DENN ALLES IST GUT - Helmut Ulrich - E-Book

DENN ALLES IST GUT E-Book

Helmut Ulrich

0,0

Beschreibung

Ein Tag im Mai 1995 als Roman: Anton Bürger, 1939 geboren, Kriegswaise, inzwischen 56 Jahre alt, hat sich in seiner norddeutschen Heimatstadt einen gutgehenden Sanitärbetrieb erarbeitet. Mit seiner Ehefrau Margit, der Tochter Beate und der Enkelin Henriette hat er zudem eine intakte Familie. Der Kauf eines neuen Autos bringt nach Antons überwundenen frühkindlichen Kriegserfahrungen eine erneute desaströse Wendung in sein Leben. Weil das Auto sich als gestohlen erweist, setzt er zornentbrannt eine Preisminderung durch. Zu seiner bösen Überraschung ist Autohändler Wehse zugleich ein Gangsterboß. In die gefährliche Auseinandersetzung mit Wehse und dessen Komplizen verstrickt, machen ihm seine wiederkehrenden Albträume vom Krieg erneut zu schaffen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 455

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



HELMUT ULRICH

1942 in Sanderbusch/Friesland geboren, wuchs in Wilhelmshaven und Bremen auf, studierte an der FU Berlin Literaturwissenschaft. 1973 zog er nach Schleswig, 2001 Rückkehr nach Berlin. Er hat Gedichte, Erzählungen und literaturkritische Essays veröffentlicht, u. a. in „Ostragehege“ und in „Text und Kritik“, im Rundfunk u. a. im NDR und im Hessischen Rundfunk. 1991 edierte er das Text- und Collagenbuch „papesse SUCHT NACH LIEBE“, Collagen: Elke Ulrich, Texte: Doris Runge, Kurt Drawert, Uwe Herms, Asher Reich, H. U. 1997 erschien sein Roman „Auf der Matratze“, 2000 „Verknotet. Tagebuch einer Krebstherapie“. Er publizierte die Gedichtbücher „die dreizehnte stunde“, 1998, und „Wollust der Wasserberührung“, 2002. Als Rezitator ist er mit Texten von Riegel, Benn und Ringelnatz aufgetreten. Er initiierte und realisierte literarische Veranstaltungsreihen, z. B. „Nacht der Poesie“ und „literatur S“. Die 1989/90 u. a. von ihm moderierte Reihe „Dichter predigen“ wurde vom NDR 3 Fernsehen aufgezeichnet. Von 1991 bis 1998 war er Mitglied der Literaturkommission des Landes Schleswig-Holstein. 1998 wurde ihm die Schleswig-Holstein-Medaille verliehen. 1999 erhielt er den Kulturpreis der Stadt Schleswig. Zur Zeit arbeitet er an einem weiteren Roman.

Inhaltsverzeichnis

Ein Brief von Anton Bürger an Raphael Trauner

Erstes Kapitel

Abschnitt 1

Abschnitt 2

Abschnitt 3

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Abschnitt 1

Abschnitt 2

Abschnitt 3

Abschnitt 4

Fünftes Kapitel

Abschnitt 1

Abschnitt 2

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Abschnitt 1

Abschnitt 2

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Ein Brief von Anton Bürger an Raphael Trauner

Großburg, im September 1987

Lieber Raphael,

daß ich mich von meinen Alpträumen und Wahn-Ideen jetzt befreit fühle, wem sonst habe ich es zu verdanken als Dir und Masud Khan.

Mein Dank gegenüber meiner Ehefrau Margit sei hierbei stets hinzugefügt.

Nein, die nächtliche Erscheinung, eine menschenähnliche, am ganzen Körper gleichsam verbrannte Gestalt, sie ist nicht wiedergekehrt, steht nicht mehr plötzlich im Zimmer. Du wirst Dich daran erinnern, wie ich Dich, auf Margits Rat hin, aufsuchte und Du zum erstenmal von meinen grausigen schlaflosen Nächten erfuhrst. Daß mich ein Frieren und Zähneklappern befiel, wenn die gespenstische Gestalt sich klagenden Blicks zu mir herschleppte, sich wie ein Ertrinkender an mich klammerte und förmlich mit mir verschmolz, während ich, nein, nicht ich, sondern ein Anderer, mir Fremder durch meinen Mund „Ruß-Engel, wer bist du?“ stammelte, die Frage wiederholend, als handle es sich um eine Beschwörungsformel. Statt sich zu offenbaren, verwehte die Gestalt in dunkle, schweigende Nacht. Einen Augenblick lang fühlte ich jedesmal noch die Flügel an mir entlangstreichen. In der zwanghaften Gewißheit, daß mir Kopf und Leib über und über mit Ruß bedeckt waren, dachte ich schaudernd, nunmehr selbst ein solcher Ruß-Engel zu werden. Erst wenn der Morgen graute, fiel die Furcht von mir ab, und ich kam zur Besinnung.

Dies alles liegt jetzt hinter mir. Deine und Masuds Therapien haben mich verstehen lassen, daß der Ruß-Engel auf meine Kriegskindheit hindeutet, andererseits meine Erinnerung an sie mir wahrscheinlich verschlossen bleibt. Daß ich dennoch auf ein Leben hoffen darf, das mir gelingen wird.

Herzlich,

Anton

Erstes Kapitel

Im Jahr 1995 unterzieht sich Anton Bürger einem Gesundheits-check. Das Ergebnis zeigt, daß er körperlich vollkommen gesund ist. Der Spaziergang, den er daraufhin macht, endet mit einem für ihn folgenschweren Telefongespräch.

1

Was sein Auge noch wahrnehmen konnte, sein Fuß vermochte dem kaum mehr zu entsprechen. Darüber hinweg- oder zur Seite treten oder das Bein zurückreißen hieße das Gleichgewicht verlieren. Im letzten Moment stoppte sein Fuß wie von selbst. Anton Bürger vollführte eine rasche Drehung. Bevor es ihn zur Seite riß und er schwankte oder gar stürzte, war er behende in kurzen Schritten um das, was da lag, herumgetänzelt.

Sein Reaktionsvermögen, folgerte er, funktionierte noch. Er konnte sich sozusagen blind darauf verlassen. Übrigens fand er es elegant, wie er ausgewichen war.

Er hatte nicht frühstücken dürfen, nüchtern bleiben müssen. Nach den beinah fünf Stunden dauernden Untersuchungen war er in die Cafeteria geeilt, hatte sich einen Teller Kartoffelsalat mit Frikadelle geben lassen, eine Tasse Kaffee, ein Fläschchen Wasser. Die Preise waren ihm zu hoch vorgekommen. Der breiige, geschmacklose Kartoffelsalat, die fade Frikadelle, schließlich der wässerige Kaffee hatten seine Meinung bestätigt. Dank ihrer überteuerten Speisen und Getränke, hatte er gedacht, schreibt die Cafeteria bestimmt schwarze Zahlen.

Nachdem er ins Freie getreten war, das Rauchen seiner Frühstückszigarette nachgeholt hatte, war sein Unmut wegen des, wie er fand, sich skandalös lange hinziehenden Wartens auf das nebenbei verblüffend kurze Arztgespräch verflogen. Es zählten schließlich allein die Ergebnisse der Untersuchungen, und die waren ausnahmslos erfreulich. Er fühlte sich wieder in Form, jetzt, nach seiner kühnen Tänzelaktion, geradezu beschwingt. Was für ein herrlicher Tag! Maitag! Die erste frühlingshafte Milde in diesem Jahr. Es grünte und blühte, daß es eine Augenweide war. Die Sonne arbeitete auf Hochtouren, der Himmel gleißte. Ich sollte bei diesem bombigen Wetter, dachte er, ein wenig spazieren gehen, nicht gleich zum Betrieb zurückfahren. Er knöpfte seinen Mantel auf, schloß momentlang die Augen. Genoß das Atmen. Auf jeden Fall mußte er Margit anrufen, sicher wartete sie schon darauf.

Er schnupperte den Rosenduft eines Parfüms. Für Sekunden reizte es ihn, sich dem Duft hinzugeben, gewissermaßen darin zu verströmen. Kürzlich hatte er, als Margit zu ihrem Damenkränzchen gegangen war, ihr zuliebe die Morandi-Ausstellung im Schloßmuseum besucht. Plötzlich hatte er, vor einem kleinen, quadratischen Bild, einer Vase mit weißen und rosa Rosen, als wären sie es gewesen, die dufteten, in einer Wolke von Parfüm gestanden. Entgeistert hatte er die Wohlgestalt einer Frau erschnuppert. Durch den leeren Saal schlendernd hatte er umsonst Ausschau gehalten nach ihr, von deren verwehendem Reiz eine subtile Begierde in ihm entfacht worden war –

„Soll ja Glück bringen!“, lachte ihm eine vorbeischlendernde Frau zu, Hundeleine in der Hand. Das kalbsgroße Tier lief einige Meter voraus. Er kannte sie. Es war die neue Lebensgefährtin von Börni Schulz, dem Chef des Hotels Europa. Die beiden lebten seit einem halben Jahr zusammen. Er schätzte sie auf Mitte dreißig. Zwanzig Jahre jünger als Börni. Charmeur Börni in Antons Alter. Eine sehr freundliche Frau, erinnerte er sich. Und übrigens eine Schönheit! Vielleicht war es ihr Parfüm, kürzlich in der Morandi-Ausstellung. Er unterdrückte den Gedanken, daß er sich, wären sie einander in der Ausstellung tatsächlich begegnet, vermutlich vor ihr blamiert hätte. Glück bringen? Hatte er doch Schmutz am Schuh? Ein unsicherer, verstohlen prüfender Blick nach unten überzeugte ihn vom Gegenteil. Sie hatte ihn nicht gemeint. Eben doch ihn, hatte ihn ja angesprochen. Ihn angelacht! Er hätte sie grüßen müssen, hatte stattdessen stumm zurückgestarrt. Ihm wollte partout ihr Name nicht einfallen. Peinlich. Er hörte schon Börni nächstens beim Tennis, Du kennst wohl Laura nicht mehr. Laura Klawitke, genau. Auf sein Gedächtnis konnte er sich verlassen. Er schritt hinter ihr her – „Hallo, Frau Klawitke!“ Es sollte freundlich klingen und klang wie Empörung. Da wollte er unbedingt den Fauxpas ausbügeln, nicht gegrüßt zu haben, und nun entgleiste er im Ton. Doppelt peinlich.

Sie wandte sich um, guckte ihm mit entwaffnender Herzlichkeit in die Augen, wies ihn jedoch mit einer gewissen Strenge zurecht: „Meiner war es nicht, wenn Sie das meinen!“

„Wie sollte ich, gnä’ Frau.“ Er befürchtete im selben Moment, er habe erneut nicht den rechten Ton gefunden, sie könne seine Erwiderung entgegen seiner Absicht ironisch auffassen.

Sie machte einen Schritt auf ihn zu.

Er in Rosenduft Getauchter.

Hörte sie fragen: „Sie glauben mir nicht?“ Mehr als Feststellung denn Frage geäußert, zugewandter als vorher, fast ein wenig in vertrautem Ton.

Er um Verbindlichkeit Bemühter nahm sich wahr, als spräche jemand neben ihm: „Selbstverständlich glaube ich Ihnen, Frau Klawitke.“

„Klawitter.“

Er von ihrem Parfüm und der diffus darin mitduftenden Erinnerung, er von ihrer Schönheit, ihrer melodischen Stimme wie Benommener lachte, sich korrigierend, vor Verlegenheit auf: „Klawitter, natürlich. Sie sehen, mein Gedächtnis kann das Glück brauchen, das Sie mir wünschten. Übrigens bin ich in das, was ihr Hund dort hinterließ, nicht hineingetreten. Immerhin funktionieren meine Reflexe noch.“

„Verzeihen Sie, Herr –“ Es schien ihm, daß sie zögerte. Sein Lächeln gar nicht registrierte. Erinnerte sie sich überhaupt an ihn?

„Bürger“, ergänzte er. Voreilig? Nahm ihr doch wohl nicht das Wort aus dem Mund. „Anton Bürger. Sanitär, Heizung, Klimatechnik“, erneuerte er so zuvorkommend wie nur möglich die Bekanntschaft. Ah, Klimatechnik! Das klang nach Glanz, Prestige. Wie umständlich hörte sich dagegen Bauklempnerei, sanitäre Installationen, Heizungsanlagen an. Dumm, daß die Karten mit der neuen Firmenbezeichnung noch nicht gedruckt waren. Die mit der alten Bezeichnung hatte er dabei.

„Herr Bürger, natürlich! Ich kenne Sie ja.“ Sie lächelte. Feine Fältchen umrahmten ihre Mundwinkel, was ihr ausnehmend gut stand. „Es sah so komisch aus, wie Sie dort auf einmal herumtänzelten, wie Sie um ein Haar die Balance verloren und sich im letzten Moment fangen konnten. Es hatte etwas von Clown, von Zirkus.“ Was? So hatte es auf sie gewirkt? Ernüchternd. „Warum treffe ich Sie vor der Klinik an?“, fuhr sie in wieder ernsterem Ton fort, „Ihrer Frau geht es doch hoffentlich gut?“

„Danke, ja, Margit geht es bestens.“

„Und selbst?“

„Ich kann nicht klagen. Im Gegenteil!“

Laura Klawitter strahlte ihn an. „Sie schauen blendend aus, Herr Bürger.“

„Danke!“ Der Satz ging ihm wie Balsam hinunter.

„Sie waren wohl im Urlaub?“

„Oh nein! Seit meiner Geburtstagsfeier Anfang des Jahres im Europa nur Arbeit.“

„Das hört man doch gern. Ihre Geburtstagsfeier ist uns in sehr angenehmer Erinnerung. Im Februar, nicht wahr? Börni brachte einen Toast auf Sie aus. Ich erinnere mich, er erzählte davon. Einen Toast ausbringen, das tut Börni nicht für jeden.“

Anton Bürger war gerührt, ein gewisses Pathos nicht zu verhindern, der Börni einer von den echten Freunden, den verläßlichen. Die Feier fand indes nicht im Februar statt, sondern am neunten Januar, eben dem Tag seines Geburtstags. Januar oder Februar, es war doch nett, daß sie sich erinnerte.

„Seinen sechzigsten zu feiern und so in der Welt zu stehen wie Sie, das ist schon etwas, Herr Bürger.“

Er schluckte wegen der plötzlichen Trockenheit in seiner Kehle. Er war im Januar sechsundfünfzig geworden. Na! Er zwang sich, seine Enttäuschung zu überspielen. „Frau Klawitter. Wir sollten unsere Bekanntschaft fortsetzen. Fürs erste mit einer mündlichen Einladung. Eine schriftliche folgt.“ Sehr um einen herzlich einladenden Ton bemüht, setzte er hinzu: „Am achtundzwanzigsten Mai, einem Samstag, eröffnen wir nämlich ab elf Uhr mit einer Open-end-Festivität unsere neue Ausstellungshalle.“

Sie blickte sich nach ihrem Hund um, „Hektor!“ –, rief zu einem ängstlich herschauenden Mädchen, an dessen Schuhen der Hund schnupperte: „Keine Angst! Der tut nichts!“ Wieder an ihn gewandt: „Und wo eröffnen Sie Ihre neue Halle?“

„Im Gewerbegebiet hinter dem Westparkviertel. Neubauerstraße siebzehn. Direkt neben der großen Wäscherei. Die schriftliche Einladung speziell an Sie werde ich persönlich veranlassen.“

„Danke. Da fällt mir ein, Börni will die Toilettenräume im Europa sanieren lassen, im Restaurant, wissen Sie. Da müssen dann auch neue Toiletten hinein. Das steht fest.“ Sie lächelte ihn an, „Könnten Sie mir nicht helfen, Börni zu überreden, daß er die Sache endlich in Angriff nimmt? Die Toiletten im Restaurant müssen unbedingt auf den neuesten Stand gebracht werden. Das Design ist auch nicht mehr zeitgemäß.“

Er wurde hellhörig, witterte ein Geschäft. Der Rosenduft wie verweht. „Verzeihn Sie, Frau Klawitter, wenn ich es einmal so direkt sage. Darf ich erläutern?“

Sie bitte darum. Tat erstaunlich interessiert. Wirkte geradezu ungeduldig.

Er fühlte sich in seinem Element. „Zum Beispiel bei Ihnen auf der Herrentoilette. Da spielt sich am laufenden Band folgendes ab: Beim Reinkommen rauschen sämtliche Urinale und beim Rausgehen rauschen wiederum sämtliche Urinale. Das kann es doch nicht sein. Die zeitgemäße Spülungstechnologie ist längst weiter. Elektronische Steuerung sorgt dafür, daß die Spülung erst nach dem je individuellen Wasserlassen einsetzt. Kein ständig einsetzendes Rauschen in sämtlichen Urinalen mehr, wenn man daran entlanggeht. Auf der Herrentoilette des Restaurants im Europa gibt es allein zehn Urinale, wenn ich mich recht erinnere. Nur eines benutzt und alle rauschen. Denken Sie an die Wasserverschwendung! Und was das Design angeht, da kann ich Ihnen nur zustimmen, Design spielt heutzutage auch in der Toilette die Rolle, bis hin zu den Urinalen, absolut! Allein die Farben, sandiges Beige, sanftes Grau –“

„Entschuldigen Sie, mein Hund. Hektor! Faxen Sie mir ein unverbindliches Angebot? Vielen Dank! Und denken Sie an die schriftliche Einladung!“ Und wieder „Hektor! Hektor!“ rufend, eilte sie fort.

Das ließ sich ja gut an. Schwarze Zahlen, Anton! Man konnte sich sozusagen vor Vergnügen die Hände reiben. So mußte es laufen. Zehn Urinale, zehn Klos. Wenn die Damentoilette hinzukam, würde es ein Auftrag sein, der sich sehn lassen könnte. Obwohl, bei Gesprächen dieser Art, die durch puren Zufall zustandekommen, man sollte da skeptisch sein. Sehr skeptisch. Die Leute sind freundlich, die Leute gehen wohlwollend auf die Vorschläge ein, die man unterbreitet. Manche sind sogar Feuer und Flamme. Man denkt, man hat en passant einen Auftrag an Land gezogen, eine anregende Vorstellung. Man eilt ins Büro, man setzt sich an den Computer, man erstellt ein Angebot, man schickt es dem Kunden umgehend zu. Und damit hat es sich dann. Keine Antwort. Nichts. Nichtmal ein Dankeschön oder Kommt leider für uns nicht in Betracht. Er mußte vor sich selbst auf der Hut sein. Neigte zu vorschnellen Erwartungen. Die Klos im Restaurant des Europas allerdings tatsächlich erneuerungsbedürftig. In diesem Fall gab er sich eine reale Chance. Bis zu einem gewissen Grad. Börni Schulz eher einer, der Investitionen scheut. Mit dem Hotelbetrieb im Europa steht es nicht zum besten. Das Restaurant läuft doch aber gut. Eine gewisse Chance sieht er, vorausgesetzt die Klawitter setzt sich durch. Sie hat die Hosen an, weiß der großburger Geschäftswelttratsch. Und wie Margit kürzlich von ihrem Damenkränzchen kolportierte, Börni „soll ihr ja hörig sein“.

2

Er schritt wie gewohnt eilig in Richtung Parkplatz. Glaubte er allen Ernstes, sogleich ins Büro fahren zu müssen? Nahm er im Ernst an, wenn er gleich heute mittag das Angebot aufsetzte, es gleich heute mittag der Frau Klawitter faxte, dann würden sie und Börni sich gleich heute mittag hinsetzen, es erwägen und annehmen? Es reichte völlig, das Angebot nächste Woche zu faxen. Er sollte seine Furcht vor dem Ausbleiben von Aufträgen jetzt einmal abschütteln, Sanitär Bürger schrieb nach wie vor schwarze Zahlen. Etwas mehr Tanzschritt, Anton! Die neue Halle eine Investition, die sich auszahlen würde, der Verkauf würde angekurbelt werden, der Auftragsrückgang gestoppt, die Einnahmen wieder steigen. Er war sich dessen absolut sicher. Und gesund war er auch, jedenfalls das sicher. Kurz vor zwei. Halbe Stunde sollte er sich gönnen.

Er blieb stehen und machte kehrt. Schritt den schmalen Gehweg hinunter, der entlang der Parkplatz-Auffahrt verlief, und bog in die Straße Richtung Innenstadt ein. Gehen, gehen, endlich den Wind lassen, den er während des Gesprächs mit der Klawitter unterdrückt hatte. Niemand vor ihm, niemand hinter ihm. Er machte einen Zwischenschritt, hoppla! Einen zweiten, hoppla! Einen weiteren, wieder einen und noch einen letzten, hoppla, hoppla, hoppla! Und jedes Hoppla dankte sein geblähter Leib in der ihm eigenen Art, sich zu äußern, jenem unverwechselbar zugleich klage- und wonnelauthaften Knurren und Knarren, unterbrochen und ergänzt von dem subtilen Repertoire organischer Urtöne, mehr entstreichendem als entweichendem Ffft, dem ein zartes Posaunenstößchen nachblies, welches in leisem Orgeln verebbte, bis eine neue Tonfolge hervorgurgelte und zerknarzte. Schließlich ein letztes, gleichsam nachkömmlingshaftes Blubbern, als werde unter Wasser Luft abgelassen, ein Vertönen in seufzendem Knirschen, ähnlich dem Geräusch, das entsteht, wenn man mit der flachen Hand an einem Luftballon entlangreibt. Erleichterung, nach der es sich wunderbar unbeschwert ging. Fast ein wenig, als schwebte man dahin unter diesen prachtvoll ausgewachsenen Platanen, deren Kronen sich in der Straßenmitte zu einem grünen Dach verknüpften.

Die Helligkeit darunter gedämpft. Anton Bürger überkam ein Gefühl der Ehrfurcht, als durchschreite er einen Dom. Hier und da drangen Lichtstrahlen in das grün verschattete Gewölbe, was die Impression des Numinosen nur verstärkte. Auf der verkehrsberuhigten Straße, die zu einer nahegelegenen Hauptverkehrsstraße führte, wirkten die vor den Bodenwellen auf Schrittempo abgebremsten Autos, als wollten auch sie etwas wie Pietät ausdrücken, indem sie einen gedehnten Moment lang ihre Ungeduld zügelten und sich sozusagen einmal gemessenen Schrittes bewegten.

Gehen, gehen, einmal wieder entspannt ausschreiten. Wenn ihm das Gefühl einer gewissen Ehrfurcht jetzt auch wie Einbildung vorkam, seine aufgehellte Stimmung war momentan Tatsache, er sah die Dinge in einem milderen, sogar ein wenig rosigen Licht. Seine Sorgen wegen der wirtschaftlichen Situation des Betriebs verschwammen. Es gab übrigens in Großburg viele von herrlichen Bäumen gesäumte Straßen und eine Menge Parks und Grünanlagen. Er konnte sich eigentlich nur vorstellen, in dieser Stadt zu leben. Er fand es in Ordnung, daß sie mit dem Wort grün für sich warb. Grüne Stadt Großburg. Landeshauptstadt. Übrigens keine politische Anspielung. In der Stadt Schwarzgelb am Ruder, die Landesregierung rotgrün. Schwarz oder rot, gelb oder grün, welche Mehrheiten und wechselnden Koalitionen auch immer, es lief für den sogenannten kleinen mittelständischen Unternehmer wie ihn inzwischen ziemlich auf ein- und dasselbe hinaus. Lasten, Lasten. Politiker aller Couleurs, Damen inbegriffen, hohltönend vereint im Widerspruch von Reden (pro Mittelstand) und Handeln (kontra Mittelstand). Leute wie er die Esel im Lande, Steuern, Abgaben, nicht zu vergessen das wirklichkeitsfremde, zeitraubende Wirken der Bürokratie. Oh, das konnte ihn bisweilen aufregen. Anton! Nicht! Nicht jetzt, Mann. Margits Stimme. Vergiß die Politik. Ärgere dich nicht. Stimme so dunkelsanft, besänftigende Stimme. Er ging wieder langsamer. Sie anrufen, er blickte auf die Uhr. Fünf nach. Gegen halb wollte sie zurücksein. Mit Beate und Jette unterwegs. Henriette, seine Enkelin. Mit ihren vier Jahren ein entzückendes Kind.

Die erneut empfundene Harmonie mit sich und seinem Leben brachte ihm das Bild von der idyllischen, damals noch völlig unberührten Landschaft am Parksee vor Augen. Da waren Margit und er einst als Liebespaar gewandelt. Seit jenen Zeiten lag für ihn auf der Landschaft am Westpark der Zauber dieser Erinnerung. Auf späteren Spaziergängen dort war er jedesmal davon berührt, auf subtile Weise, wie auch jetzt der Gedanke daran ihn berührte. Ende der achtziger Jahre am Seeufer Aufschüttungen. Schmucke weiße, südländisch wirkende Bungalows. Seine Firma mit dem Einbau der Heizung beteiligt. Damals der erste Auftrag als Subunternehmer. Bei Schramm, dem größten Bauunternehmer der Stadt. Dank Adams Vermittlung. Urfreund Adam, Beamter im Bauministerium. Das brachte Geld, richtig Geld, damals. Schwarze Zahlen!

Aus einem vorbeifahrenden Auto Liedfetzen, Ou Loorrd, baimi äi, das melodische Krächzen der Janis Joplin – verweht. Das hatte er eine Ewigkeit nicht mehr gehört. Er blieb einen Moment lang stehen und lauschte. Alte, aber offenbar keineswegs abgelebte Empfindungen stiegen auf. Rock and Blues. Das neue Lebensgefühl der sechziger Jahre. Auch Margit und ihn hatte es gestreift. Immerhin so sehr, daß es sie beschwingte. In allem war damals Aufbruch. Im Zerbrechen der prüden Fünfziger kam das endgültige Ende der Nachkriegs-Mangeljahre. Aufbrechen der sexuellen Verödung. Brechen mit der scheinheiligen Spießermoral, dem Vertuschen der Nazizeit. Rebellisches Sicherbrechen angesichts dieser gedächtnislosen vermieften Iß- und Halt’s Maul-Ära. Lust! Lust zu leben! Zu reden, zu tanzen, aufzubegehren, etwas zu wagen. Dies alles hatte auch ihn und Margit gestreift und ihrer beider Freundeskreis. Verführerischer Dunst einer Sommerphantasie. Und doch geschehene Wirklichkeit. Sie lagen zu mehreren am Strand, er, Margit, Adam, Rita und die anderen. Sie rauchten Haschisch. Aus dem Kofferradio Janis Joplin, Joe Cocker und wie sie hießen. Anton wußte kaum noch die Namen, längst Gestorbene, mehr oder weniger Vergessene, in wenigen Jahren die Generation der Greise und Greisinnen wie er selbst. Margit, Adam, Rita, er und die anderen an einem Bilderbuch-Sommertag im warmen Sand, essen, trinken, diskutieren, baden, beschwingt sein von einer Musik, wie sie soeben vorbeigeweht war. Und rauchten Haschisch und tanzten. Und immer mehr junge Leute kamen hinzu. Heitere, irgendwie von Aufbrüchen ergriffene wie sie. Und einer sang den gerade im Radio gebrachten Joe Cocker-Song mit und gestikulierte wie Joe Cocker. Und alle lachten fröhlich und klatschten Beifall. Und einige sprangen auf und imitierten ebenfalls Joe Cockers Luftgitarre. Und ließen sich in den Sand fallen und lachten. Eine langhaarige junge Frau kam hinzu, in der einen Hand eine halb ausgetrunkene Weinflasche, zwischen den Fingern der anderen Zigarette. Sie drehte das Radio lauter und tanzte. Streckte die Arme aus, drehte sich im Kreis, plumpste lachend auf ihren Po, trank, reichte die Flasche herum. Und andere kamen hinzu, der und die mit weiteren Instrumenten. Und plötzlich war da eine Band. Und eine Sängerin. Ou LOrd wount ju bAY me äi MöörcÄIdies Bäntz. Und plötzlich war da eine Riesenmenge von heiteren jungen Leuten, im Bikini, in Badehose, angezogen oder nackt, von singenden, tanzenden, badenden, einander berührenden, sich verliebenden, Haschisch rauchenden, die Veränderbarkeit der Welt diskutierenden bis in die Nacht. Ein Fest am Strand. Little Woodstock. Bis zum Morgengrauen. Unser little Woodstock nannten sie es später. Lust zu leben und zu lieben! Eine Saison lang, einen Tag und eine Nacht lang Teilchen der Massen junger Leute weltweit, die gestreift wurden vom Mythos des Aufbruchs in eine andere, entspanntere, mehr heitere Welt, in welcher sorglose Ausgelassenheit zum Leben gehört wie das Atmen.

Gehen, gehen. Ein Geräusch hinter ihm, Schnurren, Rollen. Gummi auf Stein. Ein Rad? Näherte sich. Da, wo er ging, auf dem Bürgersteig. Offenbar mit erheblicher Geschwindigkeit. Hellwach. Die schönen wehmütigen Empfindungen, die heiteren Bilder ausgelöscht, von einem Moment zum anderen. Auf gar keinen Fall jetzt einen Schritt zur Seite tun. Spur halten, beharrlich geradeaus –

Da sauste auch schon ein Schatten durch die Lücke links zwischen ihm und der Hecke. In rasantem Bogen rechts an der entgegenkommenden Frau vorbei und weiter. Um Haaresbreite, und der hätte ihn touchiert. Ein schmächtiges Jüngelchen, Ranzen auf dem Rücken, Schuljunge offenbar auf einem dieser schnellen modernen Spezialräder. War’s das? Anton Bürger warf sicherheitshalber einen Blick nach hinten. Kniff die Augen zusammen. Aus dem Gleißen des mit Wolken wie aus flüssigem Zinn beschichteten Himmels rollte eine ganze Schar weiterer Schuljungen und -mädchen auf ihn zu, zu zweit, zu dritt nebeneinander. In einer Schnelligkeit, als ginge es um Medaillen. Auf die Straße springen. Sich von einem Auto anfahren lassen? Dann lieber von einem Fahrrad, was? Dem oder der ersten einen Stoß verpassen. Daß der oder die unsanft in die Hecke flog. Er bemerkte verwundert seine Aggression, deren Heftigkeit. Die passen schon auf. Aber wenn einer oder eine von denen in die Hecke flog, da tat der oder die sich doch nichts. Schreck und paar Kratzer. Immerhin hielten die dann vielleicht an. Und er konnte ein Wörtchen mit denen reden –

Da sausten die ersten vorbei. Anton Bürger ging angespannt weiter. Spur halten, Anton! Geradeaus, Anton! Ganz ruhig. Er verlangsamte seinen Schritt. Die Aggressivität wich einer gewissen Faszination, ja einer Art von Neid. Mit welch schlafwandlerischer Sicherheit, welch geschickter Rapidität die sich bewegten! An ihm vorbei wie im Flug! Einer oder eine links durch die enge Lücke – rechts, wo zum Straßenrand hin mehr Platz war: zwei, nur leicht versetzt nebeneinander. Galt es einen Baum zu umsteuern, legte der oder die innen Fahrende in der Geschwindigkeit zu, der oder die außen Fahrende bremste zeitgleich ab, um augenblicklich wieder in die Pedale zu treten und im Nu aufzuschließen. Ach, er mußte sich einräumen, wenn er jung wäre, er führe nicht anders. Als ihm aber einer oder eine mit der Hand leicht auf die Schulter schlug und jauchzend „Danke!“ rief, da entluden sich Irritation und Verkrampfung denn doch: „He! He! Könnt ihr nicht langsamer fahren!“ „Klappe, Opa, ist doch hip!“ Hip? Hepp? Was hieß das? Klappe war stark. Und das Opa traf Anton Bürger nun wirklich. Eine Beleidigung. Empfand er. Wie stets, wenn er sich getroffen fühlte und keine Chance für eine angemessene Reaktion sah, atmete er tief durch und wölbte die Brust vor. Körperlich wollte er hier entschieden nicht reagieren.

Im Abbremsen vor der stetig näherkommenden Frau drehte das zuletzt an ihm vorbeigefahrene einzelne Mädchen ihm den Kopf zu: „Alles okay?“ Und vermied haarscharf ein Hineinfahren in die unbeirrt Weiterschreitende, die in jeder Hand einen vollen Einkaufsbeutel trug und deshalb kaum schützend die Arme hätte heben können. In ein- und demselben Moment in die Pedale tretend und praktisch auf der Stelle einen kühnen, schwungvollen Bogen beschreibend, fuhr die Schülerin, die gewiß nicht älter als zwölf war, um die Frau herum, passierte sie ohne auch nur den Hauch einer Berührung. Ein glockenhelles „Entschuldigung!“ tönte in Richtung Frau und Anton Bürger.

3

Schon bald schritt er wieder entspannter. Bog in die vielbefahrene Hauptstraße ein. Übergangslos dem Verkehrslärm ausgesetzt, empfand er ihn als lästig. Nach einigen Schritten nahm er ihn gewohnheitsgemäß kaum mehr wahr. Stärker fühlte er sich vom Glänzen des Himmels behelligt, ständig mußte er die Augen zusammenkneifen. Seine Sonnenbrille lag im Auto.

Statt an großen, Schatten spendenden Bäumen ging er hier an neugepflanzten jungen entlang, deren Kronen kaum über den Straßenrand reichten. Der Schatten entlang der Häuserwände war zu schmal, um darin gehen zu können. Er beschleunigte seinen Schritt.

Die ihm Entgegenkommenden wirkten mehrheitlich leicht gehetzt und einen Hauch blasiert, Alltagsmiene der durch ihre Stadt eilenden Großstädter, vorgeblicher Ausdruck fundamentalen Desinteresses – nichts als pure Mimikry, totales Gegenteil zum touristischen Schlenderblick, der unterschiedslos interessiert an allem und jedem entlangwischt. Auch Anton spielte es aus, das landeshauptstädtische Hochtragen der Nase, ein wenig. Achtete natürlich trotzdem auf die Entgegenkommenden ebenso wie auf tunlichst zu umgehende Verschmutzungen des Bürgersteigs.

An die Häuserblocks und Garagen schlossen sich Ziersträucher an, in denen müllsackblaue, staubige Fetzen hingen. Der Boden besät mit leeren Getränkedosen, einige hingen im Gesträuch. Auf dem Rasenrand Häufchen und Haufen, Kippen, eine Lache Erbrochenes, wie ein ausgebleichter Frosch ein Kondom.

Ein mit grobem weißem Kies bestreuter Weg führte in die Grünanlage, an Beeten entlang. Besonders augenfällig war das Arrangement aus Blumen, Pflanzen und Ziergehölz in den Rondells, eine Pracht! Der Müll dazwischen verblaßte. Flieder. Subtilste Nuancierungen von Lila beschwingten ihn, und für Momente war ihm, als schreite er ohne Widerstand, wie durch die Luft.

Bänke, in verschmierter Buntheit besprayt. Mehrere zum Teil oder total zerbrochen. Einige regelrecht zerhauen. Die Betonfüße aus der Verankerung gerissen und umgestoßen. Von einbetonierten Stahlstreben gehalten, viereckige klobige Abfallbehälter. Das Sprayzickzack auf ihnen ließ hier und da stählernes Grau frei. Aus einem Behälter quollen prallbauchig Plastiktüten. Vor einem anderen lag der teilweise zerfetzte Inhalt chaotisch verstreut, das Werk von nach Nahrung suchenden Dohlen. Anton Bürger registrierte das alles als „noch normal“. Stellen in der Stadt, wo es schlimmer aussah.

Auf den benutzbaren Bänken saßen hier und da Leute. Zwei laut redende, seltsam überschwenglich gestikulierende, ständig auflachende Frauen. Ein älterer, Zeitung lesender Mann. Spitze Knie in brauner Hose. Hellblaue, wie aufgepumpte Perlonjacke, Schiebermütze. Der gegen die Bank gelehnte Stock. Eine füllige Muslima, abgewetzter dunkelblauer bis obenhin zugeknöpfter Mantel, schwarzes Kopftuch. Die Rechte lag im Schoß, hielt einen Apfel. Sie starrte mit breit mahlendem Kiefer vor sich auf den Boden. Neben ihr prallgefüllte Supermarkttüten, auf denen ihr linker Arm bis zum Handgelenk ruhte. Der Ärmel hochgerutscht. Die Hand hing schlaff ins Leere. Jetzt hob sie den Apfel zum Mund. Im Öffnen ihres Mundes, im Schließen ihrer Augen und im Weiß ihrer Schneidezähne wirkte sie plötzlich in diesem auf den ersten Blick lustvollen, animalischen Vorgang wie schmerzlich entrückt. Schließlich eine Frau in mittleren Jahren, offene tomatenrote Perlonjacke, leger verknoteter regenbogenfarbener Seidenschal. Den blonden dauergewellten Kopf im Nacken, die Augen geschlossen, hielt sie ihr Gesicht in die aus einem Wolkenspalt gleißende Sonne.

Aufatmen, als er den kleinen Park erreichte. Wieder unter Bäumen gehen können, schlanken hohen Buchen. Transparentgrünes, das Sonnenlicht dämpfendes Blattwerk. Schattenhafte Waldatmosphäre. Hier und da drangen einzelne Strahlen hindurch. Oder auch ganze Garben geisterten wie Spinnenbeine.

Auch an den Parkwegen Bänke. Mehrere intakt, makellos weiß, als hätte man sie erst vor kurzem aufgestellt.

Ein Specht hackte. Sonst kein Ton.

Das hallende Hacken begleitete ihn, wurde schwächer und war rascher, als er dachte, verklungen.

Die Bank am Ende des Parks, die unter dem Schatten spendenden Ahorn stand und von der man den herrlichen Ausblick hat. Er war erleichtert, die Bank war frei. Unbeschädigt und sogar sauber. Hier hatte er hingewollt, in diese beschauliche Ecke, die gesäumt wurde von Kaskaden lavendelfarbenen Flieders. Auch weißer dazwischen, wie Schnee. Er setzte sich, hob die Arme, streckte sie links und rechts auf der gerundeten Kante der Rückenlehne aus. Die angenehm milde Luft. Die Ruhe. Subtil, gleichsam verdünnt, der betäubend süße Duft. Das erste Mal in diesem Jahr saß er so entspannt im Freien.

Er griff in die linke Manteltasche, nach der Packung. Schob sie zurück. Rauchte zuviel. Außerdem kurz vor eins. Er zog die linke Mantelhäfte zur Seite, rutschte mit der Hand in die Jackentasche, nahm das Mobiltelefon heraus. Stellte es an. Legte es neben sich auf die Bank. Sein Blick fuhr entlang den verschiedenen grauschwärzlichen Abstufungen des leicht welligen Waldbodens, entlang den ausgetrockneten Rinnsalen und knorrigen Baumwurzeln, von denen die Erde durchfurcht und durchbrochen war.

Er zuckte zusammen, ein wenig. Das Handy quäkte, zitterte, als wollte es von der Bank springen. Er hob es ans Ohr.

„Hallo, Anton.“

„Margit! Du! Ich wollte dich auch gerade anrufen.“

Schweigen.

Dann, ungewohnt spröde: Sie warte jetzt eine gestrichene Stunde auf seinen Anruf. Er habe sich bestimmt etwas dabei gedacht.

„Entschuldige bitte, warum begrüßt du mich mit Vorwürfen? Es liegt doch überhaupt kein Grund vor, ist genau ein Uhr!“

Zwölf, er habe um zwölf anrufen wollen. Sein Gedächtnis lasse in letzter Zeit auffallend nach.

„Um zwölf saß ich noch auf dem Klinikflur und wartete auf das Gespräch mit dem Arzt. Du weißt, daß man das Handy in der Klinik abstellen muß.“

Schweigen.

Das Anton schließlich brach, leicht verzagt, doch im Unterton durchaus ein wenig gereizt: „Willst du denn gar nicht wissen, wie die Untersuchung ausging?“

„Mein lieber Mann, ich sitze hier wie auf Kohlen!“ Margits plötzliche Unmutsstimme, Empörungsstimme. Nicht nur. Nicht ganz. Das mitbebende erwartungsvoll Befürchtende, ihm Zugewandte. Angst um ihn.

Er, unterkühlt mit kaum merklichem Hauch von Triumph: „Die Untersuchung war vollkommen überflüssig. Ich bin gesund.“

Margit, aufatmend: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, das zu hören.“ Ihre plötzliche Entspanntheit, ihre sanfte, wärmende Freude.

Er, überlegen und bißchen selbstgefällig: „Ich habe nichts anderes erwartet.“

„Hast du auf deine Seitenstiche hingewiesen?“

„Ja. Aber da ist nichts.“ Was sollte das mit den Seitenstichen? Den hochschießenden Ärger im Zaum halten! Jetzt keine Vorwürfe! Sie war es, die ihn gedrängt hatte. Buchstäblich aus einer Mücke einen Elefanten machte! Wegen seines Klagens über seine inzwischen gar nicht mehr auftretenden Seitenstiche. Bis es ihm endlich leid war und er sich ihrem formidablen neuen Hausarzt vorstellte. Der Stress-Symptome festzustellen meinte, ernste Anzeichen einer Erschöpfung (er fühlte sich nicht erschöpft), eines beginnenden „Burn out“ (fühlte sich nicht ausgebrannt). Der ihm, von Margit assistiert, „sicherheitshalber“ zu den Untersuchungen riet. Die sich hiermit als vollkommen überflüssig erwiesen haben. Er schluckte seinen Groll hinunter, bemühte sich um Beiläufigkeit: „Ich soll das Rauchen einschränken. Besser ganz aufhören. Und acht Kilo abnehmen. Mich mehr bewegen. Was ich übrigens gerade tue. Ich mußte erstmal einen kleinen Spaziergang machen. “

„Ach. Wo bist du denn jetzt? Ich höre Vogelstimmen.“

„Meisen, sie zetern, ich störe sie offenbar.“ Hätte er doch Körner dabei. Einen Kürbiskern. Den legte er auf seine ausgestreckte Hand, und nach wenigen Minuten würde sich eine trauen. Geschwind auf die Hand, den Kern picken und weg. Die zarten Krallen wie Fäden auf der Haut. Erzählte ihr von seinem erholsamen kurzen Spaziergang, „den brauchte ich wirklich, du.“ Bestimmt eine Stunde, wenn nicht länger, mußte er teilweise warten, bis er drankam. So viele Leute, am längsten dauerte es –

Muß Anton jetzt nicht lang und breit erzählen.

Sie kennt doch die Grünanlage an der Hauptstraße, den kleinen Park, der dann kommt, die Bank am anderen Ende.

Margit weiß jetzt, wo er ist. „Da siehst du ja das Schloß!“

„Ja.“ Er kniff wegen der Helligkeit die Augen zusammen, als er den Blick zu der Anhöhe am Rand der Oberstadt wandern ließ, wo weithin sichtbar das großburger Schloß ragte, historischer Bau, Renaissance, in späteren Zeiten mehrfach erweitert, heute Landesmuseen. „Es wirkt mit seinen weißen Wänden und roten Dächern im Mittagsglast seltsam entrückt, als wäre es kein irdisches Bauwerk.“

„So schön?“

„Es sieht aus wie das Schloß Saumur, aus dem Stundenbuch des Herzogs von Berry“, das Herr Roth ihnen geschenkt hat, Bankdirektor Julius Roth, anläßlich der Übergabe des Luxusbades, das Sanitär Bürger in die Rothsche Stadtvilla einbaute (über Adam, schwarz). Wisse sie übrigens, wen er getroffen habe? Die Klawitter, vom Europa. Interessantes Gespräch. „Kann sein, da winkt ein Auftrag.“

Müsse er jetzt nicht in allen Details ausbreiten. Kaum spürbares Nachbeben von Margits anfänglicher Verärgerung, „kannst du dir überhaupt vorstellen, wie sehr ich mich beeilt habe? Deinetwegen! Damit ich rechtzeitig um zwölf Uhr zuhaus bin. Wer nicht anrief, warst du. Und dafür lasse ich Beate mit Jette im Sportwagen und der schweren Einkaufstasche einfach stehen!“

Er hatte etwas in der Art erwartet. Es erhofft. Er war froh. Konnte sich ihr Gesicht genau vorstellen. Halb ernste, halb gespielte Schmollmiene. Was hieß, daß sie endlich ihren Unwillen überwand. „Hattest du dein Handy denn nicht dabei?“

„Nein. Ich soll dir übrigens Grüße von Beate bestellen.“

Nie „liebe“ Grüße. Tochter und Vater Hund und Katze. „Und wie geht es meiner kleinen Jette?“

„Sie hat nach dir gefragt.“

„Ach.“ Er spürte momentlang dem Wohlgefühl nach, das Margits Worte in ihm auslösten. Und das ihn darauf brachte, daß – „Ich fahre dann noch bei Pauline vorbei.“

„Anton, es klingelt, da ist jemand an der Tür. Wir machen dann Schluß, ja?“

„Ich liebe dich, Margit.“

„Ich dich auch. Iß nicht soviel Kuchen bei Pauline, ich hab dir was Schönes für heute abend eingekauft. Tschühüs! Ach! Adam hat angerufen.“

„Worum ging’s?“

„Wehse sei zurück und du könntest jetzt die Sache mit ihm regeln? Was denn für eine Sache, Anton?“

„Ich habe eine Reklamation wegen des Wagens. Die ABS-Leuchte geht nicht mehr aus. Minimalstörung der Bremselektronik. Nichts Weltbewegendes. Der Wagen fährt völlig problemlos, aber.“ Er zögerte. Wollte dann sagen, Das muß natürlich repariert werden, wollte sagen, Ich fahre am besten gleich bei Wehse vorbei, liegt ja auf dem Weg zu Pauline, wollte noch fragen, Hat Adam gesagt, daß ich zurückrufen soll? Doch Margit hatte aufgelegt.

Anton Bürger fühlte sich von einem Moment zum andern zutiefst unbehaglich. Er hätte das ihn jäh peinigende, extrem störende Gefühl am liebsten umgehend abgeschüttelt. Die Sache mit Wehse gern auf sich beruhen lassen. Bis sie vergessen wäre. Schlicht und einfach. Vielleicht empfindet er so, weil er die Sache tatsächlich verdrängt hat. Ihn ihre Erwähnung daher völlig überrascht. Sozusagen kalt erwischt. Ausgerechnet seine von nichts wissende Frau ihm in aller beiläufigen Unschuld ausrichtet, Wehse sei zurück, damit erreichbar, die Sache kann geregelt werden. Eine leider ganz andere Sache als die ABS-Reklamation. Der von Anton vor vier Wochen bei Wehse gekaufte Daimler-Jahreswagen ist gestohlen. Adam sagt, Guck mal nach. Tatsächlich, an der Identitätsnummer gefeilt. Professionell, kaum erkennbar. Seit wann verkauft ein Mann wie Wehse gestohlene Autos? Das kann doch nicht wahr sein! Benz, BMW, Audi, die edelsten Karossen. Solange Anton ihn kennt, ist der Mann die Solidität in Person. Reklamationen gab es selten, wurden ohne Diskussion akzeptiert. Der Gedanke, man fährt unter Umständen seit Jahren mit gestohlenen Autos, gefälschten Papieren! Unbehaglich. Irritierend. Zumindest das neue Auto ist Hehlerware. Kann Anton gar nicht glauben. Ist aber so. Offenkundig. Und muß geregelt werden. Wehse zurück. Aus einer klammheimlich und nahezu perfekt verdrängten war die Sache von einem Moment zum andern plötzlich erneut überraschend konkret geworden. Eine Sache, die Anton jetzt auf den Nägeln brennt. War da was mit Wehse? Ja, da war was. Ganz entschieden war da was! Auf keinen Fall durfte er Margit zur Mitwisserin machen. Um himmelswillen sie da nicht mit hineinziehen. Das fehlte noch! Unwohl, irritiert, beleidigt. Wut. Anton weder Stehler noch Hehler. Ehrbarer Handwerksmeister, der nichts als schwarze Zahlen schreiben will.

Da er dies denkt und sich reckt, strafft, härtet zu dem Mann, der hart konzentriert sich einhämmert: Geld: Mein Geld ist mein Geld: Ein Kauf muß reell bleiben. Hat er entschieden das Handy in die Tasche zurückgetan. Ist aufgestanden. Hat sich aufgereckt. Den Bauch eingezogen, nicht zu sehr. Das Kinn vorgeschoben, nicht zu sehr. Die Lippen aufeinander gepreßt, nicht zu sehr. Das Blitzen in den Blick gebracht, nicht zu sehr. Nicht zu sehr das alles. Keinesfalls verkrampfen. Locker bleiben, aber Verstand und Reflexe geschärft halten. Locker bleibender kantiger Kerl Anton. Er Kampfbereiter. Er umgehend zu Wehse Fahrender. Er sich diesen Herrn Vorknöpfender. Er unabdingbar Entschlossener, sich nicht übervorteilen zu lassen. Von niemand. Schon gar nicht von einem, von dem er es nicht erwartet hätte. Die Sache verschlug ihm nach wie vor die Sprache.

Adam vielleicht doch zurückrufen. Nachfragen, ob Wehse tatsächlich bereits heute erreichbar sei. Heute zurück heißt nicht heute erreichbar. Margit hat ausgerichtet, jetzt, er könne die Sache mit Wehse jetzt regeln. Jetzt heißt heute, heißt morgen. Kann auch übermorgen heißen. Schluß mit dem Herumklügeln, dem Sichdrückenwollen! Vorwärts, Anton! Da muß er durch. Es kann sich in ihm sträuben, was will. Er wird Wehse noch heute aufsuchen. Gleich.

Dazu muß er aber ersteinmal ganz ruhig werden. Er setzte sich auf die Bank zurück. Auf was läßt du dich da ein? Sollte er die Sache nicht auf sich beruhen lassen? Ausgeschlossen! Aber wie war vorzugehn? Vielleicht doch Adam zurückrufen. Er brauchte eine Zigarette. Jetzt.

Kaum hatte er die Zigarette angezündet, in seiner Erregung mit ein wenig zittrigen Händen, kaum den ersten tiefen Lungenzug getan, als er es nicht mehr aushielt und buchstäblich von der Bank aufsprang. Stehenblieb. Lungenzug, ah, tat gut. Um dann mit abwesendem Blick hin- und herzugehen, in ruheloser Hast wie ein wildes Tier an den Gitterstäben eines Käfigs entlang, in der Linken die zusammengepreßte Packung, zwischen Daumen und Zeigefinger der Rechten die Zigarette. Die drei anderen Finger der Rechten drückten das Feuerzeug in die Hand, daß es schmerzte. Tat gut.

Adam hat gesagt, Rede mit Wehse. Adam hat gesagt, Geh unangemeldet zu Wehse ins Büro. Setz dem die Pistole auf die Brust.

Nachdem er einige Male mit jäher Wendung hin- und hergegangen war, blieb er wieder stehen. Sog erneut gierig den Rauch ein, blies ihn mit gespitztem Mund langatmig aus. Was ihn entspannte.

Adam hat gesagt, Wehse ist weich, aber gerissen. Ein Schwein. Hat Adam gesagt. Paß auf, Anton. Laß dich auf nichts ein. Nur den Preis drücken.

Besann sich plötzlich, hielt die rechte Hand hoch, blickte auf die halb aufgerauchte Zigarette. Warf sie mit einem Gesichtsausdruck, in dem sich wütende Enttäuschung spiegelte, auf den Boden und trat sie aus. Zertrat sie.

Was hieß das, Paß auf, Laß dich auf nichts ein, Nur den Preis drücken? Was hieß, Wehse ist weich, aber gerissen, ein Schwein? Vielleicht war was zu tschintschen? Neues Bad gegen entprechend weniger für den Benz. Pech, daß der Wagen praktisch bezahlt war. Fünfundzwanzigtausend bar, dreißig auf Kredit. Monatlich feste Rate. Um wieviel sollte er den Preis überhaupt drücken? Zehntausend, wie Adam? Ihn doch nochmal anrufen. Wie hat Adam die Sache eigentlich durchgezogen? Pistole auf die Brust. Der Wagen ist geklaut, entweder runter mit dem Preis oder Anzeige. Anton kommt sich vor wie in einem trivialen Krimi. Doch nicht zu fassen!, Leuten wie uns ein offenkundig geklautes Auto anzudrehen! Daß Adams Audi Hehlerware ist, hat Wehse natürlich nicht eingeräumt. Hat von nichts gewußt. Hat aber die zehntausend Mark rausgerückt. Schweigegeld. Nimmt Anton Schweigegeld? Wir sollten auf keinen Fall mehr bei Wehse kaufen, Anton. Sollten wir Wehse nicht besser anzeigen, Adam? Adam sagt: Nein! Sagt: Vielleicht doch. Warum eiert Adam? Was heißt nein, vielleicht doch? Adam, entschieden: Eher nicht! Wollen wir Wehses Existenz vernichten? Adam meint, Adam räumt ein, stimmt, er hätte Anton früher von der Sache erzählen sollen, umgehend nach dem Kauf, klar. Adam versteht. Er hat seinen Freund praktisch blind in den Kauf hineinstolpern lassen. Er entschuldigt sich mit den Wahlen im Februar, viel Arbeit im Ministerium, viele Termine, allzu viele, die Hektik. Wir sehen uns in der letzten Zeit einfach zu selten, Anton. Woher Adam das mit dem Preisdrücken hat, mit dem Schweigegeld, ob es sein eigener Einfall war, oder ob jemand anders es Adam gesteckt hat, wie Adam es wiederum Anton steckt, und warum Adam es als hoher Beamter überhaupt als nötig erachtet, sich mit dieser Erpressung des Preisdrückens auf sozusagen Wehse-Niveau zu begeben, diese Fragen hat Adam nicht beantwortet. Hat Anton sie denn überhaupt gestellt? Will er sie stellen? Will er nicht. Er will die Minderung der Kaufsumme. Weiter will er nichts. Adams Audi drei Jahre alt. Oder vier. Wenn Anton sich richtig erinnert, hat Adam fünfunddreißigtausend bezahlt. Anton fünfundfünfzig. Wenn Adam zehn Mille zurückgekriegt hat, dann verlangt Anton zwanzig. Mit Fug und Recht. Wie geht er am besten vor?

Shit!, bei Adam keiner zuhaus.

Er versuchte es im Ministerium. Die Sekretärin war neu, er kannte sie nicht. Adam befand sich in einer Besprechung. Anton bat um Rückruf. Nannte sicherheitshalber seine Handynummer, obwohl Adam sie hatte. Die Besprechung sollte an sich bereits zu Ende sein.

Er machte sich auf den Rückweg. Blieb stehen. Paar Schritte vor ihm knickste ein Rotkehlchen. Er ließ sich willig von dem Anblick bezaubern. Die Augen dunkel wie Margits Augen. Sollte er seine Frau nicht doch einweihen? Sie wußte manchmal besser Rat als er. Nichts da. Das hier war eine Sache unter Männern.

Das Rotkehlchen flog fort.

Als Anton Bürger durch den Park schritt, durch die Grünanlage, dann entlang der Hauptverkehrsstraße, schließlich entlang der grünbedachten schattigen Nebenstraße zügig und unbehelligt weiter zurück in Richtung Parkplatz, da schichtete sich allmählich über Wehse und Wut das schöne metallicglänzende Bild von seinem neuen, weißen Mercedes. Und das Bild von seinem neuen, weißen Mercedes verdrängte die unbehaglichen Empfindungen und hob seine Stimmung. Wut und Wehse verschwammen. Versanken in Besitzerstolz, in Besitzerfreude. Und Besitzerstolz und Besitzerfreude nahmen zu und nahmen überhand in Anton Bürger, sättigten sanft seine von dem Bild seines neuen metallicweißen Mercedes Automatic ausgelöste Zuneigung. Er liebte sein neues Auto. Wie man eben ein Auto liebt, einen Gebrauchsgegenstand, schön und funktional. Und schnell. Und sicher. Und mit jedem Schritt wuchs sein Vertrauen in seinen neuen Wagen, magisch, ein treuer Gefährte. Er konstatierte es keineswegs ohne Ironie. Doch es war so. Verläßlicher treuer Gefährte Mercedes Benz. Klar, er wird Wehse aufsuchen, was ist schon dabei, und kühl den Preis drücken. Den Wagen gibt er auf gar keinen Fall zurück. Den behält er. Sein Auto.

Wie kann ihn die Sache mit Wehse nur derart beschäftigen? Enttäuschung, daß der ihn als langjährigen Kunden betrog? Ihn als jemand einschätzte, mit dem man es machen kann? Er kaufte seit zwölf Jahren bei Wehse, inzwischen das fünfte Auto. Fuhr er tatsächlich seit zwölf Jahren geklaute Autos mit gefälschten Papieren? Das alles galt auch für Adam Heuer. Eher war es verletztes Ehrgefühl. Daß Wehse gewissermaßen seinesgleichen hereinlegte. Beide waren sie Handwerker. Wehse fing mit einer Autowerkstatt an, einer kleinen Klitsche. Dann betrieb er den Handel mit Gebrauchtwagen. Den großen Reibach machte er Anfang der neunziger in den neuen Bundesländern. Das taten andre auch. Wie sich Wehse damals über die, so Wehse wörtlich, Verbrecher aufregte, die sich nicht scheuten, in die Ossiautos, wie es hieß, Ersatzteile von anderen, verschiedenen Automarken einzubauen! Die Wagen sind über kurz oder lang hin. Knallen schlimmstenfalls während der Fahrt auseinander. Derartige Sachen verabscheut Wehse. Dann bekam er die Mazda- und Hondavertretung, erweiterte die Werkstatt. Vor zwei Jahren Bau einer neuen Halle, gigantisch. Dennoch, er und Wehse waren und sind sozusagen Zunftbrüder. Zwar nicht im gleichen Handwerk tätig und wohl auch nicht mehr auf gleicher Ebene. Dennoch wird der Kauf für Anton dadurch erst zu einer wirklich üblen Sache. Brüder legen einander nicht rein.

Zweites Kapitel

Wehse oder Ein Deal mit Schuldschein

Als er den Stadtring hinunterfuhr, Richtung östliche Unterstadt, Richtung Wehse, rief Adam an. Es herrschte dichter Verkehr. Er mußte die Straße sehr aufmerksam im Auge behalten. Gleichzeitig hörte er angespannt auf Adams vom Verkehrsrauschen überlagerte Stimme. Adam klang indigniert. Mehr als er Margit mitgeteilt hat, weiß Adam nicht. Er hat rein zufällig von Wehses Rückkunft erfahren. Ob es geschickt ist, Wehse ohne vorherige Verabredung gewissermaßen in einer Art Überraschungscoup aufzusuchen, woher soll Adam das wissen? Was die Regelung seiner eigenen Sache mit Wehse angeht, hat Adam, ohne dies übrigens als speziell geplantes Vorgehen verstanden wissen zu wollen, telefonisch über Wehses Büro einen Termin vereinbart. Natürlich besteht bei Nichtverabredung immer das Risiko, jemand nicht anzutreffen. Woher soll Adam wissen, ob Wehse jetzt definitiv anzutreffen ist oder nicht anzutreffen ist. Gütiger Himmel, Adam ist nicht Wehses Pressesprecher, wenn Anton versteht, was Adam meint.

Von anhaltendem Hupen erschreckt, blickte Anton Bürger reflexhaft nach rechts auf den nur eine Handbreit entfernten Kleinlaster, dessen Grau er im zeitlupenhaft gedehnten Bruchteil einer Sekunde als nicht sehr ansprechend beurteilte, während er im gleichen Moment erschrocken das Steuer nach links riß. In einem Akt zeitgleicher kühler Disziplin behielt er indes die Übersicht, vermied ein Ausbrechen des Wagens, steuerte ihn sicher auf die mittlere Spur zurück. Er war während des Gesprächs unwillkürlich ein wenig vom Gas gegangen, hatte dann, da die Abfahrt zu Wehse kam, nach dem Blicken in Rückspiegel und rechten Seitenspiegel den sichernden Seitenblick anschließen wollen, war jedoch bereits zu weit nach rechts gekommen.

Der soeben noch fast touchierte, im toten Winkel befindliche Kleinlaster zog an ihm vorbei, setzte zum Überholen von rechts an. Er ging auf die Bremse, fand es unverschämt, ihn derart zu schneiden – hob die Linke, die das Handy hielt und die das von der Rechten gehaltene Lenkrad beim Gegensteuern unterstützt hatte, indem sie es reflexhaft mit einem Finger umgriff, wieder ans Ohr, entschuldigte Adam gegenüber die Unterbrechung, er habe kurz mal eine heikle Situation regeln müssen. Und schon gingen sein Spiegelblick, Seitenblick links, dabei die Wahrnehmung, daß in der Überholspur eine Lücke war sowie Gasgeben und Lenken mit der Rechten nahtlos ineinander über. Wenige Sekunden später hatte er den Kleinlaster überholt und war, in behender Körperdrehung einen Blick über die Schulter nach rechts hinten werfend, von der mittleren über die rechte Spur gerade noch rechtzeitig auf die Abzweigung in Richtung Wehse gelangt. Den Zusammenhang von Adams auf einmal offenbar launigen, ermunternden Worten, bevor Adam auflegte, hatte er nicht mitbekommen, nur Satzfetzen, „nicht zu sehr drücken“, „ist doch ein Schnäppchen für einen fast neuen Daimler der Klasse“, „Gott erhalt uns unsern Wehse“, „du wirst das schon regeln, Anton“. Schließlich Adams irgendwie dreckige Lache, wie er zu seiner Verwunderung registrierte.

Die Einfahrt zum „Wehse Autocenter“ war nicht zu verfehlen. Unübersehbar leuchteten die beiden Worte in magischem Neonblau von der scheunenartigen, beeindruckend großen, weißen Halle. Die Schaufenster waren in ihren kolossalen Ausmaßen offenbar für Riesen gedacht. Von der Straße her im Gegenlicht verschattet, wirkten sie in ihrer ganzen Breite wie der Eingang zu einer Höhle. Weitere blaue Leuchtbuchstaben sowie das Markensymbol verkündeten Neuwagen des Autoherstellers Mazda. Weitere, rote Leuchtbuchstaben sowie das Markensymbol verkündeten Neuwagen des Autoherstellers Honda. Neben der großen Halle stand eine kleinere, ebenfalls weiße, deren gelbe Leuchtschrift „Gebrauchtwagen/Jahreswagen“ anbot. Neben der kleineren Halle lag ein Parkplatz, ein enormes asphaltiertes Gelände, auf dem eine kaum übersehbare Menge von Gebrauchtwagen stand. An den Schaufenstern der beiden Hallen klebten Plakate mit Kreditangeboten sowie breite Streifen, auf denen von Scheibe zu Scheibe das Wort „Aktionspreis“ wiederholt wurde. Ein paar Meter vor den Schaufensterscheiben der großen Halle stand eine Reihe glänzend blanker Mazdas, dann Hondas, spezielle Angebote, erklärte Schnäppchen. Vor der kleineren Halle standen mehrere wie neu wirkende Gebrauchtwagen, ebenfalls spezielle Angebote, erklärte Schnäppchen. Rechts neben der breiten, wie der ganze Vorplatz pompejanischrot gepflasterten Auffahrt stand ein Fahnenmast. Die Anton längst bekannten vier weißen Fahnen, von oben herunter die mit dem blauen Aufdruck Wehse Autocenter, darunter die mit dem blauen Aufdruck Mazda, darunter die mit dem roten Aufdruck Honda, darunter die mit dem gelben Aufdruck Gebrauchtwagen/Jahreswagen, hingen schlaff herunter. Die Aufdrucke waren nicht zu erkennen.

Es gab zwei nicht weit voneinander entfernt liegende Eingänge. Der direkt in die Halle führende, zwei beträchtliche, lautlos auf- und zugleitende Glastürscheiben, lag zu ebener Erde. Der andere Eingang führte einige Treppenstufen hoch zu einer weißlackierten Stahltür, hinter welcher das Büro lag. Anton Bürger stellte seinen Wagen auf dem nächsten freien Parkplatz wenige Meter hinter der Treppe ab. Stieg aus, straffte sich, betätigte während des Treppensteigens seinen neuen elektronischen Türschließer, lauschte befriedigt auf das augenblicklich erfolgende Klicken, zog die Tür auf, trat ein. Das wie ein Schuß klackende Zuschlagen der Tür.

Damit hatte er am allerwenigsten gerechnet, daß ihm, kaum war er durch den kurzen Korridor in den Vorraum gelangt, eben jenes Rosenparfüm in die Nase wehte, das ihn vor gerade mal einer guten Stunde zweifellos durcheinandergebracht hatte. Der Duft war ein schwacher Schwaden. Zwei Schritte weiter, und es herrschte ausnahmslos wieder sozusagen neutraler Bürodunst. Die entschiedene Absicht, mit der er hier eintrat, hätte aber sowieso jedes Abgleiten in Gefühlsbizarrerien wie gegenüber der Klawitter oder gar vor dem Morandi-Bild verhindert. Die Frage, ob er hier etwa erneut Börnis Schulz’ Lebensgefährtin begegnete, stellte sich natürlich. Ein wenig verunsicherte ihn diese Vorstellung.

Er trat eilig an die Rezeption und erwiderte das nette Empfangslächeln der dort sitzenden jungen Frau mit der anordnenden Auskunft, er wolle Herrn Wehse sprechen, ihn persönlich. In diesem Moment wurde die Tür zum Hauptbüro geöffnet. Lesebrille auf der Nase, einen Aktendeckel in der Hand, trat Frau Bohmeyer heraus, die Bürochefin, Mitte vierzig, blaue Jeans, hellgraue Jacke, dunkelgrauer Rollkragenpulli und schwarze Pumps, das großflächige, von welligem schwarzem Haar umrahmte Gesicht mit den klaren blauen Augen wie immer ein wenig zu farbenfroh geschminkt. Sie begrüßte ihn, und nachdem sie der jungen Frau hinter dem Tresen den Aktendeckel gereicht hatte, wandte sie sich ihm sogleich zu und fragte in der ihr eigenen verbindlichen Art, was sie für ihn tun könne. Herr Wehse habe ein Kundengespräch, in seiner Wohnung. Anton: Es sei dringend. Frau Bohmeyers kurzer Anruf, ihre mit sibyllinischem Lächeln erteilte Auskunft, Herr Wehse erwarte ihn, und schon war Anton Bürger aus dem Büro, durch die Tür und die Treppe hinunter.

Er reckte sich auf, wölbte die Brust vor, schritt dann entlang der in demselben langgestreckten, weißgestrichenen Backsteingebäude wie das Büro gelegenen Werkstatt, die bereits geschlossen war, entlang des supermarktähnlichen, noch geöffneten Geschäfts für Ersatzteile sowie entlang der sich anschließenden Laderampe. Ein sich in der pompejanischroten Bepflasterung anthrazitgrau abhebender Weg führte zu der weißen, weit vorspringenden Trennmauer. Anton Bürger trat durch die darin eingelassene schmiedeeiserne Tür. Hinter der Mauer ging das gleiche Gebäude weiter, zu einem Wohnhaus ausgebaut, einem Bungalow. Anton Bürger blieb vor dem breiten, aus vier mächtigen Betonstufen gefügten und von pompösem Geländer gesäumten Aufgang stehen. Umkehren? Ihm war einfach nicht wohl bei der Sache. Also kehrtmachen, sich vor Adam und vor allem sich selbst lächerlich machen. Die Sache ließe ihn nicht in Ruhe. Es würde ihn endlos fuchsen, nichts unternommen zu haben. Er gab sich einen Ruck, stapfte die vier Stufen hoch, zögerte, verfiel vor der massiven, aus teurem Tropenholz bestehenden Wohnungstür für einige, schier endlose Sekunden in eine Art leerer Nachdenklichkeit, in welcher nichts hallte als Laß es, Anton, es lohnt nicht, laß es, um sich endlich einen zweiten endgültigen Ruck zu geben und den Türklopfer zu betätigen, einen durch ein kupfernes, mit Patina besetztes Löwenmaul gezogenen, unten verdickten kupfernen Ring.

Ein smarter junger Mann, Mitte zwanzig, öffnete. Wehses Sohn Wolf. „Guten Tag. Sie wünschen?“ Anton Bürger war irritiert. Der kannte ihn doch. Da hörte er aus dem Hintergrund Wehse rufen, ob es Herr Bürger sei, wenn es Herr Bürger sei, möge Wolf ihn hereinlassen. Wolf trat zur Seite, „bitte.“ „Danke“, Anton Bürger trat ein. Daß Wehses Sohn sogleich das Haus verließ, ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei und von draußen mit schwerem dumpfem Prall die Tür zuzog, irritierte Anton Bürger erneut. Hat der was gegen ihn? Er straffte sich. „Legen Sie ab!“ „Danke.“ Er zog seinen Mantel aus, hängte ihn an einen Garderobenhaken. „Nehmen Sie doch einen Bügel!“ Er nahm den Mantel vom Haken, hängte ihn auf einen der breiten, schweren Holzbügel.

Er war bislang nur ein einziges Mal in Wehses Wohnung, einer unbedeutenden Sache wegen, die er vergessen hat. Erinnerte sich jedoch an den kurzen, breiten Garderobenflur, an den aus schieferfarbenem Naturstein gemauerten Rundbogen, durch den man in das saalartige Wohnzimmer trat, erinnerte sich an den imposanten gelbmarmornen Kamin und an das mächtige Panoramafenster, durch das der Blick über den Parkplatz mit den Gebrauchtwagen schweifen konnte, aber auch, an dem McDonaldsrestaurant vorbei, ins Weite, in Richtung Stadtring, der ein gutes Stück entfernt lag. Von der Helligkeit des Fensters geblendet, nahm er die beiden in klobigen Sesseln sitzenden Figuren momentlang nur schemenhaft wahr. Er blickte auf den Boden, auf die großen, kastanienbraunen Fliesen, die ihm schon bei seinem ersten Besuch als das einzige ästhetisch Hinnehmbare in diesem Raum vorkamen. Die Möbel, überhaupt die ganze Ausstattung hier war ihm einige Nummern zu wuchtig, aufdringlicher Protz, der ihn abstieß. Kein guter Einstieg für eine Verhandlung, wie er sie vorhatte. Oder vielleicht doch? Ha!, ein solches Ambiente schärfte die Abwehrkräfte, hier zog ihn keiner über den Tisch! Wieder ganz auf die Sache konzentriert, ging er weiter ins Zimmer hinein, sah schärfer. Dort saß Wehse, unverändert der untersetzte aschblonde Endvierziger mit kurzgeschorenem Haar und den kleinen grauen Augen, deren linkes bisweilen ein wenig zur Seite glitt, was Wehses Gesicht dann einen Zug ins abgewandt Sinnende gab. Ein Eindruck, nahm Anton an, der täuschte. Wehse gegenüber saß Börni Schulz. Anton konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Nicht etwa wegen Börnis Gesicht, das verblüffend dem einer Ministerin im kohlschen Kabinett ähnelte, vor allem, was die sich schräg von den Mundwinkeln herabkerbenden Falten anging. Dafür konnte Börni nichts, und Anton wäre der Letzte gewesen, der sich über Börnis loriothaftes Bernhardinergesicht mokiert hätte. Nur war es so, daß Börni seinen kahlen, grau umkränzten Schädel nunmehr mit einem enormen Toupet bedeckt hatte, einem jungenhaften brünetten Wuschelschopf, was durch den Kontrast zu Börnis naturgegebener, überdies schon recht verrunzelter Trauermiene einen unwillkürlich zum Lachen reizenden Kontrast schuf. Was eine Frau wie die Klawitter an Börni fand, erschien Anton in diesem Moment als unenträtselbares Geheimnis. Wie immer trug der Chef des Europa Anzug und Weste, Lackschuhe und Fliege und wirkte durchaus elegant, jedoch eher im Sinne verblichener, auch talmihafter Eleganz. Ein wenig sah er nach Betriebsfest-Conférencier aus, ein ganz kleines bißchen auch nach Zuhälter. Gealterter Gigolo Börni. Wehse rutschte auf die Kante seines Sessels und begrüßte Anton aufgeräumt mit den Worten: „Was kann ich für Sie tun, Herr Bürger?“ Worauf er sich, ohne Anton weiter anzuschauen, intensiv dem Ausdrücken seines Zigarillostummels zuwandte. Börni stemmte sich mit trockenem „Hallo, Anton“ aus dem Sessel (man duzte sich). Zu Wehse: „Ich darf mich verabschieden, Manfred“. Zu Anton hin von Lächeln begleitetes Kopfnicken. Obwohl Börnis Aufbruch ihm seine Situation doch erleichterte, hob Anton abwehrend die Hände: „Bitte, Börni! Ich will dich nicht vertreiben.“ „Tust du nicht! Tust du nicht! Ich bin schon über die Zeit. Laura wartet. Erspar’ mir einen Anpfiff.“ Launiger Börni! Alle drei Herren stimmten in heiteres Gelächter ein. Dank Börni hatte sich für Antons Vorhaben eine entspannte, positive Ausgangslage hergestellt, wie er sie selbst gewiß nicht hinbekommen hätte. Kaum eine Minute mochte vergangen sein, und er war mit Wehse allein im Raum.

„Zigarillo?“ „Danke, nein. Ich gewöhne mir gerade das Rauchen ab.“ „Gläschen Champagner?“ Anton zögerte. „Pommery, Herr Bürger!“ „Lieber nicht. Keine Umstände, Herr Wehse. Außerdem muß ich noch