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Die Anthologie "dem vogel geht es gar nicht gut" lotet die Höhen und Tiefen des Lebens aus. Sie erzählt von leisen Tönen, einschneidenden Ereignissen, komischen Beobachtungen und den Jahreszeiten; von der Wärme des Sommers, dem Zusammenleben mit Trampeltier, der Bedeutsamkeit eines Schlüsselbundes und dem Fehlen eines Puzzleteils. Sie wagt den Blick zurück in die vergangenen Tage und darüber hinaus, schaut auf die Menschen und ihre Geschichten, die berühren, einen nachdenklich zurücklassen oder mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Frei in der Form, ob Gedicht oder Geschichte, entstanden die Texte in den letzten Jahren, inspiriert durch Schreibwerkstätten und darüber hinaus in vielen gemeinsamen Treffen oder ganz allein am eigenen Schreibtisch.
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Seitenzahl: 139
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Die Anthologie dem vogel geht es gar nicht gut lotet die Höhen und Tiefen des Lebens aus. Sie erzählt von leisen Tönen, komischen Beobachtungen, einschneidenden Ereignissen und den Jahreszeiten; von der Wirme des Sommers, dem Zusammenleben mit Trampeltier, der Bedeutsamkeit eines Schlüsselbundes und dem Fehlen eines Puzzleteils. Sie wagt den Blick zurück in die vergangenen Tage und darüber hinaus, schaut auf die Menschen und ihre Geschichten, die berühren, einen nachdenklich zurücklassen oder mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Frei in der Form, ob Gedicht oder Geschichte, entstanden die Texte in den letzten Jahren, inspiriert durch Schreibwerkstätten und darüber hinaus in vielen gemeinsamen Treffen oder ganz allein am eigenen Schreibtisch.
Sie lernten sich in der Schreibwerkstatt von Jutta Weber-Bock kennen und schätzen. Zuerst als Brücke zwischen zwei Werkstätten gedacht, trafen sie sich auch privat. Es wurde geredet, gelacht, gegessen und immer geschrieben: ein kurzer Impuls, ein Wort, eine Überschrift aus der Zeitung, dann flog der Stift über das Papier.
Eine kurze Zeit später las jede das spontan Geschriebene vor, berührte mit Heiterem, Ernstem, Fantastischem oder Düsterem die anderen.
Ausgewählte Texte finden sich in dieser Anthologie. Mehr zu den Autorinnen im Anhang.
Von dir aus ist die Sicht so schön
Babette Fritzsching
Elfi und Hermann
Monika Rapka
Ein Tänzchen für Therese
Sylvia Runkel
sommer auf dem platz
Katja Schöll
Aus der Traum
Monika Rapka
Nasser Tag
Marion Fährmann
Mamas Geheimnis
Monika Rapka
Freunde für’s Leben
Sylvia Runkel
Niemand wartet
Der weite Platz, sonnendurchflutet
Monika Rapka
Kaffeehaus
Monika Rapka
Das Museum kommt!
Monika Rapka
Drei Stadt-Gedichte
Babette Fritzsching
Sommer auf dem Platz
Monika Rapka
Was der Tag macht
Monika Rapka
Ansichten
Ein wenig Hölle (unter wolkensüßem Schaum)
Sylvia Runkel
Schokoschaumkrönchen
Ina Jacoby
Glas
Marion Fährmann
Teufel am Limit
Sylvia Runkel
heimsuchung
Ina Jacoby
Matildas Traum
Bitte, schau mich an!
Marion Fährmann
Hinter Gittern
Sylvia Runkel
Mann mit Mops
Babette Fritzsching
Vorstellung
Sylvia Runkel
Eine wahre Begebenheit
Katja Schöll
Galeriebesuch
Babette Fritzsching
Sprache
Monika Rapka
Das beschriftete Beschriftungsgerät
Eva-Marie Feine
Sie hört den Wolken zu
Monika Rapka
Satt werden
Eva-Marie Feine
Neulich
Tränen sind nur salziges Wasser
Katja Schöll
In Tränen steckt gelebte Erinnerung
Ina Jacoby
Nur kurz
in a Jacoby
Das treue Herz
Ina Jacoby
Die Flasche
Katja Schölt
Lieblingsstück
Monika Rapka
Was in die Streichholzschachtel passt
Ina Jacoby
Die Mühle
Babette Fritzsching
Auf dem Dachboden
Sand am Fuß
Eva-Marie Feine
Durch das Jahr
Babette Fritzsching
Sommer
Katja Schöll
Pinselstriche auf Reisen
Sylvia Runkel
frühling
Sylvia Runkel
ein sommer der nicht enden will
Sylvia Runkel
november
Sylvia Runkel
winter
Sylvia Runkel
zweitausenddreiundzwanzig
Babette Fritzsching
Wie ein Vogel
Ein Segelschiff aus jugendlichem Trost
Ina Jacoby
Des Nachts
Eva-Marie Feine
schwarz.
Katja Schöll
Der Weg
Monika Rapka
Schlüsselbund des Lebens
Ina Jacoby
Der Puppenspieler
Babette Fritzsching
Kellergang
Monika Rapka
Meine Straße roch nach Hoffnung
Ina Jacoby
Was verloren ging
Die Autorinnen
Vitae
Schon lange standen du und ich nebeneinander am See und genossen die Aussicht. Und dann, in den ersten Frühlingstagen, kamen sie auf uns zu und wählten dich als Sitzplatz aus.
Von dir aus sei die Sicht so schön, sagten sie.
Zusammen erfreuten wir uns an dem Schilf, der sich leise raschelnd im Wind bewegte, an dem gurgelnden Wasser, das leicht über die Steine rollte. Auf den Bergen lag noch Schnee.
Jeden Tag suchten sich Elfi und Hermann, wie sie sich nannten, ihren Platz. Hätte ich eine Uhr gehabt, ich hätte die Zeit nach ihnen stellen können. Warst du frei, so musste ich voller Freude einräumen, warst du ihre erste Wahl. Sie nickten mir zu, wenn jemand auf mir hockte, und ich fühlte mich geschmeichelt, dass sie mich wahrnahmen. Die Frühlingsstürme rüttelten an uns, doch Elfi und Hermann ließen sich davon nicht abhalten, uns zu besuchen.
Sie hatten beide schneeweiße Haare. Sein Gesicht war faltig, und sie ging nur langsam. Ich spürte ihre Knochen durch die dünne Haut, während sie auf mir saßen, was selten vorkam. Und immer stand er mit einem Ächzen zuerst auf, um ihr dann die Hand zu reichen. Sie stützte sich dann schwer auf meinem Rücken ab und wuchtete sich mit seiner Hilfe hoch.
Die Sonne stieg wie jedes Jahr in den Himmel, es wurde warm, sehr warm. Wir wurden als Ablage für Badeanzüge und Handtücher genutzt. Ich genoss die Kühle der nassen Sachen. Das Wasser gab mir Kraft, an meinen beiden Beinen zu ruckeln, die dir am nächsten waren.
An einem dieser himmelblauen, sonnenstrahlenden Tage kamen Elfi und Hermann pünktlich wie immer auf dich zu. Er trug eine beige Stofftasche, die er auf dir abstellte.
Das war neu.
Diesmal begannen sie ruhig und konzentriert damit, sich umzuziehen. Ich sah, wie Elfi in der Tasche kruschtelte.
»Hermann, deine Hose.« Mit diesen Worten reichte sie die karierte Badehose weiter.
»Danke sehr.« antwortete Hermann und lächelte, als sich kurz ihre Hände berührten.
Elfis Augen leuchteten durch ihre Brille. »Vergiss dein Hörgerät nicht.«
»Natürlich, meine Liebe. Und du denk an deine Brille.«
So ging es hin und her. Sie zogen ihre Badesachen an.
Schließlich nahm Hermann sein Hörgerät und legte es vorsichtig in die Dose. Elfi sprach nun lauter. Sie verstaute ihre Brille und reichte ihm die Hand. Aufeinander gestützt gingen sie zum Wasser. Er führte sie, und gemeinsam kletterten sie über die größeren Steine. Am Wasser schien es besonders rutschig. Da gaben sie sich gegenseitig Halt, bis es tief genug war. Zuerst etwas unsicher schwammen sie nebeneinander, ich sah die Köpfe aus dem Wasser ragen. Dann trennten sich ihre Wege, Hermann hatte weiter links etwas entdeckt. Elfi legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben.
»Schau, Hermann, der Mond«, rief sie.
Er drehte sich um. »Wie bitte?«
»Wir können den Mond sehen, sogar am Tag«, schrie sie und deutete in die Luft. »Erinnerst du dich an unseren ersten Kuss bei Vollmond?«
»Wie könnte ich diesen Abend vergessen«, brüllte Hermann und schwamm auf Elfi zu. Etwas außer Atem kam erbei ihr an und küsste sie. »Lass uns nach Hause gehen«, schlug er vor und lächelte. Gemeinsam erreichten sie das Ufer, und wie zuvor stützten sie sich gegenseitig. Dann verschwanden sie, Hand in Hand, schneller als sonst.
Wenn ich dir nur auch so nah sein könnte.
Der Sommer ging, der Herbst mit seinen Stürmen peitschte das Wasser, der Schnee deckte uns zu und die Frühlingssonne wärmte uns wieder auf.
An jedem einzelnen Tag streckte ich meinen Holzrücken und wackelte mit den vier Beinen, die noch so fest im Boden saßen.
Elfi und Hermann besuchten uns täglich. Sie schwammen im See, solange es warm war. Im Herbst und Winter setzten sie sich und erzählten uns, was ihnen gerade durch den Kopf ging, während wir vier auf den See schauten, der uns jeden Tag ein neues Bild zeigte. Du standest neben mir und warst doch noch so fern.
Kurz vor dem Sommer verspürte ich ein leichtes Knarzen und Knacken in meinem Rücken.
Und als es wieder so fürchterlich heiß war, hatte ich endlich ein Bein freigeruckelt. Glücklich wartete ich auf Elfi und Hermann, gespannt darauf, ob sie es merken würden. Doch sie kamen nicht. Auch die ganze nächste Woche blieben sie fern. Währenddessen bewegte ich meine Beine weiter, um auch die anderen drei zu lockern. Mein Erfolg gab mir neue Zuversicht, vielleicht in drei oder vier Sommern frei und dir nahe zu sein.
Ich erschrak, als Hermann plötzlich vor mir stand, zur falschen Zeit und allein. Sein Gesicht war grau, die Augen stumpf. Ganz in Schwarz setzte er sich auf dich. Irritiert wartete ich auf Elfi. Doch Hermann hockte nur da und starrte auf den See. Leise rollten Tränen, er wischte sie nicht weg. Als in der Dämmerung der Vollmond schien und sich im Wasser spiegelte, schluchzte er und sagte: »Ach, Elfi.« Dann stand er auf und ging.
Ich zerre nicht mehr an meinen Füßen.
Der Gebraucht-Meyer, den ich gegen den Willen meiner werten Gattin eingeladen hatte, schien sich nur für die halben Eier mit falschem Kaviar zu interessieren. Vier Stück hatte er bereits verputzt. Und jetzt noch ein Glas Erdbeerbowle!
Würde er unsere Therese denn gar nicht bemerken? War doch meine Hilde heute den ganzen Vormittag beim Friseur gewesen, um ihr die Haare ondulieren zu lassen. Auch das Cocktailkleid war neu und meine Gattin hatte ihr die Schuhe mit dem Pfennigabsatz für den Abend geliehen. Sie sollte doch Eindruck machen, auch wenn meine Gattin nicht ganz einverstanden war, Therese mit diesem erfolgreichen jungen Mann zusammenzubringen.
Meyer war eine gute Partie, der Sohn eines sehr bekannten Autohändlers in Hamburg, und das sah man ihm auch an. Feiner Anzug, elegante Krawatte. Und nicht die nach hinten gegelten Haare wie dieser junge Kerl neben Therese.
Nun stand sie schon die ganze Zeit am Phono-Schrank und schäkerte mit dem Bengel von Wehren, diesem Halbstarken. Ein Tunichtgut war das, fuhr einen Heinkel Tourist und schien auch sonst nicht viel von anständiger Arbeit zu halten.
Gelegentlich schnitt er in unserem Garten die Sträucher und Bäume. So hatte er Therese kennengelernt. Jetzt schob sich der Meyer am Buffet-Tisch entlang Richtung Musik-Truhe. Endlich, dachte ich, bevor mich meine werte Gattin aus meinen Gedanken riss.
»Ach, Kurtchen! Ich sehe doch, wie es hinter deiner Stirn arbeitet. Nu' lass sie doch, das sind doch junge Leute.«
Sie tätschelte meinen Arm und lächelte mich an. Wer könnte ihr böse sein. Obwohl wir beide einige Jahre älter geworden waren, war sie noch immer die schönste Frau im Raum.
»Gleich fängt das Tanzen an und wir sollten den Anfang machen. Schließlich sind wir die Gastgeber.«
Ich konnte Tanzen nicht ausstehen, aber meine Ehefrau zog mich bestimmt in die Mitte unseres Wohnzimmers. Morgen würde ich wieder Möbel rücken müssen, die wir für den heutigen Abend in das obere Geschoss ausgelagert hatten. Unsere Therese und meine Frau würden morgen die Küche besorgen, unsere Zugehfrau gründlich durchwischen. Es sollte ja etwas hermachen heute Abend. Therese hatte die Sekretärinnen-Schule abgeschlossen und eine Anstellung bei Bmnnen-Haase mit zwei A gefunden. Eine solide Firma, im Getränkehandel tätig und eines der ersten Geschäfte, die diese amerikanische Coca-Cola verkauften. Natürlich war die Anstellung nur für den Übergang, denn Therese sollte recht bald heiraten und uns Enkelchen schenken.
Nein! Ich musste mir den obersten Hemdknopf öffnen. Der Meyer war keineswegs auf dem Weg zur Therese gewesen, als ich ihn am Buffet hatte entlangschleichen sehen, vielmehr hatte er sich nun an den Schinkenröllchen bedient. Und wieder füllte er sich sein Glas mit meiner Erdbeerbowle. Hatte der denn nie genug? Derweil scherzte unsere Therese mit diesem Burschen. Während ich meinen Gedanken nachhing, hatte mir meine Frau schon die Hand auf den Arm gelegt, stupste mich leicht mit ihrem Knie vorwärts und bedeutete mir, dass ich nun zu führen hatte.
Sie zwinkerte mir zu und sagte leise, so dass die Gäste ringsherum nichts mitbekamen: »Das kann ich ja nun wirklich nicht tun!«
Als würde sie sonst alles tun. Dabei war natürlich ich der Haushaltsvorstand, dachte ich.
»Papa, Mama, werte Damen und Herren, zuerst einen Walzer! Wenn ich Sie bitten darf!«
Unsere Therese hatte in die Hände geklatscht, um sich Gehör zu verschaffen. Nun legte sie den Tonarm auf die Schallplatte und machte eine einladende Geste in unsere Richtung.
Einige der Herren erhoben sich und forderten ihre Begleiterinnen zum Tanz auf, während die ersten Takte des Kaiserwalzers, Hildes Lieblingswalzer, unser Wohnzimmer erfüllten. Ich schob meine Hilde wenig konzentriert durch den Raum. Wollte der Gebraucht-Meyer sie denn nicht endlich zum Tanzen auffordern? Ich konnte ihn nicht sehen, es war zu viel Gedränge um uns herum. Immerhin drängten sich gerade dreißig Personen in unserem Wohnzimmer. Und nun hatte Therese bereits den Arm dieses von Wehren-Bürschchens genommen. Wenigstens tanzen konnte er. Neben uns tauchten Hagedorns auf.
»Na, haben Sie sich beim Gebraucht-Meyer einen neuen Wagen gekauft, Brekelsen?«
»Ja, mein lieber Hagedorn, das habe ich. Wurde Zeit, war ja kaputt, der Alte. Und Meyer hat mir ein gutes Angebot gemacht.«
Und schon waren sie an uns vorbei, schoben durch unser Wohnzimmer.
»Wenigstens hat seine Frau, die blöde Gans, nichts gesagt. Sie ist einfach zu einfältig«, raunte mir Hilde ins Ohr.
»Darf ich Abklatschen?«, hörte ich hinter mir jemanden sagen.
Ich schwenkte Hilde herum, um zu sehen, wer meine Frau haben wollte, und sah in das Gesicht dieses von Wehren. Ehe ich auch nur ein Wort sagen konnte, hatte mich meine Hilde schon losgelassen und ergriff die Hand dieses jungen Burschen.
»Aber sehr gerne, Klaus!«, meine Frau lächelte ihn fröhlich an.
»Papa, Du kannst mich hier nicht stehenlassen. Nun komm schon.« Therese war fast schon so resolut wie meine Hilde. Ich sah meiner Frau und diesem Burschen nach. Tanzen konnte er wirklich, das musste der Neid ihm lassen.
»Papa, der Klaus möchte mich zu einem Konzert einladen. Er wird dich nachher fragen. Bitte, darf ich?«
»Konzert? In der Laeiszhalle? Ja, meinetwegen«, sagte ich abwesend.
Gebraucht-Meyer saß nun neben dem Buffet und tat sich am Toast Hawaii gütlich. Ich schnaubte.
»Was ist, Papa? Geht es dir nicht gut?« Therese schaute in die Richtung, in der ich den Meyer beobachtete.
»Ach, der Herr Meyer! Mama sagt, er ist bekannt dafür, dass er sich immer einladen lässt und sich dann durchfuttert für die ganze Woche.« Therese lachte halblaut.
»Was? Woher weiß deine Mutter das denn? Ich ... ich ...« Ich schnappte nach Luft.
Woher meine Hilde das schon wieder wusste! Dabei war er doch eine so gute Partie.
»Therese, hole mir doch bitte ein Glas Erdbeerbowle und kümmere Dich um den Herrn Meyer. Er sitzt da so verloren«, sagte ich.
»Ach, Papa, der kommt schon zurecht.« Aber dann ging sie doch durch die tanzenden Paare hindurch Richtung Buffet.
Ich stellte mich etwas abseits, um zu beobachten, ob der Meyer und unsere Therese ins Gespräch kommen würden. Na, so eine Unverschämtheit, er stand ja nicht mal auf, als Therese zu ihm trat. Ganz im Gegenteil. Anstatt mit ihr zu reden oder sie gar zum Tanzen aufzufordern, schob er sich eine Gabel Heringssalat in den Mund. Na warte, bei dir kaufe ich nochmal einen Wagen.
»Warum hängt denn der Rühmann bei Ihnen an der Wand, Herr Brekelsen? Und noch dazu mit Unterschrift«, fragte Studienrat Henningsen, an seiner Seite seine Frau Gemahlin.
»Gnädige Frau.« Ich verneigte mich leicht, ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, die beiden zu begrüßen.
»Na, die haben doch den Hauptmann von Köpenick auf einem meiner Grundstücke gefilmt, bevor ich die alten Kästen abgerissen hab. Habe mir natürlich nicht nehmen lassen, nach einem Autogramm zu fragen. Feiner Mensch, der Rühmann. Ganz bescheiden, hat sich sogar nach der Baubranche erkundigt. Und zum Abschied gab er mir die Hand und überreichte mir das Foto.«
»Na, na ja, ich mag den Albers lieber. Der Rühmann war mir immer zu zart«, meinte Henningsen. »Wie geht es denn der werten Schwiegermutter? Meine Frau sagte mir, sie sei krank gewesen?«, fragte er.
»Danke der Nachfrage. Es war zum Glück nichts Ernstes. Ein Gallenstein, wissen Sie. Mutter Engelhard ist schon wieder auf dem Damm. Meine Frau besucht sie am Wochenende mit unserer Therese.«
»Würden Sie uns in der nächsten Woche zum Abendessen beehren?«, fragte seine Frau. »Am Donnerstag?«
»Oh, da geht es leider nicht. Wir haben Karten für Frankenfeld.«
Herr Studienrat Henningsen und seine Frau sahen mich an, beiden stand der Mund offen. »Nein! Wie haben Sie denn das bewerkstelligt? Die Karten waren doch sofort ausverkauft«
Ich konnte meinen Triumph schlecht verbergen, mühte mich aber sehr, mein Grinsen zu unterdrücken. »Ach, wir haben einfach Glück gehabt.«
»Na, als Unternehmer haben Sie da bestimmt ihre Verbindungen«, sagte der Studienrat betont freundlich, aber er ärgerte sich doch, das sah ich ihm an. Frankenfeld war ungeheuer populär und bei den Damen beliebt. Auch meine Hilde hatte ich im Verdacht, ein wenig mehr zu mögen als nur seine großkarierten Jacketts. Aber man musste ja hingehen, denn es würden auch andere Unternehmer und einige Leute aus dem Senat da sein. Da kam Therese mit meiner Erdbeerbowle. Sie reichte mir das Glas.
»Bitte, Papa, und danke, dass ich mit Klaus ins Konzert gehen darf.«
Sie hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Neben uns tauchten meine Gattin und der Halbstarke auf.
»Da bringe ich Ihnen Ihre werte Gemahlin zurück«, sagte er und streckte mir die Hand entgegen. »Ich glaube, wir haben uns noch gar nicht begrüßt, Herr Brekelsen.«
Einen festen Händedruck hatte er und aus der Nähe sah er ganz manierlich aus, wenn auch für meine Meinung zu neumodisch gekleidet. Kein Anzug, sondern eine Bundfaltenhose, dazu ein kariertes Hemd mit offenem Kragen und ein zur Hose passendes, aber übergroßes Jackett.
»Klaus, Papa erlaubt mir, mit Dir zum Konzert zu gehen!«, jubelte Therese und hakte sich beim ihm unter.
Ein bisschen zu überschwänglich für meinen Geschmack, doch meine Frau riss mich auch hier wieder aus meinen Gedanken.