Das verlorene Kind - Rahel Sanzara - E-Book

Das verlorene Kind E-Book

Rahel Sanzara

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Beschreibung

Dieses eBook: "Das verlorene Kind" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Rahel Sanzara (1894-1936) war eine deutsche Tänzerin, Schauspielerin und Schriftstellerin. Ihr Erstlingsroman Das verlorene Kind erschien als Vorabdruck in der Vossischen Zeitung und 1926 als Buch und erregte großes Aufsehen wegen des heiklen Themas eines Sexualmordes an einer Vierjährigen. Er erreichte in kurzer Zeit mehrere Auflagen und wurde in elf Sprachen übersetzt. 1926 sollte ihr dafür der Kleist-Preis verliehen werden, aber sie lehnte ab. Das heizte bestehende Plagiatsvorwürfe an, denen zufolge das Buch von Ernst Weiß verfasst worden sei und die Geschichte aus dem Neuen Pitaval entlehnt worden sei. Aus dem Buch: "Am Abend vor der Reise streifte ihn, als er verworren in der frühen, herbstlichen Dämmerung durch die kleine Stadt eilte, im Scheine einer Straßenlampe schnell und dicht eine Frau. Ihr schneeweißes Gesicht tauchte aus der Dunkelheit auf in den Kreis des Lichtes und schwebte so nahe an dem seinen vorüber, daß er den Atem des lächelnd geöffneten Mundes spürte. Die Augen, schwarz unter dichtem Haar, das seine Schwärze bis tief über die Stirne senkte, waren weit und schamlos aufgeschlagen, wogend ergoß sich Finsternis in seinen Blick. Als es vorbei war und er sich umwandte, sah er eine graugekleidete, mittelgroße und leicht üppige Frau in der Dämmerung die Straße weitereilen. Aber ihr Blick verließ ihn nicht. Nachts vor dem Schlaf, in der Dunkelheit, fühlte er ihn um sich, erkannte in ihm wieder jene tiefere Finsternis, vor der er als Kind sich gefürchtet hatte."

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Rahel Sanzara

Das verlorene Kind

Ein Krimi-Klassiker von Johanna Bleschke

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-1895-3

Inhaltsverzeichnis

I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX

I

Inhaltsverzeichnis

Christian B. lebte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts als Domänenpächter auf dem Gute Treuen bei L. im nördlichen Deutschland. Er war das jüngste Kind eines wohlhabenden Bauern, und seine Heimat war im Bezirke M. des gleichen Landkreises, einige Tagereisen von Treuen entfernt. Er hatte sie schon früh verlassen.

Bei seiner Geburt waren seine beiden Brüder bereits erwachsen gewesen und hatten mit dem Vater den elterlichen Hof beherrscht. Die Mutter starb früh, er hatte sie nie gekannt.

Sein Vater hatte beschlossen, daß der jüngste Sohn studieren, Geistlicher oder Lehrer werden sollte. So kam Christian als zehnjähriges Kind in die Kreisstadt und besuchte die Schule. Er war der fleißigste Schüler von allen, das Lernen fiel ihm leicht. Er war ein ernstes, ruhiges Kind, voll Güte und Bescheidenheit, und gewann alle Menschen zu Freunden. Es war ihm gegeben, daß sein Lachen rein, seine Handlungen gut und seine Tränen freudige sein konnten. Kein Leid, keine Bitterkeit, keine Enttäuschung, die das Leben selbst für ein Kind schon birgt, traf ihn. Sein Glück war keines andern Leid. Er hatte nie Verlangen nach der Heimat, seinen Fleiß stachelte kein quälender Ehrgeiz, sein Leben war ruhig, ohne Ziel. Er war fromm, im festen Glauben seiner Zeit erzogen, und betete in Demut, aber auch in einem unbedingten Vertrauen zu Gott.

Und doch geschah es, daß er, als er vierzehn Jahre alt war, im Dunkeln sich fürchtete. Es war eine sonderbare Furcht, ohne greifbaren Grund. Sie überfiel ihn zum erstenmal, als er, vor Freude über die Genesung eines lange und schwer erkrankten Kameraden schlaflos, in einer Nacht am Fenster des Schlafsaales stand. Sein Herz schlug; er fühlte noch die Berührung, mit der der Wiedergenesene seine Hand ergriffen und sie zart, aber freudig gedrückt hatte. In der Erschütterung, die diese Erinnerung in ihm hervorbrachte, bereitete sich in seinem Innern die große Ahnung der Liebe vor; der Knabe ahnte, daß nicht nur die Menschen ihm zu Freunden waren, sondern daß auch er Freund den Menschen bedeuten konnte, er begriff, daß er einmal als Mann lieben würde. Obwohl ihm diese Offenbarung aus reinstem Herzensgefühl kam, rührte sie doch mit ihrem Glück bis ins Tiefste auch seinen Körper auf. Und diesem zum erstenmal gefühlten Glück drängte sich plötzlich die zum erstenmal gefühlte Furcht entgegen. Finsternis erschreckte ihn. Es war eine mondlose Nacht. Um ihn schliefen die anderen, er sah sie nicht, er hörte nur ihren Atem. Dunkelheit war auch um sie, aber eine andere, hellere Dunkelheit als die, die um ihn stand. Er fühlte sie um seinen freudig erregten Körper geschmiegt, eng wie eine zweite Haut, in der er eingefangen war mit allen Strömen seines Blutes. Er fühlte sie als eine böse, drohende, wesenlose Macht, die sein mit Freude erfülltes Herz bezwang, es mit abgrundtiefer Furcht durchschauerte, aber es ließ ihn nicht fliehen, nicht an Gott denken, den gütigen Erfüller aller seiner Gebete, regungslos mußte er stehenbleiben, mußte der Furcht gehorchen, der entsetzten Traurigkeit seines Herzens sich hingeben. Am Tage war dann alles wieder heiter, eben und schön.

Als seine Schulzeit ihrem Ende zuging und er kurz vor der Prüfung stand, starb sein Vater. Die Nachricht kam plötzlich und unerwartet. Er begriff sie nicht völlig, und in einem dumpfen, schmerzlichen Erstaunen bereitete er seine Abreise in die Heimat vor.

Am Abend vor der Reise streifte ihn, als er verworren in der frühen, herbstlichen Dämmerung durch die kleine Stadt eilte, im Scheine einer Straßenlampe schnell und dicht eine Frau. Ihr schneeweißes Gesicht tauchte aus der Dunkelheit auf in den Kreis des Lichtes und schwebte so nahe an dem seinen vorüber, daß er den Atem des lächelnd geöffneten Mundes spürte. Die Augen, schwarz unter dichtem Haar, das seine Schwärze bis tief über die Stirne senkte, waren weit und schamlos aufgeschlagen, wogend ergoß sich Finsternis in seinen Blick. Als es vorbei war und er sich umwandte, sah er eine graugekleidete, mittelgroße und leicht üppige Frau in der Dämmerung die Straße weitereilen. Aber ihr Blick verließ ihn nicht. Nachts vor dem Schlaf, in der Dunkelheit, fühlte er ihn um sich, erkannte in ihm wieder jene tiefere Finsternis, vor der er als Kind sich gefürchtet hatte.

Als Christian am nächsten Abend in der Heimat ankam, war der Sarg schon geschlossen, er sah das Angesicht seines Vaters nicht mehr. Das Begräbnis fand am Mittag des nächsten Tages statt. Eine Woche später wurde das Erbe nach den Bestimmungen des Testamentes geteilt. Es war ein schönes, großes, schuldenfreies Bauerngut vorhanden und ein Barvermögen von siebentausend Talern. Das Geld erbten die beiden jüngeren Geschwister, Christian und seine einzige Schwester Klara, das Gut übernahmen die beiden älteren Brüder und zahlten nach Vereinbarung den kleinen Anteil, den die beiden jüngeren Kinder noch daran hatten, aus der Mitgift ihrer Frauen aus, so daß sie es als Alleinbesitzer führen konnten.

Doch Christian kehrte nicht zur Stadt zurück. Ihn hielt die Heimat, der Duft der Erde, der Dunst der Tiere, die Nähe der Menschen, die gleich ihm groß, licht und still waren.

Er blieb bei den Brüdern. Er ließ die Früchte seines jahrelangen Studiums fallen, er verbarg sein Wissen, die Kenntnisse, die er erworben, er diente den Brüdern zwei Jahre lang als Knecht, arbeitete die schlechteste Arbeit um Lohn und Brot. Dann, nach zwei Jahren, im Herbst, ging er fort und durchzog wandernd das Land. Als er nach einem Monat zurückkam, hatte er, zweiundzwanzigjährig und kaum mündig, die offene Pacht der Domäne Treuen übernommen. Die Brüder schalten ihn. Zwar war der Zins nicht hoch, doch die Domäne, einem großen, an der Grenze des Landes liegenden fürstlichen Grundbesitz zu eigen, jahrzehntelang von Pacht zu Pacht heruntergewirtschaftet, befand sich mit abgenutztem Inventar und ausgesaugtem Boden in einem solchen traurigen Zustand, daß ohne Zuwendung aus eigenen Mitteln zur Aufbesserung und Neuanschaffung von Vieh und Geräten kaum die Pacht zu gewinnen war. Doch unbeirrt zog Christian im neuen Jahr dort ein. Die erste Zeit war schwer und forderte die Arbeit seiner ganzen jungen Kraft Tag und Nacht. Der Besitz war in der Anlage von größtem Ausmaße und versprach vieles für einen Bewirtschafter, der durch Klugheit, Unternehmungsgeist und eine höhere Umsicht das Gegebene nutzen konnte.

Der junge Pächter ergriff alles mit einer verschwenderischen Freude, mit einer Freude mehr an der Arbeit als am Gewinn. Er kam um die Erlaubnis ein, aus eigenen Mitteln Ställe und Scheunen neu aufzurichten, Werkstätten verschiedener Art in den leerstehenden Katenwohnungen aufzutun, und erhielt sie auch gegen die Vergünstigung, in der der Pacht zugehörigen Jagd fälliges Holz zu eigenem Nutzen schlagen zu können. Er gründete mit den letzten Mitteln seines Vermögens ein Hauswesen, das bald als das schönste im Landkreis galt. Mit siebenundzwanzig Jahren hatte er Unkosten und Pacht überholt, besaß zwei eigene Wagen mit schönen Kutschierpferden, und achtundzwanzig Menschen gab er Arbeit und gutes Brot, Heimat und Frieden. Die Verwaltung des Gutes verlängerte auf Grund dieser Erfolge die Pacht auf fünfzehn Jahre und errichtete ihm ein neues, schönes, geräumiges Wohnhaus.

Christian lebte allein. Freude und Gewinn teilte er mit seinen Knechten und Mägden, Sorgen und Mühen trug er allein. Als die größten Schwierigkeiten bezwungen waren und seine Abende voll Ruhe, begann er wieder in den Büchern der Schulzeit zu lesen, die er erst jetzt zu begreifen meinte. Er las in der Bibel, und gerecht und gut geordnet schien ihm die Welt unter Gottes Gesetzen. Er fühlte sich glücklich in dem Leben, das er sich gewählt hatte, in der Arbeit, die ihm zugewiesen worden war. Er sehnte sich, noch tiefer das einfache, allgemeine menschliche Schicksal zu erfüllen, in seinem Herzen dachte er oft an Weib und Kind. Begegnete er jungen Mädchen, so betrachtete er sie voll inniger Rührung. Es waren hohe, starke Gestalten, die Wangen rot und golden, wie Morgenröte gefärbt, das Haar wie die Felder im August, zur guten Zeit der Ernte, der Mund schmal und fromm geschlossen wie der seine. Die Augen, von der Farbe des Himmels am klaren Mittag, waren gesenkt wie die seinen, wenn er leise und zart mit ihnen sprach. Aber es hielt ihn zurück, die zu lieben, die geschaffen waren wie er selbst. Er blieb allein. Mit Zärtlichkeiten umschmeichelte er die Haustiere, streichelte das Fell des ergebenen Hundes, den dunklen, weichen Pelz der Katze. Die Dunkelheit der Nacht, plötzlich um ihn geschlagen, wenn er am Abend das Licht verlöschte, ermahnte ihn, die Furcht der Kindheit war um sein Herz und hielt es einsam.

Zu Beginn des Winters aber fuhr er an einem Mittag in die kleine Stadt, um Geschäfte mit dem Viehhändler abzuschließen, und trat auf dem Rückweg in den kleinen Laden ein, wo er für die Wirtschafterin Besorgungen für die Küche, Öl für die Lampen kaufen wollte. Während des Nachmittags hatte es zum erstenmal geschneit, in der Dämmerung strahlte die traurig versunkene Erde wieder auf, in weißem, zartem Schein.

Im Laden brannte die Lampe, die mit einem großen weißen Blendschirm über dem Ladentisch hing und im Umkreis ihres Scheines die Fläche seines weißen Holzes beleuchtete mit allem, was sie trug an Büchsen und Gläsern, während sie den übrigen Raum, die Regale mit den Kästen, die Fässer und Säcke in Dämmerung ließ. Der Laden war leer. Auf Christians Ruf öffnete sich eine Nebentür leise, eine Gestalt glitt in den Lichtkreis der Lampe, und als Christian, auch zum Lichte tretend, sich ihr entgegenbeugte, leuchtete plötzlich das schneeweiße Gesicht einer Frau so nahe dem seinen entgegen, daß der Atem des roten, lächelnd geöffneten Mundes ihn weich berührte. Vor seinem niedergesenkten Blick lag die Finsternis weitgeöffneter, schwarzer Augen. Bis zum nächsten Lidschlag dieser Augen hielt sein Herz inne im Schlag, verströmte ihm Blut und Zeit ins Grenzenlose. Dann erwachte er und trat zurück. Er sah sie an. Es war ein junges Mädchen, das er hier noch nie gesehen hatte, eine fremdartige Gestalt, klein, zart und doch von leichter Üppigkeit, ihr Haar war schwarz, glänzend umgab es das Haupt und das weiße Gesicht bis tief in die Stirn hinab. Er sah ihre kleinen, vollen Hände zittern, der Blick ihrer Augen war jetzt gesenkt, doch der Mund war noch immer lächelnd geöffnet. Er reichte ihr das kleine Papier, auf dem von der Wirtschafterin die Einkäufe aufgeschrieben waren, und sie begann ihn zu bedienen. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und voll besonderer, zarter Lebhaftigkeit, als würden sie zum Tanz oder zur Freude getan. Ihr weißes Gesicht mit seinem Lächeln tauchte auf im Lichtkreis der Lampe und leuchtete noch schimmernd, wenn es wieder zurückgeneigt war ins Dunkle des Raumes. Sie sprachen nicht miteinander. Als alles, Pakete und Säcke, auf den Wagen geladen war, wobei eines dem andern in einer seltsamen Vertrautheit half, fuhr er fort, ohne an das Bezahlen zu denken, und das Mädchen hielt ihn nicht auf.

Auf der Heimfahrt fühlte Christian sich erzittern in der alten, kindlichen Furcht, aber sein Herz war ruhig, klar in der Entscheidung. Aus des Mädchens weitem Blick war Finsternis über ihn geschlagen, aber der Furcht drängte sich jetzt in gewaltiger Erregung das Verlangen des Glückes entgegen, und sein Herz entschied, sich hinzugeben Furcht und Glück zugleich. Er kehrte am nächsten Tage schon in die Stadt zurück und erfuhr von dem Krämer, daß das Mädchen eine Waise sei, eine Fremde, die der Pfarrer zu ihm gebracht habe. Ohne mit ihr zu sprechen, ohne sie auch nur wiederzusehen, hielt Christian bei dem Pfarrer um die Hand des Mädchens an. Der Pfarrer begann ihn zu warnen, riet ihm von einer solchen Heirat ab. Sie sei eine Waise, besäße wohl ein kleines Vermögen von ihrem Vater, aber niemand kenne ihn, auch sie selbst nicht, und die Mutter, eine »gefallene Tochter des Landes«, habe bei ihrem Tod ihn, den Pfarrer, als Vormund bestellt. Doch Christian bestand darauf, die Fremde zu heiraten, wenn sie wollte. Der Pfarrer ließ das Mädchen kommen, und sie sagte, ohne zu zögern, ja. Am Sonntag darauf traf sich das Paar zum Verlöbnis in der Stube des Pfarrers. Ohne Worte streifte Christian der Erwählten den schmalen, goldenen Ring, den er in der bloßen Hand bereit gehalten hatte, an den Finger, aus einer Brusttasche holte er eine goldene Kette mit einem Kreuz aus Elfenbein hervor, sie neigte lächelnd ihren Kopf, und leicht legte er den Schmuck um ihren Hals. Dann sagte sie leise ihren Namen: »Martha.«

Er sagte: »Christian«, und sie reichten einander die Hände. Die Glocken läuteten, sie gingen zur Kirche. Sie sprachen nicht, aber das Lächeln der Braut war wie ein Glück ohne Ende.

Nach dem Gottesdienst führte er sie im Wagen mit zu sich, zeigte ihr Haus und Hof. Sie fragte nach allem, und bei seinen Antworten runzelte sie aufmerksam die Stirn, wie Kinder es tun, wenn sie lernen. Den Dienstboten, die sie neugierig umschlichen, sah sie fest ins Auge, verscheuchte sie mit stolzem Blick, doch dem Mann gehorchte sie vom ersten Augenblick an völlig. Er litt es nicht, daß sie in die kleine Stadt zurückkehrte, und brachte sie noch an diesem Tage zu seiner Schwester, wo sie bis zur Hochzeit bleiben sollte.

Die Fahrt bis zur Wohnung der Schwester, die fünf Meilen weit von der seinen entfernt lag, ging in die Dämmerung des Wintertags hinein, die Luft war schneidend vor Kälte. Die Sonne hatte geschienen und war am Rande der Felder wie am Horizont eines Meeres versunken, ein schmaler, goldener Saum schwebte noch zwischen dem Himmel und der weiten Ebene der Erde. Der zarte, graue Himmel schien verborgen, in mattem Glanz schimmerte nur noch sein Licht, die kristallen beschneite Erde aber leuchtete.

Christian und Martha, seine Braut, flogen in schneller Fahrt über die Weite, die Luft trieb ihnen scharf entgegen. In Kälte zitternd, schmiegte sie sich an ihn. Die weißen, leichtgekräuselten Federn am Saum ihres dunklen, weichen Kopftuches aus fremdländischer Seide streichelten seine Wangen. Seine Arme, die die Zügel hielten, zuckten bei dieser Berührung gegen seine Brust, und zurückschnellend stießen sie gegen das weiche Fleisch ihres Armes. Er erschrak vor der Freude, die mit dem Strom seines Blutes ihn durchdrang, ein zweites Leben in ihm weckte, er erschrak vor der Wollust, die seinen Körper bis in die ausgestreckten Arme straffte, vor dem Sturm seines Herzens. Hilflos fühlte er Tränen aufsteigen in seinen Augen, so daß er sie nicht, wie das Glück ihn treiben wollte, mit liebendem Blick auf die Frau neben ihm zu richten wagte. Mit einer zarten Bewegung rückte er von ihr ab.

Auch sie hatte seine Berührung gefühlt. Röte stieg in ihr weißes Gesicht bis zur Stirn empor, ihre leuchtend geweiteten Augen schweiften zum Himmel, aus den geöffneten Lippen strömte leises, kicherndes Lachen, ohne Scheu und Furcht gab sie sich den glücklichen Schauern ihres Körpers hin.

Als sie im Hof der Schwester angekommen waren und der Wagen hielt, sprang Christian ab. Mit vorstoßendem Griff, als hätte er einen Feind zu packen, faßte er sie, die sich ihm entgegenneigte, um den Leib, hob sie vom Wagen, hielt sie mit ausgestreckten Armen vor sich hin, lange und unbeweglich. In der Luft schwebend, warf sie den Kopf zurück, lachte in langen, glücklichen Zügen, er sah unter dem aufspringenden Tuch an ihrem Halse ihre kleine weiße Kehle tanzen. Sanft, mit tief befriedeter Kraft, stellte er sie auf den Boden nieder.

Klara, seine Schwester, trat ihnen entgegen. Sie glich dem Bruder völlig an Gesicht und Gestalt, und Christians Dasein stand in einer tiefen Bedeutung zu ihrem Leben.

Als dreizehnjähriges Mädchen hatte sie einst Mutterstelle an ihm vertreten und trotz ihrer großen Jugend den kleinen Bruder mit einer leidenschaftlichen, mütterlichen Inbrunst geliebt. Unermüdlich hatte sie ihn gewartet, ihn auf ihren noch schwachen Armen umhergetragen, bis sie schmerzten, über seinen Schlaf und über sein Gedeihen gewacht und ganz die Spiele und die Gedanken ihrer Jugend vergessen. Das ernste, tiefe Glück, welches ihr diese frühen, mütterlichen Gefühle, diese sorgenden Betätigungen und die Zärtlichkeiten des Kindes bereiteten, wurde zu der großen einzigen Erwartung, die sie dem Leben gegenüber hegte. Sie wuchs auf zu einer schönen bräutlichen Jungfrau, groß und kraftvoll war ihre Gestalt, licht wie die reifen Weizenfelder ihrer Heimat umgab ihr Haar in einem Scheitel ihr Gesicht, der Ausdruck ihrer klaren, scharfblickenden Augen war zugleich voller Unschuld und voller Wissen von dem, was sie als ihr höchstes weibliches Glück erkannt hatte. Sie erwählte sich den Gatten in dem bewußten Verlangen, Kinder zu gebären, mütterliche Liebe zu verschenken und kindliche Zärtlichkeiten zu empfangen, alle jene Wonnen wieder zu empfinden, die der Bruder, als sie selbst noch Kind war, schon in ihr erweckt hatte. Sie heiratete früh den Gutsbesitzer und Baron von G., den einzigen Sohn seiner Eltern, einen Mann, größer und stärker noch als alle anderen, jung, keusch und fromm wie sie. Von seiner Liebe, die sie mit freudiger Hingabe aufnahm, forderte sie, daß das tiefste, das einzige Glück für sie daraus erwachse.

Doch die Ehe blieb kinderlos. Als sie jetzt vor dem Bruder stand, war sie eine Frau, nicht jung, nicht alt, mit traurigen und strengen Augen, den schmalen Mund umkränzt von kleinen Falten der Verzweiflung, und die schöne Blüte ihrer Gestalt schien erstarrt in der Freudlosigkeit einer kinderlosen Mutter. Sie blickte die beiden an, die in einer aufrührerischen Wolke von Jugend und Glück vor ihr standen, und ein Schein milder Traurigkeit und weicher Rührung verdunkelte den allzu klaren Blick ihrer Augen. Christian nahm Marthas Hand und führte sie so der Schwester zu.

»Du weißt, sie hat keine Mutter«, sagte er einfach.

»Aber sie wird Kinder haben«, erwiderte die Schwester und richtete den Blick lange auf den Bruder, weckte die Erinnerung der Liebe, des Glückes der Kindheit in der eigenen Brust auf, und plötzlich schlang sie ihre Arme um ihn in einer seltsamen sehnsüchtigen Umarmung. Verwirrt, neugeweckt nahm sie dann die Braut an der Hand und führte sie ins Haus.

In einem geheimnisvollen Doppelspiel des Gefühles hielt sie in Zukunft Martha bei sich, half ihr bei der Zurüstung zur Hochzeit, bei der Beschaffung der kleinen Aussteuer, die die Braut aus ihrem Vermögen sich herstellen konnte, lehrte sie ihre reichen und guten Erfahrungen in Küche und Haus, beriet mit ihr die zarten Fragen der Zukunft, doch alles wie in einem Traum von eigenem Glück, alles voll eigener bräutlicher Freude und Erwartung, alles in dem Verlangen, selbst dem Bruder, dem Bräutigam, und künftigen Gatten in einer Gestalt zu dienen und ihn zu erfreuen. Sie umdachte ihn mit den Sorgen und Wünschen einer wissenden Braut, die sie in Martha, der wirklichen Braut, versenkte wie in ein lebendiges Gefäß.

Martha aber fühlte nichts von dem und lebte in unbekümmerter Freude an ihrem Glück. Christian und sie sahen sich nur an den Sonntagen und nie allein, und doch war zwischen ihnen alles klar, ohne Worte waren sie sich vertraut, strömten sie einer dem andern das tiefste Glück zu. Im März, als alles fertig bereitet, das schöne neue Haus in Treuen gefüllt war mit dem Hausrat und den Möbeln, Stoffen und Gardinen und allen den Zeichen einer künftigen Hausfrau, fand die Hochzeit statt. Sie wurde fast ohne Gäste gefeiert, da die Braut eine Fremde war und der Herr nur sein Gesinde einlud und bewirtete. Nur die Schwester und der Pfarrer führten nach dem Gottesdienst die Braut ins Haus. Aber es war eine vor Glück und stolzer Zuversicht leuchtende Braut. Ihre dunklen Augen strahlten, ihr Mund lächelte, und ihr Gang schien schwebend.

Der Hochzeitstag war ein Sonntag, es war Schneeschmelze. Mit hartem, hellem Licht schien gierig die junge Sonne des Jahres, der Frühlingswind stürmte und jagte die dünnen, lichtdurchtränkten Wolken am seidig blauen Himmel, die schwarze Erde, durchrieselt von warm zerfließendem Eis und Schnee, knisterte im Sprossen ihrer tief verborgenen Keime. Der Abend kam früh, das Fest war kurz. Die Schwester war davongefahren, der Mann und die Frau blieben bald allein zurück. Die junge Frau, wie im Einklang mit der frühlingshaft erregten Natur schwingend in lebensfreudiger Kraft, in glückseliger Erwartung, eilte bald die Treppe empor und trat in das Schlafzimmer ein. Kerzen brannten überall. Es war ein schöner, großer Raum in genauem Viereck, mit hell gestrichenen Wänden, mit zarten, weißen, fein gefalteten Gardinen vor den Fenstern. Es duftete nach Holz und Leim der neuen Möbel. Seitlich der Fenster, von der Mitte der Wand abstehend, ragten die beiden neugebauten Ehebetten, fest zusammengerückt, daß sie ein Ganzes bildeten, ins Zimmer. Sie waren aus hellem Holz gefugt und mit blendend weiß überzogenen Kissen, mit Decken und Leinen aufgebahrt. An der Türwand standen zwei große Schränke aus gleichem Holz, eine Truhe vor dem Fußende der Betten, und alles, Betten, Schränke und Truhe, war mit kleinen, rosafarbenen Blüten bemalt.

Die junge Frau ließ ihre Blicke auf und nieder schweifen, sie neigte sich und öffnete die Truhe. Sie war leer. Die junge Frau lächelte. Sie griff in ihre dunklen, glänzenden Haare, löste sich selbst leicht und schnell Kranz und Schleier ab und legte sie auf den Boden der Truhe nieder. Sie öffnete das schwarze seidene Kleid, zog es aus, faltete es gut zusammen, tat es zu Kranz und Schleier und schloß die Truhe. Sie legte ihr einfaches graues Kleid an, das sie als Mädchen schon getragen hatte, wenn sie im Laden bediente, band eine der neuen Schürzen darauf, löschte die Kerze aus und ging hinab in die Küche.

Die Küche war riesengroß, durch die Hälfte der Breite und durch die ganze Tiefe des Hauses gezogen. Durch zwei Fensterfronten strömte das Licht ein am Tage; ein schöner großer Herd stand im Hintergrund, hohe Regale mit blitzenden Töpfen und Geschirren verkleideten die rückwärtige Wand, während vor den Fenstern der Hofseite, die die Vorderseite des Hauses bildete, die viele Meter lange, weißgescheuerte Tafel stand, umgeben von Bänken und schweren, hölzernen Stühlen, an der alle, Herr und Gesinde, die Mahlzeiten gemeinsam einnahmen. Eine schmale Tür im Hintergrund führte über einen engen, steinernen Gang in die Vorratskammer, in der die Tröge mit Mehl standen, abgeteilt in Futtermehl, Brotmehl und feines Mehl, wo das geräucherte Fleisch, von weißen Leinensäckchen umhüllt, an der Decke hing und auf Stroh gebreitet Eier und Früchte lagen. Eine Falltür in der Mitte des Bodens führte über eine Treppe in den unter ihm liegenden Milchkeller. Da standen die Kübel mit frischer Milch, gegorener Milch, abgezogener Milch und voll süßer und saurer Sahne, in irdenen Schüsseln lagerten die Massen der Butter. Es war alles auf das beste eingerichtet. Die junge Frau sah es wohl, und ohne Zögern ergriff sie davon Besitz, als wäre es ein ihr dargebrachtes Geschenk. Von der Wirtschafterin forderte sie die Schlüssel und das Wirtschaftsbuch. Sie maß mit ihr die Rationen ab, die für den nächsten Morgen zum Füttern des Viehs und zum Bereiten des Frühstücks gebraucht wurden. Sie überwachte zwei junge Mägde, die das Geschirr des Festmahles reinigten, und merkte sich, wieviel es war und an welche Plätze es gestellt wurde. Nichts erschien ihr fremd oder neu. Ein Teil des Gesindes umlagerte noch im Schein der Lampe, die von der Decke herniederhing, die Tafel in festlicher Trägheit. Die Frauen hatten die Hände in den Schoß gelegt und hielten sie dort unbeweglich still, die Männer stützten die Arme schwer auf den Tisch, und alle sahen mit ernsten Blicken auf die junge Frau. Sie ging lächelnd an ihnen vorüber, verließ die Küche und trat in das Wohnzimmer ein, um auf den Mann zu warten, der wegen des windigen Wetters die Ställe selbst mit schloß. Das Wohnzimmer lag, durch den Hausflur getrennt, der Küche gegenüber. Es enthielt Christians Möbel, seinen Schrank mit Büchern, seinen hohen Schreibsekretär aus poliertem Eichenholz, Sofa, Tisch und Stühle. Es war das Zimmer, in dem er gearbeitet und seine einsamen Feierstunden gehalten hatte. Von der Decke herab hing eine brennende Lampe, mit weißem, sanft strahlendem Schirm, welche die purpurrote Decke des Tisches unter ihr flammend erleuchtete. Eine Uhr tickte mit weitausschwingendem Pendel an der Wand. Der Duft des Festes schwebte in der Luft.

Die junge Frau setzte sich auf das Sofa, um zu warten. Ihr schwarzes Haar glänzte tief im Schein der Lampe, in ihrem weißen Gesicht leuchteten ihre lächelnd geöffneten Lippen, ihre leicht ineinandergelegten, vollen Hände ruhten in ihrem Schoß. Sie hörte den Frühlingswind in wilden Sprüngen um das Haus wehen, in Stößen den schweren Frühlingsregen an die Fenster klirren, und dazwischen hörte sie, weit von fern, Schritte bei den Ställen. Sie hörte das Gesinde die Küche nach und nach verlassen und über den Hof in das Gesindehaus gehen, die Uhr ticken an der Wand und dann endlich hochklopfenden Herzens zwischen Regen und Wind die Schritte des Mannes, der zum Hause kam. Sie hörte ihn in die Küche gehen. Sie lächelte und wartete.

Endlich trat er ein. Er blieb an der Tür stehen und sah sie an. Weiß leuchtete ihr Gesicht im milden Schein der Lampe, aus ihrem zärtlichen Blick aber umwehte ihn die weite Finsternis ihrer Augen, die Finsternis, die er fürchtete. Endlich aber sah er auch ihr Lächeln. Er rief sie bei ihrem Namen, zum erstenmal.

»Martha«, sagte er leise.

»Christian«, erwiderte sie.

»Ich wünsche dir Gutes zum Willkommen.«

»Wir werden glücklich sein«, sagte sie und stand auf.

Er trat zu ihr und ergriff ihre Hand. Die Frau nahm sie, hob sie empor und preßte sie fest gegen ihre junge Brust. Seinem zu ihr niedergesenkten Blick lächelte sie entgegen, mit der freien Hand zog sie die Lampe zu sich und verlöschte sie. Im Dunkeln gingen sie Hand in Hand aus dem Zimmer, die Treppe empor, und traten in das Schlafzimmer ein. Im Dunkeln entkleideten sie sich, verhüllt und unsichtbar einander durch die Finsternis einer sternenlosen Nacht.

Der Mann stand am Fenster. Im aufklopfenden Herzen fühlte er die Finsternis der Kindheit, eine tiefere, schwärzere Finsternis um ihn allein als in der ganzen weiten übrigen Welt, eine Macht, die ihn mit mahnendem Zwang gefangenhielt, regungslos, totengleich in dieser lebensfreudigen Minute, die ihn mit abgrundtiefer Furcht durchschauerte, jetzt, in dem Augenblick der Erfüllung seines so klar erkannten, so freudig selbstgewählten Glückes. Er vermochte sich nicht zu rühren, um zu der geliebten, zum erstenmal ihm zugehörenden Frau zu gelangen, es hielt ihn, es zwang ihn, wie einst als Kind, der Furcht, der entsetzten Traurigkeit seines Herzens sich hinzugeben.

Aber die Frau kam zu ihm. Aus ihrer lichteren Dunkelheit brach sie über die Grenzen seiner Finsternis ein. Plötzlich stand sie vor ihm, ihr warmer, reiner Atem wehte an seinen Mund, der Schimmer ihrer weitgeöffneten, lebensfeuchten Augen stieg unter seine gesenkten Lider. Sie strömte leises Lachen aus, sie schlang ihre Arme um ihn und zog ihn mit sich zum Bett. Doch als er plötzlich ihren weichen Kuß auf seinen Lippen fühlte und eine noch nie empfundene tiefe Lockung, packte er sie fest an ihren Schultern, hielt sie noch einmal ab von sich, lange, suchte in der Dunkelheit die Nacht ihrer Augen, bis er sie, die weich ihm entgegenstrebte, endlich in seine Arme nahm.

Sie lebten in einer guten Ehe, in einer langen Reihe von gesegneten Jahren. Der Mann war ein guter Herr, voll Klugheit und unermüdlichem Fleiß in der Arbeit, voll fast weiser Fürsorge für die, die er sich ihm anvertraut hielt. Er konnte befehlen und auch beschenken, er war redlich im Gewinn, der stets nur der gute Lohn der guten Arbeit blieb. Die Frau stand ihm zur Seite in Fleiß und Gehorsam. Was er gebot, war ihr heilig. Er war der Herr am Tage, dem sie untertan war, nie wagte sie, die doch ganz in Glück getaucht war, tagsüber ein Lachen, eine Zärtlichkeit. Doch nachts, von der Dunkelheit umhüllt, ließ sie in ihrem freudig erregten Atem langes leises Lachen aus ihrer Brust ausströmen, schmiegte sich an ihn und zog ihn wie ein Kind in die Umarmung.

Im Winter gebar sie ihren ersten Sohn. Das Kind war zart, und die Mutter, geschwächt von der ersten Geburt, konnte ihm nicht die Nahrung geben. So kam Emma in das Haus, um das Kind zu säugen.

Emma war eine Magd vom Gute der Schwester, neunzehn Jahre alt, groß, stark und schön. In schweren, fest zusammengeflochtenen Flechten krönte das lichte Haar ihr ungemein sanftes, blühendes Gesicht, aus dem ein reiner, gütiger Blick strahlte, der durch einen leisen Ausdruck von Traurigkeit und schon versunkenem Schmerz noch weicher und gütiger erschien. Über ihrer Gestalt, der blühend gewölbten Brust und den starken Hüften lagen in innigster Vermischung die reinste Keuschheit mit der tiefsten Mütterlichkeit ausgebreitet. Keuschheit und Mütterlichkeit waren das Geschick ihres Lebens. Denn unberührt von Liebe war noch ihr starkes, liebefähiges Herz gewesen, ohne Verlangen noch ihr reiner Körper, als sie durch die furchtbarste Gewalt einer Umarmung Mutter geworden war. Wenn sie jetzt das Köpfchen ihres Kindes an ihrer reich quellenden Brust sah, lächelte sie wohl vor Glück. Doch lange Wochen hindurch, in der Nacht vom Schlaf losgerissen, am Tage von der Arbeit entflohen, mußte sie sich das Antlitz ihres Kindes vor die zerstörte Seele halten, um jenen anderen entsetzlichen Anblick zu verscheuchen, der selbst noch in der Erinnerung ihr Herz in Scham, Grauen und hilflosem Jammer zu ersticken drohte; die Erinnerung daran, wie sie, als sie sich ahnungslos im Winkel einer Scheune niedergebeugt hatte, um ein Bündel weiches Heu in die Arme zu raffen, wie sie da plötzlich von eisernen Griffen gepackt und zu Boden geschleudert worden war, ihr zum Schreien aufgerissener Mund von einer würgenden Faust verschlossen wurde, wie harte Knie ihren Leib unwiderstehlich an den Boden schmiedeten, und vor ihren Augen das ihr unbegreiflich gerötete, ihr unbegreiflich erregte, gierige Antlitz eines Mannes stand, der mit der rechten Hand seinen furchtbaren Leib entblößte. Lieber noch hatte sie die Augen geschlossen, lieber noch Schmerzen und Wunden ertragen, die rätselhaft ihr Leib empfing, als diesen Anblick. Verloren in Entsetzen, in Verzweiflung und Schmerz hatte sie damals noch lange gelegen, als der Mann sie schon verlassen hatte. Erst vor neuen Schritten in neue Schrecken gejagt, sprang sie auf und floh.

Die Herrin, der damals das verstörte Wesen ihrer liebsten Magd bald auffiel, hatte auch ihren Schmerz erfahren. Der Mann, ein Tagelöhner, wurde herbeigerufen und erklärte sich bereit, die Geschändete zu heiraten. Doch die Magd wehrte sich dagegen in höchstem Entsetzen und flehte die Herrin an, sie bei sich, im Hause zu behalten. Nun begann der Mann um sie zu werben, von einem plötzlich erwachten Gefühl ergriffen, doch Emma wies ihn ab, floh, wenn sie seiner ansichtig wurde, und begegnete ihm nie mehr allein. Als dann ihre Schwangerschaft bemerkt wurde, bestand die Herrin auf der Heirat, und sie wurde still vollzogen. Doch blieb die Magd auf ihr inständiges Flehen im Hause, erwartete da die Geburt des Kindes. Dem Mann hielt sie sich fern, mied selbst seinen entsetzensvollen Anblick. Die Herrin nahm teil an der Erwartung des Kindes, half ihr seine kleine Wäsche nähen und stand ihr bei der Geburt selbst zur Seite. Mit einer sie bis ins Innerste befriedenden Seligkeit fühlte die junge Mutter die Schmerzen der Geburt den Weg zurückgehen, auf dem sie die Schmerzen der Schändung empfangen hatte, und das Dasein ihres Kindes da aufsteigen, wo der Anblick des Entsetzlichen versunken war. Glück der Seele und Reinheit des Körpers schien ihr wiedergeschenkt.

Als einige Tage nachher der Mann von dem Gut verschwunden war, ohne Nachricht oder Zeichen zu geben, ließ sie nicht weiter nach ihm forschen und begann ihr Leben in neuem Frieden, in der Liebe zu ihrem Kinde und in dem Glück zu leben, das es ihr schenkte. Die qualvolle Erinnerung sank zurück, als sie in Treuen, ihrer neuen Heimat, eingezogen war, die sie nie mehr verlassen sollte.

Sie nährte nun beide Kinder mit dem Reichtum ihrer mütterlichen Nahrung und blickte mit der gleichen Rührung, mit der gleichen Zärtlichkeit auf jedes der kleinen Häupter an ihrer Brust nieder, auf das dunkel behaarte des Herrschaftssohnes wie auf das golden umlockte ihres eigenen Kindes.

Nach einem Jahr brachte die Frau des Pächters einen zweiten Sohn zur Welt, dunklen Hauptes und ähnlich ihr selbst, gleich dem ersten. Emma, gut und vertraut gehalten von dem Herrn und der Frau, pflegte nun alle drei, zog sie auf, bereitete ihnen ihre erste Kindheit voll tiefster, herzlicher Hingabe, voller Glück über die eigene gerettete Jugend. Sie erhielt eine Stube angewiesen, in der sie allein mit den drei Kindern schlief, sie durfte Tag und Nacht um sie sein. Sie trug sie im Sommer, zwei auf ihren jungen, starken Armen, das dritte in der Wiege ihres aufgeschürzten Kleides, mit scherzend schaukelndem Gang über die Felder an den Rand des Waldes, wo sie sich mit ihnen niederließ und nicht müde wurde, ihren Spielen, ihrem Lachen zu dienen; von den winzigen Gesichtern der Kleinen, von ihren lallenden Lauten, ihren weichen, hilfebedürftigen Körpern empfing sie, die mädchenhafte Mutter, alles Glück ihres Lebens. Hatte ihr Kind, als sie es mit Schmerzen geboren, sie wieder versöhnt mit ihrem Schicksal, ihre entsetzte Seele wieder begütigt, so liebte sie es jetzt doch nicht tiefer als die beiden anderen Kinder. Ja, da die beiden Kinder der Frau schwächer als das ihre und durch das dunkle Haar und die dunklen Augen fremder von Ansehen waren, fühlte sie tiefere Sorgfalt noch für sie und erwies ihnen zartere Pflege, weichere Liebkosungen als dem eigenen.

Die beiden Söhne des Herrn hießen Karl und Gustav. Sie wuchsen später zu der stattlichen Größe des Vaters auf. Sie entwickelten einen guten Charakter, wurden fleißig und klug.

Der Sohn der Magd hieß Fritz. Er war von seiner Geburt an ein ungewöhnlich schönes und starkes Kind. Er hatte das sanfte Antlitz der Mutter, ihre Augen von tiefem Blau, ihr lichtes Haar, den schönen kraftvollen Leib. Er schlief viel, weinte nie und ward der Mutter nie zur Last. Er nahm beim Wachsen stetig zu an Kraft und Gesundheit, lief als erstes von den drei Kindern und begann bald, sich in Spiel und Gewohnheiten von den beiden anderen abzusondern. Dagegen lernte er sehr spät sprechen und war ungewöhnlich still und sanft Obwohl er ohne jeden Unterschied mit den Kindern des Herrn aufwuchs und sie wie Brüder alle gemeinsam gehalten wurden, zeigte er doch immer mehr, in dem Maße, als Charakter und Gewohnheit sich entwickelten, eine sonderbare Demut gegen den Herrn und die Frau, auch gegen die Brüder selbst, einen leidenschaftlichen Hang, zu dienen, zu arbeiten und gefällig zu sein. Als vierjähriges Kind schon drängte er sich zur Arbeit. Er schlich sich von den spielenden Knaben fort, lauerte still in einer Ecke der Küche oder an der Wand des Hauses im Hof und lief den Mägden nach, um ihnen mit seinen kleinen Händen zu helfen, wenn sie Holz in ihren Schürzen schichteten, Wasser schöpften oder Gemüse aus der Erde des Gartens zogen. Er schlich sich in die Ställe, und, auf die Zehenspitzen gereckt, reichte er heimlich kleine Heubündel den Pferden in die Krippen, versuchte Eimer zu schleppen und große Besen oder Mistgabeln zu bewegen. Frühzeitig verrichtete er Aufträge, die die Frauen in der Küche ihm gaben, geschickt und schnell und mit ungewöhnlichem Eifer. Seine Wangen waren dann glühend gerötet, seine Augen glänzten, seine kleine Brust atmete keuchend, in solcher Eile und Erregung hatte er die kleinen Aufgaben erfüllt. War er fertig und gelobt worden, schlich er sich abseits, um allein zu sein, hielt einen Stein, ein Stück Holz oder eine Krume Erde in seinen heißen, zitternden Händen und sang leise vor sich hin. Er hatte eine helle, sanfte, in besonderem Wohllaut klingende Stimme, der alle, die sie hörten, mit Entzücken lauschten. Doch sang er fast nur, wenn er allein war. Im Chor mit den andern, im Spiel mit den Kindern, schwieg er meist. In geheimnisvollem Gegensatz zu dieser schöntönenden Stimme aber stand sein sonderbares Lachen. Es war lautlos, erschütterte aber seinen ganzen Körper, es öffnete wohl seinen sanften Mund, aber kein Ton drang daraus hervor, nur das leise Zischen des erregten Atems.

Er sprach nie einen Wunsch aus, nie brauchte er gestraft zu werden, und so weinte er auch nie. Oft mußte er von dem Herrn oder der Frau zum Essen gezwungen werden, da er aus Bescheidenheit keine Speisen nehmen wollte. In der Schule, in die die Kinder zweimal in der Woche gingen und bei schlechtem Wetter auf dem Wagen hingebracht wurden, lernte er gut und bewies vor allem ein außergewöhnliches Gedächtnis. Er war auch da fleißig und gewissenhaft und galt als Musterschüler. Auch zu Hause, auf dem Hofe, wurde er viel gelobt, doch seine Demut und seine Bescheidenheit blieben sich unverändert gleich. Die beiden Brüder, die Söhne des Herrn, umwarben den schönen, allen wohlgefälligen Freund mit offener, neidloser Liebe, doch er zog sich vor ihnen zurück, mied ihre Spiele, schwieg bei den Gesprächen, verkroch sich hinter die Dienstbarkeit eines Knechtes. Abends, vor dem gemeinsamen Schlaf, zögerte er lange, sich zu entkleiden, sammelte erst die Kleider und Schuhe der Brüder auf, schlüpfte damit auf den Gang vor die Tür, um sie zu reinigen, und erst, wenn die anderen schon im Dämmer des ersten Schlafes lagen, entkleidete auch er sich schnell und schlich ins Bett. Morgens stand er als erster auf, ungeweckt, eilte auf den Hof, um sich unter dem Brunnen zu waschen, und war schon angekleidet, wenn die anderen aufwachten und beschämt und verlegen nach ihren Kleidern suchten. Er zeigte sehr früh ein eigensinniges Schamgefühl, und sein einziger Ungehorsam bestand darin, als er sich im Alter von vier Jahren plötzlich weigerte, mit den anderen Knaben gemeinsam zu baden.

Da ließ, als Fritz acht Jahre alt war, ein Ereignis sonderbare, fast erschreckende Untergründe seines so sanften Wesens erkennen. Es war an einem Frühlingsnachmittag, und der Knabe saß in der Küche am Herd, half geschickt wie ein Mädchen der Magd beim Schälen von Kartoffeln für den Abend, als plötzlich, mit starkem, ungestümem Schritt, die Hand der bleichen, voll Entsetzen um sich blickenden Mutter haltend, ein Mann von riesenhafter Größe eintrat. In seinem ebenfalls ungewöhnlich großen und völlig farblosen Gesicht versanken die kleinen, schmalen Augen unter dicken, rostroten Brauen, ein wilder, roter Bart umwucherte seinen großen aschfarbenen Mund, der breit wie ein Maul zwischen die mächtigen Kiefern gezogen war. In Büscheln stand das Haar auf dem riesigen Schädel, der auf einem breiten, kurzen Halse saß. Beim Sprechen dröhnte seine Stimme, und der Atem seiner starken Brust bewegte wehend den Bart um seinen Mund.

Die Mutter hob die freie Hand, die heftig zitterte, deutete auf Fritz und sagte leise: »Da!«

Der Mann schoß aus seinen kleinen, in dem trüben Antlitz versunkenen Augen einen hellen, scharfen Blick auf ihn, streckte seine mächtige Hand aus und sagte, während seine Stimme dröhnte: »Na, komm her!«

Fritz rührte sich nicht. Aus dem sanften, engelgleichen Gesicht richtete er den demütigen Blick der blauen Augen auf ihn.

»Komm!« sagte die Mutter, »komm, es ist der Vater.«

Der Mann ließ ihre Hand los und trat zu dem Kind. »Gib die Hand«, befahl er und streckte die seine entgegen.

Das Kind ergriff langsam die Hand. Sie war groß und hart, mit roten Haaren bewachsen. Das Kind senkte den Blick der großen Augen nieder, es errötete, sein Mund öffnete sich, und plötzlich hackte sein Kopf nieder, die Zähne schlugen fest und tief in das harte Fleisch der Hand ein. Der Mann brüllte auf mit dröhnendem Laut, er wollte die Hand fortreißen, doch in weitem Bogen schwebte das Kind, festgebissen, mit.

»Du Aas!« schrie der Vater, ergriff das Kind mit der noch freien Hand, riß sich endlich los von seinem Biß und schleuderte es mit solcher Gewalt gegen die Wand, daß es mit krachendem Schlag niederfiel und wimmernd bewußtlos liegenblieb. Die Mutter stürzte zu ihm, bettete es auf ihren Schoß.

Der Mann ging. Die verwundete Hand, die lange tropfend blutete, bedeckte er mit der gesunden. Er preßte die grauen Lippen seines riesigen Mundes aufeinander, in Gedanken sprach er, ohne sie zu bewegen: »Das ist einmal ein verfluchtes Aas!« Doch in seinem wüsten Herzen fühlte er über Zorn und Wut hinweg den Stachel eines nie gefühlten Schmerzes. Er wanderte zurück in die Stadt, aus der er gekommen war, nie wollte er Mutter und Kind wiedersehen. Doch es blieben ihm zur Erinnerung die kleinen, perlenförmigen Narben in seiner harten Hand und der Biß des Schmerzes in seinem Herzen. Und von Zeit zu Zeit in den künftigen Jahren, in den Stunden schweren Rausches, pflegte er zu sagen: »Ich habe einen Sohn, das ist ein verfluchtes Aas!« Und einmal fiel eine Träne, still aus den kleinen Augen tretend und fast unsichtbar über das fahle, riesige Gesicht rinnend, nieder auf seine Hand. Er kümmerte sich nicht mehr um das Kind, doch vergaß er es nicht und zählte die Jahre seines Lebens von ferne mit.

Fritz und die Mutter blieben nun in Frieden zurück auf dem Gute, ihrer Heimat

Nach dem furchtbaren, geschleuderten Sturz an die Wand lag das Kind zwei Tage und zwei Nächte krank. Es schien zu fiebern, bewußtlos lag es in Träumen. Mit gefalteten Händen, die Seele in flehendem Gebet erhoben, wachte die Mutter bei ihm. Denn im Fieber, im Schlaf, war das Kind furchtbar verändert. Über das sanfte, engelgleich gebildete Gesicht fluteten, wie aus trüber Tiefe des kindlichen Blutes, der kindlichen Seele aufgerührt, Wellen von schwarzer Röte, weiteten es aus, verzerrten den Mund, gruben Furchen in die Wangen, rafften die Stirn in tückische Falten, stießen die Augen unter den geschlossenen Lidern zu rollenden, unsichtbaren Blicken hin und her, emporgezaubert von böser Kraft stieg eine teuflische Maske von drohender Wildheit auf und breitete sich in höhnischem Sieg über die Züge des Kindergesichts aus. Seine kleinen Zähne knirschten, fest ineinandergeschlagen, die kleinen, kräftigen Hände öffneten und ballten sich, die Nägel schlugen tief ins eigene Fleisch, dann wieder tat sich der Mund auf, lautloses Lachen, mit fauchendem Atem ausgestoßen, erschütterte völlig den kleinen Körper.

Emma, die Mutter, fürchtete sich vor dem eigenen Kind. Sie floh von seinem Lager, und nur, um ihn vor den Blicken anderer zu verbergen, kehrte sie zu ihm zurück, versuchte ihn zu erwecken, indem sie nasse Tücher um seinen glühenden, rasenden Leib schlug. Sie trug ihn am Abend, als die anderen Knaben zum Schlafengehen in die Stube kamen, wie einen Toten in ein Leinen verhüllt, in eine leere Kammer im Gesindehaus, wo sie ihm ein Lager aus Heu bereitete. Sie wagte niemanden um Hilfe zu bitten, damit niemand ihr furchtbar verändertes Kind erblicke. Sie betete für es.

In der zweiten Nacht, in der sie bei ihm wachte, schlief sie gegen Morgen ein, die Hand vor die Augen gepreßt, um nur einmal dem Anblick zu entfliehen, und am Morgen beim Erwachen fand sie zu ihrer unbeschreiblichen Freude das Kind wie immer, still schlafend, das weiße, sanfte Gesichtchen zur Seite geneigt, geglättet die kindlichen Züge, die kleine Brust zart bewegt von leise seufzenden Atemzügen, die kräftigen Kinderhände lagen gelöst in rührender Unschuld auf dem Tuch, das sie als Decke über ihn gebreitet hatte. Sie rührte ihn an, und er schlug die Augen auf, das reine, klare Widerspiel der ihren, und lächelte sie an. Sie lief und brachte ihm Milch. Er trank sie und dankte ihr mit seiner schönen weichen Stimme. Er stand am Mittag auf und war wie immer, fleißig, demütig und sanft. Abend für Abend betrachtete Emma in Sorge sein schlafendes Gesicht, doch es blieb unverändert schön und friedlich, es war edler und schöner als das aller Kinder, die sie je gesehen hatte. So vergaß sie nach und nach ihr Entsetzen und die Furcht vor dem eigenen Kind und hielt ihn ihrem mütterlich reich liebenden Herzen nahe, wie die beiden anderen Kinder, die ein fremder Leib geboren hatte, nicht mehr und nicht weniger.

Als dann Fritz elf Jahre alt geworden war, übergab ihm der Herr, um das ungewöhnliche Arbeitsbedürfnis des Knaben zu befriedigen, gegen einen kleinen Wochenlohn einen Posten als Hüte- und Dienstjunge auf dem Hof. Nun sah man Fritz nur noch bei der Arbeit, in seiner freien Zeit hielt er sich allein und versteckt, und es war, als ob er, außer wenn er arbeitete, überhaupt nicht lebe. Er verdiente sich Lob und Zufriedenheit und bereitete der Mutter auf lange Zeit nur noch reine Freude.

Die nächsten Jahre vergingen für alle gut, die auf dem Hofe beieinander lebten. Die Felder brachten reiche Ernten, die Herden gediehen, die Menschen lebten in Eintracht, die Kinder wuchsen auf, gesund, gut und schön. Der Lohn war gerecht, das Mahl reichlich, die Feiertage voll friedlicher Freuden. Der Mann und die Frau lebten noch immer in dem Glück ihrer ersten Tage. An den Tagen die Arbeit, die Sorgen und Mühen, die Ernten, der Gewinn, das Gedeihen der Kinder, alles diente ihnen nur, sie täglich neu zu verbünden und die Nächte hochzeitlich zu erwarten, in denen die Frau ihren Kuß auf die Lippen des Mannes schmiegte, übermütig ihr Lachen aus der jungen, vollen Brust strömen ließ. Am Tage saß sie bei den Mahlzeiten an der Tafel ihm zur Seite, seine Magd, wie die anderen auch, gehorchend seinem klugen Blick, seinem guten Wort, wie die anderen auch. Aller Augen hingen stets an ihm, denn mit seinen Sorgen trug er die Sorgen aller, mit seinen Freuden empfingen sie die ihren.

Der Herr war jetzt siebenunddreißig Jahre alt. Groß die Gestalt, mit breiten Schultern, licht das Haupt über einer reinen, sehr hohen, leicht gewölbten Stirn, licht der Bart, der das energische Kinn bedeckte, den schmalen frommen Mund beschützte, von Adern durchzogen sah man die schmalen Schläfen und Hände; doch am stärksten ruhte die stille und gütige Macht, die von ihm ausstrahlte, in dem klugen, herrschenden Blick seiner klaren Augen, die tief in ihre Höhlen gebettet waren, von schweren Lidern keusch verhangen. Er sprach nicht viel, ohne Befehl fast geschah alles nach seinem vorsorgenden Willen. Er arbeitete von früh bis spät und ruhte nicht mehr und nicht früher, als alle ruhen durften. Er lebte unter dem Gesinde, und das Gesinde lebte im Vertrauen auf ihn. Er achtete bis zum Tagelöhner auf alle Menschen, die ihn umgaben, und hatte sie sich gut erwählt.

Als erster stand ihm Blank, der Wirtschafter, zur Seite, ergraut in Alter und reicher Erfahrung, doch gefügig und treu dem Willen seines jungen Herrn. Weiter hatte er um sich geschart den Fischer Andres, der den großen Teich am Gutshof und die kleinen Seen der Gemarkung bewachte, die schweren Teichfische fing, die kleinen Dämme und Wehre errichtete, die die Bewässerung der Wiesen speisten und regulierten, denn ein Fluß durchzog die Gegend nicht. Dann den Schmied, der die Wagen und Pflüge baute und im Stande hielt, die Pferde beschlug, Schlösser und Gitter errichtete, wo sie gebraucht wurden, dann den Tischler und Zimmermann, den Dachdecker und die große Zahl der Knechte, Mägde und Feldarbeiter. Die Katenwohnungen, die in weitem Bogen das Gehöft umstanden, hatte er wohnlich herstellen lassen, denn die Handwerker hausten drinnen mit Frauen und Kindern, die verheirateten Feldarbeiter und Knechte. Die kleinen Häuser waren jedes umzogen von einem schmalen Streifen Garten, in dem Gemüse wuchs und Blumen blühten. Denn alle Nahrung, Mehl, Kartoffeln, Fleisch, die Wäsche und Kleidung für Sommer und Winter, erhielten sie von dem Gute. So kam es, daß sie nur für ihren Herrn arbeiteten, reine Feierstunden genossen und doch den Lohn für Not und Alter sparen konnten. Die übrigen, Knechte, Hirten, Pferdefütterer und Dienstboten, zwanzig an der Zahl, wohnten in dem großen, geräumigen Gesindehaus, die Mägde in den hellen Kammern des neuen Wohnhauses.

Zwischen beiden nun, zwischen dem Kreis der kleinen Hütten und den stattlichen Gebäuden des Gutes, lag wie ein Wahrzeichen ein großer Teich, sanft eingesenkt in ein kleines Wiesental, mit einer hellen, im Wind leicht sich kräuselnden Wasserfläche und weit im Rund geschwungenen Ufern, die dicht bestanden waren von Weiden, in deren Gebüsch im Frühling Nachtigallen sich lockten und Frösche knarrten, während an den Sommertagen die Enten mit ihren Jungen auf der sanft bewegten Wasserfläche schwammen und tauchten. Hier war der Lieblingsaufenthalt der Kinder, die an seinen Ufern spielten und zusahen, wenn die Enten gefüttert wurden, die Stätte der fröhlichen Zusammenkunft der Erwachsenen an den sommerlichen Abenden und den Nachmittagen des Sonntags und das heimliche Versteck der Liebenden.

Das Gehöft nun selbst erhob sich in der Ebene der riesigen Felder ungefähr hundert Meter weit vom Teich entfernt, mit seinem stattlichen Wohnhaus, vor dessen Vorderfront der große, mit Quadersteinen sauber gepflasterte Hof lag, mit einem Brunnen in der Mitte, während es mit seiner Rückenfront in einen ebenfalls großen Garten blickte, dessen schwere schwarze Erde mit Gemüsen und Beerensträuchern aller Art bepflanzt war, und der wiederum umgrenzt wurde von einer Hecke wilder Rosen, zwischen denen große, reichlaubige Holunder- und Nußbäume aufragten. Zwischen den Hecken eingebaut lagen die Bienenkörbe, und in einer Ecke stand eine schöngezimmerte Laube, von Blattwerk umrankt. Rechts und links des Wohnhauses standen in reichlicher Zahl die Gebäude der Ställe, des Gesindehauses, der Scheunen und Schuppen, alle gut gefügt und erhalten. Ein nicht allzu breiter Weg mit Obstbäumen auf beiden Seiten führte vom Hofe durch die Felder, dann ein Stück die Wiesen entlang, dann durch einen Tannenwald (der mitsamt dem Jagdbestand, der sich in ihm befand, der Pacht zugehörte und das Gehöft auf eine schöne natürliche Weise nach dieser Seite abgrenzte) auf die große Landstraße nach S., dem Marktflecken. Das Gut lag also abgeschlossen, ein Dorf, eine Welt für sich. Um nach S. zur Kirche, Schule oder zum Markt zu kommen, waren es zu Fuß drei Stunden Weges. Zweimal in der Woche wurden also in dem großen, selbstgebauten Leiterwagen, bespannt mit den kräftigen, schön gestriegelten Pferden, die man schon von weitem als die Treuener erkannte, die Milchprodukte, die Eier, das Geflügel und Gemüse zum Markt oder zur Poststation zum Versand gebracht.

Mit zwei Wagen aber, sauber gewaschen und geputzt, über die an Regentagen schützende Planen aufgezogen und die im Winter bei Schnee auf Schlittenkufen gesetzt wurden, fuhr man, von schön aufgezäumten Pferden gezogen, dicht aneinandergedrängt auf den die Wagenwände entlang aufgestellten Bänken, an jedem Sonntag von Treuen nach S. zur Kirche. Abwechselnd miteinander fuhr so das ganze Gesinde zum Gottesdienst und zurück; es waren heitere Fahrten, und keiner versäumte sie.

Vorauf rollte der Herrschaftswagen, eine Kutsche mit vier Sitzen, gefedert und mit einem zusammenfaltbaren Lederdach überdeckt, bespannt mit zwei goldbraunen Füchsen, den schönsten Pferden vom Hof. Diese Fahrten glichen einem kleinen festlichen Zug, und sie erregten Neid und auch Spott, von denen Christian B.s bescheidenes Leben sonst verschont war. Doch Christian B. liebte diese Fahrten mit ihrer kleinen Pracht, und sie erfüllten ihn mit Stolz. Er arbeitete für den fremden Besitz, als ob es der seine wäre, denn er arbeitete nicht um des Gewinnes willen, den er, da er trotzdem sich bot, selbst in bestimmten Grenzen hielt; er wollte nicht mehr gewinnen als ein Vermögen für seine Kinder, das ihnen einmal eine gleiche Existenz ermöglichen sollte wie die seine, und den Notgroschen für Alter und Krankheit. Was ihn erfreute und trieb, war der Wunsch, zu schaffen, für andere zu sorgen, ihnen Vorsehung, Halt und Heimat zu sein, sie leben zu lassen durch ihn. Mit einer zeugenden Kraft und einem väterlichen Gefühl umfaßte er die Welt und sein eigenes Dasein. Und alle Erfüllung sah er sich gegeben, wenn er die Seinen in heiterer Fahrt, gut genährt und sonntäglich gekleidet, zum Gottesdienst führte. Seine Andacht ging nicht mit der allgemeinen, in der die Worte der Schrift und die Predigten des Pfarrers vernommen wurden, sondern Gott schien sich ihm näher zu offenbaren, er glaubte Gottes Willen, sein Angesicht, ahnend zu erkennen, wenn er nach seinen gerechten und guten Worten und Gesetzen gerecht und gut zu leben bestrebt war. Und er vergaß nie, Gott zu danken und die Menschen zu lieben.

Zur letzten Vollendung seines Glückes aber, zur Bestätigung seines Daseins, wie er es begriff, wurde ihm nach fünfzehnjähriger Ehe die Geburt einer Tochter, die zu einem bezaubernden Kinde aufwuchs. Als es vier Jahre alt war, war es der Liebling aller, die es nur einmal erblickten. Es war ein immer heiteres, strahlendes Kind; es trug die Züge des Vaters, verklärt von der sieghaften Lebensseligkeit der Mutter, es blickte aus des Vaters blauen Augen, doch sie waren weit geöffnet wie die der Mutter, in rührendem Vertrauen zur Welt, es hatte des Vaters reine Stirn, die ergreifend sein frisches, rundes Kindergesichtchen krönte, und es trug des Vaters lichte Haare, die in weichen, flaumigen Locken sein Köpfchen umschwebten. Seine Gestalt war zart, es hatte die tänzerische, freudige Anmut der Mutter in den Bewegungen und ihr leises, strömendes Lachen, weich wie Taubenlaut, unter dem seine kleine Kehle tanzte. Es hieß Anna.

Christian liebte das Kind mit einer noch nie gefühlten, tiefer Innigkeit. Er war ergriffen von seinem Anblick, von seinen Zügen, die ihm selbst so glichen, von seinen Augen, seinen Bewegungen und seinem Lachen, von denen jedes der Mutter Wesen widerspiegelte und ihm das Geheimnis ihrer tiefsten Vereinigung zu offenbaren schien. In dem Kind liebte er zum ersten Male sich selbst, in ihm liebte er sich, die Mutter und das Kind zugleich.

Auch die Frau war seit der Geburt des Kindes verändert. Annas Bettchen stand zu Füßen des Ehebettes an Stelle der Truhe. Nie mehr umarmte sie den Mann in der Dunkelheit mit ihrem lockenden Lachen, mit ihren fordernden Armen, und morgens beim Erwachen, im Anblick des Kindes, errötete sie und senkte den weit offenen Blick ihrer Augen, In den Nächten erfüllte sie beide, die doch die Liebe der Jugend füreinander noch fühlten, eine neue, keusche Zärtlichkeit, die sie mit sanftem Zwang auseinanderhielt, wie die vergangene sie zusammengeführt hatte. Hatten sie nebeneinander geruht, vereinigt nur in ihren Herzen, hob die Frau am Morgen das Kind aus dem Bett und reichte es dem Mann. Sie reichte es ihm, als schenke sie so sich ihm selbst, aber das schönste, ihr selbst verborgene Teil ihres Wesens, als schenke sie ihm ihre Jugend, jünger als die, die er gekannt, ihre Schönheit, schöner als die, die ihn bezaubert hatte, und ein Glück, herrlicher als das tiefste Glück, das sie ihm je bereitet. Und er nahm es entgegen und erwartete des Kindes unschuldiges Lächeln, mit dem es aufwachte. Er fühlte sein Glück und nie mehr die Furcht und Mahnung nächtlicher Dunkelheit.

Um des Kindes Liebe, sein Zutrauen, ja nur sein Lächeln, bewarben sich alle.

Emma sah mit eifersüchtiger Trauer, daß es an der Brust der Mutter genährt wurde, und daß es im Zimmer der Eltern schlief und sie es nicht, wie die anderen Kinder früher, Tag und Nacht bewachen und pflegen konnte. Sie strickte wenigstens seine Strümpfchen und nähte seine Kleider, sie entzückte sich an seinem Anblick.

Die Brüder, im wildesten Knabenalter stehend, liebkosten es scheu und sahen mit hilfloser Zärtlichkeit zu ihm herab.

Vor der Wiege des neugeborenen Kindes hatte auch Fritz gestanden. Er war dreizehn Jahre alt, groß und stark, seine Glieder mit einer zarten Fülle von Fleisch schön überformt, das volle, weiße Gesicht durchleuchtet von dem Glanz seiner großen blauen Augen, über der runden Stirne das üppige lichte Haar, rosig gefärbt Mund, Kinn und Wangen. Er beugte sich lächelnd zu dem friedlich ruhenden Kinde herab. Er hob langsam, von einem sonderbaren Begehren gezogen, seine volle, kräftige Hand und legte sie auf das weiche, winzige Köpfchen des Kindes nieder. Er fühlte den kleinen, noch knochenlosen, von feuchter Wärme umdunsteten Schädel in seiner Hand, er fühlte feines, zartes Pochen von schwachen Pulsen, und es ergriff ihn etwas Furchtbares. Von den weich und warm gegen das Innere seiner Hand anpochenden Schlägen, von dem lauen Strömen der kleinen Pulse angetrieben, fühlte er plötzlich sein eigenes Blut aufjagen, seine eigenen Pulse aufhämmern und sein Herz in Stößen schlagend die Kehle ihm zusammenpressen; ein Zittern, wohlig und schrecklich zugleich, schüttelte seinen Körper, schwarze Röte überflutete sein Gesicht, der Mund fiel auseinander, zischend entfuhr ihm lautloses Lachen. In würgendem Krampf zuckten seine Hände, aber er riß sie los von dem weichen, warmen Haupt des Kindes, er schlug die Nägel in das eigene Fleisch, er floh aus dem Zimmer, rannte über den Hof, suchte nach Arbeit und ergriff endlich eine Axt, um mit wilden, weit ausholenden Schlägen einen Stamm Holz zu spalten, und ließ das lautlose Lachen aus der aufgewühlten Brust über die weit auseinander geöffneten Lippen nach und nach ganz entweichen. Als er ruhig und müde wurde, spürte er Durst. Er ging zum Brunnen und trank, fing das Wasser in die gehöhlten Hände auf, fühlte wollüstig die Kühlung erst da und dann in der heißen trockenen Höhle seines Mundes, in der er jeden Schluck erst lange hin und her bewegte, ehe er ihn in die Kehle rinnen ließ.

Von diesem Ereignis an begann er völlig scheu zu werden und alle menschliche Gesellschaft zu meiden. Da die drei Knaben nun von der Amme getrennt wurden, und die Söhne eine eigene Kammer bezogen, bat er, von nun an im Gesindehaus und allein schlafen zu dürfen, da er doch ja nun bald zu den Knechten gehöre. Seine Mutter freute sich über seine Bescheidenheit und setzte die Erfüllung seiner Bitte durch, obwohl der Herr es gern hatte, den Knaben wie einen seiner Söhne zu halten.

Nachdem so Fritz ein kleines Gelaß mit einem Bett im Gesindehaus bezogen hatte, konnte er sich völlig versteckt halten. Die anderen sahen ihn nur noch bei der Arbeit und bei den Mahlzeiten. In den Feierstunden lief er allein durch die Felder in den Wald, streifte umher, sang mit seiner hohen, sanften Stimme vor sich hin. In der Dämmerung verkroch er sich oft in das Weidengebüsch des Teiches und lauschte dem Treiben der Frösche, von den weichen, hüpfenden Tieren seltsam angezogen. Er horchte auf ihre schnarrenden Rufe, auf das Glucksen und hohle Plätschern ihrer Sprünge, nach und nach erkannte er auch ihre Gestalten in der Dämmerung, sah sie auf den Blättern der Sumpfgewächse hocken, unbeweglich still, in den weichknochigen Leibern zuckte klopfend der Hammer der Pulse, wie Pulse klopfend bewegten sich auch die vor- und zurückspringenden Hügel der Augen. Einmal beugte er sich nieder und fing ein Tier in seine hohl aneinander geschlossenen Hände. Weich und kühl und doch von Herzschlägen durchbebt, zuckte es leise gegen die Flächen seiner Hände. Vom sanften Pulsschlag des Tieres erweckt und aufgetrieben, strömte sein Blut auf, antwortete im geheimnisvollen, gleichen Takt der harte Schlag seines Herzens jenen kühlen, weichen Schlägen, die an das Innere seiner Hände rührten, und krampften sich seine Hände zusammen, um das Tier, um die lockenden Herzschläge zu ersticken, so ward im gleichen Maße seine Kehle zusammengepreßt, er mußte den Mund öffnen, tief nach Luft seufzen, sein Kopf sank tief in den Nacken, über das zurückgeneigte, engelhafte Gesicht goß sich in Wellen schwarze Röte, die Augen, weit geöffnet und mit glitzerndem Schein überzogen, starrten in den sanft verschleierten Himmel der Dämmerung, und sein starker Körper ward von lautlosem Lachen furchtbar erschüttert. Es drängte ihn, die Hände ganz ineinander zu pressen, in tiefster Vereinigung den Herzschlag dort und den Herzschlag in der eigenen Brust zu ersticken, die Kehle dort und die eigene Kehle ganz zu erwürgen; doch er riß sie noch im letzten Augenblick auseinander und tötete nicht völlig das Tier, das zur Erde niederfiel und mit lahmen Sprüngen in das Gebüsch sich rettete. Nun versank in Ruhe sein Herz und in Müdigkeit sein Blut. In haltloser Leichtigkeit flatterten seine Hände. Er barg sie in den Taschen seines Rockes und ging mit langsamen, erschöpften Schritten zum Haus. Er floh von diesem Tage ab den Teich und seine Nähe.

Ein Jahr später, wieder im Sommer, sah er, durch den Wald wandernd, einen jungen, aus dem Nest gefallenen Vogel am Boden liegen. Es war ein Rotkehlchen; seine winzigen, schwarzen Augen blinkten, der kleine Schnabel öffnete und schloß sich lautlos klagend. Er hob ihn auf und nahm ihn zwischen seine Hände. Das Herz des geängstigten Tieres, das rasend gegen seine Hände schlug, jagte ihn auf; sein Blut, das in wilden Strömen von ihm zu dem Vogel und von dem Vogel zu ihm zurück in geheimnisvoller Verbundenheit kreiste, sein Herz, das zu furchtbaren Doppelschlägen angefeuert wurde vom Takt des rasend in Angst schlagenden Tierherzens, es jagte ihn auf, zur Flucht. Die Hand um den Vogel gepreßt, die eigene Kehle umwürgt, flog er in hastigen Sätzen dahin, gepeitscht durch die Stöße seines Herzens, Schweiß auf seiner heiß geröteten Stirn, mit weit geöffnetem Mund, der zischend aus der engen Kehle den emporgekeuchten Atem ausstieß. Aber er erreichte das Haus noch, solange der Vogel lebte.

Er eilte in seine Kammer und ließ den Vogel aus seinen Händen in eine Mütze gleiten, hielt die Innenflächen seiner Hände aufrecht und ausgebreitet in die Luft, bis in der Kühlung seines Blutes aller Aufruhr in ihm verging. Er begann dann, das Tierchen zu füttern, und es gelang ihm auch, es mit vieler Mühe großzuziehen und es zu zähmen. Es erkannte seinen Pfiff, mit dem er es rief, flog herbei und setzte sich auf seine Schulter und fraß aus seiner Hand. Er schnitzte ihm einen schönen geräumigen Käfig. Nur einen Namen fand er nicht für das Tier, obwohl er oft in seiner Kammer in einfachen, langgedehnten Lauten seiner weichen Stimme mit ihm sprach.