Der Magnetiseur - E. T. A. Hoffmann - E-Book

Der Magnetiseur E-Book

E.T.A. Hoffmann

3,9

Beschreibung

Der Magnetiseur von E. T. A. Hoffmann ist eine Erzählung , die Sommer 1813 geschrieben wurde und im April 1814 erschien. Der Autor spielt mit verschiedenen Erzählerinstanzen, sodass die Erzählung schon fast modernen Experimenten ähnelt.

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Der Magnetiseur

Träume sind SchäumeMariens Brief an AdelgundeFragment von Alban's Brief an TheobaldDas einsame SchloßAus Bickerts TagebuchBillet des Herausgebers an den Justizrath Nikomedes.Anmerkungen zu dieser AusgabeImpressum

Träume sind Schäume

„Träume sind Schäume“, sagte der alte Baron, indem er die Hand nach der Klingelschnur ausstreckte, um den alten Kaspar herbeizurufen, der ihm ins Zimmer leuchten sollte; denn es war spät geworden, ein kalter Herbstwind strich durch den übel verwahrten Sommersaal, und Maria, in ihren Shawl fest eingewickelt, schien mit halbgeschlossenen Augen sich des Einschlummerns nicht mehr erwehren zu können. – „Und doch“, fuhr er fort, die Hand wieder zurückziehend, und aus dem Lehnstuhl vorgebeugt beide Arme auf die Kniee stützend – „und doch erinnere ich mich manches merkwürdigen Traumes aus meiner Jugendzeit!“ – „Ach, bester Vater“, fiel Ottmar ein, „welcher Traum ist denn nicht merkwürdig, aber nur die, welche irgend eine auffallende Erscheinung verkündigen – mit Schillers Worten: die Geister, die den großen Geschicken voranschreiten – die uns gleich mit Gewalt in das dunkle geheimnisvolle Reich stoßen, dem sich unser befangener Blick nur mit Mühe erschließt, nur die ergreifen uns mit einer Macht, deren Einwirkung wir nicht ableugnen können.“

„Träume sind Schäume“, wiederholte der Baron mit dumpfer Stimme, „und selbst in diesem Weidspruch der Materialisten, die das Wunderbarste ganz natürlich, das Natürlichste aber oft abgeschmackt und unglaublich finden“, erwiderte Ottmar, „liegt eine treffende Allegorie.“ – „Was wirst du in dem alten verbrauchten Sprichwort wieder Sinniges finden?“ fragte gähnend Maria. – Lachend erwiderte Ottmar mit Prosperos Worten: „Zieh deiner Augen Fransenvorhang auf, und hör mich freundlich an! – Im Ernst, liebe Maria, wärst du weniger schläfrig, so würdest du selbst schon geahnet haben, daß, da von einer über alle Maßen herrlichen Erscheinung im menschlichen Leben, nämlich vom Traume die Rede ist, ich mir bei der Zusammenstellung mit Schaum auch nur den edelsten denken kann, den es gibt. – Und das ist denn doch offenbar der Schaum des gärenden, zischenden, brausenden Champagners, den du abzunippen auch nicht verschmähst, unerachtet du sonst recht jüngferlich und zünferlich allen Rebensaft schnöde verachtest. Sieh die tausend kleinen Bläschen, die perlend im Glase aufsteigen und oben im Schaume sprudeln, das sind die Geister, die sich ungeduldig von der irdischen Fessel loslösen; und so lebt und webt im Schaum das höhere geistige Prinzip, das frei von dem Drange des Materiellen frisch die Fittige regend, in dem fernen uns allen verheißenen himmlischen Reiche sich zu dem verwandten höheren Geistigen freudig gesellt, und alle wundervollen Erscheinungen in ihrer tiefsten Bedeutung wie das Bekannteste aufnimmt und erkennt. Es mag daher auch der Traum von dem Schaum, in welchem unsere Lebensgeister, wenn der Schlaf unser extensives Leben befängt, froh und frei aufsprudeln, erzeugt werden und ein höheres intensives Leben beginnen, in dem wir alle Erscheinungen der uns fernen Geisterwelt nicht nur ahnen, sondern wirklich erkennen, ja in dem wir über Raum und Zeit schweben.“ – „Mich dünkt“, unterbrach ihn der alte Baron, wie sich von einer Erinnerung, in die er versunken, gewaltsam losreißend, „ich höre deinen Freund Alban sprechen. Ihr kennt mich als euern unzubekehrenden Gegner; so ist das alles, was du soeben gesagt, recht schön anzuhören, und gewisse empfindliche oder empfindelnde Seelen mögen sich daran ergötzen, allein schon der Einseitigkeit wegen unwahr. Nach dem, was du da von der Verbindung mit der Geisterwelt, und was weiß ich, schwärmtest, sollte man glauben, der Traum müsse den Menschen in den glückseligsten Zustand versetzen; aber alle die Träume, welche ich deshalb merkwürdig nenne, weil der Zufall ihnen eine gewisse Einwirkung in mein Leben gab – Zufall nenne ich nämlich ein gewisses Zusammentreffen an und für sich selbst fremdartiger Begebenheiten, die nun sich zu einer Totalerscheinung verbinden – alle diese Träume, sage ich, waren unangenehm, ja qualvoll, daß ich oft darüber erkrankte, wiewohl ich mich alles Nachgrübelns darüber enthielt, da es damals noch nicht Mode war, auf alles, was die Natur weise uns fern gerückt hat, Jagd zu machen.“ – „Sie wissen, bester Vater“, erwiderte Ottmar, „wie ich über das alles, was Sie Zufall, Zusammentreffen der Umstände und sonst nennen, mit meinem Freunde Alban denke. – Und was die Mode des Nachgrübelns betrifft, so mag mein guter Vater daran denken, daß diese Mode, als in der Natur des Menschen begründet, uralt ist. Die Lehrlinge zu Sais“ – „Halt“, fuhr der Baron auf, „vertiefen wir uns weiter nicht in ein Gespräch, das ich heute um so mehr zu meiden Ursache habe, als ich mich gar nicht aufgelegt fühle, es mit deinem überbrausenden Enthusiasmus für das Wunderbare aufzunehmen. Nicht leugnen kann ich, daß mich gerade heute am neunten September eine Erinnerung aus meinen Jugendjahren befängt, die ich nicht los werden kann, und sollte ich euch das Abenteuer erzählen, so würde Ottmar den Beweis darin finden, wie ein Traum, oder ein träumerischer Zustand, der sich auf eine ganz eigene Weise an die Wirklichkeit knüpfte, von dem feindlichsten Einfluß auf mich war.“ – „Vielleicht, bester Vater“, sagte Ottmar, „geben Sie mir und meinem Alban einen herrlichen Beitrag zu den vielfachen Erfahrungen, die die jetzt aufgestellte Theorie des magnetischen Einflusses, die von der Untersuchung des Schlafs und des Träumens ausgeht, bestätigen.“ – „Schon das Wort, magnetisch, macht mich erbeben“, zürnte der Baron; „aber jeder nach seiner Weise, und wohl euch, wenn die Natur es leidet, daß ihr mit täppischen Händen an ihrem Schleier zupft, und eure Neugierde nicht mit euerm Untergange bestraft.“ – „Lassen Sie uns, bester Vater!“ erwiderte Ottmar, „nicht über Dinge streiten, die aus der innersten Überzeugung hervorgehen; aber die Erinnerung aus Ihrer Jugendzeit, darf sich denn die nicht in Worten aussprechen?“ – Der Baron setzte sich tief in den Lehnstuhl zurück, und indem er, wie er zu tun pflegte, wenn sein Innerstes angeregt wurde, den seelenvollen Blick in die Höhe richtete, fing er an: