Der Liebesbrief - Ruth Saberton - E-Book
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Der Liebesbrief E-Book

Ruth Saberton

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Beschreibung

Wahre Liebe dauert ein Leben lang an – und darüber hinaus.

Nach einem Schicksalsschlag zieht die Künstlerin Chloe nach Cornwall, um sich in einem Cottage an den Klippen ein Atelier einzurichten. Der malerische Küstenort ist geprägt von dem charismatischen Dichter Kit Rivers, dessen Geschichte die Bewohner noch immer in Bann hält. Auch Chloe ist fasziniert von seinem Werk. Zusammen mit dem Historiker Matt beginnt sie nachzuforschen, was mit dem jungen Dichter in den Wirren des Ersten Weltkriegs geschah. Dann entdeckt Chloe das alte Tagebuch einer jungen Frau namens Daisy und findet heraus, dass Daisy und Kit ein düsteres Geheimnis verband – das plötzlich auch Chloes Leben zu verändern droht ...

Eine große Liebesgeschichte vor der atemberaubenden Kulisse Cornwalls – von einer neuen Meisterin des emotionalen Erzählens.

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Über das Buch

Wahre Liebe dauert ein Leben lang an – und darüber hinaus.

Nach einem Schicksalsschlag zieht die Künstlerin Chloe nach Cornwall, um sich in einem Cottage an den Klippen ein Atelier einzurichten. Der malerische Küstenort ist geprägt von dem charismatischen Dichter Kit Rivers, dessen Geschichte die Bewohner noch immer in Bann hält. Auch Chloe ist fasziniert von seinem Werk. Zusammen mit dem Historiker Matt beginnt sie nachzuforschen, was mit dem jungen Dichter in den Wirren des Ersten Weltkriegs geschah. Dann entdeckt Chloe das alte Tagebuch einer jungen Frau namens Daisy und findet heraus, dass Daisy und Kit ein düsteres Geheimnis verband – das plötzlich auch Chloes Leben zu verändern droht.

Eine große Liebesgeschichte vor der atemberaubenden Kulisse Cornwalls – von einer neuen Meisterin des emotionalen Erzählens.

Über Ruth Saberton

Ruth Saberton wurde in London geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Cornwall. Obwohl sie weit gereist ist, gibt es für sie keinen Ort, der sich mit der rauen Schönheit dieser Küstenlandschaft messen kann. Hier findet sie immer wieder neue Inspiration für ihre Romane. In England gilt sie als absolute Bestsellerautorin.

Uta Hege lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Saarbrücken. Mit dem Übersetzen englischer Titel hat sie ihre Reiseleidenschaft und ihre Liebe zu Büchern perfekt miteinander verbunden und ihren Traumberuf gefunden

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Ruth Saberton

Der Liebesbrief

Roman

Aus dem Englischen von Uta Hege

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Prolog

Teil 1

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Teil 2

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Teil 3

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Nachwort

Ein Interview mit Ruth Saberton

Bildteil

Impressum

Hymne für die verdammte Jugend

Welch Grabgeläute denen, die wie Schlachtvieh sterben?

Die ungeheure Wut nur der Kanonen.

Das schnelle Schnacken nur von stotternden Gewehren

kann ihre Stoßgebete übertönen.

Jetzt weder Glocken noch Gebete, die sie verhöhnen,

noch Stimmen sonst der Klage ihnen, nur Gesänge, –

die schrillen Warngesänge der Granaten, ihr Stöhnen

und, fern aus trauervollen Gauen rufend, Hörnerklänge.

Wird Beistand ihnen und von welcher Kerzen Schein?

Nicht in den Händen von Knaben, in ihren Augen immer

soll glänzen allen Abschieds heiliger Schimmer;

Blässe von Mädchenstirnen soll ihr Bahrtuch sein,

die Zärtlichkeit geduldiger Seelen ihr Blumenflor.

Und jede müde Dämmerung zieht abends die Läden vor.

Wilfred Owen, 1917

In Erinnerung an meine Großtante Ella und ihren Verlobten Arthur Sidney Bacon. Die von ihnen und einer ganzen Generation erbrachten Opfer werden für immer unvergessen sein.

Prolog Mai 1914

In ihrer ersten Nacht im Pfarrhaus hatte sie wieder diesen Traum. Es begann mit den Schatten, die das Mondlicht auf die Decke ihres Bettes warf, und einer kühlen Brise, die sie aufstehen und in ihrem weißen Nachthemd erst ans Fenster und dann weiter in die dunkle Landschaft hinaus schweben ließ.

Im Traum gelangte sie schließlich in eine stille Bucht, in der die Wellen all ihre Geheimnisse zu kennen schienen. Die Wellen brachen sich, als das Wasser aus den Vertiefungen in den Felsen strömte und die Steine, die die Zeit geglättet hatte, mit sich in die Tiefe zog. Der Sand war nass und kühl, doch ihre nackten Füße hinterließen keine Abdrücke darin.

Sie nahm die Bucht kaum wahr, weil sie wie jedes Mal verzweifelt Ausschau nach ihm hielt. Sie wusste nur, dass sie ihn finden und beschützen musste. Nur das zählte. Manchmal meinte sie, ihn zu sehen, wie er sich mit mondsilbernem Haar und bleichen Gliedern durch das flache Wasser schleppte, doch wie schnell sie auch zu ihm rannte, sie erreichte ihn nie, und wenn sie nach ihm rufen wollte, war ihre Kehle wie zugeschnürt. Der Abstand zwischen ihnen wurde nur immer größer, bis er am Ende verschwand.

Sie spürte im Traum deutlich die unbestimmte Gefahr, die ihnen drohte. Das beklemmende Gefühl zwang sie in die Knie, und ihr Nachthemd hing nass von den Wellen, die sie umspülten, an ihr.

Wie jedes Mal in ihrem Traum schob sich in diesem Augenblick eine Wand aus seltsam violetten Wolken vor den Mond und ließ kein Licht hindurch. Das Wasser wurde grau, die Wälder oben auf dem Hügel verschwanden in der Dunkelheit, und plötzlich betrachtete sie die Szenerie aus der Luft, nahm den Klippenpfad nur noch als fahles Band zwischen Ginster und Heide wahr. Während ihr der Gestank verbrannter Erde in die Nase stieg, zerrissen gleißend helle Blitze und Flammen den Nachthimmel. Das Tosen der Wellen wurde von Geschrei und lautem Heulen übertönt. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft, und sie hatte das Gefühl, im schlammigen Boden zu versinken. Plötzlich war ihr, als dränge ihr nasse Erde in Mund und Nase, an der sie zu ersticken drohte.

Im Traum war sie wie gelähmt. Verbrannte Bäume ragten wie verkohlte Skelette in den Himmel. Da sah sie ihn wieder vor sich, und mit einem erstickten Schluchzen streckte sie ihre Hände nach ihm aus. Aber sie konnte auch dieses Mal nur hilflos zusehen, wie er in einer Rauchwolke verschwand.

Eine kalte Windbö peitschte sie weiter, bis sie unter sich am Fuße eines Hügels ein Dorf und hoch oben auf der Anhöhe ein großes Herrenhaus mit Efeuranken vor den Fenstern sah. Die einst gepflegten Gärten waren von Unkraut überwuchert.

Dann fand sie sich plötzlich oben auf den Klippen wieder, wo das gefrorene Gras ihr in die nackten Füße pikste. Möwen segelten am Himmel, und alles war in ein helles Licht getaucht. Sie ging über den kalten Boden zu einem Pfad, dem sie schon Hunderte Male gefolgt war. Er zog sie magisch an. Jede Biegung war ihr vertraut, und sie kannte jeden Fels und jede Wurzel. Ihre Füße trugen sie vorwärts, auch als eine seltsame Angst sie erfasste. Vor ihr ragte ein Granitkreuz in den Himmel und warf einen langen Schatten auf den Weg. Sie wollte kehrtmachen und fliehen, aber etwas zwang sie, auch das letzte Stück des Weges zu gehen.

In das Granitkreuz waren Namen gemeißelt. Irgendwo stand auch sein Name. Sie streckte ihre Hände aus, aber der raue Stein löste sich unter der Berührung ihrer Fingerspitzen auf wie Nebel, der über dem Wasser aufgezogen war. Dann verdichteten die Schwaden sich, hüllten sie ein und nahmen ihr die Sicht.

Aufgeschreckt von ihren eigenen Schreien, fuhr sie keuchend aus dem Schlaf. Verwirrt und ängstlich setzte sie sich auf, legte sich die Decke um die Schultern und zog ihre Knie an die Brust. Sie wusste nicht, was dieser Traum ihr sagen wollte, und wie jedes Mal bei Tagesanbruch lösten sich die Bilder auf, bis nur noch ein beklemmendes Gefühl zurückblieb. Sie hatte ihn nicht gefunden. Jetzt war er für alle Zeit verloren.

Sie zitterte, denn sie war sicher, dass dieser Traum, der sie seit Jahren wieder und wieder heimsuchte, eine Warnung war.

Teil 1

1 Chloe

Es ist seltsam, dass man vom alten Pfarrhaus direkt auf den Friedhof sehen kann. Natürlich standen die Grabsteine auch schon hier, als ich mir das Haus im Sommer zum ersten Mal angesehen habe. Es hätte mich also nicht überraschen sollen, sie jetzt beim Aufziehen der Vorhänge zu sehen. Ich hatte wohl einfach verdrängt, wie nah das alte Pfarrhaus von Rosecraddick am Friedhof steht. Bei meiner Besichtigung im Hochsommer mit all den bunt blühenden Blumen im Garten und dem blauen Meer, das sich am Fuß der Klippen brach, störten mich die Grabsteine jedenfalls deutlich weniger als jetzt, an diesem neblig grauen Novembertag. Damals war ich vor allem begeistert von der wunderbaren Aussicht auf das Wasser und die Klippen. Ich konnte vom Wohnzimmer aus bis auf die Landzunge, das Kriegerdenkmal und die Segelboote sehen, die am Horizont wie Perlen aufgefädelt waren, und durch das offene Fenster drangen der Gesang der Vögel und der süße Duft von Geißblatt herein. Ich habe mich sofort in diesen Ort verliebt, der völlig anders war als London mit seinen dicht befahrenen Straßen und den laut rumpelnden Lastwagen. Dies ist genau der richtige Ort für mich, ein Zufluchtsort, an dem ich vielleicht endlich Frieden finden kann.

Selbst an diesem düsteren Novembermorgen überträgt sich die tiefe Ruhe dieses Ortes auf mich. Ich hoffe nur, dass die Grabsteine mich nicht ständig daran erinnern werden, welchen Verlust ich erlitten habe.

Ich atme durch und versuche, es positiv zu sehen, wozu mir meine Therapeutin Pippa immer rät. Alles, was geschieht, hat auch sein Gutes, Chloe. Doch es fällt mir schwer, das zu glauben. Was soll gut daran sein, seinen Ehemann zu verlieren? Der Anblick von Neils Sachen oder der Gedanke, dass er den Riegel unseres Küchenfensters noch reparieren wollte, sind noch immer kaum auszuhalten. Auch mein Leben endete, als Neil starb.

Es sind vor allem die alltäglichen Dinge, die es mir so schwermachen. Wenn ich im Supermarkt stehe und erstarre, weil mir plötzlich klar wird, dass ich nie wieder eine Geburtstagskarte für ihn kaufen werde. Oder wenn ich staubsauge und eine verloren geglaubte Socke von Neil unter unserem Bett hervorziehe. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich, die Socke an die Brust gedrückt, neben dem Bett saß und hemmungslos weinte. Irgendwann muss es Abend geworden sein, denn ich sah an der Wand die Lichter der Autos vorbeiziehen.

Wie konnte etwas so Reales wie die Liebe, die uns zwei verband, von einem auf den anderen Tag verschwinden? Das kann ich einfach nicht begreifen.

Vielleicht empfinden manche Menschen die Vertrautheit ihres Zuhauses als tröstlich, doch ich musste weg aus unserer gemeinsamen Wohnung. Alles dort erinnert mich an Neil. Die limettengrüne Wandfarbe unseres Flurs, die er ausgesucht und die ich von Anfang an verabscheut hatte. Das Gästezimmer, von dem wir hofften, wir würden es eines Tages zu einem Kinderzimmer umgestalten. In jedem Winkel dieser Wohnung lauerten Erinnerungen und Träume von einer Zukunft, die mir zusammen mit Neil genommen worden war. Ich konnte dort nicht mehr klar denken, nicht einmal mehr malen. Und da wurde mir klar, dass ich verschwinden musste.

Ich sehe den Leuten ihre Angst an, sie könnten etwas Falsches sagen und ich würde dann zusammenbrechen. Sie fühlen sich in meiner Gegenwart unwohl, hin und her gerissen zwischen Mitgefühl und der Erleichterung darüber, dass ihnen so ein Schicksalsschlag erspart blieb.

Neil und ich hatten einen großen Freundeskreis und haben viel zusammen unternommen, aber in den letzten zwei Jahren haben sich die meisten von ihnen zurückgezogen. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich es den Leuten nicht einmal verdenken, denn ihr Leben geht einfach weiter seinen gewohnten Gang. Inzwischen haben sie Babys oder Kindergartenkinder. Ich passe seit Neils Tod einfach nicht mehr hinein.

Irgendwann fragte niemand mehr, wie es mir ging, oder klingelte spontan an meiner Haustür. Die Leute nahmen an, ich käme irgendwie zurecht. Und das tat ich auch, zumindest versuchte ich es in den ersten Monaten. Insgeheim aber haderte ich immer stärker mit dem Schicksal, ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, und sobald ich einen Skizzenblock zur Hand nahm, fühlten sich meine Finger schlaff wie Gummi an. Ein knappes Jahr hielt ich mich mühsam auf den Beinen, aber dann brach ich zusammen, und mein Hausarzt schrieb mich erst einmal krank.

Witwe. Wenn ich an eine Witwe denke, stelle ich mir eine alte Frau vor, die ihre Enkelkinder mit Süßigkeiten verwöhnt. Sie blickt auf ein glückliches Leben an der Seite ihres Ehemannes zurück, mit dem sie sich alle Träume erfüllte. Eine Witwe sollte, wenn sie nachts wach liegt, einen unerschöpflichen Vorrat glücklicher Erinnerungen haben. Eine Witwe sollte nicht erst zweiunddreißig Jahre alt sein und ihren Mann nach nur drei gemeinsamen Jahren verloren haben, die einfach nicht ausreichen, um sich der Leere, die sich nun vor ihr ausbreitet, zu stellen.

Mir wurde klar, ich brauche einen Neuanfang. An einem Ort, an dem ich mich noch einmal neu erfinden kann und an dem niemand meine Vergangenheit kennt.

»Ist mit dem Haus alles in Ordnung?«

Die Maklerin steht in der Tür und sieht mich verunsichert an.

Ich lächele entschuldigend. »Tut mir leid, ich war in Gedanken. Irgendwie hatte ich das Haus etwas anders in Erinnerung.«

Sie beißt sich auf die Lippe und sagt verlegen: »Natürlich ist es nicht in allerbestem Zustand, es ist schon seit einer ganzen Weile unbewohnt. Und hier in Cornwall tut es den Häusern nicht gut, wenn sie länger leer stehen.«

Ihre Strumpfhose hat eine Laufmasche, und ihr Kostüm sieht ein wenig abgetragen aus. Das Clipboard mit den Unterlagen zittert leicht in ihren Händen. Wahrscheinlich ist sie eine Angestellte des Büros in Truro und soll dafür sorgen, dass ich unterschreibe, bevor mein gesunder Menschenverstand mir rät, die Beine in die Hand zu nehmen, weil man hier unmöglich den Winter verbringen kann. Aber meine Wohnung ist verkauft, und wenn ich dieses Haus nicht nehme, müsste ich zu meinen Eltern ziehen.

Es ist kein Wunder, dass das alte Pfarrhaus noch zu haben ist. Die Lage und die Aussicht sind phantastisch, doch der betagte Herr, dem es gehört, lebt im Pflegeheim und hat anscheinend in den letzten vierzig Jahren keinen Penny in die Renovierung investiert. Als Feriendomizil für Urlauber ist es nicht hübsch genug, doch es würde sich bestimmt ein Yuppie aus der Großstadt finden, der es kauft, um dann der Haustür einen salbeigrünen Anstrich zu geben und in den Räumen kitschige Segelboote und Skulpturen aus Treibholz zu verteilen. Aber trotz des halb verfallenen Zustands und des nahen Friedhofs hat das alte Pfarrhaus einen ganz besonderen Charme. Und ich weiß, ich will dort leben. Immer noch.

»Es ist wunderschön«, erkläre ich und bemerke die Erleichterung im Gesicht der Maklerin. Wenn mir etwas an Komfort, einer Zentralheizung und einer funktionierenden Dusche läge, hätte ich meine Wohnung nicht verkauft. Aber ich tausche meine schmerzlichen Erinnerungen gerne gegen Badezimmerfliesen in der Farbe überreifer Avocados und Velourstapeten.

»Ich weiß, dass Mr Sargent in den letzten Jahren die Dinge etwas hat schleifen lassen, aber die Aussicht ist phantastisch, finden Sie nicht auch?« Inzwischen sieht die Maklerin zufrieden aus. »Das neue Pfarrhaus ist nicht halb so schön wie dieses hier. Sie wussten früher einfach, wie man Häuser baut, nicht wahr?«

»Auf jeden Fall. Und diese Aussicht ist genau das, was ich wollte«, pflichte ich ihr bei und überlege, ob ich noch was sagen soll.

»Sobald Sie Ihre eigenen Sachen haben, finden Sie es hier bestimmt gemütlich«, fährt die junge Frau optimistisch fort. »Die Kamine sind gefegt, und wenn der Holzofen erst in Betrieb ist, wird es hier richtig behaglich.«

Behaglich ist es in dem Haus bisher beim besten Willen nicht. Es riecht abgestanden, nach allzu lang verschlossenen Räumen. In dunklen Ecken schlummern unter staubigen Tüchern längst vergessene Möbel, die Vorhänge an den Fenstern sind bis auf einen geschlossen, und im Zimmer ist es kalt.

Es ist so still im Haus, dass ich hören kann, wie sich in der Bucht unterhalb des Grundstücks die Wellen an den Felsen brechen, und die wehmütigen Klagerufe einer Möwe, die einsam am Himmel schwebt. Bei der Besichtigung im Sommer drang eine milde Brise durch die aufgerissenen Fenster und trug den frischen Salzgeruch des Meers herein. Die Sonne malte honiggelbe Flecken auf den Holzboden. Ich hatte mir gar keine Gedanken darüber gemacht, wie es hier wohl im Winter sein würde.

»Ist es okay, wenn ich ein paar Möbel verrücke und ein bisschen ausmiste?«, erkundige ich mich. Das Haus ist voll mit altem Plunder.

»Sie können hier tun und lassen, was Sie wollen. Mr Sargent hat alles, was ihm wichtig war, mit ins Pflegeheim genommen und uns eine Genehmigung erteilt, zu entrümpeln und wegzuwerfen, was nicht mehr gebraucht wird. Ehrlich gesagt, sind leere Häuser viel leichter zu vermieten, aber um dieses hier auszuräumen, bräuchten wir ein ganzes Team. Mr Sargent weiß, dass er nicht mehr hierher zurückkehren wird.« Die junge Frau macht eine Pause und runzelt die Stirn. »Das muss sehr traurig für ihn sein, denken Sie nicht auch?«

»Sehr«, stimme ich ihr zu, während mein Herz sich für den unbekannten alten Mann zusammenzieht, der in dem Wissen von hier fortgegangen ist, dass er nie mehr nach Hause kommen wird.

»Allmählich wird es kalt. Am besten erledigen wir den Papierkram im Pub und wärmen uns dort ein bisschen auf. Das heißt, wenn Sie Ihre Meinung nicht geändert haben und das Pfarrhaus noch immer mieten wollen …«

Ich zögere. Soll ich es tatsächlich wagen? Bin ich wirklich mutig genug, um allein in dieses Haus zu ziehen?

Es ist erst früher Nachmittag, und trotzdem zieht bereits die Dunkelheit herauf. Aber gleichzeitig scheint die Luft zu vibrieren vor lauter Möglichkeiten eines neuen Lebens, das sich plötzlich vor mir ausbreitet. Und genau dafür bin ich doch hierhergekommen.

Ich atme tief durch und wende mich der jungen Frau zu.

»Ich nehme es auf jeden Fall.«

2 Chloe

»Nein, Mum, wirklich nicht. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin ganz begeistert von der Gegend, und das Haus ist wundervoll. Es ist genau das, was ich brauche.«

In der Hoffnung, wegen meiner Schwindelei in einem alten Pfarrhaus nicht vom Blitz getroffen zu werden, klemme ich mein Handy zwischen Kinn und Schulter und kreuze vorsorglich meine Finger vor der Brust. Meine Mutter hat aus London angerufen und ist offenbar der Überzeugung, dass ich den Kampf gegen die Trauer aufgegeben habe und jetzt endgültig ein hoffnungsloser Fall bin. Sie kann jedenfalls beim besten Willen nicht verstehen, wie mir ausgerechnet die Einsamkeit im winterlichen Cornwall helfen soll.

Und zugegeben, ich frage mich das auch. Obwohl ich erst am Vortag eingezogen bin, habe ich jetzt schon erste Zweifel daran, ob die Entscheidung richtig war. Jetzt, da ich allein hier bin, kommt mir das alte Pfarrhaus noch riesiger vor. Gestern nach der Rückkehr aus dem Pub schob ich den Messingschlüssel ins Schloss und blieb einen Moment zögernd auf der Schwelle stehen. Ich schüttelte das Unbehagen ab und trat ein und stellte mein Gepäck am Fuß der imposanten Treppe ab. Während ich durch das alte Pfarrhaus streifte, kam ich mir etwas verloren vor. Ich öffnete die Türen und Vorhänge und redete mir ein, dass ich mich schon viel mehr zu Hause fühlen werde, wenn hier erst meine eigenen Sachen stehen. Es gibt ein Arbeits- und ein Esszimmer. Von dort gelangt man weiter in den Flur, dessen dunkle Holzpaneele in sehr gutem Zustand sind. Das Wohnzimmer ist überraschend hell und luftig. Ich werde bestimmt die meiste Zeit auf der bequemen Bank am Fenster verbringen, um aufs Meer zu schauen und dem Spiel der Wellen zuzusehen, wie es wahrscheinlich schon viele Menschen vor mir gemacht haben. Der Gedanke ist irgendwie tröstlich.

»Und was ist mit der Küche?«, sorgt sich meine Mutter und befürchtet wohl, dass mir ohne einen Supermarkt um die Ecke oder ihre wöchentlichen Fresspakete der Hungertod droht. Wir wissen beide, dass die meisten Sachen, die sie mir ungefragt vorbeigebracht hat, wochenlang im Kühlschrank vor sich hin geschimmelt haben. Seit Neil gestorben ist, schmeckt für mich alles gleich, und meistens esse ich einfach Toast mit irgendwas.

»Hast du zumindest einen anständigen Herd?«, fährt meine Mutter fort. »Ich kenne jede Menge furchtbarer Geschichten aus dem Internet. Man muss sich wirklich vorsehen, wenn man irgendwo zur Miete wohnt.«

Ich lächele. Meine Eltern leben schon seit fünfunddreißig Jahren in ihrem Haus in Enfield und haben vom Mieten so viel Ahnung wie ich von Atomphysik. Offenbar hat meine Mutter im Netz nach Horrormeldungen von Kurzschlüssen und ansteckenden Krankheiten gesucht, die man in Mietshäusern bekommt.

»Entsprechen die Geräte auch modernen Standards?«, fragt sie jetzt.

»Geht’s hier um Wasserkocher oder Kraftwerke?«, versuche ich, zu scherzen, aber sie ist alles andere als amüsiert.

»Es ist mein Ernst, Chloe! Es gibt doch sicher einen Grund, warum das Haus so billig ist. Wahrscheinlich ist es eine Todesfalle, und sobald du eine Steckdose benutzt, trifft dich der Schlag.«

»Das wäre sicher nicht so schlimm, wie langsam an Krebs zu sterben«, rutscht es mir heraus, und meine Mutter holt geräuschvoll Luft. O Gott, das hätte ich nicht sagen sollen. Schließlich sorgt sie sich nur um mich. Wie sagt Pippa stets? Ich solle Geduld haben und aufhören, ständig über die Vergangenheit zu sprechen. Aufhören, bittere Kommentare abzugeben, und nach vorn sehen.

»Der Herd wird mit Holz befeuert, du musst dir wirklich keine Sorgen machen.«

Ich kneife mir verzweifelt in die Nase und atme, so gut es geht, gegen mein wildes Herzklopfen an. Die Vergangenheit holt mich mal wieder ein. Es ist über zwei Jahre her, seit ich an Neils Bett im Krankenhaus gesessen und seine schwache Hand gehalten habe, aber mir kommt es wie gestern vor.

»Wie dem auch sei, die Maklerin hätte das Haus nicht vermietet, wenn es nicht sicher wäre.«

»Das sollte man zumindest meinen«, pflichtet Mum mir schnaubend bei und erzählt ein paar weitere Horrorgeschichten, auf die sie im Internet gestoßen ist. währenddessen schweifen meine Gedanken ab, und ich gehe durch die Räume des Pfarrhauses.

Der riesige Herd, der mit Holz angefeuert wird, sieht wie ein gusseiserner Drache aus. Daneben steht ein Spülstein, in dem eine ganze Fußballmannschaft baden könnte, und es gibt eine Speisekammer, halb so groß wie meine alte Wohnung und mit deckenhohen Regalen ausgestattet. In den großen Kühlschrank passt deutlich mehr als ein Glas Marmite und ein Päckchen Toastbrot.

Während meine Mutter immer noch weiterredet, sehe ich meine Kartons immer noch am Fuß der Treppe stehen und beschließe, sie gleich nach dem Telefonat auszupacken. Ich habe nur wenig mitgebracht. Die Angst davor, Gegenstände in die Hand zu nehmen, die mich an mein altes Leben erinnern, ließ mich gestern Abend nach dem Pub auf direktem Weg die knarzende Treppe hochgehen und ins Bett fallen. Das klamme Bettzeug und die durchgelegene Matratze waren mir egal. Ich wollte nur noch meine Augen schließen und einschlafen.

Aber meine erste Nacht im alten Pfarrhaus hätte besser verlaufen können. Ich lag in dem riesigen Messingbett, zog mir die Decke bis zum Kinn und kniff die Augen zu, während ich versuchte, mir den sanft schnarchenden Neil neben mir vorzustellen. Aber es gelang mir nicht. Stattdessen lag ich zitternd in der Dunkelheit, lauschte dem Knarzen des Gebälks und schlief erst in den frühen Morgenstunden zum Geschrei der ersten Möwen ein.

Heute früh brennen meine Augen, und ich bin völlig übermüdet. Ich habe plötzlich Angst, dass der Verkauf unserer Wohnung und der Umzug ein riesiger Fehler waren. Seit ich hier bin, steigen immer wieder solche Zweifel in mir auf, als hätte ich damit Neil und unser gemeinsames Leben verraten.

»Chloe? Hörst du mir überhaupt noch zu? Du fühlst dich doch nicht wieder unwohl?«

Mit Unwohlsein meint sie meine psychischen Probleme in den letzten beiden Jahren. Es fällt ihr schwer, mit mir darüber zu sprechen, und ich weiß, dass ein Teil von ihr sich dafür schämt, dass ihre Tochter eine Therapeutin hat und Antidepressiva brauchte, um zurechtzukommen. Aber die schwerste Zeit liegt hinter mir, und dieser Umzug ist der erste Schritt auf meinem neuen Weg.

»Es geht mir gut«, erwidere ich.

»Und du bist dir sicher, dass es in diesem Haus nicht doch zu einsam für dich ist? Warum hast du dir nichts gesucht, was etwas näher ist? Ich weiß, dass Neil es dort geliebt hat, aber …«

Sie bricht ab. Zu den schwierigsten Erfahrungen, seit ich Neil verloren habe, gehört, dass es plötzlich niemand mehr wagt, von ihm zu sprechen.

»Du kommst zurecht, mein Schatz?«

Die Frage hat man mir nach Neils Erkrankung permanent gestellt. Im Grunde aber will niemand die Wahrheit hören, und dieses Spiel beherrsche ich inzwischen perfekt.

»Ich bin ein bisschen müde, aber sonst geht es mir gut.«

Damit gibt sie sich zufrieden und stellt betont fröhlich fest: »Mit Cornwall hast du dir natürlich eine wirklich hübsche Gegend ausgesucht, das muss ich zugeben. Dad und ich sind immer hin und weg von der schönen Landschaft, wenn wir sie mal in einem Film sehen.«

Ich verkneife mir die Feststellung, dass diese Filme immer im Sommer spielen, wenn der Himmel strahlend blau ist und die Temperaturen erheblich milder sind als um diese Jahreszeit. Ich erzähle auch nicht, dass mir die raue Küstengegend im Moment eher dramatisch und im Winter ziemlich düster vorkommt.

»Es würde dir hier gefallen, Mum«, behaupte ich stattdessen. »Das alte Pfarrhaus ist sehr geräumig und der Ausblick wunderbar. Ich hoffe, dass ich hier auch wieder malen kann.«

Ich sehne mich danach, die wilde Landschaft mit dem Himmel, dessen Licht sich ständig ändert, und den grasbewachsenen Klippen einzufangen, auch wenn ich Angst davor habe, zu meinem Skizzenblock zu greifen.

Ich habe plötzlich das Gefühl, als könnte ich Neil vor mir sehen, wie er es sich auf der Fensterbank bequem macht mit seinem selbstbewussten Grinsen im Gesicht. Seine blauen Augen blitzen, die nackten Füße sind gebräunt, und er wirkt fast so jugendlich wie bei unserer ersten Begegnung. Vertrau deinem Instinkt, es ist gut, dass du hierhergekommen bist, scheint er mir sagen zu wollen. Ich blinzele, und schon ist sein Bild verschwunden.

»Na, das höre ich gern!«, sagt Mum gerade und klingt so erleichtert, dass mir bewusst wird, wie besorgt sie um mich sein muss. Ich male, seit ich einen Pinsel halten kann, und neben meinem Job als Lehrerin habe ich dank meiner tollen Agentin schon einige Arbeiten verkauft. Aber nach Neils Tod habe ich gänzlich mit dem Malen aufgehört. Als hätte ich mit Neil auch meine Kreativität verloren.

Aber vielleicht ist jetzt der Augenblick gekommen, um herauszufinden, ob ich überhaupt noch malen kann. Mit einem Mal fühlt sich das alte Pfarrhaus weniger kalt und höhlenartig an. Ich fühle mich Neil hier näher als in unserer alten Wohnung, und ich bin mir plötzlich sicher, dass es die richtige Entscheidung war, nach Cornwall zu kommen.

Während die Umzugsleute ihren Lkw entluden, habe ich mein neues Heim erforscht, gedanklich einen Grundriss erstellt und Türen zu Räumen geöffnet, die ich niemals nutzen werde. Im ersten Stock habe ich von den fünf Schlafzimmern das ausgewählt, das die beste Aussicht auf das Meer und die Klippen bietet. Der Ausblick macht die alten, verblichenen Tapeten mit dem altmodischen Blümchenmuster auf jeden Fall wett. Nach einem kurzen Blick ins Bad bin ich dann über eine zweite Treppe – oder vielmehr eine Art Leiter – auf den Dachboden hinaufgeklettert. Es dämmerte schon, doch ich wusste noch von meinem Aufenthalt im Sommer, dass der Raum hier oben als Atelier hervorragend geeignet wäre. Vielleicht also …

»Was hast du heute vor?«, fragte meine Mum mich vorhin in dem aufmunternden Ton, in dem man mit Kranken spricht. »Einen schönen Spaziergang auf den Klippen und danach zum Mittagessen in den Pub?«

Ich lächele, weil das im Vergleich zu meinen wirklichen Plänen nach echtem Luxus klingt.

»Vielleicht mache ich das morgen. Heute muss ich erst mal Holz besorgen, um den Ofen anzuheizen, denn es ist hier ziemlich kalt.«

Was reichlich untertrieben ist. Es würde mich nicht überraschen, wenn sich im nächsten Augenblick ein Gletscher durch den Raum schöbe. Es ist ein frostiger, bitterkalter Tag, und wenn ich spreche, kann ich meinen Atem in kleinen Wölkchen vor mir sehen. Zum Glück hat meine Mutter FaceTime noch nicht für sich entdeckt und sieht mich nicht in Schal und Mantel hier im Flur stehen.

Ich sehe Eisblumen an der Fensterscheibe und habe das ungute Gefühl, dass sich das Haus, wenn ich nicht sofort etwas unternehme, in einen Eispalast verwandeln wird.

Nachdem ich endlich aufgelegt habe, zieht mich das helle Sonnenlicht nach draußen. Ich will mein Gesicht in die warmen Strahlen halten und herausfinden, womit ich mein Zuhause am besten auftauen kann.

3 Chloe

Es fühlt sich draußen wärmer an als im Haus. Die dicken Mauern speichern Kälte sicher ebenso wie Wärme. Ich stapfe durch den Garten, halte mein Gesicht ins Sonnenlicht und genieße die Wärme auf der Haut. Langsam finde ich sogar Gefallen an diesem klaren Wintertag. Die Wellen glitzern in der Bucht, die Möwen führen Kunststücke am Himmel auf, und eine Reihe eifriger Spaziergänger marschiert bereits den Klippenpfad herauf. Ich mache mich auf die Suche nach Holzvorräten.

Es tut mir gut, draußen an der frischen Luft zu sein. Das Gespräch mit meiner Mutter hat mich ein bisschen aus dem Gleichgewicht gebracht, denn unsere Unterhaltungen bauen auf alten Ängsten, und meine Mutter erinnert mich mit ihren sorgenvollen Fragen immer an all das, was ich am liebsten vergessen will.

Am Tag meines Umzugs fiel mir mit jeder Meile, die mein kleines rotes Auto mich von London Richtung Westen trug, das Atmen leichter, weil ich hoffte, auch die Rolle der armen Chloe, der bedauernswerten jungen Witwe abzustreifen, über die die Leute hinter vorgehaltener Hand sprechen. In Rosecraddick wollte ich einen Neuanfang wagen, ohne dass mich die Vergangenheit und das verdammte Mitgefühl der Leute runterziehen.

Das heißt nicht, dass ich Neil weniger liebe oder gar vergessen will. Im Gegenteil. Ich habe mir Rosecraddick, diesen kleinen Ort am Meer, ausgesucht, weil Neil hier als kleiner Junge immer seine Ferien verbrachte. Hier hat er Segeln, Kajakfahren, Klettern gelernt. Ein Zweig seiner Familie stammt von hier, und irgendwie scheint mir der Ort sehr stark mit Neil verbunden zu sein. Die Erinnerung an ihn scheint mir hier in Cornwall eher ein Trost als eine Last zu sein.

Wie dem auch sei. Ich brauche erst mal dringend Holz und schaue mich auf dem Grundstück um. Ein schmaler Weg schlängelt sich an den Grabsteinen und den Engelsstatuen vorbei zum Rand der Landzunge in Richtung Küstenweg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Holzschuppen dort steht. Links vom Haus träumt die kleine Kirche in der Sonne vor sich hin, und gleich dahinter führt der Weg ins Dorf. Rosecraddick liegt in einem Tal, das rundherum von baumbestandenen Erhebungen umgeben ist. Im Sommer hat mich das dichte grüne Laub beeindruckt, aber heute kann man zwischen all den lichten, in den Himmel gereckten Ästen hindurch aus dem Schlafzimmer des Hauses bis zum großen Herrenhaus hinübersehen.

»Hallo! Kann ich Ihnen helfen?«

Erschrocken fahre ich herum und sehe eine rothaarige Frau am Friedhofseingang stehen. Sie ist etwa Ende dreißig und ihrem weißen Kragen zufolge Vikarin.

»Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich bin Sue Perry, die Vikarin von St. Nonna – und von einer Reihe anderer Kirchen der Gemeinde, was bestimmt die Strafe für begangene Sünden ist. Sie sehen etwas verloren aus.«

»Nein, nein. Es geht mir gut. Trotzdem vielen Dank.« Ich strecke meine Hand aus, um nicht unhöflich zu sein. »Ich bin Chloe Pencarrow und gestern in das alte Pfarrhaus eingezogen.«

Plötzlich überkommen mich Schuldgefühle. Eigentlich hätte diese Frau mit den blitzenden Augen und den wilden kastanienbraunen Haaren, die ihre vollen Wangen umrahmen, hier wohnen sollen. Wenn ich mich recht entsinne, erzählte die Maklerin, das neue Pfarrhaus stehe etwas abgelegen auf der anderen Seite von Rosecraddick, während mein Haus zwar an einer ziemlich exponierten Stelle, dafür aber sehr romantisch liegt.

Sue Perry aber scheint sich nicht im Mindesten daran zu stören, dass ich hier eingezogen bin. Ihr Lächeln wird sogar noch wärmer, und sie schüttelt mir kraftvoll die Hand.

»Aha! Über den Buschfunk habe ich schon erfahren, dass hier eine glamouröse Künstlerin aus London eingezogen ist.«

»Woher wissen die Leute, was ich beruflich mache?«, wundere ich mich. Und die Bezeichnung »glamourös« trifft ganz bestimmt nicht auf mich zu. Irgendwann habe ich ganz aufgehört, mich zu schminken, und meine Haare habe ich zuletzt kurzerhand mit einer Küchenschere abgesäbelt, als sie mir ständig in die Augen fielen. Und ich muss sagen, dass ich erheblich besser malen kann als Haare schneiden.

Sue Perry lacht. »Tja nun, das Spionagenetzwerk hier im Dorf ist besser als der MI5 – obwohl es eigentlich ganz einfach ist. Der Sohn der Frau, die hier die Post betreibt, arbeitet bei Ihrem Umzugsunternehmen und hat die Staffelei gesehen. Den Rest haben sich die Leute dann im Pub oder im Supermarkt zusammengereimt. Wahrscheinlich heißt es bis zum Nachmittag, dass Sie am liebsten Akte malen und sich ein Ohr abschneiden, wenn ein Bild nichts wird.«

»Dann wird es sie enttäuschen, dass ich vor allem Landschaften und Gebäude male.«

Sue Perry grinst. »Die Wahrheit sollte einer spannenden Erzählung niemals Abbruch tun. Willkommen in Rosecraddick! Falls Sie etwas brauchen oder wissen wollen, fragen Sie mich einfach. Ich bin meist drüben in der Kirche anzutreffen und freue mich über Besuch.«

»Danke«, sage ich, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, zum Gottesdienst zu gehen. Was haben mir all die Gebete gebracht, als Neil so krank geworden war?

»Haben Sie sich schon im alten Pfarrhaus eingelebt?«, wechselt die Vikarin das Thema. »Brauchen Sie irgendwas?«

»Tatsächlich, ja. Ich bin auf der Suche nach Feuerholz. Ich muss irgendwie den Kamin anbekommen, wenn ich nicht erfrieren will.«

Mit einem mitfühlenden Nicken antwortet sie: »Ich wette, dass es in dem alten Haus zurzeit so kalt ist wie in der Arktis. Zum Glück besaß meine Kirche die Vernunft, ein modernes, neues Pfarrhaus mit Zentralheizung zu bauen. Es ist schon schwer genug, die Kirche warm zu kriegen. Für gewöhnlich liegt das Holz hinter dem Haus, aber machen Sie sich besser keine allzu großen Hoffnungen, dort noch etwas zu finden. Die letzten Mieter waren im Frühjahr hier, und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer daran gedacht hat, anschließend den Holzvorrat noch einmal aufzufüllen.«

Oje. Dann werde ich die Nacht bestimmt nicht ohne Frostbeulen überstehen. Oder vielleicht muss ich anfangen, Möbel zu verbrennen, wenn ich nicht erfrieren will.

»Am besten sehen wir mal zusammen nach«, schlägt Sue mir vor. »Ich zeige Ihnen, wo das Holz gelagert wird.«

Ich nicke dankbar und folge ihr durch ein Tor auf einen Weg am Haus vorbei zu einer Hütte, die am Grundstücksende steht. Ich muss das Holz jedes Mal von dort bis zum Pfarrhaus schleppen? Ohne Witz? Dann werde ich im Frühjahr Arme haben wie Dwayne Johnson alias The Rock.

»Ich fürchte, es ist nichts mehr da«, sagt Sue nach einem kurzen Blick in die Hütte. »Das tut mir leid für Sie. Am besten rufen Sie gleich heute früh bei Larry an.«

»Bei Larry?«

»Larry ist der Holzhändler im Dorf. Das heißt, lassen Sie besser mich anrufen, denn wenn ihn die Vikarin freundlich bittet, liefert er das Holz möglicherweise noch heute an.« Sie greift sich an den weißen Kragen und stellt augenzwinkernd fest: »Als Vikarin hat man durchaus gewisse Vorteile.«

»Das wäre wirklich nett«, sage ich dankbar. »Ich glaube, ohne Heizung halte ich nicht lange durch.«

»Mit Ihren blauen Lippen sehen Sie jetzt schon aus, als könnten Sie etwas Wärme und einen heißen Kaffee vertragen. Ich habe einen Heizlüfter und einen Wasserkocher in der Sakristei. Dort liegt auch mein Handy, also trinken wir am besten erst mal einen Kaffee zusammen, und ich rufe gleich bei Larry an.«

Ich würde alles für einen Kaffee geben und folge Sue durch den Garten und dann quer über den Friedhof in die Kirche, während sie mir fröhlich Klatschgeschichten über die Bewohner des Dorfs erzählt.

Mit einem Becher Kaffee in den Händen sitze ich vor einem Teller voller Schokoladenplätzchen und sehe mich unauffällig um, während Sue die Holzbestellung aufgibt.

Eine Soutane hängt an einem Haken an der Tür, auf dem Schreibtisch stapeln sich Bücher und Papiere, und der von Sue erwähnte Heizlüfter bläst hustend Heißluft in den Raum. Die Sakristei ist klein und ausnehmend gemütlich. An einer Pinnwand hängen ein paar bunte Schnappschüsse von Sue mit einem freundlich dreinblickenden Mann mit Brille, einem pausbäckigen kleinen Jungen und einem süßen Hund mit wild gelocktem Fell. Die Bilder lassen auf ein durch und durch glückliches Familienleben schließen.

Und wieder wogt die altbekannte Trauer in mir auf. Von mir und Neil wird es niemals solche Bilder geben. Niemals wird es einen süßen kleinen Jungen oder ein süßes kleines Mädchen mit Neils Grübchen und mit meinen wilden Locken geben oder ein Familienfoto, auf dem wir mit unserem Hund spazieren gehen. Es wird niemals einen ersten Schultag für uns geben, keinen Studienabschluss, keine Hochzeit, keine Taufe unseres ersten Enkelkinds. All diese Träume sind mit ihm begraben.

»So«, meint Sue, als sie aufgelegt hat, und sieht zufrieden aus. »Das hätten wir geklärt. Larry liefert heute Nachmittag das Holz. Ist das für Sie okay?«

Ich versuche, die Erinnerung an Neil abzuschütteln, und kann nur stumm nicken. Noch immer starre ich gedankenverloren auf die Pinnwand.

»Das ist mein Mann Tim, und dieser kleine Frechdachs ist Caspar, unser Sohn«, erklärt mir Sue mit stolzer Stimme, als sie meinem Blick folgt. »Der Hund heißt Molly, und ich kann Ihnen versichern, dass sie deutlich besser erzogen ist als meine beiden Männer. Sie müssen unbedingt mal zum Abendessen vorbeikommen und sie kennenlernen.«

»Danke«, sage ich. »Das wäre schön.«

»Wobei ich nicht mal kochen könnte, wenn mein Leben davon abhinge«, warnt sie mich. »Wir werden also Pizza bestellen müssen. Aber das ist zurzeit sowieso das Einzige, was Caspar isst. Sie wissen ja, wie Kinder sind.«

Ich habe zwar zehn Jahre an einer Schule unterrichtet, aber meine Schülerinnen und Schüler waren deutlich älter. Ich kenne mich mit Kleinkindern nicht aus und befürchte, dass das auch so bleiben wird. Mir steigen Tränen in die Augen, und ich bin froh, dass Sue an ihrem Schreibtisch steht und ihren Terminkalender studiert.

»Verflixt. Ich bin bereits die ganze Woche ausgebucht. Kann ich mich bei Ihnen melden, wenn ich einen freien Abend finde?«

»Natürlich.« Insgeheim bin ich erleichtert. Ich weiß nicht, ob ich einem Abend mit Sues Familie schon gewachsen bin.

»Dann speichere ich am besten Ihre Nummer in meinem Handy ein.« Sie zieht es schwungvoll aus der Tasche, tippt etwas ein und runzelt missmutig die Stirn. »Das Ding ist furchtbar kompliziert! Ich komme kaum damit zurecht. Also, wie ist Ihre Nummer?«

Ich sage ihr meine Telefonnummer.

»Chloe …« Sue sieht kurz auf. »Entschuldigung, mein Hirn ist heute wie ein Sieb. Wie war noch mal Ihr Nachname?«

»Pencarrow.«

»Diesen Namen gibt’s hier ziemlich oft.« Sie tippt ihn in ihr Handy ein. »Stammen Sie aus der Gegend?«

»Die Familie meines Mannes hat vor langer Zeit hier gelebt. Vielleicht sind die Pencarrows, die Sie kennen, ja entfernt mit ihm verwandt.«

Falls Sue sich wundert, weil ich ohne Mann hierhergezogen bin, lässt sie es sich nicht anmerken. Sie wirft nicht mal einen Blick auf meine linke Hand, an der noch immer mein Verlobungs- und mein Ehering stecken.

»Wir sind hier alle auf die eine oder andere Art verwandt. Pencarrows gab’s hier mal ziemlich viele, der Name steht auf dem Kriegerdenkmal, und ich glaube, auch im Buntglasfenster im südlichen Querschiff unserer Kirche. Viele Männer der Familie sind nicht mehr aus den beiden Weltkriegen heimgekehrt. Die Pencarrows hatten wirklich kein Glück mit ihren Söhnen.«

Das haben sie bis heute nicht. Neil war der Letzte seiner Familie.

»Das ist sehr traurig«, gebe ich zurück.

»Sie sollten sich einmal das Kriegerdenkmal ansehen. Wegen der Familiengeschichte und auch so«, meint Sue. »Der Weg dorthin ist wirklich schön, und man hat einen wunderbaren Ausblick.«

»Sie meinen das Denkmal auf der Landzunge?« Ich kann das graue Kreuz von meinem Haus aus sehen. Es wirkt auf mich so, als wäre es bereits Teil der Landschaft geworden, als wären die Verluste all der Menschen, die aufs Meer geschaut und dafür gebetet haben, dass sie ihre Lieben wohlbehalten wieder in die Arme schließen dürfen, mit dem Regen und den Jahren in den Boden eingedrungen.

»Genau. Wir legen dort an diesem Wochenende einen Kranz nieder und erinnern damit an den Waffenstillstand. Im Anschluss halten wir noch einen Gottesdienst zu Ehren der Gefallenen ab. Der ist immer sehr bewegend.« Sue trinkt ihren Kaffee aus und stellt den Becher vorsichtig auf dem Papierberg auf dem Schreibtisch ab. »Wollen Sie sich das Buntglasfenster in der Kirche ansehen? Ich meine mich zu erinnern, dass Ihr Name irgendwo dort steht.«

St. Nonna ist eine kleine Kirche, in der eine friedliche Atmosphäre herrscht. Ich bin etwas überrascht, als sich die Ruhe des Ortes sofort auf mich überträgt. Die Gebete vieler Jahrhunderte scheinen im Raum zu hängen, und das Licht, das durch die Buntglasfenster strömt, fällt auf die großen Steinplatten auf dem Boden.

»Da wären wir.« Am Ende des südlichen Querschiffs bleibt Sue stehen.

In dem wunderschönen Fenster über uns ist eine von Mohnblumen gesäumte Schriftrolle zu sehen. Über den schlichten weißen Holzkreuzen, die darauf abgebildet sind, erhellt Sonnenschein einen leuchtend blauen Himmel. Auf jedem goldenen Strahl steht der Name eines Mannes aus dem Ort mit einer liebevollen Einlegearbeit aus schwarzem Glas.

»Zur Ehre Gottes und im Gedenken an die Männer von Rosecraddick, die ihr Leben im Großen Krieg 1914 bis 1918 hingegeben haben«, lese ich laut vor.

Mein Gott, es müssen über dreißig Namen sein. Erschreckend viele für so ein kleines Dorf. Sie waren Söhne, Ehemänner, Brüder und Geliebte, haben gelacht, geweint, gezittert und gelebt, wurden geliebt und betrauert, auch wenn sie heute nur noch Namen in einem hübschen Fenster einer unbekannten kleinen Kirche sind.

Ich lasse meinen Blick über die Namen wandern, bis ich an einem hängenbleibe. Auf einem der Sonnenstrahlen in der Mitte steht: Gem Pencarrow.

Er war fast noch ein Teenager, als er starb, kaum älter als die Schüler, die ich unterrichtet habe. Ich bin plötzlich so bewegt, dass mir die Worte fehlen. Ich hatte nicht damit gerechnet, den Namen meines Mannes hier zu entdecken.

»Es bringt einen zum Nachdenken, nicht wahr?«, stellt Sue mit ruhiger Stimme fest. »Ich weiß, das Ende dieses Krieges ist inzwischen hundert Jahre her, und alle diese jungen Männer wären sowieso nicht mehr am Leben, aber trotzdem sind sie alle viel zu früh gestorben.«

»Das stimmt.«

»Und hier haben wir noch das Gedenkfenster für Kit«, meint Sue und wendet sich dem nächsten Fenster zu. »Mitunter seinetwegen kommen die Touristen hierher. Sie werden in den Sommermonaten erleben, dass viele Menschen mit ihren Gedichtbänden zu diesem Fenster pilgern.«

Ich sehe mir das Buntglasfenster an, das einem jungen Mann in Uniform gewidmet ist. Er steht mit einem Kranz aus goldenem Haar inmitten eines Mohnblumenfeldes, auf dem weiße Lämmer abgebildet sind. Er hält eine aufgeschlagene Bibel in der Hand. Sein Blick geht Richtung Himmel, und die Flammen eines rötlich-goldenen Sonnenuntergangs umrahmen sein Gesicht. Engel strecken ihre Arme nach ihm aus, um ihn in den Himmel zu erheben, an dem – wie ein Fremdkörper – ein verlorenes weißes Gänseblümchen schwebt.

»Beeindruckend«, stelle ich fest, und die Vikarin sieht zufrieden aus.

»Nicht wahr? Obwohl es aus der Sicht mancher vielleicht etwas schwülstig ist«, gibt sie zu, macht einen Schritt zurück und unterzieht das Bild einer erneuten Musterung. »Aber genau so wollte es die Familie haben. Ich bin nicht wirklich überzeugt, dass es den echten Kit wiedergibt. Die wenigsten jungen Männer, die ich kenne, denken so intensiv über Engel und den Himmel nach.«

Mir fällt die Überladenheit des Bildes auf. Der Aufstieg in den Himmel, die Lämmer, der blutrote Mohn und die christusähnliche Gestalt sind stimmig für ein Gedenkbild, aber das Gänseblümchen ergibt aus meiner Sicht nicht den geringsten Sinn. Davon abgesehen sieht die Arbeit ziemlich unbeholfen aus, als hätte man das Blümchen nachträglich in aller Eile eingefügt. Aber warum? Was soll es bedeuten?

Ich bin sofort fasziniert von dem Fenster. Die Symbolik und die Botschaften von Kunstwerken haben mich schon immer interessiert.

»Sollte ich schon mal von ihm gehört haben?«, erkundige ich mich. Das aufwendige, reich verzierte Fenster ist so groß wie das erste, obwohl es nur einem Mann allein gewidmet ist: Hauptmann Christopher Rivers, der der Inschrift nach seit 1916 als verschollen gilt. Ich zermartere mir das Hirn, komme aber nicht darauf, wer Rivers war und weshalb sich so viele Menschen für das Fenster interessieren.

»Kommt drauf an, wie gut Sie in englischer Literatur bewandert sind«, meint Sue. »Kit Rivers war ein Dichter und der berühmteste Einwohner unseres Dorfs. Aber Sie brauchen sich nicht zu schämen, wenn Sie bisher nie etwas von ihm gehört haben. Ich glaube nicht, dass sich sein Werk mit dem von Wilfred Owen und vergleichbaren Größen messen kann. Ich selbst habe ebenfalls das erste Mal von Kit gehört, als ich hier angekommen bin – aber ich kann auch nicht gerade behaupten, dass ich sonderlich belesen bin.«

Ich wühle in meinen Erinnerungen an den Englischunterricht, aber der Name Rivers ist mir noch nie begegnet.

»Tod durch Ersticken? Trommelfeuer?«, versucht Sue, mir auf die Sprünge zu helfen. »Ich glaube, das sind seine bekanntesten Gedichte. Ich habe zu Hause irgendwo ein Buch und grabe es gerne für Sie aus. Bestimmt finden Sie auch im Internet Informationen zu ihm, und der Dorfladen verkauft eine Broschüre über Kit. Wir sind hier nämlich ziemlich stolz auf ihn.«

Ich sehe mir das Fenster genauer an. Im Licht der Wintersonne sehen Kits Haare aus, als wären sie aus purem Gold.

»Dieses Fenster war doch sicher furchtbar teuer«, sage ich.

Sue nickt. »Ich schätze schon. Aber die Familie Rivers war reich. Sie lebten im Herrenhaus und waren die wohlhabendsten Landbesitzer. Es ging bei ihnen zu wie in Downton Abbey. Jede Menge Angestellte, Pferde und der ganze Kram. Kit war ein Einzelkind, ihre Linie ist also mit ihm ausgestorben.«

Entschlossen schiebe ich die Gedanken an Neil beiseite und wende mich abermals dem Fenster zu. Es ist zwar ein bemerkenswertes Kunstwerk, aber irgendwie kommt es mir ziemlich unpersönlich und in übertriebenem Maße idealisierend vor. Kit Rivers ist wie ein Heiliger dargestellt, nicht wie ein normaler junger Mann.

»Hat seine Familie das Fenster in Auftrag gegeben?«

»Ich glaube, dass seine Mutter in den zwanziger Jahren gestorben ist, aber es gibt hier einen Verein, der sich Kits Andenken verschrieben hat. Wenn es Sie interessiert, gehen Sie doch zum Herrenhaus und sprechen mit Matt Enys. Er ist Mitglied der Stiftung Cornwallscher Kulturbesitz, die das Haus vor ein paar Monaten erworben hat, und kennt sich ziemlich gut mit der Familiengeschichte der Rivers aus. Sie planen eine Ausstellung über den Ersten Weltkrieg, in der es auch um Kit gehen wird, und Matt ist der Geschichtsexperte des Vereins. Man hofft natürlich, dass die Touristen scharenweise nach Rosecraddick strömen.«

»Interessieren sich die Touristen denn für Poesie?« Ich hatte angenommen, die Leute kämen vor allem, um an den Strand, ins Café oder in die Eisdiele zu gehen.

Sue zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wie es aussieht, will die Stiftung einen Teesalon eröffnen, Führungen durchs Haus anbieten und das Ganze mit dem Ersten Weltkrieg und dem Downton Abbey-Hype verknüpfen. Alles, was den Tourismus fördert, kann nur gut für die Gemeinde sein. Sie sehen selbst, wie ausgestorben es hier im Winter ist, und je mehr Geld die Leute in den Sommermonaten verdienen, umso besser kommen sie durch die anderen Jahreszeiten.«

Da hat sie recht. Als ich im Sommer hier war, kam ich mit dem Auto in den schmalen Gassen nur im Schritttempo voran. Heerscharen von Urlaubern bevölkerten die Straße Richtung Strand, bummelten an den Schaufenstern entlang und drängten sich vor den Bäckereien, um eine der berühmten leckeren Pasteten zu erstehen. Die Geschäfte waren den ganzen Tag geöffnet, in den Cafés fand man nur mit Mühe einen Platz, und vor den Pubs saßen die Gäste gut gelaunt im Sonnenschein und stießen fröhlich miteinander an.

Bei meiner Ankunft gestern aber waren die Straßen menschenleer, und die meisten Läden haben bis zum Frühjahr dichtgemacht. Es ist bestimmt nicht leicht, in ein paar Monaten genügend Geld zu verdienen, um damit durch das ganze Jahr zu kommen.

»Was hat es mit dem Gänseblümchen auf sich?«, frage ich und zeige auf die kleine weiße Blume, die zwischen den Flammen und den Engeln schwebt. »Es wirkt ein bisschen fehl am Platz, finden Sie nicht auch?«

Sue runzelt überrascht die Stirn. »Das sehe ich zum ersten Mal. Unglaublich, dass es mir nicht schon früher aufgefallen ist. Wenn man es einmal wahrgenommen hat, sticht es geradezu aus dem Bild hervor.«

»Sieht aus, als hätte man es nachträglich eingefügt«, sage ich nachdenklich. »Der Stil ist anders, fast ein bisschen grob. Es hebt sich wirklich deutlich vom übrigen Farbschema und von den Bildelementen ab. Und warum schwebt es am Himmel?«

»Da spricht die Künstlerin. Sie haben einen Blick für Details«, sagt Sue und klingt derart bewundernd, dass es mir ein bisschen peinlich ist. Schließlich spalte ich kein Atom, sondern sehe mir nur ein Fenster an. Ich zucke mit den Achseln.

»Es ist einfach etwas rätselhaft, und so etwas hat mich schon immer fasziniert.«

»Dann sollten Sie auf alle Fälle die Historiker der Stiftung befragen«, schlägt sie mir grinsend vor.

Als ich Sue durch das Kirchenschiff zurück zum Ausgang folge, geht mir das Rätsel dieses Gänseblümchens nicht mehr aus dem Kopf. Egal, wie ich es drehe und wende, es ergibt einfach keinen Sinn. Am besten stelle ich tatsächlich ein paar Nachforschungen an – oder lese zumindest einige Gedichte des jungen Rivers.

Als ich aus der Kirche trete, blendet mich die Sonne, und ich blinzele. Ein kleines Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Es fühlt sich auf einmal richtig an, dass ich nach Rosecraddick gekommen bin. Ich will unbedingt herausfinden, was es mit dem Gänseblümchen auf sich hat.

Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich wieder ein Ziel.

4 Chloe

Obwohl bei meiner Rückkehr ins alte Pfarrhaus die Morgensonne durch die Fenster hereinströmt, ist es noch immer kalt, und ich bin dankbar für die Holzbestellung, die die hilfsbereite Sue für mich aufgegeben hat. In einer kleinen Wohnung hätte mein altgedienter Heizlüfter vollkommen ausgereicht, aber ein Haus dieser Größe kriegt er niemals warm. Daran, dass das Haus nur schlecht zu heizen sein könnte, habe ich im Sommer nicht gedacht. Im Grunde habe ich auch sonst nicht wirklich weit gedacht, muss ich mir eingestehen. Damals habe ich noch die Minuten, Stunden, Tage seit Neils Tod gezählt. Ich wollte vergessen und am liebsten die ganze Zeit nur schlafen, hatte aber gleichzeitig riesige Angst vor dem Aufwachen, weil mich nach der Schlaftrunkenheit jedes Mal die Erkenntnis traf, dass er nicht mehr lebte. Ich zog mich während dieser langen, dunklen Tagen immer wieder in mein Schlafzimmer zurück, vergrub mich unter meiner Decke und beschloss, erst wieder aufzutauchen, wenn es nicht anders ging.

Inzwischen ist das Bedürfnis, den Tag im Bett zu verbringen, komplett verschwunden. Im Gegenteil, ich muss mich bewegen, muss etwas unternehmen, brauche irgendwas zu tun.

Inzwischen ist es früher Mittag, die Holzlieferung ist erst für den Nachmittag angekündigt. Ich gehe in die Küche, aber da der Herd nicht funktioniert, kann ich auch kein Wasser erhitzen. Ich hätte den Wasserkocher mitbringen sollen. Wenn Neil jetzt hier wäre, säße er längst mit einem dick belegten Käse-Gurken-Sandwich an dem alten Küchentisch und würde genüsslich kauend die Tischplatte vollkrümeln. Ich habe mich darüber immer furchtbar aufgeregt. Tränen steigen mir in die Augen, und wieder einmal denke ich, wie seltsam es doch ist, dass derartige Kleinigkeiten so schmerzhaft sein können.

Um mich abzulenken, setze ich mich an den Tisch, fische mein Handy aus der Tasche und suche nach Kit Rivers.

Ein kurzer Wikipedia-Eintrag enthält kaum neue Informationen, die Sue mir nicht bereits verraten hätte. Ich vergleiche ihn mit den Artikeln über Brooke und Owen, und es macht mich traurig, dass es über Kit offenbar nicht mehr zu sagen gab. Ein junger Mann aus einer Militärfamilie aus der Oberschicht kämpft im Krieg in Frankreich und kommt dort in den Gefechten um. Ohne seine Verse würde er sich kaum von Tausenden anderen unterscheiden, die in diesem Krieg gefallen sind. Seufzend lege ich mein Handy zur Seite. Kit und all die anderen Gefallenen muss so viel mehr ausgemacht haben, aber das ist jetzt für alle Zeit verloren. Lauter Kleinigkeiten, die für immer vergessen sind. Was war Kits Lieblingsessen? War er gern Soldat, oder ist er nur aus Pflichtgefühl oder auf Druck seiner Familie eingerückt? War er eher fröhlich oder ernst? Wollte er ein berühmter Dichter werden? Wer waren seine Freunde? Hatte er eine Freundin? Hatte er Angst vor dem Krieg? Ich könnte endlos weiterfragen, aber abgesehen von ein paar Zeilen und seinen Gedichten, den Hinterlassenschaften eines allzu kurzen Lebens, finde ich keine Antworten.

Wer wird sich später einmal an mich oder Neil erinnern? Das Kinderzimmer ist leer geblieben, und Gedichte haben wir – abgesehen von dem ziemlich unzüchtigen Gedicht zum Valentinstag, das mir Neil einmal gewidmet hat und das ganz sicher niemand anderes lesen wird – nicht verfasst.

Ich reibe mir die Augen und kehre in Gedanken wieder zu der traurigen Geschichte des jungen Dichters zurück, der sein Leben viel zu früh verloren hat. Weil ich weiß, dass es mir nicht guttut, über solche Dinge nachzudenken, wende ich mich lieber dem Rätsel um das Gänseblümchen zu. Meine Internetrecherche zu diesem Thema ergibt nichts, doch ich kann nicht glauben, dass jemand die Blume grundlos dorthin gemalt hat. Sie muss irgendetwas zu bedeuten haben. Aber was?

Ich gehe in den Flur, schnappe mir meine Tasche und ziehe die Gummistiefel an. Ein flotter Spaziergang ist jetzt genau das Richtige. Durch die Bewegung wird mir warm werden, und an der frischen Luft bekomme ich bestimmt auch wieder einen klaren Kopf. Ich schlage den Weg hinauf zum Kriegerdenkmal ein und will von dort weiter querfeldein ins Dorf marschieren. Der Weg führt über die Klippen und die Landzunge, vorbei am Herrenhaus und schließlich nach Rosecraddick.

Es ist ein wunderbarer Tag. Die Wellen glitzern unter den hellen Sonnenstrahlen, und der Himmel erstrahlt in einem klaren Blau. Beim Losgehen war mir noch etwas kalt, aber als ich die Landzunge erreiche, bleibe ich stehen, um mir die Jacke auszuziehen und sie um meine Hüfte zu binden. Der Weg zum Denkmal ist erheblich steiler, als er aussieht, doch der Aufstieg lohnt sich. Von oben betrachtet dehnt das Meer sich schier endlos unter einem grenzenlosen Himmel aus. Ein Gefühl von Unendlichkeit und Freiheit überkommt mich, und als ich die letzte Biegung nehme, ist mir klar, warum das Denkmal ausgerechnet hier errichtet wurde. Zeit spielt hier oben keine Rolle, und die über den Himmel ziehenden Wolken und das Meer, das sich unermüdlich an den Klippen bricht, führen einem die eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen. Was uns im Hier und Jetzt so wichtig ist, ist nichts verglichen mit dem Meer, den Felsen und den immer wiederkehrenden Gezeiten. Diese Überlegung löst ein friedliches Gefühl in mir aus.

Ich setze mich auf eine schlichte Bank gegenüber dem Denkmal, um wieder zu Atem zu kommen und den Ausblick auf das Meer zu genießen. Ich lese all die aufgelisteten Namen am Denkmal. Auch der Name Pencarrow taucht mehrfach auf. Gem steht dort sowie drei weitere Pencarrows, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind.

Nach einer Weile stehe ich auf, wende mich kurzerhand landeinwärts und folge dem ausgetretenen Pfad ins Dorf. Bei gutem Wetter scheint der Klippenpfad beliebt zu sein, und ich begegne ein paar Joggern, mehreren Familien mit Hunden und Kindern, die in roten Gummistiefeln umherhüpfen, und Wanderern, die mit Gamaschen und Stöcken ausgerüstet sind. Bis ich den Wald erreiche, bin ich wieder allein und lausche meinem eigenen, schneller gehenden Atem.

Unter den Bäumen ist es dunkler und die Erde feucht. Ob Kit Rivers jemals diesen Weg genommen hat? Ein seltsamer Gedanke, dass er vielleicht hier entlanggelaufen ist und alles schon so ausgesehen hat wie jetzt. Abgesehen von den Stufen, die die Organisation für Denkmalpflege und Naturschutz angelegt hat, und den Bäumen, die im Laufe der Jahrzehnte gewachsen sind.

Der Pfad schlängelt sich durch den Wald, durchschneidet ein paar Felder und endet abrupt an einem Zauntritt, der zu einem Hohlweg auf der anderen Seite führt. Selbst um diese Jahreszeit tauchen die kahlen Bäume, deren Äste sich hoch über meinem Kopf umarmen, die Umgebung in ein fahles Dämmerlicht, und ich gehe langsam durch den Tunnel aus Zweigen und Baumwurzeln. Abgesehen von ein paar Reitern scheint der Weg kaum genutzt zu werden. Es ist, als wäre dieser Ort aus der Zeit gefallen. Als ich die Straße Richtung Dorf erreiche, bin ich richtiggehend überrascht, als mir ein Pkw entgegenkommt. Ich lache laut auf. Was habe ich erwartet? Eine Pferdekutsche? Doch ein Teil von mir wünscht sich, ich könnte hier doch einem Dorfbewohner von vor hundert Jahren begegnen oder gar Kit Rivers selbst. Dann würde ich ihn nach dem Gänseblümchen in dem Fenster fragen. Er könnte mir bestimmt sagen, was es damit auf sich hat. Der Gedanke lässt mir einfach keine Ruhe. Ich würde allzu gerne wissen, weshalb dieses Fenster nachträglich verändert worden ist.

Als ich um die nächste Ecke biege, ragt vor mir Rosecraddick Manor auf. Ich bin auf dem Weg zum Treffen mit der Maklerin schon an dem alten Herrenhaus vorbeigefahren, habe mir aber nicht die Zeit genommen anzuhalten. Jetzt aber weiß ich, dass Kit Rivers hinter diesen Mauern aufgewachsen ist. Ich bleibe stehen, um mir das Haus genauer anzusehen.

Zwei von Steinkugeln gekrönte und mit samtig weichem Moos bedeckte Säulen flankieren das reich verzierte schmiedeeiserne Tor. Wahrscheinlich glänzte es früher einmal und wirkte imposant, inzwischen aber hängen die beiden Flügel windschief in den Angeln und sind nur noch mit einer verrosteten Kette verbunden.

Ich trete direkt vor das Tor und berühre das schon lange nicht mehr gestrichene Metall. Bei meiner Berührung rieseln Flocken alter Farbe auf die ungleichmäßig gekieste Einfahrt. Sogar in vernachlässigtem Zustand ist das Haus inmitten all der alten Bäume und der ausgedehnten Rasenfläche wunderschön. Es steht am Ende einer kurzen Einfahrt hinter einem grün bewachsenen Wendekreis, und ein paar halb verfallene Stufen führen zu der breiten Eingangstür. Mit den geschlossenen Läden sieht es aus, als hielte das Gebäude Winterschlaf.

Ich spähe durch das Tor und stelle mir vor, wie in mondhellen Nächten schöne junge Frauen in schulterfreien Ballkleidern aus eleganten Kutschen steigen, sich ihre Hände in Glacéhandschuhen auf die Arme attraktiver Anzugträger legen, die im Fackellicht dorthin schreiten, wo ein Streichquartett zum Tanz aufspielt.

Bilder einer längst vergangenen Zeit. Die Phantasie geht mit mir durch, und plötzlich will ich all die Eindrücke sofort nachzeichnen und in meinem Skizzenbuch festhalten. Kehrt mein Verlangen zu malen, das früher mal so wichtig für mich war, vielleicht zurück?

Ich würde gerne den mit Unkraut übersäten Weg hinunterwandern, um mich genauer umzuschauen, aber das Tor ist abgesperrt. Sue Perry hat erwähnt, die Stiftung Cornwallscher Kulturbesitz habe das Herrenhaus gekauft, und vielleicht bieten sie ja an den Wochenenden Führungen an. Ich muss Sue beim nächsten Mal danach fragen.

Mit einem letzten Blick über die Schulter mache ich mich auf den Heimweg. Die Sonne steht inzwischen merklich tiefer, und ich will im Pfarrhaus sein, bevor es dunkel ist. Das Holz müsste inzwischen angeliefert worden sein. Jetzt muss ich nur noch rausfinden, wie man den Ofen in Betrieb nimmt.

Die Hauptstraße im Dorf ist menschenleer, und durch die Fenster der gemütlichen alten Cottages fällt Licht auf die Straße.

Bis ich beim Pfarrhaus bin, sind am Himmel schon die ersten Sterne zu sehen, und ich bin überrascht, wie dunkel doch die Welt auf dem Land abseits von Straßenlampen und erleuchteter Bürogebäude ist. Der Friedhof, die umherhuschenden Fledermäuse und die Schwärze, die mich umgibt, rufen diffuse Ängste in mir wach. Warum hielt ich es noch mal für eine gute Idee, ein Haus direkt am Friedhof zu kaufen?

Ich wühle in der Jackentasche nach den Schlüsseln, die ich zwischen Taschentüchern und Labello nicht gleich finde, als plötzlich eine riesige Gestalt vor mir erscheint. Ich ringe nach Luft und lasse den Schlüsselbund fallen.

»Entschuldigung! Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

Zum Glück reißt die Wolkendecke vor dem Mond genau in diesem Augenblick auf. Vor mir steht ein großer Mann mit schulterlangem schwarzem Haar und einem freundlichen Gesicht, in Overall und Stiefeln. Auf den Armen trägt er Holzscheite.

Ich presse meine Hand gegen mein wild klopfendes Herz und komme mir wie eine Idiotin vor. Der Holzhändler. Na klar. Ich habe seinen Lkw neben dem Tor gar nicht bemerkt.

»Sie müssen Larry sein.«

Er lächelt, und im Licht des Mondes sehe ich seine gleichmäßigen Zähne.

»Ich bin leider nur die Aushilfe. Larry ist mein Onkel, und er stapelt das Holz viel besser als ich, aber die Vikarin sagte, dass dies ein Notfall ist, deswegen bin ich eingesprungen. Die Scheite hier wollte ich Ihnen vor die Haustür legen, damit Sie nicht bis zur Hütte gehen müssen.«

»Sie haben das ganze Holz dorthin geschleppt und dann auch noch gestapelt?«

Ich hatte schon befürchtet, dass ich die nächsten Stunden mit dem Holzholen beschäftigt wäre und den Rest des Abends die Splitter aus den Händen ziehen müsste.

Der Fremde reißt überrascht die Augen auf.

»Na klar! Sie haben doch wohl nicht gedacht, Sie müssten das alleine machen?«