Der Junker von Denow - Wilhelm Raabe - E-Book

Der Junker von Denow E-Book

Wilhelm Raabe

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Beschreibung

Der Junker von Denow ist eine der vielen historischen Novellen des großartigen Autors Wilhelm Raabe. Sie spielt 1599 und handelt von meuternden Söldnern, die einen Befehl vom titelgebenden Junker erhalten. Die Novelle spielt in unter anderem in Rees. Auszug: Schwarze regendrohende Wolken verhingen das Himmelsgewölbe, und es würde eine dunkle Nacht gewesen sein, wenn nicht der Mensch diesmal dafür gesorgt hätte, daß es auf der weiten Fläche nicht ganz finster wurde. Auf den Wällen von Rees leitete, an der Spitze seiner Hispanier, Burgunder und Wallonen, Don Ramiro de Gusman die Vertheidigung der Stadt und Festung gegen das Reichsheer, welches schläfrig und matt genug der Belagerung oblag, dafür aber auf andre Weise desto mehr Lärm machte, wie es einer Armee des heiligen römischen Reichs deutscher Nation zukam. Ein fahles, blitzartiges Leuchten lag hier über der Gegend, denn wenn auch das schwere Geschütz seit Mittag schwieg, so knatterte doch das Musketenfeuer, schwächer oder stärker, rund um die Stadt fort und fort, und manch' ein Wachtfeuer flackerte auf beiden Ufern des Flusses, welcher manche Leiche in seinen nachtschwarzen Fluthen mit sich hinab führte in das leichenvolle Holland, wo der finstere Admiral von Arragonien, Don Francisco de Mendoza, und der Sohn der schönen Welserin, der bigotte Cardinal Andreas von Oesterreich die Zeiten Alba's erneuerten.

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Der Junker von Denow

1234567AnmerkungenImpressum

1

Wer am Abend des sechsten Septembers, alten Styls, am Donnerstag vor Mariae Geburt, im Jahre unsers Herrn Eintausend fünfhundert neunundneunzig, nach Sonnenuntergang einen Blick aus der Vogelschau über die Rheinebene von Rees bis Emmerich und weit nach Ost und West in's Land hinein hätte werfen können, der würde eines erschrecklichen Schauspiels theilhaftig geworden sein.

Schwarze regendrohende Wolken verhingen das Himmelsgewölbe, und es würde eine dunkle Nacht gewesen sein, wenn nicht der Mensch diesmal dafür gesorgt hätte, daß es auf der weiten Fläche nicht ganz finster wurde. Auf den Wällen von Rees leitete, an der Spitze seiner Hispanier, Burgunder und Wallonen, Don Ramiro de Gusman die Vertheidigung der Stadt und Festung gegen das Reichsheer, welches schläfrig und matt genug der Belagerung oblag, dafür aber auf andre Weise desto mehr Lärm machte, wie es einer Armee des heiligen römischen Reichs deutscher Nation zukam. Ein fahles, blitzartiges Leuchten lag hier über der Gegend, denn wenn auch das schwere Geschütz seit Mittag schwieg, so knatterte doch das Musketenfeuer, schwächer oder stärker, rund um die Stadt fort und fort, und manch' ein Wachtfeuer flackerte auf beiden Ufern des Flusses, welcher manche Leiche in seinen nachtschwarzen Fluthen mit sich hinab führte in das leichenvolle Holland, wo der finstere Admiral von Arragonien, Don Francisco de Mendoza, und der Sohn der schönen Welserin, der bigotte Cardinal Andreas von Oesterreich die Zeiten Alba's erneuerten. –

Wir haben es jedoch nur mit der rechten Seite des Rheines zu thun, wo tief in das Land hinein unter den zusammengewürfelten Tausenden des Reichsheeres, Hessen, Brandenburgern, Braunschweigern, Westphalen, der furor teutonicus, die sinnlose, trunkene, deutsche Furie ausgebrochen war und in Verwüstungen aller Art sich Luft machte. In allen Dörfern und Lagerplätzen Sturmglocken, Trommeln und rufende Trompeten – Geschrei und Jammer des elenden, geplünderten, mißhandelten Landvolkes – bittende, drohende Befehlshaber – flüchtende Heerden, Weiber, Kinder, Kranke, Greise – Reitergeschwader, die sich sammelten, Reitergeschwader, die auseinanderstoben – brennende Häuser und Zeltreihen, und zwischen Allem die Cleve'schen Milizen, die »Hahnenfedern,« zur Wuth gebracht durch die Ausschweifungen Derer, welche da Hülfe bringen sollten gegen die Ausschweifungen des fremden Feindes! Ueberall Blut und Feuer und Brand – ein unbeschreibliches, wüstes, grauenhaftes Durcheinander, zu dessen Schilderung Menschenrede nicht hinreicht! … ...

Lang genug hatte an diesem Abend Don Ramiro, hinter seiner Brustwehr an eine zerschossene Lafette gelehnt, hinüber geschaut nach den Laufgräben und Angriffswerken der tollgewordenen Belagerer; jetzt stieg er langsam herab von seinem Lugaus, und begleitet von zwei Fackelträgern und mehreren seiner Unterbefehlshaber schritt er durch die Gassen von Rees, dessen zitternde Bewohner jedes Fenster hatten erhellen müssen, und dessen Straßen dumpf dröhnten unter den Schritten der gegen die östlichen Ausfallspforten heranmarschirenden Besatzung.

»Andrea Orticio!« sagte der spanische Commandant, und im nächsten Augenblick stand der Geforderte vor ihm.

»Alles bereit?« fragte Don Ramiro wieder.

Der gerüstete Führer senkte stumm den Degen und wies mit der Linken auf die Haufen der Krieger, welche jetzt Alle an den ihnen bestimmten Plätzen dicht gedrängt regungslos standen. Des Spaniers Auge flog mit düsterer Befriedigung über all' diese, im Glanz der Fackeln blitzenden Harnische, Sturmhauben, Piken und Schwerter – er nickte.

»Sie würden sich da draußen unter einander selbst fressen, gleich den hungrigen Wölfen,« sagte er, »aber wir wollen zur Ehre Gottes und der heiligen Jungfrau« – hier lüftete er den Hut, und alle Umstehenden thaten das Gleiche – »unsern Theil an dem Verdienst haben, die Ketzer zu vertilgen! Erinnert Euch, Orticio, mit dem Schlage Elf beginnt das Feuer wiederum – mit dem Schlage Elf hinaus auf sie! Spanien und die Jungfrau! die Losung.«

»An Euere Plätze, Ihr Herren!« erschallte das Commandowort Francisco Orticio's – ein dumpfes Gerassel und Geklirr der sich an einander reibenden Harnische – Don Ramiro de Gusman schritt langsam prüfend die Reihen entlang; dann stieg er schweigend wieder zu dem Walle empor, nach einem letzten Wink und Gruß für Orticio, welcher sein Wehrgehang fester zog.'

»Noch eine halbe Stund'! Spanien und die Jungfrau, Spanien und die Jungfrau!« ging es dumpf durch die Reihen der harrenden Krieger. – – –

Unsre Geschichte beginnt!

»So hole der Teufel die meineidigen Schufte und meuterischen Hunde!« schrie der Hauptmann Burghard Hieronymus Rußwurmb in Verzweiflung, im Lager der dreizehn Fähnlein gewappneter Knechte, Reisige und Fußsöldner, welche Herr Heinrich Julius, postulirter Bischof zu Halberstadt, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg als Obrister des niedersächsischen Kreises zufolge des Coblenz'schen Reichsabschieds für diesen Krieg geworben und aus aller deutschen Herren Ländern zusammengebracht hatte. »Ist denn die Welt ganz umgekehrt? Es ist zum Rasendwerden! ... So schlage zum letzten Mal die Trommel, Hans Niekirche – o heiliges Wort Gottes, das ist das jüngste Gericht!«

Hans Niekirche aus Braunschweig, der Trommelschläger, ein blutjunger Wicht, welcher einem Schneider seiner Geburtsstadt aus der Lehre gelaufen war, hatte, hierhin gestoßen, dahin gezerrt, sich fast zwischen die langen Beine seines Hauptmanns gerettet und fing nun mit zitternden Händen von Neuem an, das Kalbfell zu bearbeiten; während der Hauptmann hin und her lief, mit beiden Händen das Haupthaar durchwühlend. Er hatte wohl das Recht, zornig zu sein, der Wackere! Dicht hinter sich hatte er ein geplündertes Bauernhaus, dessen Fenster und Thüren eingeschlagen waren, und auf dessen Schwelle ein junges Weib mit zerrissenen Kleidern, in der im letzten Krampf zusammengekniffenen Hand ein Büschel rother Haare, leblos ausgestreckt lag. An sein linkes Bein hing sich jetzt auch noch ein arm Kindlein in seiner Todesangst, zu seiner Rechten schlug Niekirche seine Wirbel und rings um ihn her schrie und stampfte, fluchte und drohete sein meuterisch Fähnlein und rasaunte durch einander, wie ein aufgestört Rattennest.

»O Ihr Schelme, Ihr Hunde, das soll Euch heimgezahlt werden!« brüllte der Hauptmann. »Warte, Hans Diroff von Kahla, warte Koburger, Christoph Stern von Saalfeld, an den Galgen und auf's Rad kommt Ihr; oder die Gerechtigkeit ist crepirt auf Erden. Warte, Du Schmalz von Gera, Dein Fett soll all' werden, wie eine Kerze im Feuer! O Tag des Zorns, o Hunde! Hunde!«

»Gebt Raum, Hauptmann!« schrie ein riesenhafter Kerl, genannt Valentin Weisser von Roseneck, dem Führer den Büchsenkolben vor die Brust setzend. »Ihr seid die Verräther, die Schelme, Ihr und Euere saubern Gesellen und Euer Graf von Hohenlohe, der Holländer! Wollt Ihr uns nicht etwa über das Wasser, über den Rhein, von des Reichs Boden führen? He, sprecht!«

»Nicht über den Rhein! nicht über den Rhein! nicht vor Bommel! nicht vor Bommel!« schrie es von allen Seiten, und weit über das Feld durch alle die Tausende wälzte sich dasselbe Wort. Der Hauptmann schlug den Kolben von seiner Brust zur Seite.

»Du wirst gehängt, wie ein Spatz, Rosenecker,« schrie er.

»Ihr sollt es wenigstens nit erschauen!« brüllte der Schütz wieder, die brennende Lunte über dem Haupte schwingend. Er nahm sich nicht die Mühe, sie aufzuschrauben, das Feuerrohr lag auf der Gabel – im nächsten Augenblick wäre der Hauptmann ein Kind des Todes gewesen, wenn nicht plötzlich zwischen dem Bedrohten und dem Drohenden ein Reiter im vollen Galopp angehalten und dem wüthenden Musketierer den Büchsenlauf in die Höhe geschlagen hätte, daß der Schuß in die Luft ging.

»Der Junker! der Junker!« schrie es auf allen Seiten. »Der Junker zurück! sprecht, sprecht, was ist's? was sagt der Graf? Haben sie uns verkauft an die holländischen Juden, ihnen ihre Festung Bommel zu entsetzen? ... Der Junker, der Junker! Nicht nach Bommel! nicht vor Bommel! nicht über Rhein! nicht über Rhein! In die Spieße der von Hollach!«

»Ja, schreit nur, bis Ihr berstet!« zischte blau vor Grimm der Hauptmann durch die zusammengebissenen Zähne und ballte die Hände, daß die Nägel tief in's Fleisch drangen. »Schreit nur – es ist noch nicht im Topf, darin es gekocht wird – Christoph von Denow, sprecht zu den Meutmachern! sagt den räudigen Hunden Eure Botschaft!«

Der junge Reiter richtete sich hoch auf im Sattel, und alle die wilden Gesichter im Fackelschein ringsumher wandten sich ihm zu.

»Der wohlgeborene und edle Graf Philipp von Hohenlohe, unser gnädiger Feldhauptmann« –

»Nichts von dem Grafen von Hollach, dem Verräther, dem Judas!« schrieen Einige. »Stille! Ruhe! Hört ihn!« riefen die Andern und gewannen die Oberhand, daß der Reiter fortfahren konnte.

»Der Graf läßt den Fähnlein des braunschweig'schen Regiments zu Roß und zu Fuß vermelden, daß ihr Begehren und Gebühren unehrlich und treulos sei, deutscher Nation zu Schimpf und Schande und großem Schaden gereiche« –

Ein allgemeines Wuth- und Spott-Gebrüll unterbrach den Redner, der erst nach langem Harren weiter rufen konnte.

»Es sagt der Graf von Hohenlohe, daß er befehle, Generalmarsch zu schlagen vor jeglichem Quartier und auszurücken in die Linien gen Rees, auf weitern Befehl! Da kommt unser gnädiger Obrister, der Herr von Rethen.«