Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben - Kurt Wilhelm - E-Book

Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben E-Book

Kurt Wilhelm

0,0
13,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In diesem berühmten Theaterstück verbindet sich die Hoffnung auf ein wunderbares Jenseits mit einer äußerst vergnüglichen Handlung: Der Brandner Kaspar überlistet den Tod und darf weiterleben. Kurt Wilhelm hat die Geschichte nach einer kurzen Erzählung seines Ururgroßonkels Franz von Kobell zu einem überaus beliebten Stück verarbeitet, welches das Publikum schon über viele Jahre hinweg begeistert. Sein Erfolg ist bereits legendär. In diesem Band sind sowohl Kobells Erzählung als auch die Theaterfassung enthalten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2014

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



LESEPROBE zu

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2013

© 2014 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheimwww.rosenheimer.com

Titelfoto: Fred Stillkrauth und Toni Berger in einer Aufführung des Residenztheaters, München

© Foto Sessner, Dachau

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

eISBN 978-3-475-54373-9 (epub)

Worum geht es im Buch?

Kurt Wilhelm

Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben

In diesem berühmten Theaterstück verbindet sich die Hoffnung auf ein wunderbares Jenseits mit einer äußerst vergnüglichen Handlung: Der Brandner Kaspar überlistet den Tod und darf weiterleben. Kurt Wilhelm hat die Geschichte nach einer kurzen Erzählung seines Ururgroßonkels Franz von Kobell zu einem überaus beliebten Stück verarbeitet, welches das Publikum schon über viele Jahre hinweg begeistert. Sein Erfolg ist bereits legendär. In diesem Band sind sowohl Kobells Erzählung als auch die Theaterfassung enthalten.

Inhalt

Worum geht es im Buch?

Vorwort

Franz von Kobell:Die G‘schicht vom Brandner Kasper

Entstehungsgeschichte

Franz von Kobell - Kurt Wilhelm:Der Brandner Kaspar und das ewig‘ LebenKomödie in sieben Bildern

Personen

1. Bild

2. Bild

3. Bild

4. Bild

5. Bild

6. Bild

7. Bild

Verzeichnis bairischer Worte und Ausdrücke

www.rosenheimer.com

Vorwort

Die Erzählung vom »Brandner Kasper« erschien 1871 in den »Fliegenden Blättern«. Franz von Kobell war damals 68 Jahre alt, seit 25 Jahren Witwer und, obwohl er mitten im tätigen Leben stand, wohl schon recht weise und abgeklärt.

Ihm war der Tod nicht ein schwarzer Engel oder eine erschreckende Naturgewalt. Für einen Jäger und Naturforscher wie ihn, der das bäuerliche, das einfache Leben kannte und es im Grunde selber lebte, hatte der Tod recht wenig Dämonie und Majestät. Er gehörte halt dazu, man machte nicht viel Aufhebens von ihm. Und nennt ihn respektlos den »Boanlkramer«. Eine recht abwertende Berufsbezeichnung, denn ein Kramer ist schließlich ein Händler, der nur im ganz kleinen Stil kauft und verkauft. Und »Boanl«, Knochen, Gebeine – das kann wohl nichts Wertvolles sein.

Im Märchen wird der Tod in den Apfelbaum gebannt. In anderen Sagen leitet man ihn in die Irre, um ihm zu entkommen. Man flieht vor ihm, wie vor jenem Tod in China, dem der Reiche zu Pferde davongaloppiert, um ihn schließlich dort zu treffen, wo er ihm entkommen zu sein glaubt. In Bayern geht es handfester zu, und Kobell macht sich eine hintersinnige Gaudi. Sein Boanlkramer kommt, wie im bäuerlichen Leben die gewissen Bazi, die Viechhandler, Hochzeitlader und Schmuser, in die Bauernstube, um Geschäfte zu machen.

Und ein gutes Geschäft macht der Brandner denn auch mit ihm.

Franz von Kobell

Die G’schicht vomBrandner Kasper

 

Der Brandner Kasper is a Schlosser gwest und hat bei Tegernsee a kloas Häusl ghabt, hübsch hoch obn am Albach, wo mar auf Schliersee nübergeht. Da hat er ghaust mit sein Wei, die Traudl ghoaßn hat, und mit seini zwoa Buabn, mi’n Toni und mi’n Girgl; die san zeitli Soldatn worn und hamm in an Artollerie-Regiment dient in Land draußt. Der Kasper is a fleißiger, braver Mo gwest und lusti und schneidi. Gforchtn hat er ihm vor gar nix und hat amal an großn wininga Hund, der a Dirn umgrennt hat und hätt’s zrissn, frei mit der Hand bei’n Kragn packt und hatn a so an a Mauer higworfa, dass er nimmer aufgstandn is, und ’n Hagmoar vo Scharling hat er sei Raffa und Spektaklmacha bei der Mess auf der Kaiserklausn aa vertriebn. Neben seiner Schlosserarbet hat er’s Büchsnmacha guat verstandn und für d’ Jaaga d’ Stutzn gfrischt und zsammgricht, besser wia a Büchsmacha in der Stadt.

Is aa ’s Jagn und ’s Scheibnschießn sei größti Freud gwest und hat auf d’letzt überall jaagern derfa, denn der Forstmoaster hat an ihm an verlässinga Jagdghilfn ghabt und der nix kost hat.

Wier er auf die Jahr kumma is, is sei Traudl gstorbn, hatn recht gschmerzt, weil’s gar a guats und taugsams Wei gwesn ist und jetzt hat er halt alloa für ihm a so furtglebt, und no in sein fünfasiebzigstn Jahr hat ihm weiter nix gfeit an der Gsundheit und hat gjaagert und gschossn wier a Fufzger. Jetzt sitzt er amal dahoam und hat ihm an Rechblatter zsammgricht und probiert, und überdem klopft’s an der Tür.

Denkt er, wer muaß denn da draußt sei, denn des Aklopfa is bei ihm nit Brauch gwest und ruaft nacha: »No eina!« Jetzt kommt da an elendiger Loda rei, zaundürr, dass er grad klappert hat und bloach und hohlauget, an abscheuliga Kerl.

Der Kasper sagt: »Was geits, was willst?«

Na der ander: »Kasper, i bin der Boanlkramer und ho di fragn wolln, ob d’ net ebba mit mir geh willst?«

»So? Der Boanlkramer bist, na Bruder, i mag nit mitgeh, gfallt mir no ganz guat auf der Welt.«

»Denkt hab i ma’s«, sagt der Boanlkramer, »aber holn muaß i di do amal, was moast ebber in Frühjahr?«

»Waar nit aus in Fruajahr, wo der Ho’falz is und der Schnepfastrich und die kloan Vögerln am schönsten singa, na, dees war ma zwider.«

»Oder in Summa?«

»Nix Summa, da hon i mit der Rehbirsch Arbet und is aa z’hoaß.«

»Oder in Hirgscht?«

»Ja was fallt dir denn ei, ha narret, soll i d’ Hirschbrunft hintlassen, und die Klopfeter und ’s Oktoberschießn, waar nit aus!«

»No also, nacher in Winter?«

»Da mag i aa nit, schau ’s Fuchspassen und ’s Modersjagn is mei extragi Freud und is in Winter aa z’ kalt.«

»Ja, willst denn du ewi lebn? Dees tuats nit, Kasper.«

»Boanlkramer, i will dir was sagn, mei Vater selig is neunzg Jahr alt worn, und so alt will i aa wern, na kost mi abholn. Aber i glaab, es is gscheiter als die Rederei da, wann d’ mit mir a Glaasl Kerschngeist trinkst, i hon an recht an guatn, und du schaugst ja so elendi aus und sper, dass dir a Glaasl gwiß guat toa werd, und a paar Kirternudl hon i aa no dazua.«

Und so geht er an a Wandkastl hi und holt a Flaschl raus und a paar Glaasln und die Nudeln, ’n Boanlkramer is ebbas selles no nit passiert, und er setzt s’ an Tisch hi und probiert den Kerschngeist. Der hat eahm woltern gschmeckt und d’ Nudl aa, und da trinka die zwoa (der Kasper hat fleißi eigschenkt) und der Boanlkramer is ganz lallert worn; hat aber do alleweil vo die neunzg Jahr ebbas abahandln wolln. Da sagt der Kasper: »Woaßt was, mach mar a Gschpielei drum, pass auf!«

Und geht wieder an dees Kastl, da ist a Kartn glegn und der Grasober just obndrauf. Den schiebt der Kasper in sein Joppnirmi und legt na d’ Kartn auf’n Tisch. »Jetzt heb dir a Häuferl aba, Boanlkramer«, sagt er, »dees is des dei, und dees ander is des mei. Wann jetz du in dein Häuferl ’n Grasober hast, so gehn i mit dir wann d’ magst, wann aber i den Grasober in mein Häuferl ho, so derfst ma nimmer kemma, bis i neunzg Jahr alt bi.

« Der Boanlkramer, der scho an bissl an Dampes ghabt hat, hat glacht und hebt ihm an woltern Toal ab und sagt: »Wegn meiner, es gilt«, denn er hat ihm denkt, weil er die mehrern Kartn ghabt hat, kunnt leicht der Grasober dabei sei.

Wie er jetzt seini Karten nachanander aschaugt, steckt der Kasper hoamli den Grasober in sei Häuferl nei, und wie der Boanlkramer mi’n Aschaugn firti gwest is, broat der ander vor ihm sei Kartn, und da geht halt richti aa der Grasober her.

»Verdammti Gschicht«, sagt der Boanlkramer, aber der Kasper lacht und sagt: »Trink no a Glasl und lass ma den Neunzger lebn!«

»I ko nix macha«, sagt der Boanlkramer, »aber ebber reut di dei Glück amal, und wanns a so is, derfst mi grad ruafa, bin nacha glei da.« »Hat guati Weg«, sagt der Kasper, und wie der oa na furt is, hat er ihm no nachgruafa, er soll fei Acht gebn, dass er nit in Bach einifallt – und is mit den Bsuach ganz zfriedn gwest.San schlechte Zeitn kemma, der Tiroler Krieg is ausbrocha und hat alle Leut derschreckt. Es ist a böser Krieg gwest, und grausi is’s herganga bei Schwatz und auf’n Berg Isel, und viel boarischi Soldatn san bliebn selm, und ’n Kasper seini Süh, die er so gern ghabt hat, hat’s aa derwischt. Was hat’s gnutzt, dass s’ globt worn san in Rapport, dass s’ überall so schneidi garbet hamm, der Kasper hat’s halt nimmer gsehn und is ihm nachet ganga.

Anderni traurigi Sachan und Zwiderheitn san agruckt, fremdi Leut san daherkemma, hamm überall ’s Holz zsammakaaft und zsammagschlagn: natürli hamm sie die altn Wildwechsl, die er so guat kennt hat, verändert und is mit ’n Wildprat aa weniger worn, und d’ Wildschützen san mehra worn, wie’s allzeit geht, bal a Kriag is.

Der Kasper is freili net leicht verzagt worn, aber an diewein hat ihm do d’Welt nimmer recht gfalln, und na hat er wohl aa an Boanlkramer denkt und was der gsagt hat von »ruafa«, aber gruafa hat er’n dengerscht nit.

Jetzt is ebbas Bsunders gschegn. A Sennderinn auf der Gindlalm is von a wildn Stier gstocha worn und is glei dahin gwest aa.

Derwei aber ihri Leut gwoant und gjammert hamm, is dees Diendl ganz frisch und wohlauf an der Himmiportn gstandn, hat gar nit gwisst, wie’s hikemma is. Der Portner, der Petrus, hat’s glei dersegn und hat’s Türl aufgmacht, dees nebn der großn Portn gwest ist. Er hat an langa graabn Rock aghabt und a blobi Bindn um d’ Schulter und ’s Diendl hat’n verwundert groß angschaut.

»Grüß di Gott, Diendl«, sagt er, und weil’s a bildsaubers Diendl gwest is, hat er ihm denkt, die is taugsam für an schön Engl.

»Ja, wo bin i denn?«, sagt sie ganz derschrocka.

»Im Himmi bist«, sagt der Petrus, »und wer di glei eiweisn lassn ins Paradies, aber zerscht sag ma, wo kimmst denn du her?«

»I bi vo Tegernsee dahoam und Sennderin gwest auf der Gindlalm.«

»Ja na kennst ebber aa ’n Brandner Kasper?«

»Den altn Kasper moants, wer werd den nit kenna! Er kehrt oft ei in meiner Hüttn, wann er auf d’ Jagd geht.«

»Geht er no auf d’ Jagd, muaß ja scho an achtzger sei?«

»Ja wißts es, asitzn tuat er halt die mehra Weil, ’s Birschn geht freili nimmer recht, aber sonst is er no guat bei’n Zeug.«

»Schau, schau, er sollt scho da herobn sei, i wart alli Tag drauf.«

»Derft’s scho no a Wei wartn«, sagt’s Diendl, »bals wahr is, was an diem oa verzählt hamm.«

»No!? was is denn des?«

»Sie sagn halt, i glaab’s aber nit, der Kaspar hätt amal mi’n Boanlkramer kart und hätt der verspielt und derfet ’n derntwegn vor sein neunzigstn Jahr nit furtnehma vo der Welt. Der Kasper is a Lustiger und hat ebba die Gschicht amal oan aufbundn.«

»Wer woaß, wer woaß«, sagt der Petrus, »kunnt ebbas dra sei, da muaß i aufpassn. Aber Diendl, jetz geh da eini, i schick dir glei an Engl nach, der di weiterführt. Du hast brav und frumm glebt auf der Welt, schau, derntwegn bist jetz aa in Himmi herobn.«

Und ’s Diendl bidankt si und kusst ihm d’ Hand und geht hi, wo er ihr hideut hat; der Petrus aber schreibt glei a Vorladung an Boanlkramer und schickt’s ihm. Den ändern Tag in aller Fruah is der Boanlkramer daherkemma ganz untertäni und demüti, dees just nit alleweil sei Sach gwest is.

»Habt’s mi ruafa lassn, Herr Portner«, sagt er, »soll i Enk was bsorgn?

« Der Petrus schaugtn a Weil ernsthaft a, na sagt er: »Boanlkramer, was muaß i vo dir hörn? Du führst di schö auf, spielst mi’m Brandner Kasper ums Leben und verlierst no obendrei! Was san dees für Sachan, wie kost di so ebbas untersteh?!«

»Ja schaugt’s«, sagt der oa, »woaß ja, dass der Kasper da rauf kemma soll und weil’s a so gnua Leut herobn habt’s, hon i mir denkt, es macht nix aus, wann er a bissl spater kimmt.«

»An dees hast aber nit denkt, dass mit meiner Buachführung nix zammageht, bal an iader raufkimmt, wann er mag. Der Kasper ist auf achtzgi einegschriebn, is schö gnua, und jetz is er scho drüber, und du gibst ihm gar neunzgi!« Der Boanlkramer hat was sagn wolln, aber der Petrus hatn ganz fuchti agfahrn: »Staad bist, und glei gehst abi und bringst ’n Kaspern rauf, oder i jag di aus ’n Dienst.«

Da hat ihm der Boanlkramer nix mehr zsagn traut und is ganz dasi abgschobn. Die Gschicht hat’n gwalti verdrossen.

Mei Wort hon i’n Kaspern gebn für die 90 Jahr, hat er denkt, und jetz soll i’s nit haltn, es mag mi a so koa Mensch auf der Welt, und wann’s aufkimmt, dass i an schlechtn Kerl gmacht ho, na derf i mi ninderscht mehr sehgn lassn. Und hat ihm halt bsunna hinum und herum, wier er aus den Handl kemma kunnt.

Er is aber alleweil an adrahter Schlankl gwest, und so is ihm richti was eigfalln. Dees probierst, hat er ihm denkt, spannt sei Wagerl a und fahrt zum Kaspern. Der hat sei Pfeifei graacht und just d’ Zeitung glesen. Wie der oa reikimmt, hat der Kasper sei Brilln vo der Nasn abagschobn und schaugt halt, wer’s is.

Er hat aber ’n Boanlkramer gschwind derkennt, denn der is no grad so zaudürr gwest und der nämlichi Häuter, wie’s ersti Mal, wo er’n gsehn hat.

»Ha, was willst denn du?«, hat er gsagt. »I ho di nit gruafa, und was ausgmacht worn is, werst aa no wissn, oder willst an schlechtn Kerl macha?«

»Nix, nix, fallt mer nit ei, und i woaß, dass d’ no neun Jahr guat hast, da feit si nix. I ho just in der Nachbarschaft a kloas Gschäft ghabt, und da hon i di bsuacha wolln und schaugn, was d’ machst. Und weil i mei Wagerl da ho und auf a Platzl fahrn muaß, wo ma gar schö ins Paradies einischaugn ko, so is mar eigfalln, dass i dir dees sagn will, wann d’ ebba mitfahrn wolltst.«

»Na, i dank dir recht schö«, hat der Kasper gsagt, »i bi nit so neugieri, wie d’ moast, und bi lieber dahoam, wo i mi auskenn, als an an fremdn Ort, wo i nit woaß, wie’s is.«

»Ja«, sagt der oa, »du moast ebba, dass d’ dort bleiben sollst, wo i di hiführ. Vo dem is koa Red, es ist a Spazierfahrt und in an Stündl san ma wieder da, denn mit mein Rössl geht dees leicht.«

»Und ko ma wirkli ins Paradies einischaugn?«

»Ja, versteht si, wann i’s amal sag.«

»Und in an Stündl san ma wieder da?«

»Wann di nit lang dort aufhaltn willst, dees steht bei dir, san mer in an Stündl wieder da, so wahr i Boanlkramer hoaß.«

Jetzt hat ’n Kaspern die Gschicht do begieri gmacht; auf a Stündl kann er ja mitfahrn und a weng einischaugn ins Paradies, von dem er scho so viel ghört hat. – Und er holt sein guatn Freund, ’n Kerschngeist, her und schenkt a paar Glaasln ei.

»Wegn meiner«, sagt er, »Boanlkramer, i fahr mit, und du bringst mi wieder her! Da trink, es is frisch draußt.« Und sie stößn a und trinka, und na san s’ naus. Da is a schwarzs Wagerl gstandn wier a Trucha und a Rappi agspannt. Sie steign ei, der Boanlkramer schnalzt mit der Peitschn, und jetzt san s’ dahigsaust, dass der Kasper kaam’n Hut derhebt hat und is ihm Hörn und Segn verganga. Als wann s’ der Sturm davotraget, san s’ dahi, und auf amal is ’s finster worn und san Blitz umanandagfahrn unter ihna und ober ihna und hat dunnert und kracht, dass der Kasper gschrien hat.

»Was is dees? Kehr um, kehr um!«

Da hat ihm der Boanlkramer ins Ohr neigruafa: »Da hoaßt ma’s bei die schwarzn Wolkan, da san die Dunnerwetter z’Haus, mir san aber glei durch, derfst di nit ferchtn.«

Und richti is’s gschwind wieder liacht worn, und sie haltn vor an großn, großn Gschloss in schönstn Sunnaschei. An den Gschloss is a goldes Tor gwest, und bei’n Seitntürl hat der Boanlkramer agläut und is glei der Petrus rauskemma.

»No Kasper«, sagt er, »bist amal da, jetz geh no glei eina, i wer dir’s Paradies zoagn und werst a Freud dra habn.«

Und nimmt ’n Kaspern bei der Hand und führt ’n eini, aber der Boanlkramer hat draußt bleibn müssen. Und die zwoa stenga jetz in an weitn Saal mit durchsichtigi Wänd wie gschliffas Spiegelglas, und da hat ma weit nausgsegn in an Gartn mit die schönstn Bloamen in alli Farben und mit großi Baam voll Äpfi und Birn und Pfersi und Pomerantschn grad a Pracht, und der Kasper hat nit redn kinna vor lauter Verwunderung. Und in den Gartn san die schönstn Engl rumgwandelt mit silberni Flügl und glanzedi Kranzin in Haar und danebn aa viel, viel Leut, und auf amal springa zwoa Burschn daher und juxn und ruafa: »Ja, grüß Gott, Vater, Vater, grüß Gott!« und er derkennt sein Girgl und sein Toni.

»Jesses, meine Buabn«, schreit er und fallt ihna um’n Hals, und da schau! sei Traudl kimmt a daher und sei Vata und Muatta und a ganz Rudl vo seiner Freundschaft, und is a »Grüß Gott« gwen hinum und herum und a Freud, dass ihm der Petrus, der zuagschaut hat, d’Augen gwischt hat.

Und in den Gewurl fliegt auf amal a kloaner Engl daher und sagt zum Kaspern: »Kasper, der Boanlkramer lasst Enk sagn, er fahret jetz wieder abi, ob’s mitfahrts?«

»Na, liebs Bubi«, sagt der Kasper. »Sag ihm, er soll no alloa fahrn; i bleib da und will nix mehr wissen vo der Welt drunt, und sag Herr vergelt’s Gott tausendmal, dass ma die Gnad worn is, dass i da her kemma bi.«Dees is die Gschicht vom Brandner Kasper.

Entstehungsgeschichte

Diese Erzählung gehört zu den Klassikern bayerischer Literatur. Denn neben der Tatsache, dass sie in bayerischer Sprache geschrieben ist, nicht im Esperanto der deutschen Stämme, in Hochdeutsch, ist die Fabel eine von jenen mit dem Ewigkeitszug, eine jener Geschichten, die ohne einen Umweg über Verstand und Ästhetik direkt zu Herzen gehen.

Die Idee, diesen Stoff zu dramatisieren, lag nahe. Die erste Szene mit dem Boanlkramer ist bei Kobell schon plastisch da. Wenn auch der Dialog nur angedeutet ist, die Figuren sind charakterisiert, der Verlauf ist gegeben. Die erste und erfolgreichste Bühnenfassung stammt aus dem Jahre 1934, von dem Münchener Schriftsteller Josef Maria Lutz, der die Kobell’sche Erzählung in eine Art szenischen Bilderbogen verwandelte. Er hielt sich, so eng es ging, an die Vorlage und ließ sogar hinter der Szene teichoskopisch Schlachtenvisionen und den Tod der Buben geschehen. In einem polemischen Vorwort wies er darauf hin, er sei der gängigen Bauernschwänke, der Dorfdeppenkomödien so überdrüssig, dass in seinem Stück humoristische Zutaten, besonders in den Himmelszenen, nicht erwünscht seien. Es dürfe keine Gaudi werden, es müsse ein bodenständiges Volksstück sein.

Bald darauf wurde aus dem Stoff eine »bäuerliche Spieloper«. Eduard Stemplinger, der dem Horaz in die Lederhosen verhalf, der sein philologisches Wissen und Können in den Dienst einer behaglichen bayrischen Fröhlichkeit stellte, schrieb »Tegernseer im Himmel«, und Gottlieb Rüdiger komponierte die Musik dazu. Die Handlung wurde aufs Einfachste reduziert. Der Boanlkramer kommt gar mit einem kleinen brummenden Flugzeug daher und singt ein knarrendes Auftrittscouplet, wobei Stemplinger seltsamerweise nirgendwo Kobell’schen Text verwendet. Auch diese Bühnenversion war erfolgreich, sie wird da und dort an Bauerntheatern heute noch gespielt.

Den breitesten Publikumserfolg hatte indes nach dem 2. Weltkrieg der Bavaria-Tonfilm »Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies« mit Carl Wery und Paul Hörbiger in den Hauptrollen, Regie Josef von Baky, Musik Alois Melichar. Das Drehbuch schrieb Erna Fentsch-Wery nach Motiven von Kobell und Lutz. Sie hat als versierte Dramatikerin dem epischen Stoff der Erzählung Neben- und Gegenhandlungen hinzugefügt und dies in so hervorragender Weise, dass hier zum ersten Mal die Umwelt des Brandner Kaspar in die Handlung einbezogen wird, die Menschen um ihn, die Welt um den Tegernsee. Die Natur, der Wald, die Berge und die Jägerei spielen mit.

In dieser realen bayrischen Welt erscheint die skurrile Figur des Boanlkramer doppelt seltsam und fremd – die Sympathie der Zuschauer ist ganz auf Seiten des Brandner, der diese Welt um keinen Preis verlassen will, der als ein kerngesundes Mannsbild den Boanlkramer betrügen muss, weil das Recht auf Seiten des Lebens ist. Erna Fentsch hat auch den zweiten, großartigen und entscheidenden Einfall gehabt: Der Himmel der Bajuwaren sieht so aus wie das Land Bayern auf Erden. Unser Diesseits ist schon das Paradies! Für die Spielzeit 1974/75 suchte das Münchener Residenztheater einen »bayrischen Klassiker«. Es gibt deren leider nicht viele. Dietrich Thoms, der bayrischste Berliner am »Resi«, schlug Intendant Kurt Meisel den »Brandner Kaspar« vor. Aber die vorliegenden Fassungen wären für den durch Fernsehen und Theaterentwicklung veränderten Geschmack des heutigen Publikums nur mehr bedingt verwendbar gewesen. Eine neue Dramatisierung war vonnöten.

So fiel mir die Aufgabe zu, aus der Kurzgeschichte ein abendfüllendes Theaterstück nach den Regeln der Dramaturgie aufzubauen. Das Thema war mir seit Kindheit vertraut. Als Nachfahre der Kobells (der Dichter war mein Ururgroßonkel) kannte ich die Werke meines Ahnherrn recht genau. Ich ging also einen anderen Weg als meine Vorgänger und nahm neben der Erzählung auch die Gedichte, die Prosa und sämtliche erreichbaren Schriften des Franz von Kobell vor. In ihnen fand ich viele für meinen Dialog verwendbare Gedanken und Formulierungen. Ich erfand Nebenhandlungen, um den Stoff nach den Gesetzen des Theaters korrekt aufbauen zu können. Aber auch bei diesen Zutaten bediente ich mich weitgehend Kobell’scher Formulierungen und Gedankenketten, der von ihm beschriebenen Welt der Jägerei, der G’stanzl, der philosophischen Betrachtungen über Tod und Jenseits, Zeit und Leben. So spricht überall, wo es nur irgend möglich war, der bayrische Klassiker Franz von Kobell mit seinen eigenen Worten. Lediglich in den Himmelsszenen habe ich mir ein wenig Freiheit genommen. Da war Kobells Vorlage zu schmal, da erlaubte ich mir einige Gaudi mit historischen Personen. Das Stück wurde am 5. Januar 1975 vom Bayerischen Staatsschauspiel in München uraufgeführt und brachte es in den ersten 7 Monaten auf immerhin 50 ausverkaufte Vorstellungen, die bewiesen, dass das alte Bayern heute eine große Schar Anhänger besitzt.

Die nachfolgende Bühnenfassung ist der etwas erweiterte Text dieser Aufführung.

Kurt Wilhelm

Franz von KobellKurt Wilhelm

Der Brandner Kasparund das ewig’ Leben

Komödie in sieben Bildern

Personen

Im Diesseits:

Kaspar Brandner, 72 Jahre, Schlosser, Häusler, Jagdhelfer.

Marei, seine Enkelin, 21 Jahre.

Florian, Tagelöhner in Albach, 24 Jahre.

Simmerl, Jäger in Diensten des Herzogs in Bayern, 28 Jahre.

Alois Senftl, Bürgermeister von Albach, 50 Jahre.

Theres, Bäuerin aus Schliersee, Tante der Marei, 55 Jahre (zu spielen von einer wesentlich jüngeren Darstellerin).

Ein G’stanzlsänger.

1. Bauernbursch.

2. Bauernbursch.

Drei Jäger.

Musiker.

Herzoglicher Hornist.

Ein Gendarm.

Festgäste.

Im Jenseits:

Der Boanlkramer.

Der heilige Portner.

Der fast heilige Nantwein.

Johannes Turmair, unter dem Namen Aventinus berühmter Historiker um 1540.

Michael, Erzengel voll Grant und Grazie.

Afra, eine junge Selige (gespielt von der Darstellerin der »Theres«).

Der alte Senftl, Posthalter aus Kreuth (gespielt vom Darsteller des Bürgermeisters Alois Senftl).

Hans-Joachim von Zieten, General der Husaren.

Selige des bayrischen Paradieses, möglichst im Kostüm und in Gestalt der Figuren von Ignaz Günther.

1. Bild

Die Szene stellt eine Waldlichtung dar. Im Hintergrund sieht man in der Tiefe den Tegernsee liegen. Abendstimmung im Frühjahr. Es war ein schöner Tag, die Vögel singen, das Licht wird golden, es fällt in breiten Bahnen zwischen den Bäumen durch, trifft und beleuchtet den großen Holzstoß, der in der Mitte der Bühne sich befindet.

Man hört zunächst eine kurze Ouvertüre, von den Jagdhörnern gespielt. Sie leitet über in Jagdsignale von verschiedenen Seiten. In einiger Entfernung Hundegebell, Rufe, Unruhe der Jagdgesellschaft. Hornrufe antworten. Man hat den Eindruck einer großen Jagd, bei der etwas Unvorhergesehenes passiert ist. Jetzt fallen einige Schüsse.

In der Mitte der Bühne steht neben dem Holzstoß ein herzoglicher Hornist in reicher Livree und bläst aus Leibeskräften das Signal: »Hirsch tot«. Gleich darauf kommt, mit allen Anzeichen devoten Entsetzens, der Bürgermeister des Dorfes Albach, Alois Senftl, gelaufen, ein Mann von etwa 50 Jahren mit einem zu seinem hageren Gestell nicht recht passenden Hängebauch. Sein Gesicht ist vor Aufregung gerötet, der Schnauzbart scheint sich zu sträuben. Senftl, der Choleriker, der Karrieremacher, der Dorfintrigant, trägt Jagdkleidung und Leuten des Herzogs gegenüber ein devotes Wesen zur Schau, während er die Bauern und das übrige niedrige Volk anzuherrschen beliebt.

Derzeit buckelt er. Der Hornist ist zwar nur ein Bedienter, aber er trägt immerhin herzogliche Livree.

Senftl

Nix »Hirsch tot«! Aufhören die Blaserei. Saudumm is’ gangen. Unser Herzog lasst dem König von Belgien den Schuss, – pumps – der Hirsch stürzt, – Applaus, – die hohen Herrschaften begeben sich, – springt da net des Viech auf und lauft davon, weil’s grad a Prellschuss war. Ein Prellschuss!! An Blaserer bräuchert ma jetzt: »verfolgen die Spur«, weil ma’n finden müassen, sonst derf ich’n ausbaden, dem Herzog sein Grant. Kruzinesen, muaß denn alles hin sein.

Der Hornist bläst ein Signal, Hörner hinter der Szene antworten. Beide laufen während Senftls Suada hinaus. Einige Jagdteilnehmer rennen, auf der Suche nach dem Hirsch, kopflos deutend über die Bühne.

1. Jäger

Da –!

2. Jäger

Dorten –!

3. Jäger

Herr Bürgermeister –!

1. Jäger

Herr Bürgermoaster –!

2. Jäger

Nur nach!

3. Jäger

Burgermoasta!

2. Jäger

Wo aus?

1. Jäger

Da nauf is er –!

In heller Aufregung rennen die Jäger hinaus. Mit ihnen war ein Treiber gekommen, ein kleines, zartes Männchen mit einem zu großen Hut, Lederhosen und einem Umbang, der ihm ebenso wenig passen will wie die großen Stiefel. Dieses Männchen ist ein junges Mädchen namens Marei, das sich als Treiber verkleidet hat. Sie steht im Vordergrund und freut sich, denn ein junger Bursch ist auf die Bühne gekommen. Er heißt Flori, trägt ebenfalls die einfache, grobe Kleidung der Treiber und wendet sich jetzt aufgeregt an Marei, die grinsend ihm den Rücken zuwendet und darauf wartet, ob er sie erkennt.

 

Flori

He! – Burgermoaster! Senftl! –

(zu Marei)

Wo is er denn, du? – I hab g’sehn, wo der Hirsch naus ist.

 

Marei

(abgewendet mit tiefer, verstellter Stimme)

Soso.

 

Flori

Durch’n Bach. Da verlieren die Hund die Spur, aber i könnt mir denken, wo er eppa z’ finden waar.

 

Marei

Soso.

 

Flori

(hat Marei erkannt, grinst, verändert den Ton)

Und für a guate Belohnung, – hm?

 

Marei

Jaja!

 

Flori

Was sagst?

(er geht auf sie zu)

 

Marei

A Geld braucht a jeds, sag i.

 

Flori

Auch a g’wisse Marei?

(zieht ihr den Hut ab, Mareis lange Haare kommen zum Vorschein)

 

Marei

Herrschaft, hast mi doch kennt.

 

Flori

Nacher net. Ja, du Anten, wie schaust denn du aus? Als Treiber gehn is fei verboten für Weiberleut.

 

Marei

I hab mir denkt – der Gmoadiener is so kurzsichtig, i verdien mir die 50 Heller den Tag, grad so wie du. Und wennst an g’wissen Flori triffst, hab i mir denkt –

(sie lächelt ihn an)

 

Flori

Hast dir denkt?

 

Marei

(lieb)

Freust di an sei’m dummen G’sicht. Flori Dumm, hast dir denkt?

(er grinst)

Marei Eppa net? Saudumm, sogar!

(Sie strahlt ihn verliebt an. Flori küsst sie. Schüsse. Hundegebell.)

 

Marei

Sie kommen daher. I druck mi besser, im Fall es doch koane Kurzsichtigen san –

Marei hat den Hut wieder aufgesetzt und die langen Locken versteckt. Sie sieht nun wieder wie ein lustiges Wurzelmanndl aus. Flori schaut ihr verliebt nach, als sie davonläuft, dann geht er rasch nach der anderen Seite ab. In der Nähe fällt ein Schuss. Die Bühne ist noch einen Augenblick leer, dann stolpert der Brandner Kaspar herein. Er ist 72 Jahre alt, von jener gedrungenen, drahtigen Statur, wie sie die zähesten unter den zähen Bayern auszeichnet. Auf den ersten Blick ein unscheinbarer Mann, erweist sich der Brandner Kaspar beim näheren Hinsehen als eine jener stillen Persönlichkeiten, die ob ihres Humors, ihrer Gescheitheit und ihrer Gelassenheit bald überall zum Mittelpunkt werden, ohne dass sie ein Aufhebens davon machen. Der Brandner Kaspar hat, das sei ausdrücklich vermerkt, bei der göttlichen Verteilung des Humors offensichtlich dreimal »hier« geschrien. Er ist ein ausgesprochenes Schlitzohr, einer, dessen höchste Freud es ist, seine Mitmenschen in gutmütiger Weise zu »tratzen«, der keine Gelegenheit versäumt, einen Spaß oder Scherz zu machen. Dabei wird er nie zum Gaudiburschen. Er spielt sich nicht in den Vordergrund. Seine Streiche sind vielmehr so geartet, dass er unbeteiligte Randfigur bleibt, während sich seine Opfer plötzlich in spaßige Situationen versetzt sehen, in denen sie falsch oder unzureichend reagieren, weil ihnen keine Wahl bleibt. Das freut dann die Mitwelt und den Brandner ganz besonders. Im Augenblick allerdings ist von Brandners Humor nichts zu bemerken. Er presst die Hand aufs Ohr, wo eine Wunde blutet, ist völlig verstört und ratlos, dazu wütend. Er trägt, wie die anderen Treiber und Jagdgehilfen, ein altes, unscheinbares Lodengewand zur Lederhose.

Brandner

Anhalten! Steh’ bleiben!! – I hab di scho g’sehn – feiger Kerle! Aufrecht geherte Leut anschießen. Verkriech di net im Hinterhalt, du, hab die Schneid!

Brandner schaut hinter den Holzstoß, findet dort niemanden. Entdeckt Blut an seinem Ohr. In die Stille hinein wird ein ferner, dunkler Musikakkord hörbar.

Brandner

(verstört)

Wer schießt denn auf mi und verschwindt’? Und warum? – Heda –

Flori

(kommt gelaufen)

Kaspar! Is dir was g’scheng?

Brandner

(klammert sich in seiner Angst an Floris Arm)

Woaßt, i hab’s pfeifen g’hört und g’spürt wie an Schlag. Flori

(untersucht die Wunde)

A Schuss hat di g’striffen. Da kannst a Kerzen stiften.

Brandner

An Stich hat’s mir geben – da –

(deutet aufs Herz)

. – Jetz is’s aus, hab i denkt, drah mi um und – lass dir sagn – steht da net einer nah hiebei, halb hinter einer Nussstaudn, nah zum Greifen, und doch hab i’n net guat dersehng.

Flori

Hast’n net kennt?

Brandner

Ja – naa. A schwarzer Kerle war’s, hohlaugert und sper.

Flori

A Jager, a fremder?

Brandner

Den Moment war er wie vom Erdboden g’schluckt. I greif in die Stauden – nix, – renn danach, weil’s mir war, wie wenn’s da hintern Holzstoß g’huscht sein könnt – und abermaln nix –. Schaug selber. – Meinoad, i bin noch ganz durchanand.

Flori

(sucht)

Ninderscht zum Sehng. Des war a Jager, da wett i.

Brandner

Moanst?

Flori

Und solcherne Lalli g’hörert a Lehr verpasst, fürn Leichtsinn. Schießen, wenn Leut davor san!

Simmerl

(ruft hinter der Szene)

He, wer strawanzt mir da umanand im Schussfeld.

Flori

Der Simmerl? Der allerdings schießt wia a Wildsau, wenn si wo was rührt.

Brandner

Sollt der die Lehr haben?

Flori

Na, der vor alle.

Brandner

(freut sich auf einen neuen Streich)

Den tratz ma, des gibt a Gaudi. Pass auf und spiel mit. Bliat’s noch?

Flori

Jaja!

Brandner kichert vor lauter Vorfreude, als er sich malerisch auf den Holzstoß platziert und zu jammern beginnt. Flori kniet neben ihm, mimt Krankenpflege und hat ebenfalls Mühe, das Lachen zu verbeißen. Der herzogliche Jäger Simmerl tritt ein. Ein hochgewachsener, stattlicher Mensch, der im Gegensatz zum Brandner bei der Verteilung des Humors völlig gefehlt haben muss. Diese Humorlosigkeit lässt ihn hilflos werden, wenn’s rundum lustig wird. Er wehrt sich dann mit einer gewissen Grantigkeit, die seine Hilflosigkeit überdecken soll. Es mag an dieser Humorlosigkeit liegen, dass er trotz äußerer Vorzüge und seiner gut dotierten sicheren Position als herzoglicher Jäger noch keine Frau hat. Er warb jahrelang um Brandners Enkelkind, ums Marei. Sie war ihm gegenüber stets freundlich und herzlich. Als Hochzeiter indes wäre er für sie niemals in Frage gekommen. Schon gar nicht, als sie vor Jahresfrist den Flori traf, einen Bauernsohn, dessen Vater verwirtschaftet hatte und der sich nun als Taglöhner durchschlagen musste, stets auf der Suche nach einer guten Gelegenheit, wieder ein ehrengeachteter Bauer zu werden, denn der Taglöhnerstand war um 1850 nur recht gering angesehen.

Der Simmerl – recte Simon – sieht die lazarenische Szene vor sich, erschrickt zutiefst und sucht gleichzeitig das Erschrecken zu verbergen. Seiner eigenen Schießkünste durchaus bewusst, ist ihm sofort klar, dass nur ein Fehlschuss aus seiner Büchse Brandner getroffen haben kann. Demgemäß ist er augenblicklich schuldbewusst und sucht diese Regung ebenso augenblicklich nach außen zu verbergen.

Simmerl

Welcher Narr –? Brandner? Was is denn?

Flori

Taat er no fragen. Statt dass er a Brillen aufsetzert, ehvor dass er’s G’wehr in d’ Hand nimmt.

Brandner

Ah – ah – ah –

Simmerl

(untersucht die Wunde)

I hab dem Hirschen hinterherg’schossen.

Brandner

(matt)

Und an alten Dackel troffen – ah – ah –

Simmerl

Schlimm schaugt’s net her.

Brandner

(recht wehleidig)

Aber schwindlig is mir, so vui schwindlig.

Simmerl

I verbind di, wart

(sucht im Rucksack).

Bei der Jagdg’sellschaft san oa, die schießen wie die Wildsäu, wenn si wo was rührt.

Brandner

Was d’ net sagst.

(Zwinkern zu Flori)

Flori

Gell, so a sicherer Schütz hat allweil ’s Verbandszeug im Sack.

Simmerl

Du musst mi ausspotten, du Raatschenbertl.

Simmerl schüttet aus einer Schnapsflasche Kirschgeist auf den Verband.

Brandner

Naa – net äußerlich! Is ja ewig schad.

Simmerl

Was denn?

Brandner

Gib’s mir als Stärkung. – Der Schwindel, verstehst.

Simmerl

Von mir aus – da.

Flori

(riecht daran)

A Kerschgeist, ui –

Brandner

Ganz was Rar’s. Wo hast’n her?

 

Simmerl

G’schenk vom Herzog (

verbindet Brandner)

Brandner

Vergelt’s Gott

(trinkt und hört gar nicht mehr auf)

Simmerl

G’segn’s Gott. – Net so viel! Der is kostbar. Und b’suffa wenn di der Herzog findt –.

Flori

(derbleckt ihn)

Du muaßt bedenken, wie groß dass der Schwindel vom Kaspar is.

Simmerl

(grantig)

Du schmatz da net rum. Lauf nüber zur G’sellschaft und vermeld, dass i aufg’halten bin.

Flori

(scheinheilig)

Weilst wen ang’schossen hast, sag i –

Simmerl

(brüllt)

Du untersteh di und sag des!!

Flori

(naiv)

Net? Sollt i was z’sammlügen – und du beichtst es hernach?

Simmerl

Schieb ab.

(Flori lachend ab)

Simmerl

A frecher Kerle.

Brandner

A braver Bua.

Simmerl

Den nimm i nimmer zu die Treiber, wenn er so frech is

(setzt Brandner den Hut auf).

So sieht ma gar nix. Und dei’m Enkelkind sagst, du hast di g’rissen an am Ast, im Unterholz –.

Brandner

(leise, erstaunt)

Is dir des allweil no wichtig, was ’s Marei denkt?

Simmerl

Ja, freilich

(sucht seine Unsicherheit zu verbergen)

Hörnerruf hinter der Szene

.

Simmerl

»Sammeln« blasen s’, dann kommen s’ da her. Steh auf jetzt.

Brandner

(spielt den armen Lazarus)

I kann net. Der Schwindel. Du müassertst mi tragen.

Simmerl

Tragen??!

Brandner

(haucht)

Am Buckel

(lächelt Simmerl erwartungsvoll an)

Simmerl

(ratlos)

Mi blamieren vor die Leut? –

(brüllt)

Stehst net auf?!

Brandner

Wennst mi so anschreist, krieg i völlig ’as Zittern.

Simmerl

Legst es du an auf a Schmerzensgeld?

Brandner

Naa – naa – grad aufs Tragen.

Simmerl

(zerrt ihn hoch)

Mann Gottes, mach mi net narrisch.

Brandner

(demütig)

Verzeih halt, der Schwindel.

Simmerl

Du, i lass di da liegen!

Brandner

Des machert beim Marei an mäßigen Eindruck. Solltst di scho derbarmen.

Simmerl

(verzweifelt)

Also – von mir aus – hopp!

Er bückt sich. Brandner springt wie ein Waldschrat auf seinen Rücken. Greift Simmerls Gewehr und Rucksack.

Brandner

So geht’s.

Simmerl

Mei Rucksack, mei G’wahr –!

Brandner

Hab i scho. Hüah, alter Schimmel!

Simmerl trabt los. Hörnerrufe und Lärm hinter der Szene. Da kommt den beiden Senftl atemlos entgegen. Erstarrt.

Senftl

I glaub, i traam.

Simmerl

(leise)

Geh runter – sofort

(versucht

Brandner abzuschütteln)

Brandner

Net – sonst werd mir noch schwindliger.

Senftl

(ebenso höhnisch wie verärgert)

Darf ich mir die ergebenste Frage erlauben, ob herzogliche Jager neuerdings ’as Hutschpferd machen für alte Krattler?

Simmerl

(verlegen)

Er ko net geh’. Er hat an Streifschuss derwischt.

Senftl

Wo?

Simmerl

Am Ohr.

Senftl

Geht der sonst auf die Ohrn?

Simmerl

Schwindlig is eahm.

Senftl

Dem? Den Schwindel kennt a jeds in der Gegend. Dem machst du grad an Kasperl. Schau’n doch an, wie er fürizahnt, der Spitzbua, der odrahte.

Brandner

(grinst)

So vui schwindlig.

Senftl

(zerrt Brandner von Simmerls Rücken)

Was nimmst so an alten Dadädl als Jagdhelfer mit!

Simmerl

Er kennt si da herob’n aus wie koa Zwoater.

Brandner

(prostet Senftl mit der Kirschgeistflasche zu und trinkt)

Senftl

Und dein Schnaps hat er aa scho. Brav.

Simmerl

(immer verlegener)

Wenn’s mei Schuss war, muaß ich doch –

Senftl

(schreit ihn an)

Du muaßt – Du muaßt! Du muaßt ja dem Hirsch hinterherschießen, wo der Schuss dem Herzog g’hört – und net amal treffen. Net amal des. Der Herzog hat a Wut, verlangt nach dir, und wer is net da? Du! Du muaßt ja zahnluckerte Spitaler spaziern tragen.

Simmerl

Was soll i denn macha?

Senftl

Ja, nix mehr. Jetz hast scho alles g’macht, was ma verkehrt macha ko. – Woaßt wenigstens, wo der Hirsch naus is?

Simmerl

Da nauf, vermutlich.

Senftl

Des meldst die hohen Herrschaften. Aber genau so und mit dem G’sicht:

(äfft Simmerl nach)

»Da nauf, vermutlich.« Na sagst es no auf Französisch, dass der König vo Belgien aa a Freud hat, und na suchst dir a andere Arbeit, wennst no eine findst in Bayern.

Im Streit vergaß Senftl auf Brandner. Der sitzt am Holzstoß, grinst und stopft sich seine Pfeife. Nun hört man Marei rufen, sie tritt auf und will, als sie Senftl sieht, auf dem Absatz kehrtmachen und fliehen.

Marei

Flori! – Flori –! Ui je!

Senftl

Halt amal, Bursch. G’hörst du zu die Treiber?

Marei

(abgewandt, tiefe Stimme)

Ja.

Simmerl

(für sich)

Des is doch –

Senftl

Hilf amal, den Brandner heimtragen, der is ang’schossen.

Marei

(vor Schreck vergisst sie das Verstellen der Stimme)

Ang’schossen? Wo is er?

Senftl

Da flackt er. Und fragst bei die ändern Treiber, ob oaner den Malefizhirschen –

(erkennt Marei, die bei Brandner kniet)

I glaab, i traam. Die Marei??!

Marei

Ja.

Senftl

Als Treiber, Maschkra. So is’ recht!

Brandner

Unsereins is halt auf so an Vodeanst ang’wiesen.

Senftl

Du bi staad, du bist marod.

Simmerl

(halblaut zu Marei)

Was rufst du ’n Flori?

Marei

Werd scho sein Grund ham.

Hornruf: Sammeln. Gleich darauf Floris Ruf.

Senftl

(verzweifelt)

Jetz blasen s’ wieder!

Flori

(

hinter der Szene)

Herr Burgermoasta! Senftl –!

Senftl

Der aa no. Dass die Brandner-Blas’n wieder beinand is.

Simmerl

Der Flori g’hört doch net dazu.

Senftl

(halblaut)

Des hast bloß du no net g’spannt, dass der mit der Marei ziagt, die länger Zeit.

Flori

(kommt)

An schönen Gruß vom Herzog und wo’s ihr bleibt’s?

Senftl

(zu Simmerl)

Na müaß ma uns sputen.

Flori

(zu Marei)

Ein G’schiss is des, mit die G’wappelten.

Senftl

(

hat die Bemerkung gehört, fährt wütend herum)

A so mag i’s von am meinigen Fuadaknecht, der no Schulden hat bei mir. 30 Gulden san morgen wieder fällig. Und da mag er von G’wappelte reden. Und überhaupts: Du bist ausg’stellt, auf der Stell.

Flori

Ausg’stellt? Warum?

Senftl

Weil’s mir passt! Und weilst du mir nimmer passt.

Die Anwesenden stehen etwas ratlos und betroffen vor dem plötzlichen Wutausbruch des dicken Senftl, der mit großen Schritten und imponierenden Gesten den Dorftyrannen darstellt. Der Ausdruck »G’wappelte«, nicht eben respektvoll, hat ihn zornig gemacht. Dass Florian ihn gebrauchte, ärgert ihn doppelt, weil er einen Respektsverlust von seinem Futterknecht befürchtet. Er schaut zu Brandner hinüber, der ganz behaglich vor dem Holzstoß hockt, seine Pfeife angezündet hat und leise in sich hineinkichert, weil ihm der Zornesausbruch des Bürgermeisters so lächerlich vorkommt, dass er nicht einmal die sicherlich ernst gemeinte Kündigung wirklich ernst nehmen kann. Senftl reißt die Augen auf und schlägt in einen scheinbar leisen, ruhigen Ton um, aus dem er zu desto unangenehmerem Gebrüll sich steigern wird.

Senftl

Und der Schwerverwundete raucht, ja, da schau her! Was gibt’s da zum Lachen? Ha?

Brandner

(behaglich) Weil’s a so zuageht.

Senftl

Du passt auf. Du werst mi net derblecken, wie damals mein Vatern!

Brandner

Geh, die alte G’schicht.

Senftl

(großspurig)

Von dem Gütl, wost du wohnst, g’hört die größere Hälften scho mir. Und wennst fürder koa Pacht net zahlst, hoaßt’s: Naus! Verstehst! Wenn i mag, klag i alles ein! Also – schön brav sein, und hilfreich!

(plötzlich ruhig)

Kann mir einer von euch sagen, wo der Hirsch naus is?

Brandner, Marei und Flori sehen einander mit einem kurzen Blick an.

Flori

Mir wissen nix.

Simmerl

(leise zu Senftl)

Hör doch auf, kumm, geh weiter!

Wieder ein Hornruf, wie vorher. Simmerl und Senftl gehen eilig ab.

Senftl

Du brauchst mir Vorhaltungen macha, du Preisschütz! Du bist überhaupts schuld an allem –

Simmerl

I, wieso i?

Senftl

Taat i fragen –

(Beide sind fort)

Flori

(sieht Senftl verächtlich nach)

Des könna ma derwarten, dass den amal der Schlag trifft, vor lauter Geiz und Giez. Na werd er blau und fallt er um. – Kann der euch wirkli aus’m Haus jagen?

Brandner

(erhebt sich. Die Gaudi ist vorbei. Senftls Gemeinheit hat alle deprimiert)

Rundumadum g’hört alles scho sein. Der Pfarrer hat neuli g’sagt: Euer Anwesen is wie a Insel im Senftl’schen Meer.

Flori

Ich hätt scho sagen können, wo ma den Hirsch vermutert.

Brandner

I woaß. I aa. Aber, mei –

Flori

Der Wirt von Scharling zahlt a gutes Geld, wenn ma ihm a Wildpret bringt. Und fragt aa net, woher dass ’s kommt. Und wenn der Hirsch verendert und wir findert’n, – zufällig – hm? A kloana Umweg, da nauf – ?

(Er deutet nach oben, wo er den geflohenen Hirsch auf dem Berg vermutet)

Marei

(findet das eine gute Idee)

Ja! Da könntst du was von dene 30 Gulden z’ruckzahlen. Und du was von der Pacht.

Brandner

(schüttelt den Kopf)

D’ Unanständigkeit zinst sich net aus.

Marei

Schad.

Brandner

Mir mögerten doch aa net b’stohlen werden. Und der Hirsch is herzogliches Eigentum.

Flori

I siech’s net ein.

Brandner

Der Ober sticht den Unter – des woaß ma vom Karten her. Und wer da b’scheißt, den lasst ma nimmer mitspieln.

Flori

Ja, wenn’s aufkommt.

Brandner

Irgadwann kommt’s allweil auf.

(erhebt sich)

Rett’ ma die Ehre der Gemeinde, meld’ ma: Der Hirsch werd da droben sein, am Sonnabüche! Wenn ma Glück ham, schaugt a Belohnung raus. Is aa was.

Marei

(horcht auf)

Was is jetzt wieder?

Hornsignale »Sammeln« kommen rasch näher. Zunehmend Lärm von Hunden und Menschen. Senftl kommt gelaufen, hinter ihm der Hornist.

Senftl

Die Herrschaften kommen da her. Die kloana Leut weg! Aus die Augen!

Brandner

(geht auf Senftl zu und will die Vermutung melden)

Mir wollten dir nur sagen, Senftl –

Senftl

(schreit ihn an und stößt ihn weg)

Ihr sagt’s mir gar nix. Der Herzog derf euch da net sehen. Schleicht’s euch, Krattlerzeug überanand. –

(ruft)

Hoheit! Da samma! –

(zum Hornisten)

Wenn ma vielleicht blasen tät.

Der Hornist bläst »Sammeln der Schützen«. Flori, Marei und Brandner sehen einander an.

Brandner

Ja, wenn des a so is.

Flori

Na mach ma doch den kloana Umweg?

Brandner

(unentschlossen)

Schau ma scho.

Brandner, Flori und Marei rasch ab. Die Jagdgesellschaft kommt herein und formiert sich nach dem Zeremoniell. Sitzgelegenheiten werden gebracht. Die königlich belgische Standarte wird aufgepflanzt. Die Jagdhörner blasen von allen Seiten das »Halali«. Ehe die hohen Herrschaften eintreten, fällt unter Horngeschmetter und Hundegebell der

Vorhang

Sie wollen wissen, wie es weitergeht? Dann laden Sie sich noch heute das komplette E-Book herunter!

Besuchen Sie uns im Internet:www.rosenheimer.com