigkeit. In dem demütigen Wunsch, mich nützlich zu machen, gesellte ich mich zu ihm an Deck, nur um festzustellen, dass er mich kaum wahrnahm, außer als neues und unerwartetes Hindernis bei seinen Aktivitäten. Er war überall gleichzeitig – er holte die Kette ein, befestigte Falltaue, schleppte Seile, während meine Rolle zu der eines Clowns wurde, der Dinge tut, nachdem sie bereits erledigt waren, denn meine Kenntnisse über eine Jacht waren von jener verschwommenen und ungenauen Art, die in der Praxis nutzlos waren.
Bald war der Anker gelichtet (es war ein großes rostiges Ungeheuer!), die Segel gesetzt, und Davies flitzte zwischen Pinne und Fockschot hin und her, während die Dulcibella sich gemächlich vom Ufer entfernte und auf die offenen Förde zusteuerte. Launische Windböen aus dem hinter uns liegenden Hochland ließen sie zunächst nur zögerlich vorankommen, doch schon bald war das Fahrwasser erreicht, und eine richtige Brise aus Flensburg und dem Westen nahm sie freundlich in Empfang. Stetig rauschte sie die ruhige blaue Straße hinunter, deren sanfte Schönheit für mich den Neubeginn einer Lebensphase markierte, kurz, aber mit prägender Kraft, voller Stress und Anspannung.
Davies wurde allmählich wieder er selbst, unterbrochen von Phasen der Zerstreutheit, in denen er das Steuerruder festband, um an einem Tau zu hantieren, das weiter weg lag. Er tat dies mit einer solchen Geschwindigkeit, dass die Bewegungen simultan wirkten. Einmal verschwand er und tauchte augenblicklich wieder mit einer Karte auf, die er beim Steuern studierte, trotz ihrer widerspenstigen Falten, die dies unmöglich zu machen schienen. Hinter uns verschwand Flensburg im Dunst. Vor uns waren die Umrisse von Hügeln umschlossen, manche deutlich, manche verträumt und weit entfernt. Schließlich deutete ein Funkeln von Wasser, das zwischen weit entfernten Hügeln hervorblitzte, auf die Weiten des fernen Meeres hin.
Ich warf einen Blick auf Davies. Er hatte die Karte fallen lassen und saß, oder besser gesagt lag, auf dem Deck, einen gebräunten Arm auf der Pinne ruhend, und blickte konzentriert nach vorne, warf nur gelegentlich einen Blick umher und nach oben. Er schien immer noch in Gedanken versunken, und für einige Augenblicke musterte ich sein Gesicht mit einer Aufmerksamkeit, die ich ihm, seit ich ihn kannte, nie gewidmet hatte. Ich hatte es immer für gewöhnlich gehalten, so wie ich ihn für gewöhnlich hielt, soweit ich überhaupt je darüber nachgedacht hatte. Es hatte mich immer sehr durch ein Übermaß an Aufrichtigkeit und Jungenhaftigkeit irritiert. Diese Eigenschaften hatte es behalten, aber nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich erkannte weitere Eigenarten. In den markanten Linien des Kinns erblickte ich Stärke bis hin zur Hartnäckigkeit und Mut bis hin zur Rücksichtslosigkeit, in den Augen einen gereifteren und tiefgründigeren Blick. Jene seltsamen Übergänge von unbekümmerter Beweglichkeit zu unbeteiligter Ernsthaftigkeit, die mich bisher teilweise amüsiert und vor allem geärgert hatten, schienen nun in einer sensiblen Zurückhaltung verloren zu gehen, nicht kalt oder egoistisch, sondern durch ihre paradoxe Offenheit seltsam gewinnend. In jedem Gesichtszug war Aufrichtigkeit erkennbar. Ich verspürte ein tiefes Unbehagen, dass ich, obwohl ich mich selbst für klug hielt und ein gutes Gespür dafür hatte, die richtigen und wesensverwandten Menschen zu kennen, einige große Fehler gemacht hatte – wie viele, fragte ich mich? Angesichts der Vermutung, dass sich mir auf schicksalhafte Weise eine einzigartige Chance bot, wenigstens einen davon, wiedergutzumachen, obwohl ich es nicht verdiente, überkam mich Erleichterung, die kaum dadurch verringert wurde, dass ich sie mir nicht eingestehen konnte. Und doch, so grübelte ich, hat das Schicksal neben einer boshaften Ironie auch zweifelhafte Methoden, denn es war Davies, der mich gebeten hatte, hier herzukommen – obwohl er mich jetzt kaum zu brauchen schien – und mich fast durch List zu dieser Reise gebracht hatte, denn er hätte wissen können, dass ich für ein solches Leben nicht geeignet war, allerdings waren geschickte Täuschungen und Davies eine seltsame Kombination.
Wahrscheinlich war es die wachsende Unbequemlichkeit meiner Position, die zu diesen abwegigen Gedanken führte. Meine Nachtruhe und das „Herausklettern aus dem Bad“ hatten tatsächlich wenig dazu beigetragen, mich auf den Kontakt mit scharfen Kanten und harten Flächen vorzubereiten. Aber Davies war plötzlich zu sich gekommen, und drehte das Ruder mit einem: „Hast du es bequem? Hast du etwas, auf dem du sitzen kannst?' ein wenig luvwärts, prüfte es für einen Moment wie einen Puls, mit einem schnellen Blick luvwärts, und verschwand unter Deck, von wo er mit ein paar Kissen zurückkam, die er mir zuwarf. Ich empfand eine perverse Abneigung gegen diesen Luxus und fragte:
„Kann ich mich nützlich machen?“
„Oh, mach dir keine Mühe“, antwortete er. „Ich nehme an, du bist müde. Segeln wir nicht prächtig? Das auf Backbord muss Ekken sein“, unter dem Segel hindurch spähend, „wo die Bäume zu sehen sind. Würde es dir etwas ausmachen, auf die Karte zu schauen?“ Er warf sie mir zu. Ich breitete sie mühsam aus, denn sobald man ein wenig losließ, rollte sie sich wie eine Uhrfeder zusammen. Ich kannte mich mit Karten nicht aus, und dieses plötzliche Vertrauen, das nach reichlich Vernachlässigung in mich gesetzt wurde, machte mich nervös.
„Du siehst Flensburg, nicht wahr?“, sagte er. „Wir sind dort. Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf eine unbestimmte Stelle auf der Karte. „Welche Seite der Tonne müssen wir an dieser Stelle passieren?“
Ich hatte kaum begriffen, was Land und was Wasser war, geschweige denn die Bedeutung der Tonne verstanden, als er fortfuhr:
„Egal, ich bin mir ziemlich sicher, dass hier alles tiefes Wasser ist. Ich gehe davon aus, dass sie die Fahrrinne für Dampfschiffe markiert haben.“
Ein oder zwei Minuten später passierten wir die fragliche Tonne, auf der falschen Seite, da bin ich mir ziemlich sicher, da unter uns plötzlich Seetang und Sand mit unangenehmer Deutlichkeit sichtbar wurden. Aber alles, was Davies sagte, war:
„Hier gibt es nie Seegang, und das Schwert ist nicht unten“, eine Äußerung, über die ich zweifelnd nachdachte. „Das Beste an diesen Gewässern Schleswigs ist“, fuhr er fort, „dass ein Boot dieser Größe fast überall hinfahren kann. Es ist keine Navigation erforderlich. Warum –“ In diesem Moment war unter uns ein schwaches Kratzen eher zu spüren als zu hören.
„Sind wir auf Grund gelaufen?“, fragte ich mit großer Gelassenheit.
„Oh, sie wird das schon hinbekommen“, antwortete er und zuckte leicht zusammen.
Sie „bekam es hin“, aber der Vorfall rief in Davies etwas harmlose Verärgerung hervor. Ich erzähle dies als gutes Beispiel für eine seiner kleinen Eigentümlichkeiten. Er war völlig frei von jener didaktischen Pedanterie, die der Segelsport fatalerweise häufig bei Männern auslöst, die ihn betreiben. Er hatte mir die Karte zugeworfen, ohne zu bedenken, dass ich ein Ignorant war, dem sie ein Rätsel wäre. Zweitens, obwohl er, wie ich später feststellen sollte, ein Meister seines Metiers war