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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Das schrille Klingeln an der Haustür riß Sandra Haller aus ihren schönsten Träumen. Unwillig richtete sie sich auf und warf einen Blick auf den Wecker neben ihrem Bett. Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel und lief hinaus auf den Flur, weil es schon wieder klingelte. Diesmal noch länger. »Ruhe!« tönte es aus Ninas Zimmer. »Heute ist Samstag, und ich will endlich mal ausschlafen.« Sandra konnte die Freundin gut verstehen. Es war gestern abend ziemlich spät geworden. Auf ihrem Weg zur Tür kam die junge Studentin an der Küche vorbei. Darin stapelte sich der Abwasch – der traurige Rest der gestrigen Fete. »Ich komm' ja schon«, rief sie, als es zum drittenmal laut schrillte und öffnete die Haustür. Draußen stand der Briefträger. »Einen wunderschönen guten Morgen«, wünschte er. »Ich habe hier ein Einschreiben für Frau Sandra Haller.« Dabei hielt er den Brief in die Höhe. Das junge Madel gähnte verstohlen. »Das bin ich«
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Seitenzahl: 109
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Das schrille Klingeln an der Haustür riß Sandra Haller aus ihren schönsten Träumen. Unwillig richtete sie sich auf und warf einen Blick auf den Wecker neben ihrem Bett. Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel und lief hinaus auf den Flur, weil es schon wieder klingelte. Diesmal noch länger.
»Ruhe!« tönte es aus Ninas Zimmer. »Heute ist Samstag, und ich will endlich mal ausschlafen.«
Sandra konnte die Freundin gut verstehen. Es war gestern abend ziemlich spät geworden. Auf ihrem Weg zur Tür kam die junge Studentin an der Küche vorbei. Darin stapelte sich der Abwasch – der traurige Rest der gestrigen Fete.
»Ich komm’ ja schon«, rief sie, als es zum drittenmal laut schrillte und öffnete die Haustür.
Draußen stand der Briefträger.
»Einen wunderschönen guten Morgen«, wünschte er. »Ich habe hier ein Einschreiben für Frau Sandra Haller.«
Dabei hielt er den Brief in die Höhe.
Das junge Madel gähnte verstohlen.
»Das bin ich«, nickte sie.
»Bitte, hier unterschreiben.«
Der Mann hielt ihr einen Zettel hin, und seinen Kugelschreiber.
Immer noch halb verschlafen unterschrieb die Studentin und nahm den Umschlag in Empfang. Sie steckte ihn achtlos in die Tasche ihres Morgenmantels.
Der Briefträber wünschte noch einen guten Tag und ging die Treppe hinunter. Sandra hörte hinter sich eine Tür klappen. Nina Kreuzer kam aus ihrem Zimmer.
»Was ist denn los?« fragte die schwarzhaarige Mitbewohnerin. »Solch ein Höllenlärm am frühen Morgen!«
Sandra unterdrückte ein erneutes Gähnen und winkte ab.
»War bloß der Postbote«, sagte sie. »Einschreiben. Ich geh’ erstmal unter die Dusche, und dann wird aufgeräumt.«
Nina warf einen Blick in die Küche und verdrehte die Augen.
»Na, ich koch’ erst ’mal Kaffee«, meinte sie und nickte dann auf die Tür neben ihrem Zimmer. »Die Kleine hat offenbar nichts gehört, was?«
Sie meinte Anja Burger, die dritte Mieterin ihrer Wohnung in der Nürnberger Altstadt. Vor einem Jahr hatten sie sich kennengelernt. Es war kurz vor Semesterbeginn, und die jungen Studentinnen waren auf Zimmersuche gewesen. Die kleineren Wohnungen und günstigen Zimmer waren alle schon vergeben, und so hatten sie sich zu dritt hier eingemietet. Und es hatte auf Anhieb mit ihnen geklappt. Die jungen Frauen verstanden sich prächtig. Nicht nur, daß sie sich gegenseitig beim Lernen halfen, sie gingen auch sonst durch dick und dünn.
Als Sandra wieder aus der Dusche kam, duftete es schon verlockend nach frisch gekochtem Kaffee.
»Ich gehe Brötchen holen«, rief sie Nina zu, die eben ins Bad huschte.
»Und ich werde gleich Anja aus den Federn schmeißen«, gab diese zurück.
Sandra schmunzelte.
»Aber sanft!« mahnte sie und schnappte sich den Einkaufskorb.
Fröhlich summend lief sie die Treppe hinunter und trat auf die Straße. Es war zwar erst kurz vor acht, aber trotz der frühen Stunde waren schon zahlreiche Leute unterwegs. Kein Wunder bei dem Wetter! Jetzt, Ende März, konnte man schon den nahenden Frühling erahnen. Die Sonne schien am wolkenlosen Himmel, und der Wetterbericht versprach ein warmes Wochenende mit frühlingshaften Temperaturen. Sandra war sicher, die beiden Freundinnen, nach einem ausgiebigen Frühstück – und dem dringend notwendigen Abwasch – zu einem Einkaufsbummel überreden zu können. Samstag war auch gleichzeitig Markttag, und auf dem Wochenmarkt vor dem Rathaus würden bestimmt schon die ersten, jungen Frühlingsgemüse angeboten werden.
Der Bäcker war gleich um die Ecke, und die Studentin kam schon nach wenigen Minuten wieder zu Hause an. Inzwischen war auch Anja aufgestanden. Die Wohnung besaß einen Balkon, zwar nicht groß, aber ausreichend für drei Personen. Nina und Anja hatten, angesichts des schönen Wetters, hier gedeckt. Nun saßen die drei Mädel gemütlich in der Sonne und ließen es sich schmecken.
Sandras Vorschlag zu einem Stadtbummel wurde einstimmig angenommen, und mit Feuereifer machten sie sich daran, die Küche wieder auf Vordermann zu bringen. Eine Stunde später waren sie fertig und liefen die Treppe hinunter.
»Sagt mal, was war denn das für ein Lärm heute morgen?« wollte Anja wissen, als sie aus der Haustür traten.
»Hast du es doch gehört?« meinte Nina. »Wir dachten, du würdest noch schlafen.«
»Bei dem Krach? Was war denn los?«
»Der Brief!« entfuhr es Sandra.
Anja sah die beiden entgeistert an.
»Welcher Brief?«
Sie wurde ungeduldig.
»Der Postbote hat ein Einschreiben gebracht«, antwortete Nina. »Für Sandra.«
»Und was steht drin?«
Das Madel zuckte die Schultern.
»Ich weiß es net«, sagte sie.
»Wie, du hast es noch gar nicht gelesen?« fragten die Freundinnen, wie aus einem Mund.
»Zu blöd«, murmelte Sandra. »Ich hab’s einfach vergessen.«
Sie drehte sich um und ging ins Haus zurück. Der Brief steckte natürlich immer noch in der Tasche des Morgenmantels. Das Madel nahm den Umschlag und las den Absender darauf.
Es war der Name eines Rechtsanwalt!
Du liebe Güte, was habe ich denn mit einem Rechtsanwalt zu tun? durchfuhr es die Einundzwanzigjährige.
Aufgeregt öffnete sie das Kuvert und zog das Schreiben heraus. Sie überflog es, stutzte und las noch einmal.
»Das gibt’s doch gar net!« entfuhr es ihr.
Sie zwang sich, das Schreiben erneut zu lesen, diesmal langsam und Zeile für Zeile, doch immer noch konnte sie es nicht fassen, was sie da las – sie wurde gebeten, sich in einer Erbschaftsangelegenheit in der Anwaltskanzlei zu melden…
*
Montagmorgen. Sandra hatte das ganze Wochenende überlegt, wer sie wohl in seinem Testament bedacht haben könnte. Aber so sehr sie sich auch den Kopf zerbrach, es wollte ihr niemand einfallen. Ihre Eltern lebten nicht mehr, und außer ein paar Verwandten, von denen sie in all den Jahren nichts mehr gehört hatte, gab es keine näheren Angehörige, von denen sie etwas wußte.
Jetzt war sie auf dem Weg in die Anwaltskanzlei, um die Angelegenheit zu klären. Möglicherweise war es ja auch ein Namensverwechslung, und der Brief war gar nicht für sie bestimmt gewesen.
Das Büro befand sich in der Bäckerstraße, in der Nähe des Markplatzes. Sandra wurde von einer freundlichen Sekretärin empfangen.
»Dr. Weber wird gleich Zeit für Sie haben«, sagte die Frau und führte die Besucherin in einen Raum, der mit Schreibtisch, Sitzecke und einer Unmenge von Aktenordnern ausgestattet war.
Die Studentin setzte sich in einen der Sessel und wartete ab. Schon nach wenigen Minuten erschien der Rechtsanwalt und Notar, ein älterer, sehr ergrauter Herr.
»Frau Haller, nicht wahr?« begrüßte er sie. »Ich bin Dr. Weber. Schön, daß Sie so rasch herkommen konnten.«
Er setzte sich zu ihr.
»Worum geht es eigentlich?« erkundigte sich Sandra. »In dem Scheiben steht etwas von irgendeiner Erbschaftsangelegenheit, ich weiß gar nicht…«
»Warten Sie«, sagte der Anwalt. »Ich habe den Vorgang hier auf meinem Tisch liegen.«
Er holte einen Ordner und schlug ihn auf.
»Sagt Ihnen der Name Waltraud Brunnengräber etwas?« fragte er, während er sich wieder setzte.
»Brunnengräber?«
Sandra dachte angestrengt nach. Ja, da war etwas, ganz tief unten in ihrem Gedächtnis verborgen. Tante Waltraud, die irgendwo einen Bauernhof besaß. Aber war die net schon ganz lange tot…?
»Nun ja«, meinte der Anwalt. »Ihre Tante ist vor etwa einem halben Jahr gestorben, und da sie keine Nachkommen hatte, hat sie Sie in ihr Testament als Erbin eingesetzt.«
Sandra schluckte unwillkürlich. Ich habe wirklich geerbt? dachte sie und konnte es noch immer nicht fassen.
»Ihre Frau Tante hinterläßt Ihnen den Hof, mit allem lebenden und toten Inventar, sowie mehrere Morgen Land. Das ganze Anwesen befindet sich in der Nähe von St. Johann.«
St. Johann – langsam dämmerte es ihr. Sandra erinnerte sich, als kleines Kind öfter mal auf dem Hof gewesen zu sein. Aber das schien eine Ewigkeit zurückzuliegen. Waren da nicht auch Pferde gewesen?
»Ponys«, erklärte Dr. Weber. »Das Anwesen ist ein Ponyhof. Die Tiere werden dort gezüchtet, und soviel ich den Unterlagen entnehmen kann, ist das ganze auch so eine Art Ferienpension.«
Der Anwalt beugte sich vor und musterte das junge Madel eindringlich.
»Meine liebe Frau Haller«, sagte er. »Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß es mit dem Hof nicht zum besten steht. Es gibt erhebliche Lasten, finanzieller Art, und ich weiß nicht, ob Sie nicht besser beraten sind, wenn Sie sich dazu entschließen könnten, den Hof zu verkaufen.«
Er lächelte und hob dabei die Hände.
»Sie sind jung, Sie studieren, nicht wahr. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie ihr ganzes Leben auf einem Bauernhof in den bayerischen Alpen verbringen wollen.«
Sandra war völlig ratlos. Sie wußte beim besten Willen nicht, wie sie sich entscheiden sollte.
»Natürlich müssen Sie die Erbschaft erst einmal annehmen, bevor Sie sich zu diesem Schritt entscheiden. Selbstverständlich können Sie diese allerdings auch ausschlagen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
*
»Grüß’ dich, Resi«, grüßte Sebastian Trenker die alte Magd vom Ponyhof. »Ich wollt’ mich mal wieder erkundigen, wie’s euch so geht.«
Seit dem Tod der Besitzerin war das Anwesen verwaist. Der Nachlaßverwalter war immer noch bemüht, die Anschrift der Nichte herauszufinden, die Waltraud Brunnengräber als Alleinerbin in ihr Testament eingesetzt hatte.
Resi Angermeier, die seit mehr als vierzig Jahren auf dem Hof war, freute sich, den Geistlichen zu sehen.
»Das ist aber schön, Hochwürden, daß Sie sich nach uns erkundigen.«
Sie schaute über den Hof, auf die Weiden dahinter. Es sah alles ein wenig heruntergekommen aus.
»Der Hubert wird wohl draußen bei den Ponys sein«, sagte sie.
»Wie viele Tiere sind’s denn eigentlich?«
»Zwölf«, antwortete die Magd. »Aber wenn net bald die Erbin auftaucht, dann seh’ ich schwarz für den Hof und die Tiere.«
»Hat sich der Nachlaßverwalter denn noch net gemeldet?«
»Doch. Letzte Woch’ war er hier. Er hat jetzt einen Anwalt aus Nürnberg beauftragt, nach dem Fräulein zu suchen. Angeblich soll’s dort studieren.«
Sebastian Trenker machte ein nachdenkliches Gesicht. Resi schien zu wissen, was er dachte.
»Gell, Hochwürden, Sie denken dasselbe wie ich – so ein junges Madel wird den Hof kaum behalten wollen. Noch dazu, wo er in so einem Zustand ist. Überall in den Ställen klaffen Löcher, das Dach vom Haus müßte neu gedeckt werden, und Geld ist auch keins mehr da. Und das Madel studiert – da wird’s kaum Lust haben, hier einen heruntergekommenen Ponyhof zu leiten.«
Der Pfarrer schmunzelte, als er die klaren Worte hörte. Resi Angermeier war dafür bekannt, daß sie sagte, was sie dachte.
»Allerdings tät’s mir schon leid, wenn ich nach all den Jahren, die ich nun hier bin, irgendwo andershin sollte«, fuhr die alte Frau fort. »Ich hab’ immer gedacht, daß ich eines Tag’s hier sterben würd’.«
»Na, na, bis dahin ist’s hoffentlich noch weit«, meinte Sebastian. »Und wer weiß – vielleicht ist es ja ein ganz patentes Madel, das genau weiß, was es an solch einem Hof hat. Er war ja mal ein Schmuckstück und könnt’s wieder werden. Wart’ erst einmal ab, ob der Anwalt in Nürnberg etwas herausfindet.«
Wann immer es sich einrichten ließ, verzichtete der Seelsorger von St. Johann darauf, sein Auto zu benutzen. Entweder ging er zu Fuß, oder er fuhr mit dem Rad, so wie heute. Auf dem Rückweg vom Ponyhof ins Dorf, war er mit seinen Gedanken bei der alten Resi und dem Hubert Bachmann, der wohl schon genauso lange in den Diensten der Verstorbenen gestanden hatte wie die Magd. Natürlich würde es für die beiden alten Leute schwer werden, irgendwo neu anzufangen, sollte sich die Erbin entschließen, den Hof gleich wieder zu verkaufen. Sebastian konnte nur inständig hoffen, daß die junge Frau – sollte sie gefunden werden – den Hof behielt.
Das würde nicht leicht für sie werden. Wie Resi schon ganz richtig gesagt hatte, war das Anwesen in einem maroden Zustand, der einen Fremden schon abschrecken konnte. Waltraud Brunnengräber war nach langer Krankheit gestorben, einer Krankheit, die ihr die Kraft geraubt und verhindert hatte, daß sie sich so um ihren Ponyhof kümmern konnte, wie sie es früher getan hatte. Irgendwann waren dann die Gäste ausgeblieben, und damit fehlte natürlich auch das Geld, um so ein Unternehmen am Leben zu erhalten.
Sollte die Erbin gefunden werden, und sie sich entscheiden, hier zu bleiben, dann würde sie es nur mit tatkräftiger Unterstützung schaffen können! Dann war da noch das Gerücht, das seit Wochen in St. Johann umging – daß der reiche Bauunternehmer Friedrich Oberlechner ein Auge auf den Hof geworfen hatte. Er wollte, so hieß es, aus dem heruntergekommenen Anwesen eine elegante Seniorenresidenz machen.
Aber, darüber war das letzte Wort noch nicht gesprochen, dachte Sebastian, als er das Ortsschild von St. Johann passierte.
*
Die Freundinnen trafen sich in einer gemütlichen Kneipe, in der Nähe der Wohnung. Mittlerweile war sie zu ihrem Stammlokal geworden, und Ritchy, wie der Wirt von den Gästen genannt wurde, drückte öfter mal ein Auge zu, wenn es kurz vor dem Ersten war. Er hatte früher selbst mal studiert, und wußte, wie knapp das Geld bei den Studentinnen war.
Da das schöne Wetter angehalten hatte, standen draußen auf der Straße Tische und Stühle, die beinahe alle besetzt waren. Ritchy wirbelte zwischen ihnen herum, bediente, kassierte und machte seine Sprüche. Die drei Madeln gehörten zu seinen Lieblingsgästen, und ganz besonders gefiel ihm die schwarzhaarige Nina…
»Nun, meine Damen, was darf ich euch bringen?« fragte er, nachdem die drei sich gesetzt hatten.
Tee und Kaffee wurden bestellt, dann schauten die beiden Madeln die Freundin erwartungsvoll an.
»Nun schieß schon los«, forderte Nina Sandra ungeduldig auf. »Was hast du denn nun geerbt?«
Die junge blonde Studentin war immer noch wie erschlagen. Sie versuchte zu lächeln.