Der kleine Hudrywuschell Barnabas - Nicole Höss - E-Book

Der kleine Hudrywuschell Barnabas E-Book

Nicole Höss

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Beschreibung

Ich bin Barnabas. Von meinen Freunden werde ich Barni genannt. Ich lebe im Hudrywuschellland, im wunderschönen blauen Drachenpuppenwald. Wir Hudrywuschell beobachten euch Menschenkinder ganz genau und manchmal besuchen wir euch in euren Behausungen oder laden euch ein, uns zu besuchen. Wie du ins Reich der Hudrywuschell kommst? Du kannst es nur durch Spiegel betreten und nur, wenn dir ein Hudrywuschell die magischen Worte dafür verrät. Du weißt überhaupt nicht, was ein Hudrywuschell ist? Dann aber schnell – komm mit mir auf eine aufregende Reise, auf der wir zwischen deiner und meiner Welt hin- und herwandern und wundervolle Abenteuer erleben und du ganz viele Hudrywuschell kennenlernst!

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Seitenzahl: 210

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Inhalt

Impressum 3

Hallo, liebes Menschenkind 4

Paul und Sarah 8

Zusammentreffen der Helden 14

Magische Spiegelwelt 20

Barnis Nest 26

Die bezaubernde Sprotte 38

Heimkehr ins Menschenreich 43

Helenes Überraschung 48

Magie des Vergessens 61

Der heilige Gralstein 68

Sarahs Verwandlung 76

Meister Heinzel 84

Onkel Fridolin 92

Helenes Überraschung 103

Barni kocht 122

Die Lesung 131

Hudrywuschellmütze 139

Der Nachbarsjunge Werner 164

Im Drachenpuppenwald 174

Spiegelverkehrt 190

Hilfe von Janus 209

Liebeszauber 231

Schlusswort 239

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-145-5

ISBN e-book: 978-3-99130-146-2

Lektorat: Mag. Eva Reisinger

Umschlagfoto: Elena Schweitzer, Svetlana Murtazina | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Hallo, liebes Menschenkind

Es freut mich sehr, dass du den Weg zu diesem Buch und hiermit zu mir gefunden hast.

Mein werter Name ist Barnabas. Von meinen Freunden werde ich Barni genannt. Ich bin im Reich der Hudrywuschell zu Hause, im wunderschönen blauen Drachenpuppenwald.

Du fragst dich jetzt sicher, wie ich aussehe und woher ich genau komme. Gut, dann will ich dir ein wenig von mir und meiner Welt erzählen.

Ich schwöre, alles, was ich dir hier erzähle, ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Auch wenn die Erwachsenen dir nicht glauben werden, wenn du ihnen von mir erzählst. Mich gibt es wirklich und wahrhaftig, in all meiner Schönheit und Pracht.

Erwachsene Menschenkinder können mich aber nur sehen, wenn ich damit einverstanden bin.

Also, ich lebe im Hudrywuschellland.

Du kannst es nur durch Spiegel betreten, du weißt schon, die glänzenden Dinger, die an den Wänden hängen.

Wir Hudrywuschell beobachten euch ganz genau und manchmal besuchen wir euch Menschenkinder in euren Behausungen oder laden euch ein, uns zu besuchen. Da die meisten Menschen eitel sind, haben sie auch viele schöne Spiegel, die in ihren Häusern und Wohnungen an den Wänden hängen oder herumstehen. Also können wir ungehindert zwischen deiner und unserer Welt hin und her wandern.

Ich liebe Spiegel!

Aber nicht nur um zu wandern.

Ja, ich gebe es zu. Auch ich bin wahnsinnig eitel.

Hudrywuschell sind auf ihr Äußeres bedacht und ich in besonderem Maße.

Höre ich dich gerade lachen? Das ist nicht lustig.

Ich bin eben ein besonders hübsches Exemplar meiner Gattung. Und natürlich besonders nett. Man muss mich einfach über alles lieben!

Geboren wurde ich vor … hmmm … ich weiß es eigentlich nicht so genau, wurde ich überhaupt jemals geboren?

Mich und meine Brüder und Schwestern gab es, glaube ich, schon immer, seit Anbeginn der Zeit.

Wir sind unsterblich. Wie altern zwar, aber nur sehr, sehr langsam.

Um uns wieder zu verjüngen, legen wir uns von Zeit zu Zeit auf den heiligen Gralstein.

Könntest du mich in diesem Augenblick sehen, du wärst begeistert.

Würde ich in diesem Augenblick vor dir stehen, was, glaubst du, würdest du sehen? Du hast keine Vorstellung von mir? Du weißt nicht, was ein Hudrywuschell ist?

Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen.

Ich bin ein schlankes, kleines Wesen, nur fünfzig Zentimeter groß.

Das Prächtigste an mir ist mein strohblondes Haar, es strahlt leuchtend hell wie die Sonne an einem Sommermorgen, die Haarspitzen leuchten rot wie Blut. An meinem Rücken befinden sich zwei kleine feine durchsichtige Flügel, zart wie ein Spinnennetz.

Meine wohlgeformten Hände enden in langen Fingernägeln. Jeder Nagel schillert in den Farben des Regenbogens.

Meine Haut ist leicht gebräunt, samtweich und warm wie ein Kachelofen im Winter.

Meine hellblauen Augen funkeln wie Saphire. Meine langen Wimpern würde jede Frau gerne besitzen. Schwarz wie die Nacht betonen sie meine strahlenden Augen.

Meine Stimme ist sanft, einschmeichelnd, wohlklingend und betörend wie eine Flötenmelodie.

Und erst meine tollen Ohren. Sie drehen sich wie wild im Kreis, wenn ich mit ihnen durch die Gegend schwebe.

Natürlich kann ich auch mit meinen Flügeln fliegen, aber es sieht weitaus eleganter aus, wenn ich langsam und königlich vor mich hin schwebe. Will ich mich besonders rasch fortbewegen, benutze ich meine Ohren und meine Flügel.

Habe ich schon mein kleines süßes Hörnchen erwähnt?

Es befindet sich mitten auf meiner Stirn.

Und es wechselt die Farbe, je nachdem in welcher Stimmung ich mich gerade befinde. Es leuchtet hellrot, wenn ich zornig oder ängstlich bin. Es strahlt hellblau, wenn ich zufrieden und ruhig bin. Und es leuchtet orange, wenn ich mich freue oder sehr lebhaft bin.

Manchmal blinkt es auch, je nachdem wie stark meine Gefühle gerade sind. Das Wichtigste habe ich ja noch gar nicht erwähnt.

Ich dufte verführerisch nach Schokolade.

Jeder Hudrywuschell hat seinen eigenen Duft. Einige riechen nach Erdbeeren, andere wieder nach Rosen.

Aber jeder von uns hat seinen eigenen unverwechselbaren Geruch, der uns immer sanft umgibt.

Wie bitte? Du fragst dich gerade, ob ich magische Kräfte besitze?

Du bist aber sehr neugierig, das ist eine sehr persönliche Frage.

Nun gut, so viel sei verraten: Das eine oder andere magische Zaubertrickchen beherrsche ich schon.

Du glaubst mir nicht?

Ich schwöre, dass ich ein magischer kleiner Bursche bin.

Welche Fähigkeiten ich genau besitze, findest du auf unserer gemeinsamen Reise in diesem Buch heraus.

Paul und Sarah

Paul und seine Schwester Sarah lagen gelangweilt auf dem Fußboden ihres Kinderzimmers in ihrem neuen Zuhause im kleinen Städtchen Witra.

Die beiden waren nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter hierher gezogen.

Paul war ein lieber, kleiner, aufgeweckter Junge mit großen blauen Augen, Sommersprossen auf der Stupsnase und lockigem schwarzem Haar.

Beides hatte er von seinem Vater Thomas geerbt.

Pauli, wie er liebevoll von allen genannt wurde, war gerade sechs Jahre alt geworden.

Er war ein etwas schüchterner kleiner Junge, der in seiner neuen Heimatstadt noch keine Freunde gefunden hatte.

Seine Schwester Sarah, acht Jahre alt, mit langen blonden Haaren und magisch funkelnden grünen Augen, kam mehr nach ihrer Mutter Helene.

Sie war lebhaft, überhaupt nicht schüchtern und hatte schon einige neue Freundinnen gefunden, seit sie hierher gezogen waren.

Ihr Vater kam die beiden von Zeit zu Zeit besuchen.

Er brachte kleine Geschenke mit und fuhr mit seinem heiß geliebten Elektroauto nach einigen Stunden, die sie alle drei mit lustigen Spielen verbrachten, wieder fort.

Dieses Wochenende war er wieder einmal nicht gekommen, obwohl er es fest versprochen hatte.

Die beiden hatten fest damit gerechnet, dass ihr Vater sie besuchen würde und waren sehr traurig. Aber sie trösteten sich gegenseitig.

Sarah und Paul verbrachten viel Zeit miteinander und mochten einander sehr. Ihre Mama war vor einer Stunde einkaufen gefahren.

Das tat Mama Helene besonders gerne. Sie liebte es, schöne Dinge für ihr neues Haus zu besorgen, um es gemütlich und einladend zu gestalten.

Mama brachte auch oft eine Kleinigkeit für Paul und Sarah mit, wenn sie zurückkehrte. Ein kleines Spielzeug oder etwas Süßes zum Naschen.

Sarah sah ihren Bruder mit schräg geneigtem Kopf von der Seite an.

„Ist dir auch so langweilig wie mir, Pauli?“

Pauli, der gerade genussvoll mit einem Finger im linken Nasenloch nach vergrabenen Schätzen bohrte, nahm den Finger aus der Nase, betrachtete ihn mit großen Augen, bevor er seinen Kopf zu seiner Schwester drehte und tief seufzte. „Ja, unheimlich langweilig. Sollen wir etwas Spannendes spielen?“

„Was schlägst du denn vor?“ Sarah sah ihren jüngeren Bruder erwartungsvoll an.

Paul zog die Stirn in Falten, dachte angestrengt nach, kratzte sich am Kopf, hielt kurz die Luft an und öffnete den Mund.

„Na, sag schon!“, drängte Sarah ihn.

„Ich weiß auch nicht. Es ist so heiß heute und ich hab mich so auf Papa gefreut, lass mich noch ein wenig nachdenken.“

Sarah warf ihr langes Haar über die Schulter zurück.

„Wie wäre es, wenn wir ein wenig Verkleiden spielen würden? Mama freut sich zwar nie, wenn wir ihre Kleider anziehen, aber es ist doch immer lustig.“

Pauli verzog das Gesicht.

„Wenn es denn sein muss.“

Es gehörte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsspielen. Aber er wollte seiner Schwester eine Freude machen.

„Von mir aus. Ich will ja kein Spielverderber sein.“

Gesagt, getan. Schnell holte Sarah einige Kleider und Schuhe ihrer Mutter aus dem großen Kleiderkasten, rannte ins Badezimmer, schnappte sich den korallenroten Lippenstift ihrer Mutter und rannte zurück in ihr gemeinsames Kinderzimmer.

Paul schaute ganz erschrocken.

„Du weißt doch, Sarah, Mama hat dir verboten, ihre Schminksachen zu nehmen. Das letzte Mal, als du ihren Lieblingslippenstift überall hingeschmiert hast, hat sie mit Hausarrest gedroht, falls wir nochmals auf die Idee kommen würden, ihre Gesichtsmalfarben zu verwenden.“

Sarah sah ihren Bruder an, noch immer ganz aufgebracht bei der Erinnerung daran.

„Ich habe damals so ein schönes Bild an die Wohnzimmerwand gemalt und Mama hat geschimpft und geschimpft. Sie hat sich gar nicht mehr beruhigt. Erwachsene können so ungerecht sein. Ich wollte ihr doch nur eine Freude machen. Außerdem hat sie nur gesagt, ich darf die Wände nicht mehr bemalen. Von meinem Gesicht war nicht die Rede.“

Sarah sah ihren Bruder mit verschwörerischem Blick an und grinste breit. „Und überhaupt! Kannst du dir das vorstellen, Mama hat mein Kunstwerk als Geschmiere bezeichnet. So gemein.“

Paul musste jetzt auch lachen.

„Na gut, aber auf deine Verantwortung.“

„Paulchen, du bist ein Feigling, immer muss ich für alles geradestehen“, maulte Sarah.

Sarah schlüpfte in den engen Minirock ihrer Mutter, der bei ihr zu einem hübschen Kleid wurde, und in die ihr viel zu großen Schuhe.

Es waren schwarze Schuhe mit sehr hohen dünnen Absätzen.

Sie stolzierte auf wackeligen Beinen zum Spiegel und begann, den Lippenstift auf ihren Lippen zu verteilen.

Sie war so vertieft in diese Tätigkeit, dass sie den rauchigen Schatten am Rand des großen Standspiegels, vor dem sie in ihrem Kinderzimmer stand, gar nicht bemerkte.

Pauli saß im Türkensitz auf dem Bett und sah ihr zu.

Im Gegensatz zu seiner Schwester war er ein wenig aufmerksamer. Ihm entging die Bewegung im Spiegel nicht.

Erschrocken kniff er die Augen zusammen.

„Sarah, hast du das gerade gesehen?“

„Was soll ich gesehen haben?“

Sarah drehte sich halb zu ihm um, unwillig, da sie bei ihrer hingebungsvollen Tätigkeit gestört wurde.

„Da ist irgendetwas im Spiegel.“

„Was soll da sein? Da wird sich irgendwas gespiegelt haben. Manchmal benimmst du dich wirklich wie ein Kleinkind, Pauli.“

Stolz darauf, zwei Jahre älter zu sein als er, drehte Sarah sich blitzschnell zum Spiegel um und erstarrte. Der Spiegel war zu einem magischen Portal geworden.

Da stand unser kleiner Barnabas und starrte mit großen Augen auf Sarah.

„Was für ein hübsches Menschenkind du doch bist.“

Der kleine Hudrywuschell lächelte freundlich und streckte seine Hand nach Sarah aus, um sie zu berühren.

Diese sah, wie die Hand aus dem Spiegel heraus ragte, kreischte laut auf und plumpste mit voller Wucht auf ihr Hinterteil.

Pauli kroch rasch auf allen vieren unter das Bett und hielt sich die Hände vor die Augen.

Zusammentreffen der Helden

Als Pauli die Hände von den Augen nahm, sah er Sarah mit offenem Mund und mit vor Überraschung geweiteten Augen vor dem Spiegel auf dem Boden sitzen und Barnabas, der halb aus dem Spiegel heraus ragte.

Barnabas bewegte die Lippen, summte leise vor sich hin und sprach dann„Ich bin so klein, ich bin so fein, lass den Hudrywuschell ins Land der Menschen rein.“

Sarah kicherte kurz, machte dann aber sofort wieder ein todernstes Gesicht.

„Was willst du? Wer bist du überhaupt? Ich kann mich nicht daran erinnern, dich eingeladen zu haben.“

Barnabas verzog beleidigt das Gesicht. „Du solltest dich freuen, dass ich dir die Ehre meines Besuches erweise. Habe mich extra herausgeputzt für euch beide. Ich war schon längere Zeit nicht mehr im Reich der Menschen, da habe ich mir eine nettere Begrüßung verdient. Meinst du nicht auch, kleines Mädchen?“, sagte Barnabas mit strenger Stimme.

Sarah sah Barnabas schweigend an.

„Ich kann auch wieder gehen, wenn dir das lieber ist.“

Sarah sprang rasch auf. Neugierig geworden rief sie: „Nein, bleib da, komm halt herein, wenn du schon mal da bist.“

Barnabas stieg mit königlicher Haltung aus dem Spiegel ins Kinderzimmer.

Kaum aus dem Spiegel heraußen, wurde er sehr aufgeregt, hüpfte unentwegt von einem Bein auf das andere. Sein Hörnchen blinkte wie verrückt in strahlendem Orange.

Barnabas hatte sich heute besonders viel Mühe bei der Auswahl seiner Garderobe gegeben. Er trug seine kurze schwarze Pumphose, ein rotes Hemd mit schwarzen Stickereien, die ein kompliziertes Muster bildeten, und weiße Tennisschuhe. Nicht zu vergessen seine über alles geliebten Kniestrümpfe. Barnabas ging nie ohne seine Kniestrümpfe außer Haus. Einer war weiß, der andere schwarz. Barnabas hatte sich wieder einmal nicht entscheiden können, welches Paar er bevorzugte, also hat er einfach links einen schwarzen und rechts den weißen angezogen.

Um den Hals trug er eine schwere goldene Kette, auf die er sehr stolz war. Einst, vor vielen Jahren, hatte er sie als Geschenk von einem erwachsenen Menschenkind bekommen.

„Hallo, ihr zwei, ich bin Barnabas, ein Hudrywuschell aus dem blauen Drachenpuppenwald. Meine Freunde nennen mich Barni.“

„Aha“, sagte Sarah. „Dir auch ein Hallo!“

Paul sagte gar nichts, er war zu aufgeregt.

Dann zwitscherte Sarah mit ihrer süßesten Stimme:

„Und was tust du hier in Witra, in unserem Spiegel in unserem Zimmer, in unserem Haus?“

„Neugierig bist du wohl gar nicht?“, meinte Barnabas.

Sarah kicherte fröhlich.

Barnabas blickte sich um. „Ihr beiden habt aber ein gemütliches Zimmer.“

„Danke schön“, kam es leise aus Paulis Mund.

„Bitte schön, es ist mir ein besonderes Vergnügen, euch beide kennenlernen zu dürfen. Ihr könnt Barni zu mir sagen, alle meine Freunde nennen mich so.“

„Wir heißen Sarah und Paul.“

„Was für schöne Namen“, sagte Barni mit einschmeichelnder Stimme.

„Ach ja, ihr wolltet wissen, was ich hier tue. Nun, wir Hudrywuschell reisen von Zeit zu Zeit durch die Spiegel, um Menschenkindern, die wir mögen eine Freude zu machen, mit ihnen zu spielen, einfach gemeinsam Spaß zu haben.“

„Spaß ist immer gut“, sagte Sarah eifrig.

„Nur Paul ist manchmal eine richtige Spaßbremse.“

„Stimmt ja gar nicht“, maulte Paul und kam vorsichtig ein kleines Stück näher.

„Ich will nur nicht, dass Mama böse mit uns ist, denn Sarah ärgert sie manchmal sehr.“

„Du bist ein kleiner Feigling, Paul“, sagte Sarah ungehalten.

Barnabas legte den Kopf auf die Seite und musterte Paul mit prüfenden Blicken.

„Du könntest beweisen, wie mutig du bist. Willst du einen kleinen Besuch hinter den Spiegel ins Hudrywuschellland machen?“

Paul bekam feuerrote Ohren und schüttelte heftig den Kopf.

„Nein, danke, ich glaube nicht, dass ich das möchte.“

„Papperlapapp“, Sarah packte ihren Bruder an der Hand. „Sei nicht immer so ein Angsthase.“

Sie zog Paul mit aller Kraft zum Spiegel.

Der verzog weinerlich, den Tränen nahe, das Gesicht.

„Typisch Mann, weiß nie, was er will“, spottete Sarah.

Diesen Satz hatte sie von ihrer Mutter schon oft gehört, wenn ihre Eltern wieder einmal heftig schritten, bevor sie sich trennten, und sie liebte es, dies zu ihrem Bruder sagen zu können. Dabei fühlte sie sich so erwachsen.

Barnabas stellte sich rasch zwischen die beiden. „Lass deinen Bruder los, das ist nicht nett von dir, Sarah. Entschuldige dich bei Paul. Sofort!“

Zerknirscht ließ Sarah Pauls Hand los.

„Es tut mir leid, Brüderchen, ich hab dich lieb.“

Sanft gab sie ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange.

Zufrieden sah Barnabas den beiden zu.

„Komm einmal her zu mir, kleiner Mann“, sagte er mit sanfter Stimme zu Paul.

Der schniefte laut, kam dann aber vorsichtig und langsam auf Barni zu.

„Du brauchst keine Angst vor dem Land hinter den Spiegeln zu haben. Es kann dir nichts passieren. Ich schwöre.“

„Ganz sicher nicht?“, fragte Paul argwöhnisch.

„Niemand dort will dir Böses“, flüsterte Barnabas.

Paul sah ihn zweifelnd an.

„Nur weil wir Hudrywuschell ein wenig anders aussehen als ihr Menschenkinder, brauchst du dich doch nicht zu fürchten.“

Paul war noch immer nicht ganz überzeugt.

Barnabas setzte eine ernste Miene auf, hob die linke Hand, führte sie an sein Herz und sagte: „Ich schwöre es dir.“

Langsam verlor Paul seine Angst und seine Scheu vor Barni.

„Darf ich das Ding auf deinem Kopf einmal anfassen, wird das heiß, wenn es blinkt?“

Vorsichtig streckte Paul seine Hand aus.

„Tut das nicht weh, wenn so ein Horn aus dem Kopf wächst?“

Pauli guckte ganz fasziniert auf Barnis Stirn.

Barnabas reckte stolz seine Brust nach vorne.

„Schön, nicht wahr? Es tut überhaupt nicht weh, manchmal wird es ein wenig warm, aber das ist normal. Greif nur zu, du liebes kleines Menschenkind.“

Barnabas hatte die zwei Kinder trotz der kurzen Zeit schon tief in sein Herz geschlossen.

Paul berührte mit der Fingerkuppe sanft das blinkende Hörnchen. „Cool.“ Es fühlte sich interessant an, so weich und doch hart zugleich.

„Geh da weg“, aufgeregt stieß Sarah ihren Bruder zur Seite. „Ich will das Ding auch einmal anfassen.“

Sprachs und zerrte schon grob an Barnabas herum.

„Au!“, kreischte Barni, „das hat jetzt aber weh getan.“

Sarah sprang eilig zurück. „Entschuldige, das wollte ich nicht.“

„Schon gut“, beschwichtigte Barni sie.

„Aber sei nächstes Mal bitte vorsichtiger. Und, wollt ihr jetzt einen kleinen Blick in meine wunderbare geheime Welt riskieren?“

„Ja!“, tönte es einstimmig aus den Mündern der beiden.

Magische Spiegelwelt

„Na, dann kommt mal mit mir mit“, Barnabas streckte seine Hände nach den beiden Kindern aus.

Sarah und Pauli näherten sich zögerlich dem kleinen Hudrywuschell. „Kommt schon, ihr zwei“, rief Barnabas, „nur Mut, ich beiße nicht.“

Sarah nahm links von Barni Aufstellung, während Paul sich an seine rechte Seite stellte.

„Ich erkläre auch jetzt, wie der kleine Trick, mit dem man durch die Spiegel treten kann, funktioniert. Ihr müsst ganz vorsichtig mit euren Fingerspitzen die Spiegeloberfläche berühren. Dann vergesst, dass der Spiegel eine feste Oberfläche hat. Stellt euch einfach vor, ihr würdet an einem wunderschönen, heißen Sommertag in einen warmen See eintauchen.

Ganz langsam und mit viel Gefühl sprecht ihr dann den folgenden Satz.

Ich bin so klein, ich bin so fein, lass das Menschenkind da rein.“

„Und das soll funktionieren?“, Pauli sah Barnabas zweifelnd an.

„Natürlich, wenn ich es euch doch sage. Ich schwöre, dass es funktioniert. Hat bis jetzt immer und zu jeder Zeit funktioniert.“

„Komm schon her“, forderte Sarah ihren Bruder ungeduldig auf.

„Wir probieren das jetzt einfach einmal aus.“

Beide stellten sich ganz nah an den großen Spiegel, berührten ihn, sprachen die magischen Worte und stolperten auf der anderen Seite auf einer großen, mit tausenden Wildblumen übersäten Wiese wieder heraus und fielen auf ihre Knie. Sie waren kurz etwas schwindelig und benommen, es fühlte sich an, als hätte man leichtes Fieber. Dieser Zustand des leichten Unwohlseins verging aber nach einem kurzen Augenblick und unsere beiden kleinen Helden standen tapfer auf und blickten sich mit großen staunenden Augen in der ihnen unbekannten Welt um.

Barnabas stand einen halben Meter entfernt und war sichtlich zufrieden darüber, dass die zwei ihm gefolgt waren.

Sein kleines Hörnchen strahlte himmelblau.

Pauli sah sich begeistert um und sog die duftende Luft tief ein.

Es roch betörend nach Blumen, Obst und allerlei leckeren Dingen, wie zum Beispiel Vanilleeis.

Es war angenehm warm, nicht zu heiß. Im Hudrywuschellland gibt es nämlich keine Jahreszeiten. Es ist immer mild, meist sonnig. Regen fällt so gut wie immer in der Nacht, wenn die kleinen Hudrywuschell schlafen.

Barni liebte Gewitter. Wenn es draußen so richtig blitzt und donnert, und er gemütlich in seinem kleinen Hudrywuschellbettchen liegt, ist das total entspannend für unseren kleinen magischen Helden.

Sarah war begeistert. „Es ist wunderschön hier und so friedlich“, sagte sie leise.

Am Ende der Wiese sah man einen kleinen, mit quadratischen Pflastersteinen ausgelegten Weg, der zu den Häuschen im naheliegenden Dörfchen führte. Sarah und Paul zogen ihre Schuhe aus, warfen sie auf die Wiese, nahmen einander an der Hand und liefen los.

„Nicht so schnell, ihr zwei“, rief Barnabas.

„Ein alter Hudrywuschell ist ja kein Schnellzug.“

Die beiden blieben stehen.

„Jetzt komm schon“, rief Sarah ungeduldig, „das dauert ja ewig, bis du dich in Bewegung setzt.“

„Na warte, du bist ein freches kleines Mädchen“, sagte Barni und lächelte.

Er konzentrierte sich. Seine Ohren begannen sich zu drehen. Erst ganz langsam, dann immer schneller und schon erhob sich Barnabas einige Zentimeter in die Luft. Er flog schnurgerade an den beiden Kindern vorbei, in Richtung seines Hauses.

Pauli guckte ganz verdutzt drein.

„Warum kann ich das nicht?“, fragte er seine Schwester.

„Weil du kein Hudrywuschell bist, sondern ein Mensch. Stell nicht immer so dumme Fragen.“

Eilig liefen die beiden hinter Barni her.

„Aber …“, setzte Pauli wieder zum Sprechen an.

„Nichts aber …“, unterbrach ihn seine Schwester.

Jetzt wurde Pauli zornig. Er stampfte mit dem Fuß auf und schrie: „Ich will aber jetzt meine Frage stellen.“

Sarah verdrehte genervt ihre Augen, so wie ihre Mama das manchmal tat, wenn sie mit Papa stritt. Sie nannte das aber nicht streiten, sondern diskutieren. Sarah hatte bis heute den Unterschied zwischen Streiten und Diskutieren bei den beiden nicht verstanden. Aber eigentlich war ihr das auch egal. Sarah mochte es nicht, wenn ihre Eltern sich so verhielten. Aber so war es nun einmal. Erwachsene sind halt manchmal etwas komisch.

„Also gut“, Sarah strich ihrem Bruder zärtlich über die linke Wange. Was dieser gar nicht mochte.

„Hör auf mich zu behandeln, als wäre ich ein Kleinkind. Ich bin immerhin schon sechs Jahre alt, also fast erwachsen.“

„Jetzt stell schon endlich deine Frage, damit wir vorankommen“, Sarah verdrehte die Augen.

Paul schaute ganz gespannt zu Barnabas. „Wieso fliegst du eigentlich mit deinen Ohren, wenn du doch Flügel hast?“ Stolz blickte Pauli zu seiner Schwester. Ihr war dieses kleine Detail nämlich gar nicht aufgefallen. Und dabei tat sie immer so, als wäre sie so klug und könnte jede Frage sofort beantworten.

Sarah sah angestrengt zu Boden und tat, als hätte sie nichts gehört.

„Das kann ich dir gerne erklären, lieber Pauli“, sagte Barnabas.

„Wenn ich richtig rasch fliegen will, dann sind meine Flügel sozusagen mein zweiter Antriebsmotor. Da flitze ich dann wie ein Pfeil über den Himmel. Zum Schweben und Gleiten reichen meine Ohren aus.“

Paul war zufrieden mit dieser Erklärung und sie konnten ihren Weg ins Dorf fortsetzen.

Langsam näherten sie sich den ersten kleinen Häuschen des Dorfes. Es waren hübsche kleine Wohnstätten. Ebenerdige, weiß gestrichene Häuschen mit Fensterläden aus Holz, die bei jedem Haus eine andere Farbe hatten. Kleine, mit Bleiglas eingefasste runde Fenster lagen dicht beieinander, die Dächer waren mit hübschen kleinen grauen Schindeln gedeckt.

Jedes Gebäude hatte einen hübschen kleinen Vorgarten mit vielen farbenprächtigen Blumen und einem hübschen, bequemen Bänkchen mit weichen Polstern zum Sitzen.

Neben den Bänken befanden sich kleine Spiegel, die in der Luft zu schweben schienen und das helle Sonnenlicht einfingen. Diese Spiegel dienten der Energiegewinnung im blauen Drachenpuppenwald.

Jedes Häuschen besaß somit sein eigenes kleines E-Werk und erzeugte gratis und umweltfreundlich Strom.

Hinter den Häuschen schlängelte sich ein schmaler Bach vorbei, der angenehm beruhigend vor sich hin plätscherte.

Weiters gab es da noch große, sehr gepflegte Beete mit Gemüse, Kräutern, Erdbeeren und wunderschönen Obstbäumen, die sich vor Früchten nur so bogen. „Wahnsinn!“, staunte Sarah. „Die müssen aber viel Arbeit machen, die vielen Beete. Mama jammert schon, wenn sie nur ein wenig Unkraut zupfen muss. Und sie hat nur ein paar winzige Beete.“

Barnabas lächelte nachsichtig. „Nur eine Frage der Arbeitseinteilung, das ist gar nicht so schlimm. Außerdem, was meinst du mit Unkraut? Es gibt kein Unkraut, nur Pflanzen, die der Mensch nicht mag und sie deswegen entfernt.“ „So hab ich das noch gar nicht gesehen“, antwortete Sarah.

Barnabas zeigte auf das übernächste Haus.

„Dies ist mein bescheidenes Heim. Wartet bitte kurz.“

Er schwebte zu einem der Blumenbeete, pflückte je eine Rose und reichte Sarah und Paul die halb geöffneten Blumen, welche betörend dufteten.

„Seid herzlich willkommen in meinem kleinen Nest!“

Sarah errötete. Paul grinste breit.

„Danke, lieber Barni! Wie aufmerksam von dir“, sagten beide wie aus einem Munde.

Barnis Nest

„Bitte, tretet doch ein“, sagte Barnabas höflich zu den beiden und verbeugte sich tief.

Als sie gerade hineingehen wollten, hörten sie lautes Rufen aus dem Haus nebenan.

„Oh je, schnell hinein“, rief Barni.

„Wer ist das denn?“, fragte Paul neugierig.

„Würde ich auch gerne wissen“, sagte Sarah und reckte ihren Hals.

„Das ist Redi. Unser Oberhudrywuschell.“

„Was ist denn ein Oberhudrywuschell?“, fragte Paul und sah neugierig in Redis Richtung.

„So etwas ähnliches wie bei euch Menschen der Bürgermeister. Jetzt aber rasch ins Haus. Hallo Redi!“, rief Barnabas und winkte halbherzig mit seiner linken Hand.

„Wir sind gerade sehr beschäftigt.“

„Man soll doch nicht lügen“, belehrte Sarah Barnabas.

„Wir sind doch gerade sehr beschäftigt, oder nicht?“, Barnabas zwinkerte Sarah verschwörerisch zu.

„Also lüge ich doch nicht“, flüsterte er leise in ihr Ohr.

Redi stürmte heran, als hätte er eine Turborakete im Hinterteil stecken. „Grüß euch Gott, ihr lieben Menschenkinder. Ich heiße Redi und führe Besucher in unserem kleinen Ort herum. Darf ich euch eine Dorfbesichtigung anbieten? Für Gäste von Barni mache ich auch einen Sonderpreis.“

Barnis Stirnhörnchen blinkte wie wild in leuchtendem Rot.

„Wir kommen später zu dir, wenn es dir nichts ausmacht. Später, viel später, und für meine Gäste gibt es eine Gratisführung, damit das klar ist“, sagte Barnabas und schob Redi einfach forsch zur Seite.

Dieser hatte nämlich schon angesetzt, das kleine Häuschen zu erstürmen. „Habt ihr schon Barnis wunderschönes Heim von innen besichtigt und bewundert?“, fragte Redi.

„Wir hatten noch keine Gelegenheit“, sagte Sarah höflich.

Barni öffnete die Eingangstüre und schob seine kleinen Gäste blitzschnell hinein.

Neugierig spähte Redi an Barni vorbei.

„Also bis dann, irgendwann“, sprach Barnabas und schlug Redi die Türe vor der Nase zu.