Der erste Kuss - Lukas R. Hüfner - E-Book

Der erste Kuss E-Book

Lukas R. Hüfner

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Beschreibung

"Der erste Kuss" ist ein Herzensprojekt von Lukas R. Hüfner, das aus einer simplen, aber kraftvollen Idee entstanden ist: die Magie des ersten Kusses einzufangen und zu teilen. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Erinnerungen an diesen besonderen Moment - aufregend, nervenaufreibend und wunderschön zugleich. Genau diese Vielfalt der Erlebnisse wollte Hüfner zum Leben erwecken. In diesem Buch hat er 50 Menschen gebeten, ihre ganz persönliche Geschichte aufzuschreiben - ungefiltert und in ihren eigenen Worten. Die Resultate sind ebenso vielfältig wie berührend: Von herzzerreißend romantisch bis hin zu urkomisch. Jede Geschichte öffnet ein kleines Fenster in die Seele der Erzähler und erinnert uns alle an unsere eigenen ersten Küsse oder inspiriert uns, unseren nächsten Kuss besonders zu gestalten. Am Ende des Buches hast Du die Gelegenheit, Deine eigene Geschichte vom ersten Kuss aufzuschreiben. Vielleicht inspiriert Dich das Buch auch dazu, im Freundeskreis nach deren Geschichten zu fragen und daraus ein kleines Event zu machen. Es ist erstaunlich, wie viel Verbindung das Teilen solcher Erinnerungen schaffen kann.

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Seitenzahl: 146

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Vorwort des Autors

Liebes Du,

ich freue mich sehr, dass Du dieses Buch in Deinen Händen hältst. "Der erste Kuss" ist ein Herzensprojekt von mir, das aus einer simplen, aber kraftvollen Idee entstanden ist:

die Magie des ersten Kusses einzufangen und zu teilen.

Warum der erste Kuss? Nun, ich glaube, dass es kaum einen Moment gibt, der so aufregend, nervenaufreibend und zugleich wunderschön sein kann wie dieser. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Erinnerungen daran – und genau das wollte ich zum Leben erwecken.

Deshalb habe ich viele Menschen gebeten, ihre ganz persönliche Geschichte aufzuschreiben und zu teilen.

Ohne Vorgaben, ohne Filter – einfach in ihren eigenen Worten, mit all den Gefühlen, die sie damals erlebt haben. Ich wollte, dass diese Geschichten echt und authentisch sind, dass sie die Vielfalt und Schönheit menschlicher Erfahrungen zeigen. Fünfzig davon wurden für dieses Buch zusammengestellt.

Die Resultate haben mich überwältigt. Von herzzerreißend romantisch bis hin zu urkomisch – jede Geschichte ist ein kleines Fenster in die Seele der Erzähler. Und genau das macht dieses Buch so besonders. Es sind keine stilisierten Erzählungen, sondern echte Erlebnisse, die uns alle berühren und an unsere eigenen ersten Küsse erinnern oder zur Inspiration für unseren nächsten Kuss werden können.

Ich hoffe, Du genießt diese Reise durch 50 verschiedene Herzen und lässt Dich von der Vielfalt der ersten Küsse verzaubern. Vielleicht weckt das Buch auch in Dir die ein oder andere schöne Erinnerung und bringt ein Lächeln auf Dein Gesicht.

Am Ende des Buches kannst Du - wenn Du möchtest - Deine eigene Geschichte ergänzen. Ich lade Dich auch herzlich ein, im Freundeskreis nach den Geschichten vom ersten Kuss zu fragen.

Mach daraus ein kleines Event – vielleicht bei einem gemütlichen Abendessen oder einem Glas Wein.

Du wirst erstaunt sein, wie viel Verbindung das Teilen solcher Erinnerungen schaffen kann.

Viel Spaß beim Lesen, Schreiben und Erzählen!

Herzlichst, Euer Lukas

P.S. Tipps für Deinen ersten oder nächsten Kuss findest Du auf Social Media. :)

Alle 50 Küsse

1. Kuss Der perfekte Schulball

2. Kuss Der geschenkte Kuss

3. Kuss Der verliebte Apfelstrudel

4. Kuss Fleißige Putzerfische

5. Kuss Ein Kompliment

6. Kuss Die tückische Lady

7. Kuss Klebrig?

8. Kuss Der verpasste Zug

9. Kuss Der Kuss des Erfahrenen

10. Kuss Kribbelnde Ameisen

11. Kuss Schmetterlinge im Kino

12. Kuss Der "Ahhhh-es-kribbelt-überall-Moment"

13. Kuss Unter der Linden

14. Kuss Wunderschön überfallen

15. Kuss Der „richtige“ Erste Kuss

16. Kuss Gut Ding will Weile haben

17. Kuss Nasse Nähe

18. Kuss Spannung auf dem Teppich

19. Kuss Übung macht den Meister

20. Kuss Aus den Augen, aus dem Sinn?

21. Kuss Ketchup verbindet

22. Kuss Wahre Liebe

23. Kuss Lemon Tree

24. Kuss Ein Sommerabend

25. Kuss Die Bude

26. Kuss Am anderen Ende der Welt

27. Kuss Rehe im Club

28. Kuss Der rennende Gentleman

29. Kuss Definiere Kuss?

30. Kuss Geküsst wird analog

31. Kuss Der freche Steinbock

32. Kuss Plötzlich Panda

33. Kuss Silvester am See

34. Kuss Unterm Sternenhimmel

35. Kuss Im Eiscafe

36. Kuss Flaschendrehen

37. Kuss Am Kanal

38. Kuss Geh nicht zu früh

39. Kuss Die Doppelparty

40. Kuss An der Uni zum Glück

41. Kuss Aller guten Dinge sind drei

42. Kuss Politik eines Kusses

43. Kuss Gemütlichkeit

44. Kuss Küssen wir uns endlich?

45. Kuss Vom richtigen Winkel

46. Kuss Glück im Spiel ...

47. Kuss Der Schelm

48. Kuss Die Brücke der Herzen

49. Kuss Vertraute in der Fremde

50. Kuss Verloren und gefunden

51. Kuss Dein eigner Erster Kuss

1

Der perfekte Schulball

Es war mein erster Schulball und der sollte sich zu einem ganz besonderen Ereignis entwickeln. Schon Tage davor war meine Aufregung riesengroß! Zum ersten Mal hohe Schuhe tragen, zum ersten Mal in den Geschäften die verschiedensten Ballkleider probieren, zum ersten Mal so richtig schön fühlen.

Gemeinsam mit meiner besten Freundin traf ich alle Vorbereitungen – wir schminkten uns, machten uns gegenseitig tolle Frisuren, lackierten uns die Nägel und fühlten uns gleich ein kleines bisschen erwachsener. Als wir dann schlussendlich in unsere Kleider schlüpften, waren meine Eltern nicht mehr zu bremsen. Sofort wurde der Fotoapparat gezückt, denn schließlich müsse man diesen einzigartigen Moment für die Ewigkeit einfangen! Das Kleid meiner besten Freundin war violett und meines war blau – alles war farblich perfekt aufeinander abgestimmt. Wir fühlten uns an diesem Abend wie Königinnen! Meine Mutter fuhr uns zum Schiller-Saal wo es von Besuchern nur schon so wimmelte. Dort trafen wir dann auch unsere anderen Freunde. Gemeinsam erkundeten wir die Räumlichkeiten, tanzten und amüsierten uns prächtig. Als ich dann an der Sektbar Michael stehen sah, rutschte mir das Herz in die Hose. Er ging in eine Klasse über mir, war beliebt und so gut wie alle Mädchen begehrten ihn. Leider musste ich mich selbst auch zu ihnen zählen. Das störte mich total, weil ich es eigentlich furchtbar fand, dass er genau wusste, dass er gut aussieht. Sein selbstgefälliges Grinsen brachte mich einerseits in Rage, doch andererseits hätte ich auch jedes Mal dahinschmelzen können!

Er hatte schwarze Haare, war gut gebaut und wirkte für sein Alter äußerst reif, ganz anders als die anderen in seiner Klasse. Michael schaute mit seinem Sektglas in der Hand in meine Richtung und er grinste. Sofort begann das Blut in meinen Adern zu kochen und meine Wangen wurden ganz rot.

„Nein, reiß dich zusammen“, dachte ich. Ich war mir sicher, dass er nicht mich angeschaut hatte. Michael galt für mich immer als unerreichbar. Ich musste mich einfach getäuscht haben! Verlegen blickte ich im Raum umher, um nicht noch einmal seinem Blick zu begegnen. So unmöglich es mir damals auch schien, doch er kam tatsächlich auf mich zu! „Hey, deine Wangen sind ganz rot. Ich glaube, du solltest dringend an die frische Luft. Komm, ich begleite dich“, sagte er.

Ich war total perplex.

Er nahm meinen Arm und zog mich mit hinaus. Ich war wie in Trance, unfähig mich zu wehren oder etwas zu sagen. Draußen war es ziemlich kalt, also streifte mir Michael unaufgefordert sein Sakko über. Ich fand das äußerst charmant. „Danke“, sagte ich kaum hörbar. Reden gehörte damals absolut nicht zu meinen Stärken, vor allem nicht in Gegenwart von Jungs. Doch glücklicherweise war Michael geübter darin. Fragt man mich heute, was er mir alles erzählt hat, kann ich keine Antwort darauf geben. Zu sehr war ich damit beschäftigt, darüber nachzudenken, ja nichts falsch zu machen - gerade dazustehen, zu lächeln.

Als wir wieder hinein gingen, fragten meine Freundinnen, ob ich mit ihnen tanzen gehen wolle. Ich willigte ein und Michael begleitete uns.

Die Musik war so laut, fast schon ohrenbetäubend. Doch ich glaube, dass es genau das war, das mich entfesselte.

Ich tanzte, hüpfte und sang aus vollem Leibe. Plötzlich nahm Michael meinen Kopf zwischen seine großen Hände, schaute mich an und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Und obwohl dieser Moment innerhalb einer Sekunde wieder vorbei war, kam es mir vor wie eine halbe Ewigkeit…

2

Der geschenkte Kuss

Erste Küsse sind etwas, was ich mir immer großartig und besonders vorgestellt hatte – etwa wie den Abschlussball oder den 18. Geburtstag. Dass es knistert und im Bauch kribbelt, dass man verliebt ist und die Person noch tausend weitere Male küssen könnte. Als ich fünfzehn wurde stellte sich dann aber heraus, dass die Dinge doch nicht immer ganz nach Vorstellung verlaufen. Während einige meiner Freunde Beziehungen und ihren ersten Kuss schon hinter sich hatten, konnte ich von diesen Dingen nur träumen.

Etwas anders kam es dann, als ich Finn kennenlernte. Wir gingen auf die gleiche Schule und wurden schnell Freunde. Als ich fünfzehn wurde, kannten wir uns seit etwa eineinhalb Jahren, schrieben täglich und sahen uns ziemlich oft, auch außerhalb der Schule. Trotzdem waren wir einfach nur gute Freunde. Zu meinem Geburtstag schrieb er mir und fragte mich, was ich mir von ihm wünschen würde. Nach einer „Du musst mir doch nichts schenken“-Diskussion schrieb er dann eine Liste von Dingen, die er mir seiner Meinung nach schenken könnte; darunter Dinge wie Schokolade, Musik, ein Bild (er kann unglaublich gut zeichnen) und irgendwo in der Mitte tauchte auch das Wort „Kuss“ auf. Natürlich war ich zunächst etwas verwirrt – auch wenn ich mir sehr im Klaren darüber war, was ich von ihm wollte. Statt direkt darauf zu antworten, schlug ich ein Treffen in den nächsten Tagen vor. Drei Tage später dann fanden wir gerade mal eine Stunde, in der wir beide Zeit hatten. Ich fuhr zu ihm und wir setzten uns wie gewohnt an den Schreibtisch, hörten Musik und redeten. Nach einer Weile wollte Finn dann wissen, ob ich mir schon überlegt hatte, was ich mir von ihm wünschen würde. Da ich nicht direkt sagen wollte, was ich von ihm wollte, behauptete ich, ich hätte vergessen, welche Ideen er aufgelistet hatte. Also öffnete er unseren Chat und zeigte mir die Liste. Ohne abzuwarten fing er an, sie abzuarbeiten. „Schokolade?“, fragte er zum Beispiel und gab mir eine Süßigkeit, oder „Bild?“ und malte ein flüchtiges Bild in eins meiner Hefte. Irgendwann sagte er dann schüchtern „Kuss?“ und in dem Moment antwortete ich so schnell ich konnte „Ja.“ Wie gesagt. Den ersten Kuss hatte ich mir besonders vorgestellt. In dem Moment, als Finn sich vorlehnte und mich küsste, spürte ich es weder knistern noch Verliebtheit, so wie es mir eigentlich erging, wenn ich ihn ansah. Es war etwas gewöhnungsbedürftig und fühlte sich erst einmal etwas komisch an. Wir sahen uns eine Weile an ohne, dass einer von uns etwas sagte.

Kurz danach war unsere Stunde um und er brachte mich zum Bus. Eine Umarmung und schon war alles wieder wie immer. Zwischen uns hatte sich nichts geändert. Und auch jetzt, Jahre später, sind wir immer noch so gut befreundet wie mit Fünfzehn, auch wenn wir uns nicht mehr so oft sehen und unser erster Kuss auch unser Letzter war. Im Nachhinein bin ich trotzdem mehr als dankbar, dass ich mit Finn meinen ersten Kuss hatte. Auch wenn daraus keine Beziehung entstand, hätte ich weder die Person noch die Situation für eine andere eintauschen wollen.

3

Der verliebte Apfelstrudel

Er hieß Thomas und war in derselben Klasse wie ich, damals, im Gymnasium. Am ersten Schultag fiel er mir erst auf, als schon alle Schüler Platz genommen hatten und ich direkt hinter ihm saß - mit Blick auf seinen Rücken. Ich weiß noch, wie ich meine Sitznachbarin angestupst hatte, wir kannten uns schon lange, und ihr ins Ohr flüsterte „Ein schöner Rücken kann auch entzücken, hm?“.

Mit der Zeit stellte sich heraus, dass Thomas noch viel mehr zu bieten hatte als einen schönen Rücken. Er war klug und gut aussehend und brachte mich zum Lachen.

Wir hatten nur drei Jungs in der Klasse und in den Pausen scharrten alle Mädchen wie die Hühner um diese exotisch anmutenden Lebewesen und kicherten über ihre Witze um die Wette.

Ich ahnte lange nichts davon, dass Thomas sich in mich verliebt hatte, gerade in mich. Ich hatte nie - wie die anderen Mädchen – versucht ihn auf mich aufmerksam zu machen.

Wir verstanden uns gut, wir neckten uns und tauschten Blicke aus, die mich erröten ließen. Unser erster Kuss ereignete sich an einem Mittwoch, das weiß ich noch genau. Ich kann mich deshalb noch an den Wochentag erinnern, weil an diesem Tag immer Kochen auf dem Unterrichtsplan stand.

An diesem Tag wurden wir darin unterrichtet einen Apfelstrudel herzustellen. Dazu mussten wir alle vorgeschriebenen Zutaten vermengen und gut durchkneten. Bevor wir beginnen konnten, wies uns unsere Kochlehrerin Frau Konrad an, die Gesamtmenge an Zutaten von den jeweiligen Lagerräumen zu holen. Thomas und ich wurden beauftragt, Eier und Milch aus einem der Kühlhäuser herzuschaffen.

Auf dem Weg zum Kühlhaus trafen sich kurz unsere Blicke, ich grinste und blickte zu Boden. Das Kühlhaus war sehr geräumig und beherbergte allerlei wichtige Zutaten. Als wir das Kühlhaus betraten, verschränkte ich sofort protestierend die Arme um mich instinktiv ein wenig vor der Kälte zu schützen. Wir lachten, ich stubste Thomas ein wenig nach vorne und sagte er solle sich lieber beeilen die Zutaten zu finden.

Wir gingen an mehreren metallenen Regalen entlang, bis wir ganz hinten die Eier und die Milch entdeckten. Thomas war zuerst dort und griff über sich nach einem vollen Riesenkarton Eier, um ihn hervorzuziehen. Ich ging neben ihm ein wenig in die Hocke, um nach einer Milchpackung zu fischen.

Mit der Milch in der Hand richtete ich mich wieder auf, Thomas drehte sich zu mir, ohne Eier hervorgeholt zu haben. Ich konnte gerade noch sagen „Warum hast du nicht...?“, doch sein Blick ließ mich verstummen. Er sah mich an, wie er mich noch nie angesehen hatte, mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Sehnsucht in seinen Augen.

Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und platzierte sie mir vorsichtig hinter meinem Ohr. Ich hielt den Atem an und trotz der Kälte um uns herum fühlte ich wie mir ein heißer Schauer über den Rücken lief.

Er zog mich, mit der Hand nun in meinem Nacken, sanft zu sich. Ich folgte seiner Bewegung und machte einen Schritt auf ihn zu. Als wir uns küssten, spürte ich seinen warmen Atem auf meiner Wange. Es war ein langer, jedoch fast zaghafter Kuss, der niemals hätte enden dürfen.

Nach einiger Zeit, wir hörten Frau Konrad draußen nach uns rufen, lösten wir uns lachend voneinander. Ich habe nie einen besseren Apfelstrudel gegessen, als den, den wir an diesem Tag gebacken haben.

4

Fleißige Putzerfische

An meinen ersten Kuss werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern. Ich weiß noch, dass ich danach wie ein Honigkuchen-Pferd grinsend durch die Stadt nach Hause gelaufen bin.

Ich war 14, er 15 Jahre alt. Leider wohnte er ziemlich weit weg von mir, weshalb wir uns nicht oft sahen. Der Kontakt bestand hauptsächlich aus Chatten. Weil wir selbstverständlich beide noch keinen Führerschein hatten, musste also die Deutsche Bahn herhalten. Nach fast vier Monaten kam er zu mir in die Heimat. Den ganzen Tag über liefen wir Hand in Hand bei strahlendem Sonnenschein durch die Stadt und quatschten über Gott und die Welt. Schließlich kam der Abend und er musste zurück nach Hause fahren.

Wir standen also auf dem Bahnsteig und warteten auf den Zug. Bei uns am Bahnhof stand zu der Zeit ein Getränkeautomat und er lehnte ganz lässig mit dem Rücken dagegen. Das linke Bein angewinkelt, um sich mit dem Fuß ebenfalls am Automat abzustützen.

Ein kalter Windstoß fegte über das Gleis. Er öffnete den Reißverschluss seiner Sweatshirt-Jacke und ich schlang meine Arme um seinen Körper. Er war fast einen Kopf größer als ich und somit war natürlich auch seine Jacke recht groß. Aus irgendeinem Grund fand er es lustig, die Jacke hinter meinem Rücken wieder zu schließen, sodass ich wie in einer Zwangsjacke an seinen Bauch gefesselt war. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, legte er sein Kinn auf meinen Kopf und nahm mich fest in die Arme. Ich kam mir vor wie ein Baby in einem dieser Tragebeutel, die sich Mütter vor den Bauch schnallen. Weil ich das im Gegensatz zu den Babys aber überhaupt nicht bequem fand, fing ich an mich zu beschweren und ihm in den Rücken zu kneifen. Ganz leicht, versteht sich. Wir mochten uns ja schließlich.

Er zuckte zurück und gab meinen Kopf wieder frei. Siegessicher grinste ich zu ihm hoch und dann begann dieser Moment, den man aus schlechten Liebesfilmen kennt: Alles wurde sehr langsam und wie in Watte eingepackt. Aber im Gegensatz zu den Kerlen in den Filmen nahm er nicht mein Gesicht in seine Hände oder hob mein Kinn mit dem Finger an. Er legte seinen Kopf leicht schräg nach rechts und beugte sich vor. Seine Augen und meine Augen waren offen und ich glaube, ich muss in dem Moment ein bisschen ausgesehen haben, wir ein Reh im Scheinwerferlicht. Mit seiner Nase stupste er meine Nase - und somit auch meinen Kopf - etwas nach oben und schräg nach links. Seine Arme, die inzwischen etwas lockerer um meine Taille gelegt waren, zogen sich enger zusammen und mich näher an ihn ran. Diesmal beschwerte ich mich nicht. Ob unsere Lippen zu anfangs geschlossen oder offen waren, weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube aber, dass sie geschlossen waren. Mein erster Kuss war eigentlich nur ein Schmatzer auf den Mund. Ein recht langer Schmatzer. Irgendwann - keine Ahnung wieso - zogen wir unsere Köpfe wieder zurück und sahen uns tief in die Augen. Er grinste, ich grinste und dann folgte doch noch der Hollywood-Klassiker: Er legte seine Hände links und rechts an meine Wangen und zog mein Gesicht ein kleines Stück näher an seins, während er sich wieder vorbeugte. Mein zweiter Kuss, der für mich ein Teil meines ersten Kusses ist, war länger und sah bestimmt für Außenstehende ziemlich dämlich aus.

Wie zwei Putzerfische bei der Arbeit. Aber das war mir in dem Moment egal. Für mich hatte der absolut coolste Junge auf Erden mich gerade geküsst.

Nachdem der blöde Zug kam und er einsteigen und wegfahren musste, war ich kurze Zeit sehr traurig. Doch dann habe ich mir mit dem Zeigefinger an die Lippen gefasst, angefangen zu grinsen und bin nach Hause geflogen auf einer rosaroten Wolke mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das ich nicht abstellen konnte.

5

Ein Kompliment