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Eine schicksalhafte Begegnung, ein lang gehütetes Geheimnis, ein verloren geglaubtes Schmuckstück. An Männern und Beziehungen hat Kate Prescott absolut kein Interesse. Davon lässt sich Matt Turner jedoch nicht beeindrucken. Der attraktive Engländer besteht auf vier Dates, denn er hat äußerst überzeugende Argumente, die Kate nicht ignorieren kann. Die Anziehungskraft zwischen den beiden ist am Ende stärker als Kates Angst. Aber kann sie Matt wirklich vertrauen? Die einzelnen Bände sind in sich abgeschlossen. Wer es lieber chronologisch mag, dem empfehle ich für den größten Lesegenuss folgende Reihenfolge: Band 1 Der Maskenball Band 2 Die Entführung Band 3 Der Meisterdieb Band 4 Der Amerikaner Band 5 Der Bodyguard
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Epilog
Bonuskapitel Matt
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Vorschau auf den nächsten Teil der Prescott Sisters
17. Vorschau Der Amerikaner
Lektorat: Dorothea Kenneweg
Korrektorat: Dr. Andreas Fischer
Covergestaltung: Casandra Krammer
Copyright © Karin Lindberg 2017
Erstausgabe Juni 2017
www.karinlindberg.info
Reihenfolge »Prescott Sisters«:
Band 1 Der Maskenball
Band 2 Die Entführung
Band 3 Der Meisterdieb
Band 4 Der Amerikaner
Band 5 Der Bodyguard
K. Baldvinsson
Am Petersberg 6a
21407 Deutsch Evern
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Alle Rechte vorbehalten.
Jede Verwertung oder Vervielfältigung dieses Buches – auch auszugsweise – sowie die Übersetzung dieses Werkes ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Handlungen und Personen im Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Erstellt mit Vellum
Diamanten entstehen unter Druck. Doch das ist es nicht, was sie so anziehend für mich macht. Für mich sind es nicht nur funkelnde Schmuckstücke, sondern Magneten, die stärker sind als ich.
Wenn sie so fein verarbeitet sind wie das Collier der Dame vor mir, verhalte ich mich wie der Junkie vor dem nächsten Schuss. Ich möchte die Edelsteine berühren, sie an mich nehmen, in mein Versteck bringen, sie besitzen. Aber heute kann ich dem Drang nicht nachgeben.
Nur mit größter Mühe reiße ich meine Augen vom Hals der Frau los, als mir klar wird, dass ich sie – oder vielmehr ihre Kette – seit geraumer Zeit anstarre. Ich schlucke hart, nippe an meinem Drink, um meine staubtrockene Kehle zu befeuchten, und lasse den Blick durch die Ausstellungsräume der Galerie meiner Schwester Ashley schweifen. Und dann sehe ich, dass mich über die Köpfe der anderen Besucher hinweg ein Mann beobachtet, als wäre ich die Hauptattraktion und nicht die Kunstwerke.
Verdammt. Das ist das Letzte, was ich gebrauchen kann: Zuschauer.
Schnell verschwinde ich um die nächste Ecke, weil ich mich fühle, als hätte man mich auf frischer Tat ertappt.
Warum kann ich nicht normal sein? Diese Frage habe ich mir schon tausendmal gestellt, nur, wenn »es« mich erwischt, dann hilft rationales Denken nicht mehr. Ich hoffe jedoch, dass ich mich heute im Griff haben werde. Ich muss.
»Ganz schön viele … Schmuckstücke im Raum, nicht?«, spricht mich jemand mit einer hypnotisierenden Stimme an.
Ich zucke erschrocken zusammen, weil ich mit meinen Gedanken immer noch weit weg gewesen bin.
Aber was hat er da gerade gesagt? Ich muss mich wohl verhört haben.
»Entschuldigung?«, gebe ich höchst irritiert von mir und wende meinen Kopf in die Richtung des Mannes.
Meine Finger umklammern mein Weißweinglas ein wenig fester, als ich zu ihm aufblicke und das, obwohl ich selbst eins fünfundsiebzig groß bin und hohe Absätze trage. Neben mir steht der hochgewachsene Kerl von eben. Er trägt einen dreiteiligen, perfekt sitzenden Anzug.
Intensive blaue Augen, die mich amüsiert anblitzen, und ein herrlich markantes Gesicht mit energischem Kinn, einer langen, geraden Nase und kräftigen, schön geschwungenen Augenbrauen.
Dieser unverschämte Typ ist atemberaubend.
»Faszinierende Kunst«, erwidert er gelassen und wendet sich den Gemälden und Skulpturen zu.
Gott, ich bin erleichtert. Für einen Moment dachte ich, er hätte mich durchschaut. Nur langsam füllen sich meine Lungen wieder mit Luft, nachdem ich vergessen hatte zu atmen.
»In der Tat, wirklich gelungen, die Vernissage.«
Auf der anderen Seite der Galerie entdecke ich meine Schwester Megan, die mit ihrem Freund Hunter vor einem Bild steht und ihn anschmachtet. Sie scheinen sich noch weniger für die Ausstellung zu interessieren als ich.
Eine junge Liebe. Kaum zu glauben, dass Megan innerhalb so kurzer Zeit dermaßen aufgeblüht ist. Sie strahlt eine solche Energie aus, dass sie damit den ganzen Raum zum Leuchten bringt. Vor Kurzem war sie blass, dünn und unglücklich. Seit Hunter in ihr Leben getreten ist, geht es ihr viel besser. Ich freue mich für sie.
»Kennen Sie die beiden?«, will er von mir wissen.
Ich runzele die Stirn und neige meinen Kopf. Seine blauen Augen ruhen nach wie vor auf mir, als hätte er alle Zeit der Welt.
So intensiv, wie sie mich mustern, komme ich mir beinahe so vor, als ob ich nackt wäre. Er macht mich nervös, meine Nerven sind völlig überspannt.
»Meine Schwester.«
»Ah, verstehe. Sagen Sie, wie wäre es, wenn ich Sie zum Essen einladen würde? Sie sehen ein bisschen … verloren aus.«
Verloren? Der Kerl hat ja keine Ahnung.
Zum Glück.
Was ich in meinem Zustand absolut nicht gebrauchen kann, ist jemand, der mich mehr durcheinanderbringt, als ich ohnehin schon bin.
Meine Schlagfertigkeit lässt erfreulicherweise nicht lange auf sich warten.
»Ich weiß zwar nicht, was es Sie angeht, aber ich habe keinen Bedarf. Also, falls Sie mich anmachen wollten – äußerst ungeschickt, wenn ich das bemerken darf –, dann sind Sie bei mir an der falschen Adresse.«
Ich drehe ihm meine Kehrseite zu und nehme einen Schluck von meinem Weißwein, um mich zu beruhigen. Mein Herzschlag ist immer noch viel zu schnell dafür, dass ich einfach nur dastehe.
Irritiert über meine starken physischen Reaktionen, gehe ich zum nächsten Bild und lasse ihn wortlos zurück.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich nicht mal seinen Namen kenne. Ich bin daher nicht sonderlich überrascht, als ich Schritte hinter mir wahrnehme.
Ein Charakter wie er gibt nicht so leicht auf, was auch immer er im Sinn hat.
»Mein Spruch scheint nicht so gut angekommen zu sein«, höre ich seinen sonoren Bariton neben mir und ich muss beinahe über diese Berechenbarkeit grinsen.
»Nein, wenn Sie geglaubt haben, dass ich, nur weil Sie einigermaßen attraktiv sind, gleich vor Freude über eine Anmache in Ohnmacht fallen würde, haben Sie sich getäuscht. Wie ich bereits sagte, kein Bedarf.«
Meine Stimme klingt erfreulicherweise kühl und beherrscht.
»Ich stehe auf Herausforderungen«, erwidert er und sein Tonfall lässt keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint.
Obwohl ich es nicht will, stellen sich die feinen Härchen auf meiner Haut auf, weil er mich – leider – absolut nicht kaltlässt, während ich mir alle Mühe gebe, das zu verbergen.
Aber ich bin nicht naiv, und blöd schon gar nicht. Einen Mann, der mich nur ins Bett zerren will, brauche ich nicht. Angebote dieser Art bekomme ich häufig genug. Wenn man es genau nimmt, will ich überhaupt keinen Kerl, der mir in mein Leben pfuscht.
Ich bin zufrieden, führe ein gut laufendes Innendesignbüro und habe eine meistens nette Familie.
Wozu sich den Alltag mit einem Macho an der Seite schwermachen?
Nein, danke. Beziehungen enden sowieso immer mit Schmerz und Bitterkeit. Und aktuell kämpfe ich noch mit ganz anderen Bürden.
»Du findest mich also attraktiv?«
Ich gebe dem Verlangen, mit den Augen zu rollen, nicht nach. Sein Akzent klingt britisch, seine Haltung spricht für eine gute Schule oder zumindest ein solides Elternhaus. Das war es dann auch schon an positiven Eigenschaften neben seinem guten Aussehen, aber das ist bekanntlich ja nicht genug.
»Sind Sie vielleicht Anwalt oder warum drehen Sie jedes meiner Worte um? Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen das Du angeboten zu haben«, entgegne ich eisig und schaue mich nach einer möglichen Rettung in Form einer meiner Schwestern oder meiner Großmutter um.
Alles, nur dass mir nicht die Frau mit dem Collier wieder über den Weg läuft, flehe ich lautlos.
»Nein«, lacht er. »Ganz im Gegenteil, ich verdiene mein Geld mit den schönen Dingen des Lebens.«
»Na, als Escort müssten Sie aber bessere Manieren haben«, antworte ich wenig begeistert.
Nun ist es an ihm, nach Luft zu japsen.
»Wirke ich etwa wie ein Escort?«
Er klingt ernsthaft beleidigt und ich muss grinsen. Sein Gesichtsausdruck ist einfach zum Totlachen.
Für einen Moment vergesse ich mein eigenes Dilemma und betrachte ihn noch einmal eingehender. Leider gefällt mir, was ich da an meiner Seite habe…
»Ah, da bist du ja, Matt«, höre ich eine Stimme hinter mir, die sehr verdächtig nach meiner Schwester Ashley klingt.
Meine Ablösung, schießt es mir durch den Kopf. Schade, gerade als es lustig wurde, musste sie auftauchen.
Den Gedanken verdränge ich so schnell wieder, wie er aufgetaucht ist. Es wundert mich überhaupt nicht, dass sie ihn kennt. Garantiert ist sie mit ihm im Bett gewesen, ein weiterer Grund, warum er für mich nicht infrage kommt. Ich nehme mir doch keinen abgelegten Liebhaber meiner Schwester! Ihr Verschleiß an Männern ist ziemlich hoch. Im Gegensatz zu mir lässt sie nämlich nichts anbrennen.
»Kate, wie ich sehe, habt ihr euch schon bekannt gemacht?«, wendet sich Ashley, die diese Vernissage hier veranstaltet, an mich.
Ich blinzele sie verständnislos an. »Äh, nein, haben wir noch nicht …«
»Wir waren gerade dabei«, fällt er mir ins Wort. »Ich bin Matt Turner, sehr erfreut.«
Matt streckt mir seine kräftige Hand hin, die ich mir ansehe und überlege, ob das ein Witz sein soll. Weil ich Ashleys irritierten Blick wahrnehme, ergreife ich seine Hand, um dämliche Fragen ihrerseits zu verhindern.
Falls er ein Kunde von ihr ist, will ich ihn nicht verärgern, auch wenn er ein arroganter Idiot ist.
Obwohl, beleidigt habe ich ihn ja schon. Er mich aber gleichermaßen. Wenn ich ernsthaft darüber nachdenke, dann komme ich mir ein bisschen vor wie im Kindergarten.
Sein schockierter Gesichtsausdruck nach meinem Satz mit dem Escort war einfach zu göttlich, als dass es mir im Nachhinein leidtun würde. Nein, ich habe kein schlechtes Gewissen. Er war zuerst unhöflich.
»Kate Prescott«, murmele ich, während ich die Wärme seiner Haut auf meiner spüre und sich ein elektrisierendes Prickeln auf mich überträgt.
Schnell ziehe ich meine Finger zurück, als hätte ich mich an ihm verbrannt. Er scheint es registriert zu haben, der spöttische Zug um seinen sinnlichen Mund spricht Bände.
»Schwesterchen«, wendet sich Ashley nochmals an mich, »Matt braucht dich. Dringend.«
Wozu? Um ihm Manieren beizubringen?
Dafür würde ich ihm eine Benimmschule empfehlen …
»Aha«, sage ich stattdessen und tue so, als ob es mich interessieren würde, was definitiv nicht der Fall ist.
»Ich hörte, du bist eine sehr gute Innenarchitektin. Ich betreibe eine Kunsthandlung und die … könnte einen frischen Anstrich vertragen.«
Er, ein Kunsthändler?
Stilvoll gekleidet ist er ja, zudem kann er sich offensichtlich gut artikulieren, auch wenn er bei mir total danebenlag. Aber müsste man in seiner Branche nicht ein wenig kultivierter mit seinen Mitmenschen umgehen? Oder macht er bei mir eine Ausnahme?
Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
»Dabei hilft ein Maler ebenfalls…«, gebe ich provozierend zurück.
»Kate«, ermahnt mich Ashley und ich besinne mich, obwohl mich dieser Kerl bis aufs Äußerste reizt. Er hat etwas an sich, das mich rasend macht. Buchstäblich.
Mein Blut rauscht durch meine Adern und mein ganzer Körper ist angespannt. Ich möchte schleunigst aus seinem Radius verschwinden. Männer wie er bedeuten Ärger, denn er weiß, wie attraktiv er ist, und seine Anmache klang absolut nicht geschäftlich.
Ich bin jedoch zu professionell, als dass ich das nicht übergehen könnte, daher reiße ich mich am Riemen und vermeide einen offenen Schlagabtausch. Immerhin betreibe ich eine Firma und der Auftrag, eine Kunsthandlung neu zu gestalten, würde sich bestens in meiner Referenzliste machen – auch wenn der Auftraggeber ein arroganter Lackaffe ist.
»Sicher«, lacht er. »Einen Anstreicher werden wir jedenfalls brauchen, aber ich dachte da mehr an eine generelle … Neugestaltung.«
»Als ich letzte Woche bei Matt im Laden war, haben wir bereits darüber gesprochen. Du bist die perfekte Frau für den Job, Kate. Du stimmst mir doch zu, Matt, nicht?« Ashley klimpert mit ihren langen, schwarzen Wimpern und Matt strahlt sie an.
Ja, da könnte definitiv was zwischen den beiden gelaufen sein. Sie scheinen sich zumindest ganz gut zu kennen. Es kann mir ja egal sein, was meine Schwester so treibt. Ich für meinen Teil würde nie etwas mit so einem Kerl anfangen. Selbstverliebt hoch drei.
Nein, danke.
»O ja, ich denke, Kate ist vollkommen.«
Er sagt es mit einem anzüglichen Grinsen und ich muss mich beherrschen, um nicht nach Luft zu schnappen oder wie ein Kind mit dem Fuß aufzustampfen.
Mir ist klar, dass er das garantiert nicht auf den Auftrag bezogen hat. Ashley scheint es nicht aufzufallen, aber sie hat ja auch unser »Kennenlernen« verpasst. Im gleichen Moment zieht er eine Visitenkarte aus seinem Jackett und reicht sie mir.
»Bitte, hier ist meine Karte. Würdest du mich anrufen, um einen Termin zu vereinbaren? Hast du vielleicht morgen Zeit?«
Normalerweise würde ich anders reagieren, aber weil ich Ashleys Blick auf mir spüre und nicht weiß, was genau hier gerade los ist, nicke ich. »Sicher, ich kann es dazwischenschieben. Wie klingt zehn Uhr?«
»Perfekt.«
Er nickt und seine Mundwinkel biegen sich nach oben. Ein warmes, ehrliches Lächeln, das mir den Atem verschlägt – schon wieder.
»Ich freue mich, Kate. Dann störe ich euch nicht länger. Vielen Dank, Ashley, für die Einladung. Eine wundervolle Vernissage.«
»Danke, Matt. Sehr nett von dir«, gibt meine Schwester freudestrahlend zurück.
Als Matt außer Hörweite ist beugt sie sich zu mir. »Ist er nicht hinreißend?«, flötet sie und ich muss mich ziemlich beherrschen, um ihr nicht zu sagen, für was für einen selbstverliebten Beau ich diesen Matt halte.
Die Eigenschaft »hinreißend« wäre so ungefähr das Letzte, was mir in Verbindung mit ihm einfallen würde.
Sexy, attraktiv, machohaft … ja. Aber doch nicht hinreißend!
»Hm«, mache ich daher nur und trinke den Rest meines mittlerweile zimmerwarmen Weißweins aus.
»Sehr gut geworden, deine Ausstellung«, lenke ich vom Thema ab.
»Ja, nicht? Da haben sich die Wochen der Vorbereitung gelohnt.«
Ashley strahlt. Für ihre Verhältnisse ist sie heute auch züchtig gekleidet. Ihr kurviger Körper steckt in einem engen schwarzen Kleid, das um den Ausschnitt schillernde Applikationen hat und die Aufmerksamkeit damit automatisch auf ihr üppiges Dekolletee lenkt.
Sie kann es sich leisten, denn ihre Brüste sind rund und voll und kommen in dem Outfit wahnsinnig gut zur Geltung. Das Blond ihrer Haare hat sie wieder gegen ein silbrig glänzendes Lila eingetauscht, heute sind sie zu einer lockeren Hochsteckfrisur aufgetürmt.
»Absolut«, sage ich, nicke anerkennend und lasse meinen Blick durch die Galerie schweifen. Ein Glück, Matt kann ich nirgends mehr erspähen. Dafür entdecke ich den Künstler, der sich im Mittelpunkt des Raumes befindet und es ganz augenscheinlich genießt, dass sich das Universum an diesem Tag nur um ihn dreht. Für mich ist es nur ein eitler Gockel, der ein Händchen mit dem Pinsel hat, für die Damen um ihn herum ist er jedoch ein Gott.
»Ich würde ja gerne länger mit dir plaudern, Kate, aber ich muss hier jedem gerecht werden und jetzt ist der Meister dran. Wir wollen ja nicht, dass er schlechte Laune bekommt. Da vorne ist Granny.« Sie zeigt mir mit einer Kopfbewegung die Richtung, in der unsere Großmutter steht und argwöhnisch ein Bild studiert.
»Ich kann schon auf mich selbst aufpassen, Süße.«
»Na, dann ist ja gut. Also, hab Spaß und genieß den Abend. Danke, dass du da bist.« Sie gibt mir ein Küsschen auf die Wange und rauscht davon.
Meine Großmutter wirkt angestrengt. Ich bin mir sicher, dass sie mit der modernen Kunst nicht viel anfangen kann. Im Vorbeigehen nehme ich mir ein Weißweinglas von einem Tablett einer Cateringmitarbeiterin, stelle das leere bei ihr ab und gehe weiter zu meiner Oma.
»Nicht so dein Geschmack, Granny?«, spreche ich sie an und verkneife mir ein Lachen.
»Pah, das kann ich auch«, meint sie und verzieht ihr Gesicht. »Ein bisschen Farbe hier und da ausleeren …«
»Uns muss ja nicht alles gefallen. Die Veranstaltung ist jedenfalls toll geworden.«
»Ja, so gut, dass Megan bereits gegangen ist.«
Meine Großmutter kann manchmal wirklich unmöglich sein.
»Das hat andere Gründe ...« Ich kichere und sehe mich um. »Tessa ist noch nicht mal hier.«
»Doch, sie steht hier um die Ecke. Der Kerl, an dessen Arm sie hängt, ist ein Alptraum!«, jammert sie. »Warum kann sie nicht einmal einen standesgemäßen jungen Mann mit zu einer Verabredung bringen? Immer diese Modefuzzis, die sich selbst mehr lieben als alles andere.« Sie wirft mir einen verzweifelten Blick zu. »Aber du, Kate. Dein Gesprächspartner wirkte sehr nett. Hübsch anzusehen, gute Haltung, tadelloser Anzug, maßgeschneidert, wenn ich mich nicht täusche«, schließt sie hoffnungsvoll.
»O nein, Granny. Du denkst komplett in eine falsche Richtung.«
»Ist er nun Engländer oder nicht?«, unterbricht sie mich und mir bleibt nichts, als einen weiteren Schluck von meinem Wein zu nehmen.
»Schätze, ja«, beantworte ich ihre Frage anschließend.
»Was heißt, du schätzt, ja?«
»Granny, er betreibt eine Kunsthandlung in Shanghai und sucht eine Innenarchitektin und keine Ehefrau.«
Bei meiner Oma muss man manchmal die Fakten so knallhart auf den Tisch legen, sonst spinnt sie sich etwas zusammen.
»Na und? Du wärst nicht die Erste, die ihren Mann bei der Arbeit kennenlernt.«
Ich verziehe meinen Mund.
Es ist hoffnungslos, unsere Oma wünscht sich nichts mehr, als uns gut verheiratet zu wissen. So ist sie nun mal. Dass Matt garantiert kein Typ für eine monogame Beziehung ist, behalte ich lieber für mich.
»Ich denke nicht, Granny.«
»Bring ihn doch mal mit zum Tee. Da vorne steht er ja!« Sie strafft sich und nickt ihm aristokratisch höflich zu, und ich möchte im Boden versinken. Jetzt denkt er zweifellos, dass wir über ihn reden. Matts Mundwinkel biegen sich nach oben und er deutet eine Verbeugung an.
Wie albern und altmodisch. Dass meine Oma nicht vor lauter Verzückung nach einem Riechsalzfläschchen fragt, ist alles.
»Granny!«, warne ich sie daher nur leise, aber das genügt, sie versteht, dass ich bestimmt nicht anfange, mit einem Mann zu flirten, nur weil er ihr gefällt.
»Ja, schon gut. Ich meinte ja nur.«
Verzweifelt werfe ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Es ist definitiv noch zu früh zum Gehen. Leider.
»Entschuldige mich einen Moment«, sagt meine Großmutter und lässt mich stehen. Ich atme hörbar aus und tue so, als ob ich mich für die ausgestellten Gemälde interessieren würde.
Normalerweise mag ich solche Veranstaltungen auch, nur heute entwickelt sich das irgendwie zu einem Desaster. Als ich um eine Säule herumgehe, treffe ich auf unser ehemaliges Kindermädchen Emma, die heute für meinen Dad als persönliche Assistentin arbeitet. Sie steht alleine in einer Ecke und sieht gar nicht glücklich aus.
»Hey, Emma. Alles in Ordnung?«
Sie nippt an ihrem Mineralwasser. »Ja, natürlich. Ich habe nur nachgedacht.«
»Das konnte man merken, was ist los? Stimmt etwas nicht?«
»Nein, es ist nichts.« Sie winkt ab und lacht ein wenig zu schrill, als dass ich es ihr abnehmen würde.
»Komm, wir kennen uns zu lange. Was bedrückt dich?«
Sie umklammert ihr Glas nun mit beiden Händen und starrt stur geradeaus. »Ich mache mir Sorgen um deinen Dad.«
»Was ist los? Ist er krank?«
»Siehst du, wie deine Tante Helen an ihm klebt? Die Frau nimmt ihm die Luft zum Atmen. Am Ende macht so was krank, ja.«
Ich folge Emmas Blick und beobachte, wie mein Vater und meine Tante vor einem Bild stehen und sich angeregt unterhalten. Helen berührt immer wieder den Unterarm meines Vaters und gackert dabei.
Es schaut so aus, als ob sie flirten. Mein Dad erwidert ihre Berührungen zwar nicht, er war noch nie ein Mensch, der in der Öffentlichkeit gerne Zuneigung bekundet hat.
Wer weiß, vielleicht hat Emma ja recht? Ich habe schon lange vermutet, dass Dad und Helen eine Affäre haben könnten, aber offen darüber geredet wird bei uns nicht. Es wäre auch eine sehr komische Situation, immerhin ist Helen die Schwester meiner verschollenen Mutter.
»Meinst du nicht, es ist gegenseitig?«
Emma zieht scharf die Luft ein. »Ich sollte das nicht sagen, Kate.«
»Was meinst du?«
»Ich glaube, Helen sucht lediglich einen neuen Gönner.«
Ich drehe meinen Kopf so schnell in Emmas Richtung, dass mir ein bisschen schwindelig wird.
»Nein!?« Ich fasse es nicht.
»Warum sollte sie sonst auf einmal, so kurz nach ihrer Trennung, hierherkommen? Sonst hat man von ihr doch nicht so viel gesehen, oder?«
Die Vorstellung, dass mein Vater als Sugardaddy benutzt wird, ist ekelhaft, aber so ganz abwegig ist es nicht.
»Hat Helen nach der Scheidung nicht genug Geld?«, frage ich Emma. Ich habe keine Ahnung von solchen Dingen.
»Was weiß ich. Es geht hier ja um Prestige, Ansehen und so weiter. Es ist nicht so, dass da nicht noch in England mal was gewesen wäre … ach, was rede ich. Ich sollte die Klappe halten. Jedenfalls, Helen stammt aus einer Familie der Mittelschicht. Ihr sozialer Status ist nach dem Ende ihrer Ehe ziemlich … na ja. Es geht mich ja absolut nichts an, ich hätte das nicht erzählen dürfen. Lass uns über etwas anderes sprechen.«
Jetzt hat sie definitiv mein Interesse geweckt.
»Emma, komm schon. Wer A sagt, muss auch B sagen. Meinst du, Helen und mein Dad, … sie … sind sich früher schon ... nähergekommen?«
»So kann man es auch nennen.« Sie schnaubt abfällig. »Aber nein, ich erzähle hier keine Märchen. Ich werde gewiss nicht fürs Klatschen bezahlt.«
Sie lacht nervös und sieht auf den Boden.
»Du bist ja heute privat hier, Emma«, erinnere ich sie und lache beinahe so gekünstelt wie sie. Sie schweigt jedoch vehement und damit ist das Thema wohl vorerst abgehakt.
Ein bitterer Beigeschmack bleibt nach dieser Unterhaltung. Bisher habe ich nie daran gedacht, dass es Helen bei ihrem Besuch darum gehen könnte, sich meinen Dad zu angeln. Sollte sie das vorgehabt haben, scheint ihr Plan aufzugehen. Eigentlich mag ich meine Tante, die Vorstellung, dass sie so berechnend sein könnte, trübt allerdings meine Zuneigung zu ihr.
Gerade kichert sie wieder, wirft den Kopf in den Nacken und hält sich am Oberarm meines Dads fest. Ja, sie flirtet ganz eindeutig heftig mit ihm.
»Siehst du?«, meint Emma. »Ich kann das nicht ertragen.