Der Geist der deutschen Klassiker - Ernst von Feuchtersleben - E-Book

Der Geist der deutschen Klassiker E-Book

Ernst von Feuchtersleben

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"Der Geist der deutschen Klassiker" beinhaltet eine Auslese der geistreichsten Gedanken, Maximen und Aussprüche von Goethe Schiller Herder Lessing Jean Paul Wieland Lichtenberg Hippel

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Der Geist der deutschen Klassiker

Ernst Freiherr von Feuchtersleben

Inhalt:

Ernst Freiherr von Feuchtersleben – Biografie und Bibliografie

Der Geist der deutschen Klassiker

Vorwort

Goethe

Schiller

Herder

Lessing

Jean Paul

Wieland

Lichtenberg

Hippel

Der Geist der deutschen Klassiker, E. von Feuchtersleben

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849638382

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Ernst Freiherr von Feuchtersleben – Biografie und Bibliografie

Mediziner und Dichter, geb. 29. April 1806 in Wien, gest. daselbst 3. Sept. 1849, studierte seit 1825 in Wien, hielt seit 1844 an der Wiener Hochschule Vorträge zur Vorbildung psychischer Ärzte, wurde 1847 Vizedirektor der medizinisch-chirurgischen Studien und war 1848 kurze Zeit Unterstaatssekretär im Unterrichtsministerium. F. war nicht nur ein scharfsinniger Arzt, sondern auch ein Dichter von seinem ästhetischen Sinn und philosophischer Weltbildung und entfaltete auch eine reiche kritische Tätigkeit, die sich polemisch zur Literatur des »jungen Deutschland« stellte. Er schrieb: »Über das Hyppokratische erste Buch von der Diät« (Wien 1835); »Über die Gewißheit und Würde der Heilkunst« (das. 1839; neue Ausgabe u. d. T.: »Ärzte und Publikum«, 1848); »Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde« (das. 1845). Ungemeine Verbreitung fand das für das größere Publikum bestimmte Schriftchen »Zur Diätetik der Seele« (Wien 1838, 46. Aufl. 1896). Er lehrte im Gegensatz zu Hufelands »Makrobiotik«, d. h. der Kunst, das Leben zu verlängern, eine »Kalobiotik«, d. h. die Kunst, sich die Harmonie des Lebens zu bewahren, im Sinne Goethes, für den er auch sonst bei jeder Gelegenheit eintrat. Wertvoll sind auch seine »Beiträge zur Literatur-, Kunst- und Lebenstheorie« (Wien 1837–41, 2 Bde.) und die mit Geschmack ausgeführte Anthologie »Geist der deutschen Klassiker« (3. Aufl., das. 1866). Seine »Gedichte« erschienen Stuttgart 1836 (darin das von Mendelssohn-Bartholdy vertonte und zum Volkslied gewordene: »Es ist bestimmt in Gottes Rat«). Seine »Sämtlichen Werke« (mit Ausschluss der rein medizinischen) wurden von Fr. Hebbel (Wien 1851–53, 7 Bde.) mit Biographie herausgegeben. Vgl. M. Necker, Ernst v. F., der Freund Grillparzers, im »Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft«, Bd. 3 (Wien 1893).

Der Geist der deutschen Klassiker

Vorwort

Wir haben an Klassiker-Ausgaben keinen Mangel. Wohl aber verwehrt die Hast des Alltags vielzuvielen jene Stunden der Sammlung, wo Geist und Gemüt sich an den Werken der Großen unserer Literatur in beschaulicher Ruhe erheben und stärken möchten. Das ist, wenngleich in geringerm Maße, früher wohl kaum anders gewesen. Und so holte vor sechzig Jahren der feinsinnige Freiherr Ernst von Feuchtersleben, dem wir ein unvergängliches Büchlein über die Diätetik der Seele verdanken, aus den reichen Bergwerken unserer Nationalliteratur die Goldkörner und vereinigte sie zur Bereicherung der Innenkultur seiner Zeitgenossen als Geist deutscher Klassiker in einer Sammlung.

Das gehaltvolle Werk, auf das wir stolz sein sollten, ist im Buchhandel längst vergriffen, doch darum noch immer lesenswert. In der Unrast unseres Erwerbslebens, da eine um sich greifende seelische Verflachung unverkennbar das deutsche Wesen bedroht, sollten wir uns häufiger der bedeutenden Männer der Vergangenheit erinnern, deren unerschütterlicher Glaube an die Höherbildung unserer Nation ebenso von einer tiefen Liebe zu allem Menschlichen wie von Ehrfurcht vor dem Sittlichen und Göttlichen beseelt war. Mochte die Größe ihrer Persönlichkeit der Vergänglichkeit unterliegen, sie haben unsere Denk- und Gefühlswelt mit Wahrheiten bereichert, die für alle Zeiten gültig sind.

Allerdings ist das heutige Geschlecht geneigt, jene mit höchstens zwei Ausnahmen als entthronte Geistesfürsten zu betrachten, deren Schriften wieder vorzunehmen weder Genuß noch Gewinn verspricht. Sehr mit Unrecht. Immerhin war ohne gewisse Kürzungen eine Neuausgabe des umfangreichen Werkes nicht ratsam. Zunächst mußte, ohne Wert und Wesen der Sammlung zu beeinträchtigen, auf einzelne Geister von minderm parnassischen Adel verzichtet werden. Bei den verbleibenden waltete sodann dort, wo die Gedanken weniger in die Tiefe als in die Breite gingen, der Redaktionsstift emsig seines Amtes. Gewissenhaft ließ ich es mir angelegen sein, daß dieses Schatzkästlein in seiner verjüngten Gestalt nur echtes Gold biete, das als edles Metall nie seinen Wert verliert. Es bleibt auch nach den erheblichen Streichungen immer noch ein Werk von stärkster Gedankenfülle. So darf diese Neuausgabe wohl den Büchern beigezahlt werden, zu denen man immer wieder greift. Namentlich jene Hungrigen im Geist, denen nur knapp bemessene Feierstunden zugewiesen sind, werden seinen bleibenden Wert empfinden. Ihnen und allen, die eine Tiefe des Lebens anerkennen, vermag sie die Seele mit schöpferischen Kräften zu speisen. Möge daher der lebendige, weitblickende Geist unserer Klassiker, auch dort, wo er uns altväterlich anmutet, mit seinem kräftigen Optimismus die Jugend wie das Alter zu gleicher Lebensauffassung erziehen und umwandeln, damit sie in den geistigen Nöten der Gegenwart sich auf die Kräfte unseres Volkes besinnen und den Glauben an dieses bewahren.

Seitdem diese Zeilen geschrieben wurden, ist der unabwendbare Weltkrieg über uns hereingebrochen. Was ist das beispiellose Völkerringen anders als der Daseinskampf des deutschen Geistes gegen die Geister des Neides und des Hasses, die Deutschlands Zerstückelung und wirtschaftliche Verarmung als ausgesprochenes Endziel zusammengeführt hat! Fragt man uns aber, was deutscher Geist sei, so antworten wir: Alles, was deutsche Kraft geschaffen und deutscher Wille geleistet hat, die eiserne Heldenkraft unserer Heere gegen die ungeheure Übermacht und die heldenhafte Ausdauer unseres Volkes unter schweren Entbehrungen – das ist uns zum Ausdruck des deutschen Geistes geworden, der sich zum Staunen der Welt in ungebeugter Kraft bewährt.

Aber deutscher Geist, das sind auch jene, die diese gewaltige Gegenwart mit der Vergangenheit in Verbindung bringen. Der feste Glaube, daß wir dem Ansturm übermächtiger Gegner nicht erliegen können und dürfen, das sind die geistigen Waffen unserer unvergleichlichen Krieger geworden. Unsere Dichter und Denker wurden eine stattliche Armee der Geister, die vor ihnen einhergeschritten sind. Unsere Klassiker des Denkens, die uns zur Höhe unserer Kultur emporgeführt haben, waren nie so lebendig wie heute. Und die Stimmen aus deutscher Vergangenheit – uns zur Ehre, den andern zur Lehre – haben nie ein höheres Anrecht besessen, gehört zu werden als in diesen schicksalsschweren Tagen.

Wilhelm Ruland

Glückselige Zeiten, als der Tugendhafteste der Gelehrteste war, als alle Weisheit in kurzen Lebensregeln bestand.Lessing

Goethe

Er war die Seele seines Jahrhunderts.Emerson

Der würdigste Kenner, dem die Götter die Natur samt der Kunst zum Königreich gegeben.Schelling

Die Natur wollte wissen, wie sie aussähe, da erschuf sie Goethe.Heine

Goethe, jetzt der wahre Statthalter des poetischen Geistes auf Erden.Novalis

Die Geleitworte, den Denkern dieser Sammlung gewidmet, sind Zusatz der Neuausgabe.

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Die Welt ist nur ein einfaches Rad, in dem ganzen Umkreise sich gleich und gleich, das uns aber so wunderlich vorkommt, weil wir selbst mit herumgetrieben werden.

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Die Welt ist eine Glocke, die einen Riß hat; sie klappert, aber sie klingt nicht.

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Wenn die Menschen recht schlecht werden, haben sie keinen Anteil mehr als die Schadenfreude.

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Mißgunst und Haß beschränken den Beobachter auf die Oberfläche, selbst wenn Scharfsinn sich zu ihnen gesellt; verschwistert sich dieser hingegen mit Wohlwollen und Liebe, so durchdringt er die Welt und den Menschen, ja er kann hoffen, zum Allerhöchsten zu gelangen.

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Wie in Rom außer den Römern noch ein Volk von Statuen war, so ist außer dieser realen Welt noch eine Welt des Wahns, viel mächtiger beinahe, in der die meisten leben.

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In der Welt ist im Grunde des Guten so viel als des Bösen; weil aber niemand leicht was Gutes erdenkt, dagegen jedermann sich einen großen Spaß macht, was Böses zu erfinden und zu glauben, so gibt's der favorablen Neuigkeiten so viel.

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Man verdient wenig Dank von den Menschen, wenn man ihr inneres Bedürfnis erhöhen, ihnen eine große Idee von ihnen selbst geben, ihnen das Herrliche eines wahren, edlen Daseins zum Gefühl bringen will. Aber wenn man die Vögel belügt, Märchen erzählt, von Tag zu Tag ihnen forthelfend, sie verschlechtert, da ist man ihr Mann, und darum gefällt sich die neuere Zeit in so viel Abgeschmacktem.

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In der Welt kommt's nicht darauf an, daß man die Menschen kenne, sondern daß man im Augenblick klüger sei als der vor uns Stehende. Alle Jahrmärkte und Marktschreier geben davon Zeugnis.

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In der Welt ist es sehr selten mit dem Entweder-Oder getan; die Empfindungen und Handlungsweisen schattieren sich so mannigfaltig, als Abfälle zwischen einer Habichts- und Stumpfnase sind.

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Wenn man der Welt was zuliebe gemacht, so wird sie dafür sorgen, daß man es nicht zum zweiten Male tut.

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Es ist gut, daß der Mensch, der erst in die Welt tritt, viel von sich halte, daß er sich viele Vorzüge zu erwerben denke, daß er alles möglich zu machen suche; aber wenn seine Bildung auf einem gewissen Grade steht, dann ist es vorteilhaft, wenn er sich in einer größeren Masse verlieren lernt, wenn er lernt, um anderer willen zu leben und seiner selbst in einer pflichtmäßigen Tätigkeit zu vergessen. Da lernt er erst sich selbst kennen, denn das Handeln eigentlich vergleicht uns mit andern.

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Man kann die Erfahrung nicht früh genug machen, wie entbehrlich man in der Welt ist. Welche wichtige Personen glauben wir zu sein! Wir denken allein den Kreis zu beleben, in welchem wir wirken; in unserer Abwesenheit muß – bilden wir uns ein – Leben, Nahrung und Atem stocken; und die Lücke, die entsteht, wird kaum bemerkt; sie füllt sich so geschwind wieder aus, ja sie wird oft nur der Platz, wo nicht für etwas Besseres, doch für etwas Angenehmeres.

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Was das für Menschen sind, deren ganze Seele auf dem Zeremoniell ruht, deren Dichten und Trachten jahrelang dahingeht, wie sie um einen Stuhl weiter hinauf bei Tische sich einschieben wollen! Und nicht, daß sie sonst keine Angelegenheit hätten: nein, vielmehr häufen sich die Arbeiten, eben weil man über den kleinen Verdrießlichkeiten von Beförderung der wichtigen Sachen abgehalten wird.

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Mit einem klaren Geist wird man leicht bekannt, und mit dem Weltmann findet ihr's leicht bequem, weil er durchaus offen erscheint, ohne eben gerade aufrichtig zu sein.

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Es ist besser, das geringste Ding von der Welt zu tun, als eine halbe Stunde für gering halten.

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Mut und Bescheidenheit sind die unzweideutigsten Tugenden; denn sie sind von der Art, daß Heuchelei sie nicht nachahmen kann; auch haben sie die Eigenschaft gemein, sich beide durch dieselbe Farbe auszudrücken.

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Unter allem Diebesgesindel sind die Narren die schlimmsten; sie rauben euch beides: Zeit und Stimmung.

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Uns selbst zu achten, leitet unsere Sittlichkeit, andere zu schätzen, regiert unser Betragen.

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Das Gemeine muß man nicht rügen; denn das bleibt sich ewig gleich.

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Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn daran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am Abend uns keine Lust zu hoffen übrig bleibt; ist's wohl des An- und Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heute, um das zu überlegen, was gestern war? Und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages?

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Alles, was wir treiben und tun, ist ein Abmühen; wohl dem, der nicht müde wird.

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Seelenleiden, in die wir durch Unglück oder eigene Fehler geraten, zu heilen, vermag der Verstand nichts, die Vernunft wenig, die Zeit viel, entschlossene Tätigkeit hingegen alles.

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Trenne alles, was eigentlich Geschäft ist, vom Leben. Das Geschäft verlangt Ernst und Strenge, das Leben Willkür, das Geschäft die reinste Folge; dem Leben tut eine Inkonsequenz oft not, ja sie ist liebenswürdig und erheiternd. Bist du bei dem einen sicher, so kannst du bei dem andern desto freier sein; anstatt daß bei einer Vermischung das Sichere durch das Freie weggerissen und aufgehoben wird.

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Ein Faktum unseres Lebens gilt nicht, insofern es wahr ist, sondern insofern es etwas zu bedeuten hatte.

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Der Aberglaube, sowie manches andere Wähnen, verliert sehr leicht an seiner Gewalt, wenn er, statt unserer Eitelkeit zu schmeicheln, ihr in den Weg tritt und diesem zarten Wesen eine böse Stunde machen will; wir sehen alsdann recht gut, daß wir ihn loswerden können, sobald wir wollen; wir entsagen ihm um so leichter, je mehr alles, was wir ihm entziehen, zu unserem Vorteil gereicht.

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Wir spielen mit Voraussagungen, Ahnungen und Träumen und machen dadurch das alltägliche Leben bedeutend. Aber wenn das Leben nun selbst bedeutend wird, wenn alles um uns sich bewegt und braust, dann wird das Gewitter durch jene Gespenster nur noch fürchterlicher.

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Einen sehr tiefen Sinn hat jener Wahn, daß man, um einen Schatz wirklich zu heben und zu ergreifen, stillschweigend verfahren müsse, kein Wort sprechen dürfe, wieviel Schreckliches und Ergötzendes auch von allen Seiten erscheinen möge. Ebenso bedeutsam ist das Märchen, man müsse bei wunderbarer Wagefahrt nach einem kostbaren Talisman in entlegensten Bergwildnissen unaufhaltsam fortschreiten, sich ja nicht umsehen, wenn auf schroffem Pfade fürchterlich dräuende oder lieblich lockende Stimmen ganz nahe hinter uns vernommen werden.

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Ordnung und Klarheit vermehrt die Lust zu sparen und zu erwerben. Ein Mensch, der übel haushält, befindet sich in der Dunkelheit sehr wohl; er mag die Posten nicht gern zusammenrechnen, die er schuldig ist. Dagegen kann einem guten Wirt nichts angenehmer sein, als sich alle Tage die Summe seines wachsenden Glückes zu ziehen. Selbst ein Unfall, wenn er ihn verdrießlich überrascht, erschreckt ihn nicht; denn er weiß sogleich, was für erworbene Vorteile er auf die andere Wagschale zu legen hat.

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Klarheit nötigt zur Einsicht, Einsicht erschafft Duldung, Duldung ist die einzige Vermittlerin eines in allen Kräften und Anlagen tätigen Friedens.

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Auch die Sorge ist eine Klugheit, wiewohl nur eine passive.

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Das Gedächtnis mag immer schwinden, wenn das Urteil im Augenblick nicht fehlt.

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Ein Zustand, der alle Tage neuen Verdruß zuzieht, ist nicht der rechte.

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Die Menschen sind wie das Rote Meer; der Stab hat sie kaum auseinander gehalten, gleich hinterdrein fließen sie wieder zusammen.

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Was ist der Mensch, der gepriesene Halbgott? Ermangeln ihm nicht eben da die Kräfte, wo er sie am nötigsten braucht? Und wenn er in Freude sich aufschwingt oder in Leiden versinkt, wird er nicht in beiden eben da aufgehalten, eben da zu dem stumpfen, kalten Bewußtsein wieder zurückgebracht, da er sich in der Fülle des Unendlichen zu verlieren sehnte?

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Was der Mensch an sich bemerkt und fühlt, scheint mir der geringste Teil seines Daseins. Es fällt ihm mehr auf, was ihm fehlt, als was er hat, was ihn ängstigt, als was ihn ergötzt und erheitert; denn in allen angenehmen und guten Zuständen verliert die Seele das Bewußtsein ihrer selbst wie der Körper auch.

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Niemanden kann seine eigene Gestalt zuwider sein; der Häßlichste wie der Schönste hat das Recht, sich seiner Gegenwart zu freuen, und da das Wohlwollen verschönt und sich jedermann mit Wohlwollen im Spiegel besieht, so kann man behaupten, daß jeder sich auch mit Wohlgefallen erblicken müsse, selbst wenn er sich dagegen sträuben wollte.

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Wir blicken so gern in die Zukunft, weil wir das Ungefähre, was sich in ihr hin und her bewegt, durch stille Wünsche so gern zu unsern Gunsten heranleiten möchten.

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Wir befinden uns nicht leicht in großer Gesellschaft, ohne zu denken; der Zufall, der so viele zusammenbringt, soll uns auch unsere Freunde herbeiführen.

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Man mag noch so eingezogen leben, man wird, ehe man sich's versieht, ein Schuldner oder ein Gläubiger.

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Begegnet uns jemand, der uns Dank schuldig ist, gleich fällt es uns ein. Wie oft können wir jemand begegnen, dem wir Dank schuldig sind, ohne daran zu denken.

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Sich mitzuteilen ist Natur; Mitgeteiltes aufzunehmen, wie es gegeben wird, ist Bildung.

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Man läßt sich seine Mängel vorhalten, man läßt sich strafen, man leidet manches um ihrer willen mit Geduld; aber ungeduldig wird man, wenn man sie ablegen soll.

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Gewisse Mängel sind notwendig zum Dasein des einzelnen. Es würde uns unangenehm sein, wenn alte Freunde gewisse Eigenheiten ablegten.

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Man sagt: er stirbt bald, wenn einer etwas gegen seine Art und Weise tut.

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Was für Mängel dürfen wir behalten, ja an uns kultivieren? Solche, die den andern eher schmeicheln als verletzen.

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Die Leidenschaft erhöht und mildert sich durchs Bekennen. In nichts wäre die Mittelstraße vielleicht wünschenswerter als im Vertrauen und Verschweigen gegen die, die wir lieben.

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Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe. Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor.

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Große Leidenschaften sind Krankheiten ohne Hoffnung. Was sie heilen könnte, macht sie erst recht gefährlich.

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Die Leidenschaften sind Mängel oder Tugenden, nur gesteigerte.

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Der Mensch mag sich wenden, wohin er will, mag unternehmen, was es auch sei, stets wird er auf jenen Weg wieder zurückkehren, den ihm die Natur einmal vorgezeichnet hat.

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Für alle Vögel gibt es Lockspeisen, und jeder Mensch wird auf seine eigene Art geleitet und verleitet.

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Niemand würde in Gesellschaften sprechen, wenn er sich bewußt wäre, wie oft er die andern mißversteht.

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Man verändert fremde Reden beim Wiederholen wohl nur darum so sehr, weil man sie nicht verstanden hat.

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Wer vor andern lange allein spricht, ohne den Zuhörern zu schmeicheln, erregt Widerwillen.

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Jedes ausgesprochene Wort erregt den Gegensinn.

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Widerspruch und Schmeichelei machen beide ein schlechtes Gespräch.

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Die angenehmsten Gesellschaften sind die, in welchen eine heitere Ehrerbietung der Glieder gegeneinander obwaltet.

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Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das, was sie lächerlich finden.

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Das Lächerliche entspringt aus einem sittlichen Kontrast, der auf eine unschädliche Weise für die Sinne in Verbindung gebracht wird.

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Der sinnliche Mensch lacht oft, wo nichts zu lachen ist. Was ihn auch anregt, sein inneres Behagen kommt zum Vorschein.

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Der Verständige findet alles lächerlich, der Vernünftige fast nichts.

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Einem bejahrten Manne verdachte man, daß er sich noch um junge Frauenzimmer bemühte. Es ist das einzige Mittel, versetzte er, sich zu verjüngen, und das will doch jedermann.

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Man nimmt in der Welt jeden, wofür er sich gibt; aber er muß sich auch für etwas geben. Man erträgt die Unbequemen lieber, als man die Unbedeutenden duldet.

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Man kann der Gesellschaft alles aufdrängen, nur nicht, was eine Folge hat.

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Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen; wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht.

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Ich finde es beinahe natürlich, daß wir an Besuchenden mancherlei auszusetzen haben, daß wir sogleich, wenn sie weg sind, über sie nicht zum liebevollsten urteilen; denn wir haben sozusagen ein Recht, sie nach unserem Maßstabe zu messen. Selbst verständige und billige Menschen enthalten sich in solchen Fallen kaum einer scharfen Zensur. Wenn man dagegen bei anderen gewesen ist und hat sie mit ihren Umgebungen, Gewohnheiten, in ihren notwendigen, unausweichlichen Zuständen gesehen, wie sie um sich wirken oder wie sie sich fügen, so gehört schon Unverstand und böser Wille dazu, um das lächerlich zu finden, was uns in mehr als einem Sinne ehrwürdig scheinen müßte.

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Durch das, was wir Betragen und gute Sitten nennen, soll das erreicht werden, was außerdem nur durch Gewalt oder auch nicht einmal durch Gewalt zu erreichen ist.

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Der Umgang mit Frauen ist das Element guter Sitten.

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Wie kann der Charakter, die Eigentümlichkeit des Menschen mit der Lebensart bestehen? Das Eigentümliche müßte durch die Lebensart erst recht hervorgehoben werden. Das Bedeutende will jedermann, nur soll es nicht unbequem sein.

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Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. Rohe Kriegsleute gehen wenigstens nicht aus ihrem Charakter, und weil doch meist hinter der Stärke eine Gutmütigkeit verborgen liegt, so ist im Notfalle auch mit ihnen auszukommen.

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Niemand ist lästiger als ein täppischer Mensch vom Zivilstande. Von ihm könnte man die Feinheit fordern, da er sich mit nichts Rohem zu beschäftigen hat.

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Zutraulichkeit an der Stelle der Ehrfurcht ist immer lächerlich. Es würde niemand den Hut ablegen, nachdem er kaum das Kompliment gemacht hat, wenn er wüßte, wie komisch das aussieht.

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Es gibt kein äußeres Zeichen der Höflichkeit, das nicht einen tiefen sittlichen Grund hätte. Die rechte Erziehung wäre, welche dieses Zeichen und den Grund zugleich überlieferte.

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Das Betragen ist ein Spiegel, in welchem jeder sein Bild zeigt.

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Es gibt eine Höflichkeit des Herzens; sie ist der Liebe verwandt. Aus ihr entspringt die bequemste Höflichkeit des äußeren Betragens.

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Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand, und wie wäre der möglich ohne Liebe.

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Wir sind nie entfernter von unseren Wünschen, als wenn wir uns einbilden, das Gewünschte zu besitzen.

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Gegen große Vorzüge eines andern gibt es kein Rettungsmittel als die Liebe.

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Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein. Es darf sich einer nur für frei erklären, so fühlt er sich den Augenblick als bedingt. Wagt er es, sich für bedingt zu erklären, so fühlt er sich frei.

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Es ist was Schreckliches um einen vorzüglichen Mann, auf den sich die Dummen was zugute tun.

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Es gibt, sagt man, für den Kammerdiener keinen Helden. Das aber bloß daher, weil der Held nur vom Helden anerkannt werden kann. Der Kammerdiener wird aber wahrscheinlich seinesgleichen zu schätzen wissen.

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Es gibt keinen größeren Trost für die Mittelmäßigkeit, als daß das Genie nicht unsterblich sei.

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Die größten Menschen hängen immer mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zusammen.

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Man hält die Menschen gewöhnlich für gefährlicher als sie sind. Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich. Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die gefährlichsten.

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Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst.

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Selbst im Augenblick des höchsten Glücks und der höchsten Not bedürfen wir des Künstlers.

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Die Kunst beschäftigt sich mit dem Schweren und Guten. Die Schwierigkeiten wachsen, je näher man dem Ziele kommt. Säen ist nicht so beschwerlich als Ernten.

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Das Schwierige leicht behandelt zu sehen, gibt uns das Anschauen des Unmöglichen.

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Setzten wir uns an die Stelle anderer Personen, so würden Eifersucht und Haß wegfallen, die wir so oft gegen sie empfinden; und setzten wir andere an unsere Stelle, so würde Stolz und Einbildung gar sehr abnehmen.

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Nachdenken und Handeln verglich einer mit Rahel und Lea; die eine war anmutiger, die andere fruchtbarer.

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Nichts im Leben außer Gesundheit und Tugend ist schätzenswerter als Kenntnis und Wissen; auch ist nichts so leicht zu erreichen und so wohlfeil zu erhandeln; die ganze Arbeit ist ruhig sein, und die Ausgabe Zeit, die wir nicht retten, ohne sie auszugeben.

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Jeder Mensch findet sich von den frühesten Momenten seines Lebens an, erst unbewußt, dann halb, endlich ganz bewußt, immerfort findet er sich bedingt, begrenzt in seiner Stellung; weil aber niemand Zweck und Ziel seines Daseins lernt, vielmehr das Geheimnis desselben von höchster Hand verborgen wird, so tastet er nur, greift zu, läßt fahren, steht stille, bewegt sich, zaudert und übereilt sich, und auf wie mancherlei Weise denn alle Irrtümer entstehen, die uns verwirren.

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Sogar der Besonnenste ist im täglichen Weltleben genötigt, klug für den Augenblick zu sein und gelangt deswegen im allgemeinen zu keiner Klarheit. Selten weiß er sicher, wohin er sich in der Folge wenden und was er eigentlich zu tun und zu lassen habe.

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Von der besten Gesellschaft sagt man, ihr Gespräch ist unterrichtend, ihr Schweigen bildend.

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Nicht insofern der Mensch etwas zurückläßt, sondern insofern er wirkt und genießt und andere zu wirken und zu genießen anregt, bleibt er von Bedeutung.

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Wer sich dem Notwendigsten widmet, geht überall am sichersten zum Ziel; andere hingegen, das Höhere, Zartere suchend, haben schon in der Wahl des Weges vorsichtiger zu sein. Doch was der Mensch auch ergreife und handhabe, der einzelne ist sich nicht hinreichend. Gesellschaft bleibt eines wackeren Mannes höchstes Bedürfnis. Alle brauchbaren Menschen sollen in Bezug untereinander stehen, wie sich der Bauherr nach dem Architekten und dieser nach Maurer und Zimmermann umsieht.

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Nie sollten die Menschen unsere Handlungen beurteilen, die ihnen nur einzeln und abgerissen erscheinen, wovon sie das wenigste sehen, weil Gutes und Böses im verborgenen geschieht und eine gleichgültige Erscheinung meistens nur an den Tag kommt! Bringt man ihnen doch Schauspieler und Schauspielerinnen auf erhöhte Bretter, zündet von allen Seiten Licht an, das ganze Werk ist in wenig Stunden abgeschlossen, und doch weiß selten jemand eigentlich, was er daraus machen soll.

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Was unterscheidet den Dummkopf vom geistreichen Menschen, als daß dieser das Zarte, Gehörige der Gegenwart schnell, lebhaft und eigentümlich ergreift und mit Leichtigkeit ausdrückt, als daß jene, gerade wie wir es in einer fremden Sprache tun, sich mit schon gestempelten, hergebrachten Phrasen bei jeder Gelegenheit behelfen müssen.

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Daß die Kinder nicht wissen, warum sie wollen, darin sind alle hochgelehrten Schul- und Hofmeister einig; daß aber auch Erwachsene gleich Kindern auf diesem Erdboden herumtaumeln und wie jene nicht wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen, ebensowenig nach wahren Zwecken handeln, ebenso durch Biskuit und Kuchen und Birkenreiser regiert werden, das will niemand gern glauben, und mich dünkt, man kann es mit Händen greifen.

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Die Toren, die nicht sehen, daß es eigentlich auf den Platz gar nicht ankommt und daß der, der den ersten hat, so selten die erste Rolle spielt. Wie mancher König wird durch seinen Minister, wie mancher Minister durch seinen Sekretär regiert! Und wer ist denn der Erste? Der, dünkt mich, der die andern übersieht und so viel Gewalt oder List hat, ihre Kräfte und Leidenschaften zur Ausführung seiner Pläne anzuspannen.

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Feindselige Naturen, die nur wider Willen entschiedene Vorzüge anerkennen, möchten gern jeden trefflichen Mann in sein Verdienst ganz eigentlich einsperren und ihm eine vielseitige Bildung, die allein Genuß gewährt, verkümmern. Sie sagen gewöhnlich, zu seinem Ruhme habe er dieses oder jenes nicht unternehmen sollen. Als wenn man alles um des Ruhmes willen täte, als wenn die Lebensvereinigung mit ähnlich Gesinnten durch ernste Teilnahme an dem, was sie treiben und leisten, nicht den höchsten Wert hätte.

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Jeder, der mit lebhaften Kräften vor unseren Augen eine Absicht zu erreichen strebt, kann, wir mögen seinen Zweck loben oder tadeln, sich unsere Teilnahme versprechen; sobald aber die Sache entschieden ist, wenden wir unser Auge sogleich von ihm weg. Alles, was geendet, was abgetan daliegt, kann unsere Aufmerksamkeit keineswegs fesseln, besonders, wenn wir schon früh der Unternehmung einen üblen Ausgang prophezeit haben.

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Es ist nicht gut, kaum geknüpfte Verhältnisse zu zerreißen. Alles im Leben, wenn es gedeihen soll, muß eine Folge haben.

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Wer Hilfe begehrt, muß nicht auf seinem Sinne bleiben. Immer zu mißtrauen, ist ein Irrtum, wie immer zu trauen.

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Jedem ist und bleibt das wahr, was ihm fruchtbar ist. Wer bei seiner Meinung beharrt, zeigt uns nur, daß er sie nicht entbehren könne. Wer das versteht, wird nie kontrovertieren.

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So angenehm uns der Anblick eines wohlgestalteten Menschen ist, so angenehm ist uns eine ganze Einrichtung, aus der uns die Gegenwart eines verständigen, vernünftigen Wesens fühlbar wird. Schon in ein reinliches Haus zu kommen, ist eine Freude, wenn es auch sonst geschmacklos gebaut und verziert ist; denn es zeigt uns die Gegenwart wenigstens von einer Seite gebildeter Menschen. Wie doppelt angenehm ist es uns also, wenn aus einer menschlichen Wohnung uns der Geist einer höheren, obgleich auch nur sinnlichen Kultur entgegenspricht.

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Wenn gewöhnliche Menschen, durch gemeine Verlegenheiten des Tages zu einem leidenschaftlich ängstlichen Betragen aufgeregt, uns ein mitleidiges Lächeln abnötigen, so betrachten wir dagegen mit Ehrfurcht ein Gemüt, in welchem die Saat eines großen Schicksals ausgesät worden, das die Entwicklung dieser Empfängnis abwarten muß und weder das Gute noch das Böse, weder das Glückliche noch das Unglückliche, was daraus entspringen soll, beschleunigen darf und kann.

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Es ist immer ein Unglück, in neue Verhältnisse zu treten, aus denen man nicht hergekommen ist; wir werden oft wider unsern Willen zu einer falschen Teilnahme gelockt, uns peinigt die Halbheit solcher Zustände, und doch sehen wir weder die Mittel, sie zu ergänzen noch ihnen zu entsagen.

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Es gibt problematische Naturen, die keiner Lage gewachsen sind, in der sie sich befinden und denen keine genug tut. Daraus entsteht der ungeheuere Widerstreit, der das Leben ohne Genuß verzehrt.

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Es ist das Seltenste und daher auch das Köstlichste zu nennen, wenn eine gegenseitige Auffassung und Hingebung immer die rechte Wirkung tut; immer etwas bildet, was dem nächsten Schritt im Leben zugute kommt, wie denn durch eine glückliche Übereinstimmung des Augenblicks gewiß am lebendigsten auf die Zukunft gewirkt ist.

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Das, was man gedacht, die Bilder, die man gesehen, lassen sich in dem Verstand und in der Einbildungskraft wieder hervorrufen; aber das Herz ist nicht so gefällig; es wiederholt uns nicht die schönsten Gefühle, und am wenigsten sind wir vermögend, uns enthusiastische Momente wieder zu vergegenwärtigen; man wird unvorbereitet davon überfallen und überläßt sich ihnen unbewußt. Andere, die uns in solchen Augenblicken beobachten, haben deshalb davon eine klarere und reinere Ansicht als wir selbst.

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Es gibt Menschen, die auf die Mängel ihrer Freunde sinnen. Es kommt nichts dabei heraus. Ich habe immer auf die Verdienste meiner Widersacher acht gehabt und davon Vorteil gezogen.

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Den Menschen ist nicht zu helfen, und sie hindern uns, daß man sich selbst hilft. Sind sie glücklich, so soll man sie in ihren Albernheiten gewähren lassen; sind sie unglücklich, so soll man sie retten, ohne diese Albernheiten anzutasten; und niemand fragt jemals, ob du glücklich oder unglücklich bist.

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Jeder hat etwas in seiner Natur, das, wenn er es öffentlich ausspräche, Mißfallen erregen müßte.

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Das eigentlich Unverständige sonst verständiger Menschen ist, daß sie nicht zurecht zu legen wissen, was ein anderer sagt, aber nicht gerade trifft, wie er's hätte sagen sollen.

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Dem tätigen Menschen kommt es darauf an, daß er das Rechte tue; ob das Rechte geschehe, soll ihn nicht kümmern.

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Der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn herhängt und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen.

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Vielleicht hätte man viel mehr Dank und Vorteil vom Leben, wenn man sich wechselweise gerade herausspräche, was man voneinander erwartet. Ist das geleistet, so sind beide Teile zufrieden, und das Gemütliche, was das erste und letzte von allem ist, erscheint als reine Zugabe.

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Es bringt uns nichts näher dem Wahnsinn, als wenn wir uns vor anderen auszeichnen, und nichts erhält so sehr den gemeinen Verstand, als im allgemeinen Sinne mit vielen Menschen zu leben. Wie vieles ist leider nicht in unserer Erziehung und in unseren bürgerlichen Einrichtungen, wodurch wir uns und unsere Kinder zur Tollheit vorbereiten.

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Wer seine Bequemlichkeit aufopfert, verachtet gern diejenigen, die sich darin behagen. Jäger, Soldaten, mühsam Reisende bedürfen gutes Mutes, der sich leicht zu Übermut steigert.

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Der Alte verliert eins der größten Menschenrechte, er wird nicht mehr von seinesgleichen beurteilt.

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Man schont die Alten, wie man die Kinder schont.

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Es gibt wenig Menschen, die sich mit dem Nächstvergangenen zu beschäftigen wissen. Entweder das Gegenwärtige hält uns mit Gewalt an sich, oder wir verlieren uns in die Vergangenheit und suchen das völlig Verlorene, wie es nur möglich sein will, wieder hervorzurufen und herzustellen. Selbst in großen und reichen Familien, die ihren Vorfahren vieles schuldig sind, pflegt es so zu gehen, daß man des Großvaters mehr als des Vaters gedenkt.

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Man darf nur alt werden, um milder zu sein; ich sehe keinen Fehler begehen, den ich nicht auch begangen hätte.

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