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Der kleine Herr Paul liebt den Winter. Da kann man mit Schneemännern tiefgründige Gespräche führen, darf an Weihnachtsgeschenke denken und mit Kakao und vielen Büchern der Kälte trotzen. Im Inneren des kleinen Herrn Paul hingegen ist es nicht kalt, sondern warm und wärmer, besonders, wenn er an die liebliche Frau Knopf denkt. Und zum Träumen hat der kleine Herr Paul in diesem Winter ganz besonders viel Zeit.
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Seitenzahl: 40
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Impressum
Vollständige eBook-Ausgabe des bei Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH (Quinto) 2007 erschienenen Werkes mit der ISBN 978-3-89835-846-0 Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar.
Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
© eBook: Quinto, Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH, München 2015
Text: Martin Baltscheit, Illustrationen: Ulf K.
Layout: Eva Tillmann eISBN: 978-3-89835-459-2
Inhalt
Das Bücheressen
Die Verwandlung
Der Schneemann
Das Geschenk
Die Einladung
Das neue Jahr
Schnee von Gestern
Der Eisberg
Martin Baltscheit
Ulf. K
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Das Bücheressen
Es war einmal ein kalter Winter. Es schien, als hätten sich die Schneewolken auf die Erde gelegt, dick und weiß und schwer. Es war unmöglich, vor die Tür zu gehen. Bis unter das Dach lag Schnee. Die Menschen fingen an, Tunnel zu graben, Tunnel, um sich zu besuchen, Tunnel, um Sachen miteinander zu tauschen. Schmuck gegen Decken, Geld gegen Wurst. Die Leute tauschten, weil die Geschäfte geschlossen hatten. Es gab keinen Nachschub, alle LKWs saßen fest. Im Radio sagten sie, man solle sparsam sein. Sie sagten, man müsse sich selber helfen. Die Polizei wäre schon unterwegs, den Frühling suchen, aber keiner wusste, wo er war, und niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, wie lange der Winter noch dauern würde.
Der kleine Herr Paul war sparsam und half sich selber. Trotzdem waren nach zwei Wochen alle Vorräte verbraucht und er hatte nichts mehr zu essen. Vielleicht half ein Buch. Der kleine Herr Paul las eine Geschichte über einen Angler, der … viel weiter kam er nicht. Denn er sah den Fisch in der Pfanne, kochte in seiner Vorstellung, deckte den Tisch und saß am Ende vor einem Teller mit Gedankenspeise. Es schmeckte alles ganz ausgezeichnet, nur der Ideenpudding am Ende war etwas zu süß. Der kleine Herr Paul musste einen Schnaps trinken, damit ihm nicht schlecht wurde. Doch dann wurde ihm vom Schnaps schlecht und das eingebildete Essen machte Geräusche im Bauch, als würden Steine über ein Blechdach gerollt.
„Gedankenspeise macht nur in Gedanken satt“, sagte der kleine Herr Paul. Wenn er nicht verhungern wollte, musste er etwas Richtiges essen.
Wie ein Jäger schlich er durch seine Wohnung und suchte nach Nahrung. Aber außer einer vertrockneten Spinne fand er nichts, keine Dose mit Spinat, keinen Krümel Brot und auch kein verlorenes Ei unter dem Schrank. Als er am Spiegel vorbeikam, war er dünn wie ein Blatt Papier und hätte sich als Leseband in ein Kochbuch legen können.
Kochbuch? Man konnte es versuchen. Der kleine Herr Paul ging in die Küche und warf ein Kochbuch in einen Topf mit Wasser, stellte die Flamme auf 10 und sah zu, wie sich Seite um Seite auflöste.
Es brauchte nicht lange und schon bald verbreitete sich ein köstlicher Duft. Eine Mischung aus gebratenem Hähnchen in Erdbeersoße an Biersalat mit Möhrenmousse. Aus 112 Rezepten war ein flottes Süppchen geworden. Der kleine Herr Paul aß drei Tage davon und jeder Löffel schmeckte anders.
Nach dem Essen gab es Tee. Dazu öffnete Herr Paul ein Fenster, brach sich einen Zapfen Eis von der Regenrinne und kochte ihn mit einer Seite aus einem Buch über ostindische Teesorten. Zapfen und Blatt ergaben genau eine Tasse.
Das Leben in Schneeland ist mühsam, aber lecker, dachte der kleine Herr Paul, stand vor dem Bücherregal und hatte schon wieder Appetit. Eine Reihe philosophischer Standardwerke stand in Leder gebunden auf Augenhöhe. Dicke Wälzer mit vielen tausend Seiten. Der kleine Herr Paul nahm sie herunter und stopfte sie alle in einen Topf. Nach zwei Stunden hatte er eine dicke Suppe, die aber nicht lange satt machte.
Am nächsten Tag gab es Abenteuergeschichten aus dem Backofen, und ein Buch über ein Schwein namens Bob legte er auf den Grill. Der Roman über den Hunnenkönig Attila wurde ein schmackhafter Braten, wahrscheinlich wegen der vielen Schlachten. Besonders spannend waren Reisebücher, denn man wusste nie, wonach sie schmeckten. Und als der kleine Herr Paul die »Geschichten aus 1001 Nacht« zubereitete, verliebte er sich in die Gewürze des Orients.
Draußen lag der Schnee wie seit hundert Jahren nicht mehr. Die Menschen lebten sparsam und waren immer nur hungrig. Allein der kleine Herr Paul wurde fett. Solange er Bücher hatte, und er hatte eine Menge davon, nahm er zu und wenn der Winter so weiter ging, würde er im Frühling platzen.
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