Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken - Christian Weise - E-Book

Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken E-Book

Christian Weise

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Beschreibung

"Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken" betitelt einen Lyrikband des 1708 verstorbenen deutschen Schriftsteller, Dramatikers und Pädagogen.

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Der grünenden Jugend überflüssige Gedancken

Christian Weise

Inhalt:

Christian Weise – Biografie und Bibliografie

Der grünenden Jugend überflüssige Gedancken

Überflüssiger Gedancken erstes Dutzent

Überflüssiger Gedancken anders Dutzent

Überflüssiger Gedancken drittes Dutzent

Überflüssiger Gedancken viertes Dutzent

Überflüssiger Gedancken fünftes Dutzent

Überflüssiger Gedancken sechstes Dutzent

Überflüssiger Gedancken siebendes Dutzent

Überflüssiger Gedancken achtes Dutzent

Überflüssiger Gedancken neuntes Dutzent

Überflüssiger Gedancken zehentes Dutzent

Der grünenden Jugend überflüssige Gedancken , C. Weise

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849639570

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Christian Weise – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 30. April 1642 in Zittau, gest. daselbst 21. Okt. 1708, wurde, nachdem er in Leipzig studiert und eine Zeitlang als Magister an der Universität Vorlesungen gehalten hatte, 1670 Professor am Gymnasium in Weißenfels und 1678 Rektor des Gymnasiums in Zittau, welches Amt er bis zu seinem Tode bekleidete. Er schrieb neben lyrischen Gedichten (»Überflüssige Gedanken der grünenden Jugend«, Leipz. 1668; »Reise Gedanken«, das. 1683; »Der grünenden Jugend notwendige Gedanken«, das. 1690; »Tugendlieder«, Bautzen 1719; »Buß- und Zeitandachten«, das. 1720), lehrhaften sogen. politischen Romanen (z. B. »Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt«, Leipz. 1672, neuer Abdruck, Halle 1878; »Die drei klügsten Leute in der ganzen Welt«, das. 1673) nicht weniger als 54 Schauspiele (Tragödien und Komödien), die teils im »Zittauischen Theatrum« (Zitt. 1683), in »Jugendlust« (Frankf. 1684), in den »Proben von der vertrauten Redenskunft« (Dresd. 1700) etc. gesammelt wurden, teils handschriftlich auf der Zittauer Stadtbibliothek liegen. Außerdem verfaßte er zahlreiche Lehrbücher und Gelegenheitsschriften. In den »Curieusen Gedanken von deutschen Versen« (1691) entwickelte er eine nüchterne poetische Theorie, durch die er dem Schwulst Lohensteins und Hofmannswaldaus entgegentrat. Seine Gedichte sind größenteils sehr flach; dagegen legte er als Dramatiker in den überaus zahlreichen, für sein Schultheater verfaßten Stücken viel Talent an den Tag und entwickelte namentlich in den Szenen, die aus dem gewöhnlichen Leben gegriffen sind, viel schalkhafte Beobachtungsgabe. Zu seinen interessantesten Stücken gehören: der von Lessing etwas kühn wegen seines »Shakespearischen Ganges« gepriesene »Masaniello« (1682; Neudruck von Petsch, Halle 1907), ferner der »Bäurische Machiavellus« (1679) und »Die unvergnügte Seele« (1688). Vgl. Palm, Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur etc. (Bresl. 1877); Fulda in Bd. 39 von Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«; Kämmel, Christian W. (Leipz. 1897).

Der grünenden Jugend überflüssige Gedancken

Aus vielfältiger und mehrentheils frembder Erfahrung in offenhertziger Einfalt allen Jungen und Lustbegierigen Gemüthern vorgestellet, jetzo aber auffs Neue übersehen und an vielen Orten, wie auch mit einer neuen Vorrede verbessert.

Sonnet

Uber das Kupffer-Blatt

Was überflüssig ist begehr ich nicht zuschreiben,

Doch ist nicht unser Hertz ein steter Uberfluß

Da eine Fruchtbarkeit der andern folgen muß,

Und was will in der Brust vor sich gefangen bleiben?

So bald man frölich ist, da wachsen und bekleiben

Die Rosen aus der Lust; kömmt Jammer und Verdruß,

So grünt der Nessel-Strauch, der gründet seinen Fuß

Und läst den scharffen Brand durch keine Macht vertreiben.

Will uns das Glücke wol, so prangt die reiffe Frucht

Des Trostes um und um; doch geht es in die Flucht:

So muß das trockne Land auch dürre Zweige tragen.

Deswegen halt ich nit des Hertzens Wachsthum auff,

Und laß in Freud und Leid mir selbst den freyen Lauff.

Ich mag mich als ein Mensch der Menschheit nicht entschlagen.

Geliebter Leser!

Daß nunmehr diese überflüssige Gedancken noch einmahl ihr Glücke, oder daß ich besser rede, ihr Unglücke in der Welt versuchen wollen, solches hat der Autor nicht verlanget, und gleichwohl nicht verhindern können. Immittelst weil ich als ein Unbekandter genöthiget werde an dessen Stelle zu tretten, und diese neue Edition mit einer neuen Vorrede zubekleiden, so werde ich die Freyheit haben, nicht so wohl auß schuldiger Freundschafft, alß auß Liebe zu der Wahrheit, gegenwärtige Gedancken zuentschuldigen. Es mag seyn, daß jemand den Titul nicht recht verstanden, und dahero von dem gantzen Wesen ein ungleiches Urtheil gefasset hat. Denn freylich wer diese Gedancken in solcher Meynung wolte überflüssig nennen, wie etwan dort rhmata ponhra zuverstehen sind, der müste seinen Eyffer nit überflüssig haben, wenn er solchen allhier versparen wolte: Allein es wird verhoffentlich noch ein gnädiger und besser Verstandt zurück seyn. Uberflüssige Gedancken heissen solche Gedancken, die man bey müssigen Nebenstunden als einen zulässigen Zeitvertreib zuführen pflegt. Denn weil man Krafft seines obliegenden Ambts an dergleichen Neben-Werck nicht gebunden ist, und ein ander bey seinen Verrichtungen eben so weit kommt, der sich solcher Gedancken eussert; Als geschicht es nur zum Uberfluß, und gleichsamb zur Zugabe, wie bißweilen ein Gastwirth seinen Gästen ohne Noth auß einer überflüssigen Liberalität etliche Kannen Wein frey passiren lässet. Parergon heisset nicht ein böses Werck, sondern ein Werck, welches zum Uberfluß neben der ordentlichen Arbeit getrieben wird. Und wo würden die Auctores Horarum Subsecivarum, Dierum Canicularium, Dierum Genialium, und andere, welche ihre Arbeit Otium genennt, zurechte kommen, wenn man nichts überflüssiges vornehmen dürffte. Gellius wäre mit seinen Noctibus Atticis längst unter die Wercke der Finsterniß gezehlet, und in den Indicem librorum prohibitorum gesetzet worden.

Nun wird zwar jemand einwenden, der gedachten Scribenten Uberfluß wäre gleichwol der Welt etwas nützer gewesen, als wenn etliche abgeschmackte Lieder, nicht anders als auß einer klingenden Schelle außgelassen würden. Doch der Unterscheid bestehet hierinnen, daß jene des Männlichen Alters, diese aber der grünen Jugendt überflüssige Gedancken sind: Und wie eine jegliche Zeit ihre eigene Ergötzlichkeit hat, wie man auch nicht eher thut als ein Mann; als wenn der Bart dem Gesichte eine saure Mine abfordert; also würde sich die Jugend über dem Zeitvertreib schlecht zu erfreuen haben, welche sich von ihrer Inclination allzuweit absondern wolte.

Und wer kan leugnen, daß dergleichen Ubungen so gar ohne Nutzen verrichtet werden? Ist es nothwendig, daß ein junger Mensch in Poetischen und Oratorischen Sachen auffgemuntert, und zur recommendation der andern Gelehrsamkeit an lustige und angenehme Inventiones gewiesen wird; so wil ich hoffen, es solte nicht allein das junge Volck hierinn zu loben seyn, sondern ein sorgfältiger Informator solte auch dahin trachten, wie er seinen Untergebenen dergleichen überflüssige Gedancken einflössen möchte, darüber sie andere überflüssige Wercke, als Spielen, Sauffen, müssig gehen, vergessen könten.

Ich halte auch nicht, daß jemahls ein Mann durch liebliche Worte berühmt worden, der in seiner Jugend allen Uberfluß in solchem Stücke verachtet hat. Inmassen die blossen Schul-Materien nicht genug sind ein stattliches Ingenium zu excitiren, wenn es nit auß eigenem Antrieb seinen Fleiß etwas höher führen soll. Legen doch die Hühner viel lieber in das Nest, das sie selbst erwehlet haben, als welches von einer ungedultigen Käse-Mutter ist angeleget worden.

Nun ist es wol an dem, daß lauter Liebes-Sachen darinn enthalten sind, welche dem Ansehen nach bey jungen Leuthen viel Aergerniß anrichten können, und wird dergestalt jemand denen Uberflüssigen Gedancken denselben Titul zulegen, welchen der Frantzösische Pontus de Thyard seinen Sonnetten gegeben hat, daß er sie Erreurs Amoureuses, verliebte Irrthümer nennt. Doch es sey so, sie möchten Errores Iuveniles heissen, so würde auch dieser Irrthumb nicht allzu verdammlich seyn. Denn es wäre nicht ein Error vitii, sondern ein Error imprudentiæ. Wenn ein Kind auff dem Stecken reitet, so ist es ein Error infantiæ: Wenn ein Knabe mit Bohnen spielet, oder die Mücke fliegen läßt, so ist es ein Error pueritiæ: Denn wenn sie so klug wären als alte Leuthe, würden sie an dergleichen Lumpen-Possen keine Vergnügung haben. Unterdessen begehen sie keine Sünde, oder zum wenigsten wird diese That præcisè nicht als ein boßhafftiges und unrechtmässiges Wesen zu verdammen, oder wohl gar zu bestraffen seyn. Weil nun die Jugend der Natur noch etliche Thorheiten schuldig ist, so wird eine solche Poetische Steckenreuterey als ein Error Juvenilis umb so viel desto mehr zu entschuldigen seyn, jemehr das nachfolgende Alter die Eitelkeit selbst zu verlachen, und durch anständige Gedancken zu verbessern pfleget.

Gesetzt auch, es wären lauter Liebes-Sachen darinn (wiewol ich bald den falschen Concept benehmen werde,) so ist es ja nicht ein schelmisches Ding umb die Liebe, daß man nicht daran gedencken dürffte. Denn daß ärgerliche Sau-Possen nicht geduldet werden, da ist freylich der Jugend daran gelegen. Aber wenn niemand an die Liebe gedencken solte, wo würden so viel tausend Præceptores mit ihrem Terentio bleiben, welcher in dem eintzigen Eunucho mehr unziemliche Händel vorstellet, als in den gantzen überflüssigen Gedancken zu lesen sind. Denn ich wil itzo vom Ovidio, Martiali und andern nichts sagen, welche der Jugendt ohne alle Widerrede in den Händen gelassen werden. Uber dieses dürfte auch kein Hochzeit-Carmen in öffentlichen Druck herauß kommen, auß grosser Beysorge, es möchte ein junges Blut hiedurch zu bösen Gedancken, oder zu einem scandalo accepto veranlasset werden. Und es ist nicht zu leugnen, daß eben in diesem Buche etliche Lieder solche Personen betreffen, welche sich zu einer ehrlichen Liebe verbunden, auch in nachfolgender Zeit die glückliche Vollziehung befördert haben.

Doch was gehet die Liebe so groß diese Verse an, indem selbige mehr zu einer annemlichen Allegorie, als zu den Gedancken selbst cooperirt hat? Wen Petrarcha unter seiner Laura, Opitz unter seiner Asterie, andere unter andern verliebten Nahmen gemeynet haben, das ist mehr als bekandt. Wer es auch nicht verstehet, der ist ohne zweiffel nicht werth, daß er solches an diesem Orte erst lernen soll.

Alldieweil nun dem Auctori beliebt hat sein Studieren unter dem Bilde eines Liebhabers vorzustellen, und hiedurch seine Begierde gegen das Frauenzimmer durch einen gelehrten Betrug abzuweisen, so wird er entweder außer Schuld seyn, oder die Compagnie der Beschuldigten wird so groß werden, daß er sich vor einen schwachen Feind nit sonderlich wird entsetzen dürffen. Die blossen Abschieds-Lieder, welche in trefflicher Menge erscheinen, müssen Zeuge seyn, daß es fast unmöglich gewesen, so vielmal zu verreisen. Und ich habe selbst auß seinem Munde gehöret, wenn Er ein Collegium beschlossen, und gleichsamb von einer Disciplin zu der andern gereiset wäre, so hätte sich eine verliebte Erfindung angegeben, unter der Prosopopoeia einer Jungfer die angenehme Disciplin nachmals zu bedienen: Ja es ist ein Lied vorhanden, darinn Er sich berühmt, er hätte zwey Mägdgen auff einmahl: Da werden alle Bekandten Zeuge seyn, daß der Auctor zugleich Theologica und Juridica Collegia hielt, und als ein Liebhaber der fundamentalen Philologie, beyderseiths Principia fassen wolte. Indem nun etliche meynten, Er wäre ein perpetuus Transfuga, der sich bald zu der schwartzen, bald zu der rothen Fahne begeben wolte, so prosequirte er solchen Possen in diesem hönischen Liede, damit die guten Freunde desto eher fertig wurden, und waren also die zwey Liebsten Theologia und Jurisprudentia.

Solten etliche Lieder in ihrem eignen Verstande directè auff Liebes-Sachen gehen, so wird solches mehrentheils als eine Satyra zu verstehen seyn, darinn die jungen Leute mehr abgemahnet, und bey Vorstellung unterschiedlicher Thorheiten zu einer andern und höhern Liebe heimlich angewiesen werden.

Doch wieder auff die gelehrten Allegorias zu kommen, wann sich etwan ein guter Freund mit unzeitigem richten übereilen wolte, so wird das beste Mittel seyn, auß einem vornehmen Mann dergleichen anzuführen, welcher erstlich auf einer berühmten Universität Poëseos Professor, hernach ein grosser Theologus gewesen: dieser hat als Professor anmutige Sachen herauß gegeben, und ist offtmals durch gelegenheit der gedachten Allegorie zu verliebten und entzuckten Gedancken verleitet worden. Allein daß niemand das äusserliche Schattenwerck mit der Sache selbst vermengen solte, hat er diese denckwürdige Erklärung mit beygesetzet: Cave insontes numeros attemeres!Amor noster castus est, ut ipsa Diva. Qvam si suô vis vocari nomine, audiPoësin, &illas Humanitatis artes,quas colui: ImoTheologiam.Nihil miri, si sub virgineo induxerim vultu. Fecerunt ante me alii, & prœclariores. Ergo exue profanam mentem: &Eclogas aut allegorias puta. Ab his nec sanctissimus abstinuit Spiritus.Alius est ignis noster, qùam in plebe accendit Veneris nequam ille puer. Nec tam putris aut putidus ego, ut illis intepescam faculis. Quicquid credideritVirosus:Sufficiat, placuisse mihi CHARITILLAM, & me tibi, miLector.Nam Frontones & Capitonesne assis æstimo.

Darbey mag es bleiben, und weil das curieuse Seculum sich an den Liedern noch nicht satt gelesen hat, wird der Auctor, als mein hochgeschätzter freund desto eher zu frieden seyn, daß die Drucker-Presse noch einmal damit bemühet wird. Auch diese kurtze Entschuldigung mag er sich gefallen lassen, ungeacht er seinen eigenen Sachen das Wort viel besser, und vielleicht auß wichtigern Beweiß-Gründen hätte reden können. Was noch übrig ist, so wird der geneigte Leser mit fernerer Affection mir Vnbekandten dermassen zugethan verbleiben, daß ich solches dermahleins in bekandter Gestalt rühmen könne. Jetzt verbleibe ich zwar ein schuldiger Diener, doch mit dem Namen

Der Einfältige Unbekandte.

Geehrter Leser!

Ich bin endlich dahin gebracht worden, daß ich meine überflüssige Gedancken in die Welt ausfliegen lasse. Zwar, wenn ich solche vor guten Freunden hätte behalten können, wäre ich nimmermehr auff die Unbarmhertzigkeit gerathen, so viel Bogen unschuldig Papyr dadurch zu verklecken. Denn ich lebe der Zuversicht, ob ein anderer, meine überflüssigen Einfälle weiß oder nicht weiß, so wird es nicht viel zu bedeuten haben. Jedennoch weil ich zum Uberfluß sehen und erfahren müssen, daß die geringen Sachen von unterschiedenen Liebhabern nicht allein abgeschrieben, sondern auch, wie zu geschehen pfleget, offtermals verändert und verrücket werden; Als habe ich nit Umbgang nehmen wollen, denselben ihre alte Gestalt wieder zu geben: wie etwan eine sorgfältige Mutter ihr ungestaltes Kind nit gerne weiter beflecken und verstellen lässt, sondern vielmehr dahin trachtet, damit es bey der natürlichen und ursprünglichen Beschaffenheit erhalten werde. Ein jedweder unpartheyischer Richter wird hierinn meiner Mütterlichen Affection vergeben, und wo ich meiner Frucht gar zu günstig gewesen bin, solches die Menschliche Schwachheit entschuldigen lassen, als welche in der Liebe am ehesten sündigen kan. Sonst werden es die Umbstände leicht geben, daß ich in der so genannten Lindenstadt wohne, und die Mund-Arth, so mich offtermals, wider mein Wissen, in den Nacken schlägt, kan mein Vatterland nicht verbergen. Fliessen die Reime nicht wohl, so bin ich vor eins kein Poete, und vors andere, seh ich viel, die es schlimmer machen, wenig die es besser treffen. Die Teutschen Virgilii und Horatii sollen entweder noch gebohren werden, oder sie verbergen ihre Schrifften noch, und der müste ein blöd Gesichte haben, der sich, durch die Sterne unsrer Zeit, wolte verblenden lassen. Was die vielfältigen Nahmen und andere Rätzel betrifft, so werden die jenigen, die es angeht, die Außlegung schon machen. Ich, meines theils, habe etliche allbereit vergessen; Und etliche darff ich nicht verrathen. Vor meinen Verräthern fürchte ich mich nicht: dann vielleicht bin ich ihrer Spitzfindigkeit zu gering, oder zum wenigsten bleib ich anderweit unangefochten, wann sie an diesen leichten Papyr ihre Lust büssen. Und also mag ich mich nicht rechtfertigen, ich mag auch keine Freunde anführen, als wann sie mir durch übriges Anhalten den Ermel zurissen hätten. Es gehe mir nun schon, wie es gehen soll, und weil ich meinen heimblichen Zweck erhalten habe, ist diß mein Trost, daß der Zehende nicht weiß, wie ich heisse. Altershalben wil ich es noch erleben, daß manch einfältiges Hertze soll in Verdacht gezogen werden, als wann es darbei gewesen wäre. Ich stehe in zwischen als ein Apelles hinter der Tafel, und lasse die Leute nach Belieben urtheilen. Werd ich getroffen, so wil ich mich schämen, wo nicht, so wil ich lachen; Aber keines von beyden werde ich vor den Leuten thun.

Überflüssiger Gedancken erstes Dutzent

1. Thränen der Jungferschafft

1.

Susser Gifft verliebter Hertzen,

Schwaches Werck-Zeug voller Krafft,

Werthes Ziel der keuschen Schmertzen,

Du berühmte Jungferschafft!

Freylich gehet deine Zier

Allen schönen Sachen für.

2.

Wie die Rosen in dem Meyen

Ihre bleiche Lieblichkeit

Niemals schöner von sich streuen,

Als wenn ihre Sicherheit

Vnberührt und unbefleckt

In dem grünen Stocke steckt.

3.

Also muß man dich erheben,

Weil du keiner fremden Hand

Dich zum Raube wilst ergeben,

Sondern das beliebte Pfand

Aller Ruh und Lebens-Rast

An der süssen Freyheit hast.

4.

Du ergetzst dich an der Jugend,

Bist also an dir vergnügt,

Und gebrauchst dich deiner Tugend,

Welche dir im Hertzen liegt,

Da sie auch die beste Frucht,

An der Zarten Keuschheit sucht.

5.

Doch wie lange kan es wären?

Endlich muß die Jugend sich

Durch den schnellen Lauff verzehren,

Oder es beruffet dich

Liebe, Lust und Eitelkeit

In der Tugend Wettestreit.

6.

Wil man bey den Aepffelbäumen

Zu der lust spatzieren gehn,

Darff man nicht die Zeit versäumen

Wann sie in der Blüte stehn,

Eh der Gärtner nach der Saat

Auch die Frucht gebrochen hat.

7.

Und soll dann der schönen Wangen

Halbvermischtes Milch und Blut

Gantz und gar vergebens prangen,

Wie ein saurer Apffel thut,

Welcher nicht so wohl den Zahn

Als das Aug ergetzen kan?

8.

Wein und Bier wird ja zum trincken

Nicht zum Ansehn auffgesetzt,

Und was nutzt ein guter Schincken

Wann er nicht den Mund ergetzt?

Solte denn der Jugend Schein

Auch nicht etwas nütze seyn?

9.

Freylich pflantzt die Zeuge-Mutter

Dir was heimlichs in die Brust,

Daß du dich nach frembden Futter

Höchst-begierig sehnen must,

Vnd da fehlt dir manche Krafft

O du arme Jungferschafft!

10.

Wie manch schönes Nest voll Eyer

Unter Frost und Kälte steht,

Biß das angenehme Feuer

Frembder Brüt darüber geht;

Also ist es umb den Stand,

Den du führest, auch bewandt.

11.

Manches Schäfgen trägt die Schwere

Seiner Wollen mit Verdruß,

Weil es auff des Schäfers Schere

Gar zu lange warten muß:

Manche Rose krümmt den Stiel,

Weil sie niemand brechen wil.

12.

Gute Nacht du leere Schüssel,

O du Leuchter ohne Liecht!

Festes Schloß, doch sonder Schlüssel,

Gute Wag und kein Gewicht,

Ach wiewohl ist die daran

Die beyzeiten freyen kan!

2. Die verliebte Jägerey

1.

Die Lieb ist gleichsam eine Jagt,

Da sich ein grosser Hauffen

In die Gebüsche wagt,

Wo Angst und Müh entgegen lauffen,

Und wo die gantze Welt

Sich fast in das Gehäge stellt.

2.

Die Netze sind von Heucheley

Und Eitelkeit gestricket,

Darinnen wird die Treu

Der jungen Einfallt offt berücket,

Und wer nicht langen kan

Der flickt ein bißgen Hoffnung dran.

3.

Der Spürhund ist die Ungedult,

Der billt und läst sich hören,

Die Unschuld mit der Schuld

In ihrem Lager zu verstören:

Wie ist er doch bemüht

Eh er das Wild vor Augen sieht?

4.

Und also muß der Windhund fort

Durch bitten und Versprechen,

Durch Klagen da und dort

Die ungewisse Bahne brechen,

Biß man den gantzen Rest

Der grossen Docken lauffen läst.

5.

Oft schiest man Ehr und Tugend todt,

Dann die verliebten Minen

Sind wie der Haasenschrot:

Wohl denen die sich so bedienen!

Denn wer ein Narr will seyn,

Schiest gar mit silbern Kugeln drein.

6.

Wiewohl manch armer Jäger sagt

Er hab es gut erlesen,

Und hab ein Reh gejagt,

So ist es kaum ein Fuchs gewesen:

Und wer den Hirschen hetzt,

Nimmt wol ein Eichhorn auff die letzt.

7.

Offt setzt ein Hauer seinen Zahn

In die getroffne Liebe

Mit solchem Eyver an,

Daß alle Gunst in einem Hiebe

Zu Grund und Boden geht,

Und wenn sie noch so feste steht.

8.

Doch geht, ihr Freunde, geht ins Feld,

Habt ihr mit euren Netzen

Schon einmahl auffgestellt,

So seid ihrs schuldig fortzusetzen:

Denn der ist übel dran

Der hetzen und nicht fangen kan.

3. Die unterschiedlichen Liebhaber

1.

Ich schwatzte neulich von Galanen,

Als ich bey meinem Mädgen stund;

Da ließ sie mich hernach vermahnen,

Die Sachen wären ihr nicht kund:

Sie möchte mich wohl gerne fragen,

Was ein Galan außdrücklich sey?

Da ließ ich ihr zur Antwort sagen,

Die Leutgen wären vielerley.

2.

Dann sagt ich, wer sich aller Orten

Zum lieben Frauenzimmer macht,

Und ist doch kalt in seinen Worten

Ob er gleich noch so freundlich lacht:

Wer alle Wochen eine neue

Zum Zeitvertreib erwählen kan,

Und fragt nach keiner Liebes-Treue,

Der ist ein blosser Spaß-Galan.

3.

Vnd wer sich läst die Grillen treiben,

Daß er die Gassen nunter schwäntzt,

Ob etwan durch die Fenster-Scheiben

Ein weisses Jungfer-Häubgen gläntzt,

Und meint er habe durch den Trempel

Der Liebes-Pflicht genug gethan,

Der heist den andern zum Exempel

Ein Lauff- und Pflasterstein-Galan.

4.

Wann auch ein junger gelber schnabel

Sich im Processe selbst verführt,

Und alles mit der silbern Gabel

Fein fromm und sittsam embrochirt,

Auch nichts in seinen Complimenten

Als Ehren Tugend sprechen kan,

So heisset er bey uns Studenten

Nur ein Devotion-Galan.

5.

Und wer mit allerhand Spendaschen

Der Liebsten ihre Köthe schmückt,

Und alle Tage seinen Pagen

Nach Zucker und Citronen schickt,

Wer offtermahls spatziren fähret,

Zur Hochzeit gehet, wenn er kan,

Und seine Pfennge so verzehret,

Ist ein Discretion-Galan.

6.

Doch welchen das geneigte Glücke

Zu der Vollkommenheit bestimmt,

Daß er durch seine Liebes-Blicke

Den Mädgen auch das Hertze nimmt,

Wer mit vermischten Wechselküssen

Den stillen Bund erhalten kan,

Obs gleich die Leute wenig wissen,

Ist ein Affection-Galan.

7.

Wiewol die schlimmsten Löffelknechte

Geniessen manchmal trefflich viel,

Nur dessentwegen weil der rechte

Nicht ins Gehäge kommen will:

Inzwischen weil sie solches wissen

Gehn sie mit allen Freuden dran,

Und unter solchen Lücke büssen

Wird mancher noch ein Noth-Galan.

8.

Nächst diesen bildt sich mancher immer

Die allerschönsten Sachen ein,

Und muß doch bey dem Frauenzimmer

Im Spiele Pickelhäring seyn,

Er kan sich zwar vor seelig schätzen

Und nimmt den Schertz mit Willen an;

Doch sag ich, wer sich lässet hätzen,

Ist ein Vexation-Galan.

9.

Hieran ihr Herren Junggesellen!

Ich habe mich allhier bemüht

Euch in der Liebe vorzustellen,

Wo jemand seines gleichen sieht,

Der gehe nur in sein Gewissen

Und zieh sich selber vor Gericht.

Ich werde diesen loben müssen

Der hefftig liebt, und meint es nicht.

4. Der lustige Spaß-Galan

1.

Auf die Melodey, Jungfer Ließgen weiß es wohl, etc.

Es steht in der Welt doch auß der massen fein,

Wann zwey junge Leute recht vertreulich seyn!

Sie sind drum nicht flugs verliebt,

Wann sie gleich von Hertzen

Freundlich können schertzen.

2.

Manchem Mädgen wird was böses zugedacht,

Wann sie etwan mit den Junggesellen lacht,

Doch darum kein Bein entzwey:

Wer fragt nach den Schwencken

Was die Leute dencken?

3.

Ein rechtschaffnes Büfgen das versteht doch wol,

Was es bey der Mädgen Freude dencken soll.

Wer nicht Schimpf und Ernst versteht,

Wird mit schlechtem Frommen

Von dem Mädgen kommen.

4.

Wann man gleich einander noch so freundlich heist,

Und wohl gar die Armen ineinander schleust;

Darff ein Büffgen gleichwohl nicht

Auff verliebte Sachen

Sich die Rechnung machen.

5.

Ach wie schlägelt mancher armer Spaß-Galan,

Der sich in die Freundligkeit nit finden kan,

Und der allen Zeitvertreib

Vor ein Liebes-Zeichen

Heimlich will vergleichen.

6.

Nein fürwar, beym Frauenzimmer gehts so nicht,

Wann das lose Mäulgen gleich mein Liebgen spricht,