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Sie sind die Besten, und sie wissen genau, was sie tun und vor allem, mit welchen Horrorgestalten sie es zu tun haben: Geisterjäger nehmen im Kampf gegen das Böse die größten Gefahren und Herausforderungen auf sich. Der dramatische Streit zwischen Gut und Böse wird in diesen Gruselromanen von exzellenten Autoren mit Spannung zur Entscheidung geführt. Die vier jungen Musiker der Rockband ließen die Mauern in einem letzten ohrenbetäubenden Wirbel wackeln. Dann trat Stille ein. Sie sahen einander grinsend an und nickten. "Das war okay", sagte der Bandleader. "Prima, Boys!" Der Tontechniker der Gruppe hatte auf Band mitgeschnitten. Jetzt wollte er die Kopfhörer abnehmen. Er kam nicht dazu. Seine Augen weiteten sich. Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus. Er stieß einen heiseren Schrei aus. Dann brach er zusammen..
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Seitenzahl: 140
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Die vier jungen Musiker der Rockband ließen die Mauern in einem letzten ohrenbetäubenden Wirbel wackeln. Dann trat Stille ein.
Sie sahen einander grinsend an und nickten.
»Das war okay«, sagte der Bandleader. »Prima, Boys!«
Der Tontechniker der Gruppe hatte auf Band mitgeschnitten. Jetzt wollte er die Kopfhörer abnehmen.
Er kam nicht dazu.
Seine Augen weiteten sich. Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus. Er stieß einen heiseren Schrei aus.
Dann brach er zusammen...
*
Mark Baxter, der neunzehnjährige Bandleader, reagierte sofort.
»Strom aus!« brüllte er.
Hank Dancer, der achtzehnjährige Gitarrist, stand dem Sicherungskasten am nächsten. Er schlug mit der Faust auf den Haupthebel. Die Lichter gingen in der umgebauten Garage aus.
Feuerzeuge klickten. Jemand riß ein Streichholz an. Dann hatten sie endlich eine Kerze gefunden.
Das Licht reichte nicht aus, um die ganze Garage auszuleuchten.
»Bringt die Kerze her!« fauchte Mark Baxter die anderen an. »Los, beeilt euch!«
Während Hank Dancer die Flamme mit der Hand schützte und die Kerze hastig an den zusammengebrochenen Tontechniker Joey heranschob, starrte Mark Baxter verstört auf die Geräte.
»Seht euch das an«, flüsterte er.
Die anderen merkten, was er meinte.
Hank hatte die gesamte Stromzufuhr unterbrochen. Kein einziges Gerät bekam mehr Energie, keine Lampe, kein Verstärker, aber Joey Chappers Tonbandgerät lief noch. Die Spulen drehten sich. Die Anzeigen leuchteten matt.
»Das verstehe ich nicht«, murmelte Hank Dancer. »Das gibt es überhaupt nicht.«
»Helft mir«, befahl Mark Baxter. Trotz seiner nur neunzehn Jahre war er sehr selbstsicher und trat so energisch auf, daß niemand widersprach. »Wir müssen ihn rausholen. Wahrscheinlich hat er einen elektrischen Schlag erhalten.«
Die anderen zögerten.
»Und wenn wir auch einen gewischt bekommen?« fragte der zwanzigjährige Alf Dillancey.
»Holt ihn raus!« schrie Mark Baxter seine Freunde an. Er faßte zu und packte Joey Chapper an den Schultern. »Helft mir!«
Die anderen sahen, daß er keinen elektrischen Schlag bekam. Deshalb faßten sie mit an.
Joey Chapper war zwar sehr klein, aber ungemein muskulös und bullig gebaut. Schultern und Brust sprengten fast sein T-Shirt. Entsprechend schwer war es, den Jungen aus seinem Sitz zu ziehen.
Die Kopfhörer glitten von Joeys Ohren. Im nächsten Moment erlosch der Strom in den Anzeigen des Tonbandgeräts. Die Spulen blieben stehen.
Joey stöhnte langgezogen.
Vor Schreck ließen ihn die Jungen der Rockband fallen. Er rollte auf den Boden, setzte sich im nächsten Moment auf und schlug die Augen auf.
Verwirrt schüttelte er den Kopf.
»Will denn keiner den Strom einschalten?« fragte er benommen. »Oder haben wir Kurzschluß?«
*
Rick Masters, der in London als Geisterdetektiv arbeitete, betrachtete seine fünf Besucher ein wenig verwundert.
Fünf junge Männer, alle zwischen achtzehn und zwanzig, ziemlich verrückt gekleidet. Abgerissene Jeans, zu weite Sackos, Ketten um Hals und Handgelenke, weite Pluderhosen, ausgetretene Schuhe.
Nur einer, ein kleiner Rothaariger, trug Jeans, T-Shirt und eine Lederjacke. Er besaß Muskelpakete, die seine Kleidung fast sprengten, und grinste Rick Masters fröhlich entgegen. Seine grünen Augen funkelten, als wolle er jeden Moment in schallendes Gelächter ausbrechen. Er schien ein ziemlich lustiger Vogel zu sein.
»Seid ihr sicher, daß ihr zu mir wollt?« fragte Rick die fünf Jungen.
»Wenn Sie Rick Masters, der Privatdetektiv sind, ja«, erklärte der Wortführer, äußerlich ein italienischer Typ, dunkelhaarig, mit dunklen Augen, dem Akzent nach unverkennbarer Londoner.
»Der bin ich.« Rick zögerte noch einen Moment. Er bewohnte sein Wohnbüro in der Londoner City allein, von seinem winzigen Hund Dracula abgesehen. Fünf junge Männer einzulassen, war ein gewisses Risiko. Er kannte sie nicht.
Da sie aber einen friedlichen Eindruck machten, gab er die Tür frei.
»Geradeaus ins Wohnzimmer«, sagte er und schloß hinter dem Rothaarigen ab.
Sie setzten sich auf die Ledergarnitur und sahen Rick erwartungsvoll entgegen.
»Bei dem kalten Novemberwetter könnten wir etwas zum Aufwärmen gebrauchen«, sagte der Wortführer. »Ich heiße Mark Baxter. Sie können Mark sagen.«
»Okay!« Rick blickte in die Runde. »Tee? Oder etwas Härteres?«
»Wir trinken nur selten Alkohol!« antwortete Mark Baxter. »Tee ist okay!«
»Soll ich ihn machen?« bot der muskulöse Rothaarige an. »Ich bin Joey Chapper. Sie können Joey sagen. Ich bin Mädchen für alles und kann auch alles.«
»Und du hast eine große Klappe«, sagte Mark Baxter grinsend.
»Ich mache den Tee selbst und lasse die Küchentür offen«, erwiderte Rick lächelnd. »Ihr könnt schon anfangen. Ich höre euch.«
Dracula, Minihund, Mischling mit überdimensionalen Fledermausohren und einem besonderen Instinkt für schwarzmagische Einflüsse, lag auf seinem Lieblingssofa und sah die Besucher neugierig, aber nicht mißtrauisch an.
»Joey hat unsere letzte Nummer auf Band mitgeschnitten«, erklärte Mark Baxter, während Rick in der Küche hantierte. »Ach so, wir sind die Rockband DEVILS. Das sind Hank Dancer, Alf Dillancey und Chick Generale. Genügt, wenn Sie sich die Vornamen merken. Wir spielen in der umgebauten Garage meines Hauses.«
»In Ihrem Haus, Mark?« staunte Rick.
»Ja, was dagegen?« rief Mark Baxter gereizt. »Stört es Sie, daß mir ein Haus gehört?«
Rick Masters trat in die Küchentür, verschränkte die Arme und sah die jungen Männer der Reihe nach an.
»Hört jetzt mal genau zu«, sagte er ruhig. »Schon möglich, daß ihr von vielen Leuten wegen eurer Kleidung oder eures Hobbys schief angesehen und angepöbelt werdet. Auch möglich, daß ihr deshalb ein wenig aggressiv auf Fragen reagiert. Aber wenn ihr etwas von mir wollt, dann merkt euch eines: Ich behandele euch anständig und ihr behandelt mich anständig. Ist das klar?«
Alle vier sahen wie auf Kommando auf Mark Baxter. Sie schienen sich in allem nach ihm zu richten.
Mark sah Rick eine Weile an, und in den Augen des Jungen erkannte Rick keine Aggressionen mehr, sondern Verlegenheit und Trauer.
Mark nickte. »Okay, Mr. Masters«, murmelte er. »Meine Eltern sind vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich habe das Haus geerbt. Es gehört wirklich mir.«
»Okay«, sagte Rick Masters. »Weiter im Text.«
Er kehrte in die Küche zurück und erfuhr die Geschichte von der letzten Tonbandaufnahme und Joey Chappers Zusammenbruch.
»Wir haben die ganze Anlage überprüft«, versicherte Chick. »Ich verstehe etwas von Technik. Ich arbeite tagsüber in einem Tonstudio. Da gab es keine blanken Leitungen und keine Kurzschlüsse. Das können Sie mir glauben, Mr. Masters.«
»Ihr könnt Rick sagen!« Der Geisterdetektiv kam mit dem Tee ins Wohnzimmer. »Bedient euch!«
»Wir haben uns das Band angehört«, fuhr Hank Dancer fort. »Zuerst hörte man unsere Aufnahme. Die ist ganz in Ordnung. Und dann zischt und rauscht es nur noch.«
»Das Gerät konnte gar nicht mehr laufen«, behauptete Joey Chapper. »Ausgeschlossen. Trotzdem hat es aufgenommen.«
»Wieso aufgenommen?« staunte Rick. »Ich denke, man hört nur Zischen und Rauschen.«
»Ich höre Stimmen«, erklärte Joey, der Tontechniker und Muskelmann der Gruppe. »Aber ich verstehe sie nicht.«
Rick sagte nichts. Er wartete ab. Vorläufig war die ganze Angelegenheit noch zu undurchsichtig.
»Zuerst haben wir Joey aufgezogen.« Alf Dillancey lächelte. Er war ein sehr schmaler, blasser junger Mann mit fast farblosen Haaren. »Wir haben ihn auf den Arm genommen, daß er jetzt schon Stimmen hört – und ganz durchdreht.«
»Dann haben wir es uns anders überlegt«, fügte Chick hinzu. »Weil doch das Tonbandgerät ohne Strom weiterlief. Eine unheimliche Angelegenheit.«
»Ich erinnerte mich an Artikel in der Zeitung über Sie«, erklärte Mark Baxter. Er war offenbar mit Abstand der Intelligenteste. »Sie sind Privatdetektiv, der die sonderbarsten Fälle untersucht. Stimmt doch?«
Rick nickte. »Was soll ich tun?«
»Nehmen Sie den Auftrag an?« fragte Hank Dancer, der Gitarrist, überrascht.
»Erst will ich wissen, was ihr von mir erwartet.«
»Sehen Sie sich unsere Anlage an«, bat Mark Baxter. »Und hören Sie sich das Tonband an. Danach sehen wir weiter.«
»Okay, das hört sich vernünftig an«, stimmte Rick zu. »Einverstanden. Meinetwegen können wir fahren, sobald ihr euren Tee ausgetrunken habt.«
Mark nickte. »Sie sind in Ordnung, Rick«, befand er. »Kommt, wir gehen!«
Rick nahm seinen Hund auf den Arm, damit Dracula bei so vielen Leuten nicht getreten wurde. Als sie das Wohnbüro in der City verließen, glaubte Rick noch an eine harmlose Geschichte, die sich irgendwie mit technischen Mängeln erklären ließ. Er kam eigentlich nur mit, weil er sich an dem verregneten Novembertag langweilte und ihn diese jungen Musiker interessierten.
Er war immer bereit, etwas Neues kennenzulernen. Und warum sollte das nicht eine Rockband sein, die sich den beziehungsreichen Namen DEVILS gegeben hatte?
*
»Verstehen Sie denn etwas von Technik, Rick?« fragte Chick Generale skeptisch und beobachtete die Versuche des Geisterdetektivs mißtrauisch.
»Ja, wenn Sie nichts dagegen haben«, erwiderte Rick. »Ich sehe mir zumindest alles an.«
»Ich habe es schon geprüft«, murrte Chick.
»Ich überzeuge mich immer selbst.« Rick grinste flüchtig. »Das ist so eine meiner kleinen Schwächen. Ich verlasse mich nie auf andere Leute. Das hat mir schon ein paarmal das Leben gerettet.«
»Geben Sie nicht so an«, sagte Alf Dillancey bissig. Der schmale, zart gebaute junge Mann verzog abfällig den Mund. »Sie sind Privatdetektiv. Was tun die schon? Scheidungssachen, Veruntreuungen und andere Sachen, die nicht gefährlich sind.«
Rick Masters unterbrach seine Tätigkeit und musterte Alf. »Hören Sie, Alf«, sagte er leise. »Es ist mir gleichgültig, wie Sie über mich denken. Ich mag aber ständige anzügliche Bemerkungen nicht. Das habe ich doch schon einmal gesagt. Ihr alle habt die Artikel über mich gelesen und mich deshalb ausgesucht. Okay, jetzt sehe ich mir eure Anlage an, mehr auch nicht. Wenn es euch nicht paßt, schickt mich weg. Ansonsten haltet den Mund! Und noch etwas zur Klarstellung: Ich wünsche euch, daß ihr in keinen meiner Fälle verwickelt werdet, in denen es lebensgefährlich zugeht. Und jetzt stört mich nicht weiter!«
Rick tat, als kümmere er sich nicht mehr um die Mitglieder der Band. Er sah aber aus den Augenwinkeln, daß sich Mark an Alf heranschob und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Darauf senkte Alf verlegen den Kopf und wurde rot, verzog sich in die hinterste Ecke und mischte sich nicht mehr ein, Mark hatte offenbar Ricks Partei ergriffen.
Zuletzt kam der Geisterdetektiv zu dem Tonbandgerät, das auch ohne Strom funktioniert hatte.
»Schaltet die Hauptsicherung aus«, ordnete er an.
Alf tat es.
»Das Gerät rührt sich nicht«, stellte Rick fest. »Also gut, gebt mir wieder Strom.«
Er schaltete das Gerät ein, und Joey Chapper legte das Band auf. Dabei grinste er Rick fröhlich an.
»Es wird Ihnen die Ohren abschlagen, Rick«, prophezeite er.
»Meine Ohren halten schon etwas aus«, antwortete Rick. Er wunderte sich ein wenig, daß dieser kleine, gedrungene Muskelmann so vorsichtig mit dem dünnen Tonband umgehen konnte.
Zuerst ließ er das Band über Lautsprecher abspielen. Nach der harten Rocknummer, die Rick gar nicht schlecht fand, kam das schon erwähnte Wispern und Rauschen.
Rick Masters schwieg. Er wollte den Jungen noch nicht sagen, daß er derartige Phänomene kannte.
Tonbandstimmen!
Botschaften von Geistern aus dem Jenseits, die sich durch Zufall auf diese Art ausdrücken konnten. Es gab keine Gesetzmäßigkeiten für einen Kontakt über Tonband. Manchmal klappte es, manchmal nicht.
Es konnte sich natürlich um einen dummen Scherz handeln, den sich die fünf jungen Leute mit ihm erlaubten. Auch mit dieser Möglichkeit rechnete der Geisterdetektiv.
Er ließ das Band zurücklaufen bis zu jener Stelle, an der die Rocknummer endete.
Dann schaltete er die Lautsprecher aus und hörte das Wispern über Kopfhörer ab.
Auch jetzt vernahm er nur Zischen und Rauschen. Er nahm die Kopfhörer wieder ab und wandte sich an Joey Chapper.
»Ich möchte wissen«, fragte er den fröhlichen Rotschopf, »wieso Sie zusammengebrochen sind.«
»Das möchten wir alle wissen«, verkündete Joey lächelnd. »Ich weiß es nicht, Rick! Wirklich nicht! Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, daß ich einen Blackout hatte. Ich fand mich plötzlich auf dem Boden wieder, und die Boys standen um mich herum. Es war dunkel, und sie haben ziemlich dumme Gesichter gemacht. Das ist alles.«
»Okay!« Rick machte die letzte Probe. Er ließ das Band erneut bis zum Anfang der verrauschten Aufnahme zurücklaufen, überzeugte sich davon, daß die Lautsprecher ausgeschaltet waren, und drückte auf Wiedergabe.
Gleichzeitig holte er allerdings aus seinem Schulterhalfter seine Silberkugel.
Es handelte sich um eine mächtige weißmagische Waffe, deren Herkunft völlig ungeklärt war. Rick hatte die walnußgroße Silberkugel eines Tages bei einem Altwarenhändler gefunden. Sie hatte ihm gefallen, und er hatte sie als Ziergegenstand gekauft. Erst später war er dahinter gekommen, welche Kräfte in ihr steckten.
Während nun das Zischen und Wispern und Rauschen aus den Kopfhörern drang, bewegte er die Silberkugel über das Tonbandgerät und die Spulen, hielt sie auf den Wiedergabeknopf des Gerätes und erzielte kein Ergebnis.
Er war so beschäftigt, daß er nicht merkte, wie Chick Generale die Lautsprecher einschaltete.
Dann bewegte er die Silberkugel dicht an das Tonband heran, so daß dieses darüber hinwegglitt.
Und plötzlich hörte Rick klar und deutlich eine Stimme, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Die Stimme klang verzerrt und hohl. Sie schien aus unendlichen Fernen zu kommen, war dennoch klar und deutlich zu verstehen und gehörte eindeutig einem Geist aus dem Jenseits.
Rick hatte sie schon öfters gehört, diese Stimmen. Der Geist eines Verstorbenen teilte den Lebenden etwas ungemein Wichtiges mit!
Aufgeregt ließ der Geisterdetektiv das Band an den Anfang zurücklaufen und spielte diesmal auch die Rocknummer.
Die Musik kam normal aus den Kopfhörern. An ihr wurde nichts verändert. Kaum war sie zu Ende, setzte die Geisterstimme ein.
Was Rick zu hören bekam, trieb ihm den kalten Angstschweiß auf die Stirn.
*
Chefinspektor Kenneth Hempshaw von Scotland Yard blickte wütend auf das klingelnde Telefon auf seinem Schreibtisch.
»Das darf doch nicht wahr sein«, knurrte der untersetzte, breitschultrige Mann mit den eng zusammengewachsenen buschigen Augenbrauen und dem meist grimmigen Gesicht. Er riß den Hörer ans Ohr. »Ja, hallo!« rief er.
»Um Himmels willen, schreien Sie nicht so«, antwortete eine weiche Frauenstimme lachend. »Ich bekomme gleich Angst vor Ihnen, Mr. Hempshaw.«
»Ach, Sie sind es, Mrs. Kent«, antwortete der Chefinspektor freundlicher. »Tut mir leid. Sie ahnen nicht, wie es bei mir aussieht. Dauernd kommt jemand mit einem Problem zu mir. Ich muß mir den Kopf zerbrechen, wie ich alles unter einen Hut bekomme. Und dann klingelt ununterbrochen das Telefon. Ich werde langsam aber sicher verrückt.«
»Das glaube ich Ihnen nicht«, erwiderte Hazel Kent amüsiert. »Sie haben Nerven wie Stahlseile.«
»Machen Sie sich ruhig über mich lustig, Mrs. Kent, machen Sie sich ruhig lustig«, meinte der Chefinspektor.
»Das würde mir nicht im Traum einfallen«, versicherte Hazel.
»Dann sagen Sie mir, weshalb Sie anrufen.«
»Es geht um Rick.« Die Freundin des Geisterdetektivs klang sofort besorgt. »Ich versuche seit Stunden, ihn in seinem Wohnbüro zu erreichen. Dort meldet sich nur der Anrufbeantworter. Haben Sie eine Ahnung, wo er stecken könnte?«
»Leider nein!« Hempshaw lachte in seiner polternden Art, die im ganzen Yard bekannt war. »Ehrlich gestanden, ich habe schon längst vergessen, daß es Rick überhaupt gibt.«
»Wie kommt das?« fragte Hazel Kent erstaunt. »Sonst arbeiten Sie doch fast ständig zusammen.«
»Richtig«, räumte Chefinspektor Hempshaw ein. »Aber seit ich einen Teil der Sicherheitsmaßnahmen übernommen habe, komme ich nicht mehr dazu, mich um anderes zu kümmern.«
»Sicherheitsmaßnahmen?« wiederholte Hazel Kent verständnislos. »Was meinen Sie?«
»Ach, Sie wissen nicht, was bei mir los ist?« staunte der Chefinspektor. »Wir haben doch demnächst den Staatspräsidenten zu Besuch. Sie wissen schon! Ich will den Namen nicht am Telefon nennen, Mrs. Kent.«
Hazel wußte Bescheid. Die Zeitungen schrieben seit Wochen von dem bevorstehenden sensationellen Staatsbesuch aus dem Osten. Es war eine politisch heikle Angelegenheit.
»Jetzt verstehe ich Sie«, meinte sie. »Wenn Sie sich um seine Sicherheit kümmern müssen, sind Sie wirklich nicht zu beneiden. Gut, Mr. Hempshaw, ich möchte Sie auch nicht länger aufhalten. Sollte Rick sich bei Ihnen melden, erinnern Sie ihn bitte daran, daß ich noch existiere.«
»In Ordnung!« Hempshaw lachte. »Wenn Rick sich umgekehrt bei Ihnen meldet, verschweigen Sie, daß es mich noch gibt. Ich könnte jetzt keine zusätzliche Arbeit gebrauchen.«
»Ich werde es nicht vergessen«, versprach Hazel und legte auf.
Sie blickte aus den Panoramafenstern ihres Büros hoch über den Dächern von London.
Hazel Kent hatte vor einigen Jahren von ihrem verstorbenen Mann die Kent-Werke geerbt, gewaltige und wichtige Industriewerke. Sie verwaltete sie selbst, da sie eine Lebensaufgabe brauchte.
Sie saß an einer Schaltstelle der Wirtschaft, besaß Macht, Einfluß und Geld.
Sie konnte sich leisten, was sie wollte. Führte ein großes Haus in Westminster, hatte Personal, einen Rolls Royce, Pelze, Juwelen.
Und doch stellte sie immer wieder fest, daß menschliche Beziehungen im Leben das Wichtigste waren. Sicher, freiwillig hätte sie auf den Luxus nicht verzichtet. Aber ihre Verbindung zu Rick Masters war doch wichtiger als alles andere.
Sie durfte sich nicht vorstellen, daß Rick eines Tages etwas zustoßen könnte.
Sie schauderte bei diesem Gedanken und schob ihn rasch wieder von sich.
Sie und Rick! Ein ungleiches und doch glückliches Paar. Vielleicht waren sie gerade so glücklich, weil sie so verschieden waren.