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Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen. Von
außen ist eigentlich nur ein großes Loch sichtbar, dieses führt
aber in Wirklichkeit nirgends hin, schon nach ein paar Schritten
stößt man auf natürliches festes Gestein. Ich will mich nicht
dessen rühmen, diese List mit Absicht ausgeführt zu haben, es war
vielmehr der Rest eines der vielen vergeblichen Bauversuche, aber
schließlich schien es mir vorteilhaft, dieses eine Loch
unverschüttet zu lassen. Freilich manche List ist so fein, daß sie
sich selbst umbringt, das weiß ich besser als irgendwer sonst und
es ist gewiß auch kühn, durch dieses Loch überhaupt auf die
Möglichkeit aufmerksam zu machen, daß hier etwas
Nachforschungswertes vorhanden ist. Doch verkennt mich, wer glaubt,
daß ich feige bin und etwa nur aus Feigheit meinen Bau anlege. Wohl
tausend Schritte von diesem Loch entfernt liegt, von einer
absehbaren Moosschicht verdeckt, der eigentliche Zugang zum Bau, er
ist so gesichert, wie eben überhaupt auf der Welt etwas gesichert
werden kann, gewiß, es kann jemand auf das Moos treten oder
hineinstoßen, dann liegt mein Bau frei da und wer Lust hat –
allerdings sind, wohlgemerkt, auch gewisse nicht allzuhäufige
Fähigkeiten dazu nötig –, kann eindringen und für immer alles
zerstören. Das weiß ich wohl und mein Leben hat selbst jetzt auf
seinem Höhepunkt kaum eine völlig ruhige Stunde, dort an jener
Stelle im dunkeln Moos bin ich sterblich und in meinen Träumen
schnuppert dort oft eine lüsterne Schnauze unaufhörlich herum. Ich
hätte, wird man meinen, auch wirklich dieses Eingangsloch
zuschütten können, oben in dünner Schicht und mit fester, weiter
unten mit lockerer Erde, so daß es mir immer nur wenig Mühe gegeben
hätte, mir immer wieder von neuem den Ausweg zu erarbeiten. Es ist
aber doch nicht möglich, gerade die Vorsicht verlangt, daß ich eine
sofortige Auslaufmöglichkeit habe, gerade die Vorsicht verlangt,
wie leider so oft, das Risiko des Lebens. Das alles sind recht
mühselige Rechnungen, und die Freude des scharfsinnigen Kopfes an
sich selbst ist manchmal die alleinige Ursache dessen, daß man
weiterrechnet. Ich muß die sofortige Auslaufmöglichkeit haben, kann
ich denn trotz aller Wachsamkeit nicht von ganz unerwarteter Seite
angegriffen werden? Ich lebe im Innersten meines Hauses in Frieden
und inzwischen bohrt sich langsam und still der Gegner von
irgendwoher an mich heran. Ich will nicht sagen, daß er besseren
Spürsinn hat als ich; vielleicht weiß er ebensowenig von mir wie
ich von ihm. Aber es gibt leidenschaftliche Räuber, die blindlings
die Erde durchwühlen und bei der ungeheuren Ausdehnung meines Baues
haben selbst sie Hoffnung, irgendwo auf einen meiner Wege zu
stoßen. Freilich, ich habe den Vorteil, in meinem Haus zu sein,
alle Wege und Richtungen genau zu kennen. Der Räuber kann sehr
leicht mein Opfer werden und ein süß schmeckendes. Aber ich werde
alt, es gibt viele, die kräftiger sind als ich und meiner Gegner
gibt es unzählige, es könnte geschehen, daß ich vor einem Feinde
fliehe und dem anderen in die Fänge laufe. Ach, was könnte nicht
alles geschehen! Jedenfalls aber muß ich die Zuversicht haben, daß
irgendwo vielleicht ein leicht erreichbarer, völlig offener Ausgang
ist, wo ich, um hinauszukommen, gar nicht mehr zu arbeiten habe, so
daß ich nicht etwa, während ich dort verzweifelt grabe, sei es auch
in leichter Aufschüttung, plötzlich – bewahre mich der Himmel! –
die Zähne des Verfolgers in meinen Schenkeln spüre. Und es sind
nicht nur die äußeren Feinde, die mich bedrohen. Es gibt auch
solche im Innern der Erde. Ich habe sie noch nie gesehen, aber die
Sagen erzählen von ihnen und ich glaube fest an sie. Es sind Wesen
der inneren Erde; nicht einmal die Sage kann sie beschreiben.
Selbst wer ihr Opfer geworden ist, hat sie kaum gesehen; sie
kommen, man hört das Kratzen ihrer Krallen knapp unter sich in der
Erde, die ihr Element ist, und schon ist man verloren. Hier gilt
auch nicht, daß man in seinem Haus ist, vielmehr ist man in ihrem
Haus. Vor ihnen rettet mich auch jener Ausweg nicht, wie er mich
wahrscheinlich überhaupt nicht rettet, sondern verdirbt, aber eine
Hoffnung ist er und ich kann ohne ihn nicht leben. Außer diesem
großen Weg verbinden mich mit der Außenwelt noch ganz enge,
ziemlich ungefährliche Wege, die mir gut atembare Luft verschaffen.
Sie sind von den Waldmäusen angelegt. Ich habe es verstanden, sie
in meinen Bau richtig einzubeziehen. Sie bieten mir auch die
Möglichkeit weitreichender Witterung und geben mir so Schutz. Auch
kommt durch sie allerlei kleines Volk zu mir, das ich verzehre, so
daß ich eine gewisse, für einen bescheidenen Lebensunterhalt
ausreichende Niederjagd haben kann, ohne überhaupt meinen Bau zu
verlassen; das ist natürlich sehr wertvoll.
Das schönste an meinem Bau ist aber seine Stille. Freilich, sie
ist trügerisch. Plötzlich einmal kann sie unterbrochen werden und
alles ist zu Ende. Vorläufig aber ist sie noch da. Stundenlang kann
ich durch meine Gänge schleichen und höre nichts als manchmal das
Rascheln irgendeines Kleintieres, das ich dann gleich auch zwischen
meinen Zähnen zur Ruhe bringe, oder das Rieseln der Erde, das mir
die Notwendigkeit irgendeiner Ausbesserung anzeigt; sonst ist es
still. Die Waldluft weht herein, es ist gleichzeitig warm und kühl.
Manchmal strecke ich mich aus und drehe mich in dem Gang rundum vor
Behagen. Schön ist es für das nahende Alter, einen solchen Bau zu
haben, sich unter Dach gebracht zu haben, wenn der Herbst beginnt.
Alle hundert Meter habe ich die Gänge zu kleinen runden Plätzen
erweitert, dort kann ich mich bequem zusammenrollen, mich an mir
wärmen und ruhen. Dort schlafe ich den süßen Schlaf des Friedens,
des beruhigten Verlangens, des erreichten Zieles des Hausbesitzes.
Ich weiß nicht, ob es eine Gewohnheit aus alten Zeiten ist oder ob
doch die Gefahren auch dieses Hauses stark genug sind, mich zu
wecken: regelmäßig von Zeit zu Zeit schrecke ich auf aus tiefem
Schlaf und lausche, lausche in die Stille, die hier unverändert
herrscht bei Tag und Nacht, lächle beruhigt und sinke mit gelösten
Gliedern in noch tieferen Schlaf. Arme Wanderer ohne Haus, auf
Landstraßen, in Wäldern, bestenfalls verkrochen in einen
Blätterhaufen oder in einem Rudel der Genossen, ausgeliefert allem
Verderben des Himmels und der Erde! Ich liege hier auf einem
allseits gesicherten Platz – mehr als fünfzig solcher Art gibt es
in meinem Bau – und zwischen Hindämmern und bewußtlosem Schlaf
vergehen mir die Stunden, die ich nach meinem Belieben dafür
wähle.