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Kann man nach staatlichem Recht aus der kath. Kirche "austreten" und trotzdem weiter zur Glaubensgemeinschaft gehören? Die neu entfachte Debatte führen Experten aus Theologie und Rechtswissenschaft fort. Sie erörtern religionssoziologische, dogmatische, pastorale und kirchenrechtliche Aspekte, fragen nach der Situation in Österreich, der Schweiz sowie in den Evangelischen Landeskirchen und entwerfen so ein facettenreiches Bild des Kirchenaustritts.
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Seitenzahl: 324
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Der Kirchenaustritt
Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung
Herausgegeben von Georg Bier
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Verlag Herder
ISBN (E-Book) 978-3-451-80033-7
ISBN (Buch) 978-3-451-30903-8
Inhalt
Vorwort
Georg Bier
Dokumentation
Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 13. März 2006
Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der Katholischen Kirche vom 24. April 2006
Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2012
Diskussionsbeiträge
Die geschichtliche Entwicklung des Kirchenaustritts
René Löffler
Gehen oder bleiben? Kirchenaustritt als Prozess
Michael N. Ebertz / Monika Eberhardt / Anna Lang
„Automatisch nicht mehr katholisch“?Theologisch-systematische Erwägungen zur Frage des Kirchenaustritts
Elke Pahud de Mortanges
„Kirchenaustritt“: Worüber das Bundesverwaltungsgericht im Fall Zapp entschieden hat(und worüber nicht)
Martin Löhnig / Mareike Preisner
Kein bloßer „Körperschaftsaustritt“Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 9. 2012 aus juristischer Sicht
Stefan Muckel
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 09. 2012 aus der Sicht des Erzbistums Freiburg
Michael Himmelsbach
Die Gemeinschaft mit der Kirche allzeit wahren. Zum Gesetz der Deutschen Bischofskonferenz über die Folgen des Kirchenaustritts vor der staatlichen Behörde
Stephan Haering OSB
Wer nicht zahlt, der glaubt auch nicht?
Georg Bier
Dienst oder Bärendienst?
Norbert Lüdecke
Die Bewertung des „Kirchenaustritts“ im Bistum Chur und der Umgang mit „Austretenden“.Der Primat der Ekklesiologie und der Pastoral
Martin Grichting
Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche.Kanonistisches zu den Pastoralen Initiativen der Österreichischen Bischofskonferenz in Zusammenhang mit dem Kirchenaustritt
Gerald Gruber
Der Kirchenaustritt im evangelischen Kirchenrecht
Jörg Winter
Die notwendige Umkehr.Die pastoraltheologische Herausforderung der Ausgetretenen
Rainer Bucher
Kirchenaustritt – eine pastoraltheologische Perspektive
Stephanie Klein
Kirchenaustritt – ein Bündel von Problemen und keine Lösung
Andreas Wollbold
Autorenverzeichnis
Der Kirchenaustritt gerät aus unterschiedlichen Gründen, aber mit großer Regelmäßigkeit ins Blickfeld der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit und bewegt die Gemüter. Diskutiert wird der Bedeutungsverlust der großen Volkskirchen, der aus den seit Jahren hohen Austrittszahlen abgeleitet wird; gefragt wird nach den Gründen für diese Entwicklung und nach möglichen Gegenmaßnahmen. Es wird darüber gestritten, ob es sachgerecht ist, wenn Mitarbeiter im kirchlichen Dienst ihren Arbeitsplatz verlieren, „nur“ weil sie aus der Kirche ausgetreten sind. Kirchenkritische Kreise werben offen für den Kirchenaustritt; auch kirchliche Gruppierungen propagieren ihn neuerdings als Instrument zur Durchsetzung eigener Interessen.
Einen besonderen Schub bekam die Debatte um den Kirchenaustritt im Juli 2007. Damals erklärte der emeritierte Kirchenrechtsprofessor Hartmut Zapp auf dem Standesamt seines Wohnortes den „Kirchenaustritt“. Anschließend teilte er in einem Schreiben an den zuständigen Diözesanbischof und in Interviews mit, er habe nicht die Absicht gehabt, die Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche zu verlassen und betrachte sich weiter als zur Kirche gehörig. Ein „Austritt“, der keiner ist – ein unlösbarer Widerspruch?
Nach staatlicher Rechtsordnung hat die Kirche den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zapp vertrat den Standpunkt, wer aus dieser Körperschaft „austrete“, wende sich nicht notwendig von der Kirche als Glaubensgemeinschaft ab. Von bischöflicher Seite wurde diese Auffassung bestritten. Zapp berief sich für seine Position auf ein Rundschreiben aus dem Vatikan; die deutschen Bischöfe verwiesen auf ihre langjährige Rechtstradition. Die Erzdiözese Freiburg, Zapps Heimatbistum, ließ vor staatlichen Gerichten die Gültigkeit von Zapps Austrittserklärung überprüfen. Das Verfahren durchlief drei Instanzen. Die mediale Aufmerksamkeit und die Intensität der öffentlichen Diskussion steigerten sich von Urteil zu Urteil und erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt, als im September 2012 nahezu zeitgleich mit dem drittinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Kraft trat, das für den „Kirchenaustritt“ gravierende innerkirchliche Rechtsfolgen vorsieht.
Im Kern geht es bei dieser Auseinandersetzung um zwei Fragen: In welchem rechtlichen Verhältnis stehen Körperschaft und Glaubensgemeinschaft zueinander? Und wie wirkt sich der Austritt aus der Körperschaft nach kirchlichem Verständnis auf die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft aus?
Die Beiträge des vorliegenden Bandes informieren über die Hintergründe der Fragestellung, entfalten die in der Debatte vertretenen Positionen und bieten Orientierungs- und Argumentationshilfen. Es kommen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher und bisweilen gegensätzlicher Standpunkte zu Wort, damit sich Leserinnen und Leser ein fundiertes eigenes Urteil zu der komplexen Problematik bilden können. Auch ein Repräsentant der DBK wurde eingeladen, einen Beitrag zu diesem Band zu verfassen; er sagte jedoch aus Zeitgründen ab.
Im ersten Teil des Bandes sind die Texte dokumentiert, die für die Diskussion von grundlegender Bedeutung sind und auf die in den meisten Beiträgen Bezug genommen wird: Das Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom März 2006, die Erklärung des Ständigen Rates der DBK vom April desselben Jahres, das am 24. September 2012 in Kraft getretene Allgemeinen Dekret der DBK und das zwei Tage später ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Zapp. Das Pastorale Schreiben, das dem Allgemeinen Dekret als Anlage beigefügt ist, wurde nach Redaktionsschluss dieses Bandes vom Ständigen Rat der DBK in einer überarbeiteten Fassung vorgelegt. Sie konnte für die vorliegende Publikation nicht mehr berücksichtigt werden, ist aber über die Amtsblätter deutscher (Erz-)Diözesen sowie online (z.B. http://www.ordinariatfreiburg.de/fileadmin/gemeinsam/amtsblatt/abl13_15.pdf) zugänglich.
In den Diskussionsbeiträgen geht es zunächst um zentrale Grundfragen. René Löffler skizziert die historische Entwicklung des Kirchenaustritts, Michael N. Ebertz, Monika Eberhardt und Anna Lang analysieren aus religionssoziologischer Perspektive „Austritts“-Motive, Elke Pahud de Mortanges formuliert theologisch-systematische Erwägungen zum „Kirchenaustritt“. Eine zweite Gruppe von Beiträgen befasst sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Jurist(inn)en Martin Löhnig, Mareike Preisner und Stefan Muckel kommentieren es aus wissenschaftlicher Perspektive, Michael Himmelsbach nimmt aus Sicht der Erzdiözese Freiburg Stellung. Er befasst sich außerdem mit dem Allgemeinen Dekret der DBK, das im Mittelpunkt der Beiträge von Stephan Haering, Georg Bier und Norbert Lüdecke steht. Aufschlussreich ist der Blick über den deutschen bzw. katholischen Tellerrand. Das von Martin Grichting vorgestellte „Churer Modell“ bietet eine interessante Alternative zum DBK-Dekret. Gerald Gruber informiert über die Situation in Österreich, Jörg Winter über die Bewertung des „Kirchenaustritts“ in den evangelischen Landeskirchen. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung des „Kirchenaustritts“ stellt sich die Frage nach dem angemessenen Umgang mit „Ausgetretenen“; Antwortvorschläge unterbreiten die Pastoraltheolog(inn)en Stephanie Klein, Rainer Bucher und Andreas Wollbold.
Zum Gelingen des Bandes haben viele beigetragen. Ein herzlicher Dank gilt vor allem den Autorinnen und Autoren, die trotz der knapp kalkulierten zeitlichen Vorgaben zur Mitarbeit bereit waren und ihre Beiträge fristgerecht eingereicht haben. Dank gebührt auch Stephan Weber vom Herder Verlag, der die Publikation angeregt und mit großer Umsicht betreut hat. Zu danken ist schließlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Arbeitsbereich Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte in Freiburg für die gewohnt zuverlässige Unterstützung.
Freiburg im Breisgau, Mai 2013Georg Bier
Vatikanstadt, 13. März 2006Prot. N. 10279/2006
Eminenz,
schon seit längerer Zeit haben Bischöfe, Offiziale und andere Fachleute des Kanonischen Rechtes diesem Päpstlichen Rat Zweifel und Anfragen zur Klärung hinsichtlich des sogenannten actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica vorgelegt, auf den in den Canones 1086 § 1, 1117 und 1124 des Codex des Kanonischen Rechtes Bezug genommen wird. In der Tat handelt es sich um einen in der kanonischen Gesetzgebung neuen Begriff, der sich unterscheidet von den anderen, eher „virtuellen“ Modalitäten (die auf dem Verhalten basieren) des „offenkundigen“ oder einfach „öffentlichen“ Glaubensabfalls (vgl. c. 171 § 1, 4°; 194 § 1, 2°; 316 § 1; 694 § 1, 1°; 1071 § 1, 4° und § 2), Umstände, in denen die in der katholischen Kirche Getauften oder in sie Aufgenommenen durch rein kirchliche Gesetze verpflichtet sind (vgl. c. 11).
Das Problem wurde von den zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls sorgfältig untersucht, um vor allem die theologisch-lehrhaften Inhalte dieses actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica genau zu fassen, und danach die Erfordernisse oder juridischen Formalitäten zu präzisieren, die notwendig sind, damit dieser sich als ein wirklicher „formaler Akt“ des Abfalls darstellt.
Nachdem hinsichtlich des ersten Aspekts die Entscheidung der Kongregation für die Glaubenslehre vorlag und die gesamte Frage in der Vollversammlung untersucht wurde, teilt dieser Päpstliche Rat den Präsidenten der Bischofskonferenzen Folgendes mit:
1. Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann, auch hinsichtlich der in den zitierten Canones vorgesehenen Ausnahmen, konkretisiert werden in:
a) einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;
b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;
c) der Annahme dieser Entscheidung von seiten der kirchlichen Autorität.
2. Der Inhalt des Willensaktes muss bestehen im Zerbrechen jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus.
3. Der rechtlich-administrative Akt des Abfalls von der Kirche kann aus sich nicht einen formalen Akt des Glaubensabfalls in dem vom CIC verstandenen Sinn konstituieren, weil der Wille zum Verbleiben in der Glaubensgemeinschaft bestehen bleiben könnte.
Andererseits konstituieren formelle oder (noch weniger) materielle Häresie, Schisma und Apostasie nicht schon von selbst einen formalen Akt des Abfalls, wenn sie sich nicht im äußeren Bereich konkretisieren und wenn sie nicht der kirchlichen Autorität gegenüber in der gebotenen Weise bekundet werden.
4. Es muss sich demnach um einen rechtlich gültigen Akt handeln, der von einer kanonisch rechtsfähigen Person gesetzt wird, in Übereinstimmung mit der kanonischen Norm, die ihn regelt (vgl. cc. 124–126). Dieser Akt muss persönlich, bewusst und frei getätigt werden.
5. Es wird überdies verlangt, dass der Akt von dem Betroffenen schriftlich vor der zuständigen kirchlich katholischen Autorität bekundet wird: vor dem Ordinarius oder dem eigenen Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht.
Daher wird der actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mit den entsprechenden kirchenrechtlichen Sanktionen (vgl. c. 1364 § 1) nur vom Vorhandensein der beiden Elemente konstituiert, nämlich vom theologischen Profil des inneren Aktes und von seiner Bekundung in der festgelegten Weise.
6. In diesen Fällen sorgt dieselbe kirchliche Autorität dafür, dass der Eintrag im Taufbuch (vgl. c. 535 § 2) erfolgt mit dem ausdrücklichen Vermerk „defectio ab Ecclesia catholica actu formali“.
7. In jedem Fall bleibt klar, dass das sakramentale Band der Zugehörigkeit zum Leib Christi, der die Kirche ist, aufgrund des Taufcharakters ein ontologisches Band ist, das fortdauert und wegen des Aktes oder der Tatsache des Abfalls nicht erlischt.
In der Gewissheit, dass der dortige Episkopat in Anbetracht der Heilsdimension der kirchlichen Gemeinschaft die pastorale Motivation dieser Normen gut verstehen wird, verbleibe ich mit in herzliche Verbundenheit
im Herrn Ihr
Julián Kard. Herranz
Präsident
+ Bruno Bertagna
Sekretär
Die vorliegende Mitteilung wurde approbiert von Papst Benedikt XVI, der die amtliche Bekanntmachung an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen angeordnet hat.
[Amtlich publiziert in: Communicationes 38 (2006) 175–177]
Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat am 24 April 2006 die nachstehende Erklärung beschlossen. Sie nimmt Bezug auf ein Rundschreiben des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte, in dem unter eherechtlichem Aspekt die Modalitäten und die Konsequenzen des in einem förmlichen Akt vollzogenen Abfalls von der katholischen Kirche dargelegt werden. Die Erklärung der deutschen Bischöfe wendet diese weltkirchlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der deutschen Rechtstradition auf die deutschen Diözesen an. Sie schafft kein neues Recht, sondern hält an der geltenden Rechtslage fest und bestätigt die bewährte Praxis.
Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche
Mit einem Rundschreiben vom 13. März 2006 hat der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte (auf Anordnung von Papst Benedikt XVI.) den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen eine Erläuterung zu dem im kirchlichen Eherecht (cc. 1086 §1, 1117, 1124 CIC) verwendeten Begriff actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mitgeteilt. Diese Klarstellung berührt nicht die in der deutschen Rechtstradition stehende staatliche Regelung für den „Kirchenaustritt“. Zur Vermeidung von Missverständnissen stellt die Deutsche Bischofskonferenz deshalb – im Einklang mit der ständigen Auffassung der deutschen Bischöfe1 – Folgendes fest:
1. Durch die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche vor der staatlichen Behörde2 wird mit öffentlicher Wirkung die Trennung von der Kirche vollzogen. Der Kirchenaustritt ist der öffentlich erklärte und amtlich bekundete Abfall von der Kirche und erfüllt den Tatbestand des Schismas im Sinne des c. 751 CIC.
2. Die Erklärung des Austritts vor der staatlichen Behörde wird durch die Zuleitung an die zuständige kirchliche Autorität auch kirchlich wirksam. Dies wird durch die Eintragung im Taufbuch dokumentiert.
3. Wer – aus welchen Gründen auch immer3 – den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, zieht sich die Tatstrafe der Exkommunikation4 zu, d. h. er verliert die mit der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft (Communio) verbundenen Gliedschaftsrechte, insbesondere zum Empfang der Sakramente und zur Mitwirkung in der Kirche. Ebenso treten die im kirchlichen Eherecht vorgesehenen Rechtsfolgen5 ein.
4. Wer den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, kann nicht in einem kirchlichen Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis stehen.
5. Die Exkommunikation ist eine Beugestrafe, die zur Umkehr auffordert. Nach dem Austritt wird sich die Kirche durch den zuständigen Seelsorger um eine Versöhnung mit der betreffenden Person und um eine Wiederherstellung ihrer vollen Gemeinschaft mit der Kirche bemühen.
Für das Erzbistum Freiburg
Robert Zollitsch
Erzbischof
1 Vgl. die Kanzelverkündigung der Konferenz der westdeutschen Bischöfe vom 15. 02. 1937 [Ludwig Volk (Hg.), Akten der deutschen Bischöfe über die Lage der Kirche 1933–1945, Bd. 4, Mainz 1981, 175]; „Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens“ vom 22. 12. 1969 [AfkKR 138 (1969) 557]. Auch in den Diözesen liegen entsprechende Beschlüsse vor, vgl. Diözesansynode Köln 1954, Trier 1959, Bischöflicher Erlass Augsburg 1988.
2 Eine Ausnahme bildet die Freie Hansestadt Bremen, wo der Kirchenaustritt vor der kirchlichen Autorität zu erklären ist.
3 Auch der Austritt wegen der Kirchensteuer stellt als Verweigerung der solidarischen Beitragspflicht für die Erfordernisse der Kirche (cc. 222 § 1; 1262 CIC i. V. m. Partikularnorm Nr. 17 der Deutschen Bischofskonferenz zu c. 1262 CIC vom 22. 9. 1992) eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Communio dar und mindert die Rechtsfolgen nicht.
4 cc. 751, 1318, 1321 § 2, 1364 § 1 CIC.
5 cc. 1086, 1117, 1124 CIC.
[Publiziert in den Amtsblättern der deutschen (Erz-)Diözesen, hier wiedergegeben nach: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg vom 19. 5. 2006, 349, Nr. 328]
I. Infolge der Säkularisation der Kirchengüter waren die deutschen Staaten zu materiellen Leistungen an die Kirchen verpflichtet. Im 19. Jahrhundert haben sie diese Verpflichtung umgewandelt und die Kirchensteuer eingeführt. Mittels ihrer entrichten nun die Gläubigen selbst Beiträge für die Aufgaben der Kirche. Um dem Grundrecht der Religionsfreiheit Geltung zu verschaffen und zu gewährleisten, dass niemand gegen seinen Willen als Kirchenmitglied geführt wird, wurde die Möglichkeit geschaffen, zivilrechtlich den „Kirchenaustritt“ zu erklären.
Die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft. Wer vor der zuständigen zivilen Behörde aus welchen Gründen auch immer seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt damit gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (c. 209 §1 CIC), und gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann (c. 222 § 1 CIC i. V. m. c. 1263 CIC).
II. Die Erklärung des Kirchenaustritts erfüllt die Kirche mit Sorge und bewegt sie, der Person, die ihren Austritt erklärt hat, mit pastoraler Hinwendung nachzugehen.
Die Erklärung des Kirchenaustritts zieht folgende Rechtsfolgen nach sich:
1. Die aus der Kirche ausgetretene Person
darf die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung – außer in Todesgefahr – nicht empfangen,
kann keine kirchlichen Ämter bekleiden und keine Funktionen in der Kirche wahrnehmen,
kann nicht Taufpate und nicht Firmpate sein,
kann nicht Mitglied in pfarrlichen und in diözesanen Räten sein,
verliert das aktive und passive Wahlrecht in der Kirche,
kann nicht Mitglied in öffentlichen kirchlichen Vereinen sein.
2. Damit aus der Kirche ausgetretene Personen eine kirchliche Ehe schließen können, muss die Erlaubnis zur Eheschließungsassistenz beim Ortsordinarius eingeholt werden. Diese setzt Versprechen über die Bewahrung des Glaubens und die katholische Kindererziehung voraus.
3. Falls die aus der Kirche ausgetretene Person nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt hat, kann das kirchliche Begräbnis verweigert werden.
4. Falls die Person im kirchlichen Dienst steht, treten die im kirchlichen Dienstrecht vorgesehenen Folgen in Kraft.
5. Falls die Person aufgrund einer kirchlichen Ermächtigung Dienste ausübt, muss diese Ermächtigung widerrufen werden.
6. Die kirchliche Autorität lädt diejenigen, die den Kirchenaustritt erklärt haben, zu einem Gespräch im Blick auf ihre volle Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft ein. Es zielt auf die Versöhnung mit der Kirche und die Rückkehr zur vollen Ausübung der Rechte und Pflichten. Wenn aus der Reaktion des Gläubigen, der den Kirchenaustritt erklärt hat, auf einen schismatischen, häretischen oder apostatischen Akt zu schließen ist, wird der Ordinarius dafür sorgen, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Das Pastorale Schreiben an die aus der Kirche ausgetretene Person unmittelbar nach Kenntnisnahme des Kirchenaustritts (siehe Anlage) und das Gespräch haben keine aufschiebende Wirkung.
Erläuterungen:
In den Bundesländern außer Bremen erfolgt der Kirchenaustritt vor einer zivilen Behörde, in Bremen gemäß Landesgesetz vor einer kirchlichen Stelle.
zu 1. Pfarrliche und diözesane Räte sind z. B. Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand bzw. Vermögensverwaltungsrat sowie Diözesanpastoralrat. Zur Mitgliedschaft in öffentlichen kirchlichen Vereinen vgl. c. 316 CIC.
zu 2. Vgl. dazu c. 1071 in Verbindung mit c. 1125 CIC.
zu 3. Vgl. dazu c. 1184 § 1 n. 3 CIC.
zu 4. Vgl. dazu „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“, Artikel 3 Absatz 4 („Für keinen Dienst in der Kirche ist geeignet, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.“) (= Die deutschen Bischöfe 51, 2008).
zu 5. Gemeint sind z. B. die missio canonica für Religionslehrer und das nihil obstat für Theologieprofessoren.
***
Das am 15. März 2011 von der Vollversammlung approbierte „Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ mit dem Pastoralen Schreiben wurde durch Dekret der Kongregation für die Bischöfe vom 28. August 2012 rekognosziert (Prot. Nr. 834/84).
Die Promulgation gemäß § 16 Absatz 2 des Statuts der Deutschen Bischofskonferenz vom 28. September 2002 ist bereits erfolgt.
Das „Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ tritt am 24. September 2012 in Kraft.
Freiburg im Breisgau, den 17. September 2012
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Pastorales Schreiben(an die aus der Kirche ausgetretene Person unmittelbar nach Kenntnisnahme des Kirchenaustritts)
Sehr geehrte/r ………………….,
mit Bedauern habe ich erfahren, dass Sie vor der zuständigen zivilen Behörde Ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärt haben. Ihre Entscheidung ist mir, wie Sie verstehen werden, keineswegs gleichgültig. Ich würde gerne mit Ihnen über die Gründe, die Sie zu Ihrem Schritt bewogen haben, sprechen und habe als Seelsorger auch die Pflicht, die Motivation Ihres Kirchenaustritts zu erfragen und eine entsprechende Einschätzung vorzunehmen.
Wer in der katholischen Kirche getauft oder in sie aufgenommenen wurde, hat ja auf seine Weise Anteil an der Sendung des ganzen christlichen Volkes in Kirche und Welt (vgl. Lumen Gentium 31). Katholische Christen genießen alle Grundrechte zur aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben, doch sind diese untrennbar mit der Erfüllung der Grundpflichten in der kirchlichen Gemeinschaft verbunden.
Im Auftrag des Bischofs muss ich Sie mit diesem Brief allerdings auch über die Wertung des Kirchenaustritts unterrichten und über die Folgen, die dieser in kirchenrechtlicher Hinsicht nach sich zieht.
Die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft. Wer vor der zuständigen Behörde seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (c. 209 § 1 CIC) und seinen finanziellen Beitrag zu leisten, dass die Kirche ihre Sendung erfüllen kann (c. 222 § 1 CIC i. V. m. c. 1263 CIC).
Die Erklärung des Kirchenaustritts zieht folgende Rechtsfolgen nach sich:
Als aus der Kirche ausgetretene Person
dürfen Sie die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung – außer in Todesgefahr – nicht empfangen,
können Sie keine kirchlichen Ämter bekleiden und keine Funktionen in der Kirche wahrnehmen,
können Sie nicht Taufpate und nicht Firmpate sein,
können Sie nicht Mitglied in pfarrlichen und in diözesanen Räten sein (z. B. Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand bzw. Vermögensverwaltungsrat, Diözesanpastoralrat etc.),
verlieren Sie das aktive und passive Wahlrecht in der Kirche,
können Sie nicht Mitglied in öffentlichen kirchlichen Vereinen sein.
Wenn Sie eine kirchliche Ehe schließen möchten, muss zuvor eine Erlaubnis zur Eheschließungsassistenz beim Ortsordinarius eingeholt werden. Diese setzt Versprechen über die Bewahrung des Glaubens und die katholische Kindererziehung voraus.
Ebenso kann Ihnen, falls Sie nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt haben, das kirchliche Begräbnis verweigert werden.
Vielleicht haben Sie die Tragweite Ihrer Entscheidung nicht ermessen und möchten diesen Schritt rückgängig machen.
Ich lade Sie ein, ein Gespräch zur Klärung mit mir oder einem anderen katholischen Seelsorger Ihrer Wahl zu führen.
Aber auch dann, wenn Sie nicht an eine Änderung Ihres Entschlusses denken, bin ich an einem Gespräch mit Ihnen interessiert und würde mich diesbezüglich über Ihre Rückmeldung freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer
Hinweis: Die Leiter der Seelsorgeeinheiten werden in den nächsten Tagen ein Schreiben mit näheren Informationen zum konkreten Vorgehen erhalten.
[Publiziert in den Amtsblättern der deutschen (Erz-)Diözesen, hier wiedergegeben nach: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg vom 20. 9. 2012, 343–345, Nr. 302]
AZ 6 C 7. 12
[VorinstanzenVG Freiburg i. Br. – 15. 07. 2009 – AZ: VG 2 K 1746/08VGH Baden-Württemberg – 04. 05. 2010 – AZ: VGH1S 1953/09]
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26.September 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Möller und Prof. Dr. Hecker für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Mai 2010 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die im Revisionsverfahren angefallen sind; im Übrigen trägt der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I
1 Der Kläger, das ■■■■■■■■■■, wendet sich gegen eine Bescheinigung, die das Standesamt der beklagten Stadt ■■■■■■ dem Beigeladenen über den Austritt aus der Kirche erteilt hat.
2 Der Beigeladene ist emeritierter Professor für kanonisches Recht und kirchliche Rechtsgeschichte. Er gab auf dem Standesamt der beklagten Stadt ■■■■■■■ eine Erklärung über seinen „Austritt aus einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft“ ab. In dem so überschriebenen Formular trug der Standesbeamte auf Wunsch des Beigeladenen in der Rubrik „Erklärung“ unter der Überschrift „Rechtliche Zugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft“ ein: „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ und darunter: „Ich trete aus der angegebenen Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft aus.“ Das Standesamt händigte dem Beigeladenen eine Bescheinigung über den Austritt aus und übersandte dem katholischen Pfarramt in ■■■■■ eine entsprechende Mitteilung.
3 Der Beigeladene legte in Schreiben an das Erzbistum, ebenso gegenüber der Presse und später der Beklagten dar: Nach katholischem Verständnis sei ein Austritt aus der Kirche unmöglich. Deshalb sei zwingend zwischen der Mitgliedschaft im staatlichen und im kirchlichen Bereich zu unterscheiden. Der Austritt sei korrekt als Körperschaftsaustritt und nicht als Kirchenaustritt zu bezeichnen. Der Körperschaftsaustritt berühre die volle Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nicht. Das Erzbistum bat die Beklagte, zu überprüfen, ob die Erklärung des Beigeladenen über seinen Austritt wirksam sei: Nach der einschlägigen Bestimmung des § 26 Abs. 1 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg (KiStG) dürfe die Erklärung keine Zusätze enthalten. Der Beigeladene habe die Kirche, aus der er austreten wolle, mit dem Zusatz „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ bezeichnet. Er habe sich hierzu eingelassen, er habe seinen Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts erklärt; seine Erklärung beeinträchtige jedoch nicht die Mitgliedschaft in der Kirche als Glaubensgemeinschaft. Die Beklagte teilte dem Erzbistum mit, sie halte den Zusatz für unbedenklich. Das Erzbistum bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.
4 Die Beklagte wertete die Eingabe des Erzbistums als Widerspruch gegen die Bescheinigung, die sie dem Beigeladenen über dessen Kirchenaustritt erteilt hatte. Das Landratsamt■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ wies den Widerspruch zurück.
5 Das Erzbistum hat daraufhin mit dem Antrag Klage erhoben, die Bescheinigung der Beklagten und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts aufzuheben.
6 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Der verwendete Begriff „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ stelle keinen unzulässigen Zusatz im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 KiStG dar, sondern kennzeichne nur zutreffend die Religionsgemeinschaft, aus der der Beigeladene habe austreten wollen.
7 Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof der Klage stattgegeben und die streitige Bescheinigung aufgehoben: Verfassungsrechtlich sei unter anderem durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und Art. 137 Abs. 6 WRV eine Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 2 KiStG geboten, die sicherstelle, dass der Austrittswillige seine Austrittserklärung nicht auf den staatlichen Rechtskreis beschränken könne. Der Staat müsse Erklärungen über den Kirchenaustritt auslegen, und zwar auch im Lichte sie begleitender Umstände, und sich vergewissern, ob der Erklärende sich bedingungslos, ernsthaft und vollständig von der Religionsgemeinschaft lossagen wolle. Das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften hindere den Staat daran, ein Austrittsrecht für Fälle vorzusehen, in denen die negative Religionsfreiheit nicht berührt sei, weil der Einzelne sich nicht gegen seine Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft im innerkirchlichen Sinne wende. Die Erklärung des Beigeladenen lasse keinen hinreichenden Willen erkennen, aus der Religionsgemeinschaft im kirchenrechtlichen Sinne auszutreten. Nach Wortlaut und Sinn ziele sie zwar darauf ab, dass staatliche Behörden und Gerichte ihn nicht länger als Mitglied der römischkatholischen Kirche ansehen sollten. Der Beigeladene habe aber in seinem umfangreichen Schriftverkehr mit dem Kläger und der Beklagten deutlich gemacht, dass er nur diejenigen Rechtswirkungen habe auslösen wollen, die der Staat an den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts knüpfe.
8 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision des Beigeladenen, mit der er die Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts erstrebt: Mit dem Grundrecht des Austrittswilligen auf negative Bekenntnisfreiheit sei nicht vereinbar, wenn die staatliche Behörde seine Erklärung auslege und sich darüber Gewissheit verschaffen wolle, ob er sich ernsthaft und vollständig von seiner Religionsgemeinschaft lossagen wolle. Für die Wirksamkeit der Erklärung seien ihre Motive unerheblich, soweit nur ihr Wortlaut eindeutig sei. Die Austrittserklärung könne sich nur auf die Kirche als Körperschaft beziehen, da ein Austritt aus der Glaubensgemeinschaft kirchenrechtlich nicht möglich sei. Insoweit werde die Kirche aber allein durch die Nennung ihres Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ eindeutig identifiziert.
9 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und hebt hervor: Bereits nach dem reinen Wortsinn seiner Erklärung habe der Beigeladene durch den Hinweis auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Kirchenaustritt vermeiden wollen, der darauf gerichtet sei, die Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche zu verlassen.
10 Die Beklagte hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs: Der Staat dürfe eine Austrittserklärung auslegen, um deren Eindeutigkeit und Klarheit zu ermitteln, dürfe die Motive des Austrittswilligen aber nicht erforschen. Dem Beigeladenen bleibe es unbenommen, der katholischen Kirche seinen Willen mitzuteilen, der Glaubengemeinschaft begrenzt auf den Kultus weiter anzugehören. Dem Staat sei es von Verfassungs wegen untersagt, Feststellungen zu den Wirkungen zu treffen, die eine Austrittserklärung nach dem Recht der Religionsgemeinschaft in deren internen Bereich erzeuge. Ein Zusatz zu der Austrittserklärung sei unzulässig, wenn die Behörde mit der Bescheinigung über den Austritt zumindest inzident bestätigen würde, dass eine Mitgliedschaft im innergemeinschaftlichen Bereich bestehe oder nicht bestehe. Indem die Beklagte den Austritt mit dem Zusatz „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ bestätigt habe, habe sie dem Beigeladenen einen nur teilweisen, nämlich auf den staatlichen Bereich beschränkten Austritt bescheinigt. Das Grundgesetz kenne aber nur die unteilbare Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft.
II
12 Die Revision des Beigeladenen ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar zu Recht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV einerseits, Art. 4 Abs. 1 GG andererseits hergeleitet, wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten wolle, dürfe seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken. Er hat aber unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG angenommen, ob der Austrittserklärung ein hierauf gerichteter Zusatz beigefügt sei, sei über den Wortlaut der Erklärung hinaus auch anhand der sie begleitenden Umstände zu ermitteln. Wird entsprechend der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben nur der protokollierte Wortlaut der Erklärung berücksichtigt, ist die Erklärung des Beigeladenen über den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft nicht mit einem Zusatz im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz – KiStG) in der Fassung vom 15. Juni 1978 (GBl S. 370) versehen und die hierüber erteilte Bescheinigung rechtmäßig. Der Verwaltungsgerichtshof hätte sie nicht aufheben dürfen, sondern die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen müssen. Die insoweit noch erforderliche Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift kann der Senat selbst vornehmen. Für ihre Anwendung auf den konkreten Fall bedarf es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen. Der Senat entscheidet daher in der Sache selbst (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
13 1. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sowie aus Art. 4 Abs. 1 GG die Forderung abgeleitet, § 26 Abs. 1 KiStG verlange eine Erklärung, nach deren Wortlaut der Austrittswillige sich von seiner Religionsgemeinschaft als solcher trennen will.
14 Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 KiStG hat jeder das Recht, aus einer Religionsgemeinschaft durch eine Erklärung gegenüber dem für seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Standesbeamten mit bürgerlicher Wirkung auszutreten. Die Erklärung ist nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KiStG persönlich zur Niederschrift abzugeben oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen; sie darf nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KiStG keine Bedingungen oder Zusätze enthalten.
15 Der Verwaltungsgerichtshof definiert den Begriff des Zusatzes dadurch, dass er ihn von dem Begriff des Erklärungskerns absetzt. Den Erklärungskern bestimmt er normativ, nämlich unter Rückgriff auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 WRV: Der Austrittswillige muss erklären, dass er sich ernsthaft, bedingungslos und vollständig von seiner Religionsgemeinschaft trennen will. Auf dieser Grundlage sind Zusätze insbesondere solche Ergänzungen, die den Austritt auf den staatlichen Rechtskreis (die Körperschaft des öffentlichen Rechts) beschränken sollen, die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft (hier der römisch-katholischen Kirche) aber von der Erklärung ausnehmen wollen. Diese Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KiStG beruht auf einem zutreffenden Verständnis der bundesrechtlichen Vorgaben.
16 a) Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 1 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.
17 Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft in ihren eigenen Angelegenheiten umfasst das Recht, die Mitgliedschaft in ihr zu regeln. Im Interesse der Religionsgemeinschaft soll damit zum einen verhindert werden, dass ihr jemand aufgedrängt wird, den sie selbst nicht als ihr zugehörig betrachtet; zum anderen soll sich kein Mitglied den Pflichten entziehen können, die aus der Mitgliedschaft folgen. Knüpft die staatliche Rechtsordnung – wie in § 1 Abs. 1 KiStG – an die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft Rechtsfolgen, richtet sich die Frage der Mitgliedschaft nach dem religionsgemeinschaftlichen Recht (Urteil vom 23. September 2010 – BVerwG 7 C 22.09 – Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 79 Rn. 12).
18 Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft findet seine Schranken in dem für alle geltenden Gesetz. Die grundrechtlichen Gewährleistungen der negativen Bekenntnisfreiheit und der negativen Vereinigungsfreiheit im religiösen Bereich sowie das objektive Prinzip der staatlichen Neutralität fordern die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft. Eine Vereinnahmung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen kann durch das staatliche Recht nicht anerkannt werden (Urteil vom 23. September 2010 a. a. O. Rn. 12). Die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit umfasst neben der Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben sowie sich zu diesen Überzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten, die negative Glaubensfreiheit, also die Freiheit, keine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu haben oder eine solche abzulehnen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2008 – 1 BvR 462/06 – BVerfGE 122, 89 <119>). Das schließt die Freiheit, einer Religionsgemeinschaft fernzubleiben, ebenso ein wie die Freiheit, sich jederzeit von der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft mit Wirkung für das staatliche Recht durch Austritt zurückzuziehen (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1977 – 1 BvR 329/71 u. a. – BVerfGE 44, 37 <49>; Kammerbeschluss vom 2. Juli 2008 – 1 BvR 3006/07 – NJW 2008, 2978).
19 Der Staat darf an die Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft nur dann Rechtsfolgen im staatlichen Bereich knüpfen, wenn die Fortdauer einer zunächst freiwillig oder doch zurechenbar begründeten Mitgliedschaft weiterhin auf Freiwilligkeit beruht. Einige der korporierten Religionsgemeinschaften erkennen in ihrem Recht nicht die Möglichkeit an, die Religionsgemeinschaft wieder zu verlassen. So ist nach christlichem Verständnis die Taufe als der Akt, durch den die Mitgliedschaft in der Kirche begründet wird, und damit die Mitgliedschaft selbst nicht aufhebbar. Stärkt der Staat die Belange der Religionsgemeinschaft mittels hoheitlicher Befugnisse, ist er in gleicher Weise gehalten, entgegenstehenden Rechtspositionen Rechnung zu tragen. Seinen Schutzpflichten ist er dabei dadurch nachgekommen, dass er anders als den Eintritt in eine Religionsgemeinschaft den Austritt aus ihr durch staatliche Gesetze geregelt hat, die die negative Religionsfreiheit wahren sollen (Urteil vom 23. September 2010 a. a. O. Rn. 18).
20 Aufgrund dieser verfassungsrechtlich vorgegebenen Funktion des staatlich geregelten Austritts aus einer Religionsgemeinschaft muss eine Auslegung von § 26 Abs. 1 KiStG und vergleichbarer Vorschriften anderer Bundesländer zum einen das Recht des Austrittswilligen aus Art. 4 Abs. 1 GG gewährleisten, über seine Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft frei zu entscheiden. Sie muss zum anderen sicherstellen, dass die ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Körperschaftsrechte der Religionsgemeinschaft, die an die Mitgliedschaft in ihr anknüpfen, nicht stärker beschränkt werden, als es zur Gewährleistung der (negativen) Glaubensfreiheit des Einzelnen erforderlich ist.
21 Danach ist eine Auslegung des § 26 Abs. 1 KiStG verfassungsrechtlich geboten, die fordert, dass sich die Erklärung des Austrittswilligen auf seine Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft zu beziehen hat und die Aufgabe der Zugehörigkeit zu ihr zum Gegenstand haben muss. Unzulässig ist eine Erklärung, die selbst oder durch Zusätze den Willen zum Ausdruck bringt, nur die mit der Mitgliedschaft verbundenen Wirkungen im staatlichen Bereich zu beseitigen, also aus der Religionsgemeinschaft in ihrer rechtlichen Gestalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auszutreten, in der Glaubensgemeinschaft selbst aber zu verbleiben.
22 Die öffentlich-rechtlichen Pflichten, die aus der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft folgen, müssen auf der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft beruhen. Der Austritt aus der Religionsgemeinschaft soll die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft beseitigen, deren Fortdauer erforderlich ist, um weiterhin öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen an die Mitgliedschaft zu knüpfen. Soll die Mitgliedschaft nach der abgegebenen Erklärung freiwillig fortdauern, wird von der negativen Glaubensfreiheit nicht Gebrauch gemacht. Deshalb kann dort der Schutz des Staates nicht eingreifen und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft nicht beschränken (vgl. Listl, JZ 1971, 345 <351>).
23 Die öffentlich-rechtlichen Wirkungen der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft beruhen auf ihr verfassungsrechtlich verliehenen Rechten. Sie folgen aus der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft. Solange die Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft nicht in Frage gestellt wird, kann der Staat die Wirkungen der Mitgliedschaft in seinem Bereich nicht zurücknehmen, ohne die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Religionsgemeinschaft zu verletzen. Der Staat muss daher den Austritt aus der Religionsgemeinschaft und damit die Beendigung der Mitgliedschaft in ihr zur Voraussetzung dafür machen, dass ihre Wirkungen im staatlichen Bereich nicht eintreten. Er kann nicht von den Wirkungen der Mitgliedschaft im staatlichen Bereich befreien, ohne dass eine auf die Beendigung der Mitgliedschaft gerichtete Erklärung vorliegt, die jedenfalls die Freiwilligkeit der weiteren Mitgliedschaft aufhebt, auch wenn die Mitgliedschaft selbst nach dem innergemeinschaftlichen Recht nicht beendet werden kann.
24 b) Die Austrittserklärung ist nicht deshalb notwendig auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit auf die staatlichen Wirkungen der Mitgliedschaft zu beschränken, weil eine Religionsgemeinschaft, namentlich die römischkatholische Kirche, als Glaubensgemeinschaft nicht mit der Körperschaft des öffentlichen Rechts als weltlicher Organisationsform identisch sei (so aber insbesondere: Löhnig/ Preisner, Zu den Folgen eines Kirchenaustritts nach den Landeskirchenaustrittsgesetzen, AöR 137 <2012>, 118ff.; Zumbült, Körperschaft des öffentlichen Rechts und Corpus Christi Mysticum, KuR 2010, 176ff.; hiergegen insbesondere: Listl, Verfassungsrechtlich unzulässige Formen des Kirchenaustritts, JZ 1971, 345ff.; Muckel, Körperschaftsaustritt oder Kirchenaustritt?, JZ 2009, 174ff.). Die Notwendigkeit einer solchen Unterscheidung zwischen einer Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts und einer Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft lässt sich nicht, jedenfalls nicht zwingend aus staatlichen Normen herleiten. Sie kann, wenn überhaupt, nur aus dem innergemeinschaftlichen Recht der Religionsgemeinschaft begründet werden. Hieran anknüpfende Folgen können aber nicht zum Gegenstand einer Austrittserklärung vor der staatlichen Stelle und der von ihr hierüber zu erteilenden Bescheinigung gemacht werden.
25 aa) Der Staat knüpft in staatlichen Normen an die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft an, die allein nach deren Recht begründet worden ist. Die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft entfaltet zwar rechtliche Wirkungen sowohl im internen Bereich der Religionsgemeinschaft als auch im staatlichen Bereich, wird aber allein durch Normen der Religionsgemeinschaft begründet. Aus den öffentlichrechtlichen Wirkungen der Mitgliedschaft kann daher nicht geschlossen werden, es gebe wegen dieser Wirkungen und damit kraft staatlichen Rechts eine staatskirchenrechtliche Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft, die unabhängig von der innergemeinschaftlichen Mitgliedschaft und neben ihr besteht (vgl.: Listl, JZ 1971, 345 <346>).
26 Der auf Grund staatlichen Gesetzes erklärte Kirchenaustritt hat zwar nach dem insoweit allein maßgeblichen staatlichen Recht (hier § 26 Abs. 1 KiStG) lediglich die Folge, mit Wirkung für den Bereich des staatlichen Rechts die staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der Mitgliedschaft entfallen zu lassen. Welche Folgerungen aus einer Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde für den innergemeinschaftlichen Bereich zu ziehen sind, regelt indes allein das religionsgemeinschaftliche Recht. Denkgesetzlich ausgeschlossen ist es nicht, dass in den verschiedenen Bereichen die Wirkungen eines Austritts verschieden sind, also hier eintreten, dort nicht eintreten oder unterschiedlich weit gehen.
27 Ob es eine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt, die von der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft zu trennen ist und die deshalb isoliert aufgegeben werden könnte, beantwortet sich nach dem theologischen Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft und ihrem darauf aufgebauten innergemeinschaftlichen Recht. Eine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts, wenn sie denn von der Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft unterschieden werden kann, könnte nur eine abgeleitete Mitgliedschaft sein. Die Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, bei den christlichen Kirchen begründet durch die Taufe, vermittelt eine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es gibt keine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft. Lediglich umgekehrt kann es eine Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft geben, ohne zugleich Mitglied in der Körperschaft des öffentlichen Rechts sein zu müssen, nämlich wenn nach dem theologischen Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft eine Unterscheidung von Glaubensgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts möglich ist.
28 bb) Fragen des Selbstverständnisses einer Religionsgemeinschaft und ihres hierauf aufbauenden religionsgemeinschaftlichen Rechts können nicht von der staatlichen Stelle, die für den Austritt aus der Religionsgemeinschaft zuständig ist, durch die von ihr zu erteilende Bescheinigung mit Anspruch auf Verbindlichkeit entschieden werden. Die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG hindert den Staat daran, in religionsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen einer Religionsgemeinschaft und einem ihrer Mitglieder öffentlich-rechtlich Partei zu ergreifen und den Standpunkt des Mitglieds gegenüber der Religionsgemeinschaft oder umgekehrt den Standpunkt der Religionsgemeinschaft gegenüber einem Mitglied mit öffentlich-rechtlichem Zwang durchzusetzen. Partei ergriffe der Staat auch, wenn er durch die Bescheinigung oder deren Verweigerung sich zu einer streitigen Rechtsfolge verhielte, die seiner Regelungsbefugnis und seiner Beurteilung entzogen ist.
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