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Er will ihr Herz gewinnen, aber kann sie ihm trauen? Der historische Liebesroman »Der Ritter und die Highlanderin« von Susan King als eBook bei venusbooks. Schottland, 1170: Um ihren Clan vor Unheil zu bewahren, muss Alainne MacLaren einer jahrhundertealten Tradition folgen und einen Mann heiraten, der bereit ist, ihren Namen anzunehmen. In dem edlen Ritter Sebastien le Bret glaubt Alainne, diesen Mann gefunden zu haben, doch wie aufrichtig sind seine charmanten Worte und leidenschaftlichen Blicke? Allen Zweifeln zum Trotz muss Alainne erkennen, dass sie dem verführerischen Zauber der Liebe nicht widerstehen kann – und riskiert dabei, nicht nur ihr Herz an Sebastien zu verlieren … »Berauschend ... Dieser Roman zeigt, warum Fans und Kritiker ihre Romane schätzen.« Affaire de Coeur Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Historical-Romance-Highlight »Der Ritter und die Highlanderin« von Romance-Erfolgsautorin Susan King. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 568
Über dieses Buch:
Schottland, 1170: Um ihren Clan vor Unheil zu bewahren, muss Alainne MacLaren einer jahrhundertealten Tradition folgen und einen Mann heiraten, der bereit ist, ihren Namen anzunehmen. In dem edlen Ritter Sebastien le Bret glaubt Alainne, diesen Mann gefunden zu haben, doch wie aufrichtig sind seine charmanten Worte und leidenschaftlichen Blicke? Allen Zweifeln zum Trotz muss Alainne erkennen, dass sie dem verführerischen Zauber der Liebe nicht widerstehen kann – und riskiert dabei, nicht nur ihr Herz an Sebastien zu verlieren …
»Berauschend ... Dieser Roman zeigt, warum Fans und Kritiker ihre Romane schätzen.« Affaire de Coeur
Über die Autorin:
Susan King wurde 1951 in New York geboren. Sie studierte und promovierte in Kunstgeschichte. Während ihrer Promotion schrieb sie ihren ersten Roman, der sofort zum internationalen Überraschungserfolg wurde. Seitdem begeistert die Bestseller-Autorin regelmäßig mit ihren historischen Liebesromanen.
Bei venusbooks erscheinen auch folgende Highland-Romane von Susan King:
Der Schatz des Highlanders
Sturm über dem Hochland
Der Fluch des Highlanders
Im Bann der Versuchung
Die Ehre des Highlanders
Der Kampf des Highlanders
Das Verlangen des Highlanders
Die Insel der wilden Disteln
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eBook-Neuausgabe April 2019
Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Dieses Buch erschien bereits 2002 unter dem Titel Im Bann der Verzauberung bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2000 by Susan King
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel The Stone Maiden bei Signet.
Copyright © der deutschen Ausgabe 2002 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München
Copyright © der Lizenzausgabe 2019 venusbooks GmbH, München
Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Blue Sky Image, Joost van Uffelen
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ca)
ISBN 978-3-95885-670-7
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags
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Susan King
Der Ritter und die Highlanderin
Roman
Aus dem Amerikanischen von Traudi Perlinger
venusbooks
Für meine Schwester Barbara Jean Longhi in liebevoller Erinnerung
Mein Dank gilt dem Bildhauer Walter S. Arnold, der mich in die Techniken des Steinmeißelns eingewiesen hat; meiner Agentin Karen Solem und meiner Lektorin Audrey LaFehr für ihre große Geduld und ihren Rückhalt. Mein besonderer Dank geht an Mary Jo Putney, Jacci Reding, Jo-Ann Power, Jean Brashear, Eileen Charbonneau und Julie Booth, die meiner Arbeit viel Verständnis entgegengebracht haben.
Ihre Wege sind Wege der Lieblichkeit, und alle ihre Pfade sind Frieden.
– Sprüche 3:17
Ist beadarrach an ni an onair.
Ehre ist ein zartes Pflänzchen.
Schottisch-gälisches Sprichwort
Sieben Reiter zogen über den Kamm des schneebedeckten Berges wie Krieger aus einer alten Sage. Die sinkende Sonne ließ ihre Rüstungen silbern und die Schilde bronzefarben aufleuchten.
Alainna stand auf dem felsigen Pfad und blickte ihnen entgegen. Ein kalter Wind zerrte an ihrem kupferroten Haar und blähte das über das Gewand geschlungene Plaid. Sie stand reglos. Wenn die Reiter nicht anhielten, würden die Pferdehufe sie im nächsten Moment niedertrampeln. Sie aber verspürte keine Angst und blickte der Reiterschar furchtlos entgegen.
Die Sonne versank endgültig hinter den Berggipfeln. Alainna spürte, wie die Welt den Atem anhielt in diesem Moment zwischen den Zeiten. Ihr Großonkel, der Clanbarde, hatte gesagt, in Momenten des flüchtigen Wechsels – im Morgengrauen, bei Sonnenuntergang und im Nebel – verband das irdische Reich sich mit dem mystischen Reich. Und genau das geschah eben jetzt, während sie gebannt den Reitern entgegenblickte.
Aus dem engen Tal hörte sie die Rufe ihrer Verwandten, die in der Schlucht jagten und das Mädchen auf dem Gipfel nicht sahen, wie es da in hohen Stiefeln im Schnee stand. Der Wind blies ihr das Haar aus dem Gesicht, es wehte wie ein Feuerbanner hinter ihr her.
Der erste Reiter zog die Zügel an. Sein hoch gewachsener, cremefarbener Hengst tänzelte auf schlanken Fesseln. Auch die anderen Reiter zügelten ihre Tiere und blieben zurück, während ihr Anführer sein Pferd im Schritt Alainna näherte.
»Wer seid Ihr?«, fragte sie.
Er beobachtete sie stumm unter seinem Helm hervor. Auf dem Schild an seinem Sattel war ein schräg nach oben weisender, weißer Pfeil auf blauem Feld abgebildet. Das Wappen, mit dem er sich auswies, war ihr unbekannt.
Der Krieger nahm den Helm ab, klemmte ihn unter den Arm und schob die Haube seines Kettenhemds in den Nacken. Die letzten Sonnenstrahlen ließen sein goldenes Haar aufleuchten. Sein Umhang schien dem nächtlichen Sternenhimmel nachgebildet, mitternachtsblau und silbern durchwirkt. Seine Augen waren wie Wolken, grau und verhangen.
»Alainna MacLaren.« Der Fremde kannte ihren Namen. »Du bist die Tochter des Clanführers der Laren. Nun, da er tot ist, bist du ihre Anführerin.«
»Ja, die bin ich«, antwortete sie. »Und wer seid Ihr? Ein Prinz der daoine sith, des Feenvolks? Oder führt Ihr die Krieger der Fianna an, die Heerscharen von Fionn MacCumhail, die aus den Zeitennebeln kommen?«
»Der bin ich nicht«, antwortete er.
»Aenghus, der ewig junge Held, Gott der Sonne mit seiner Schar, der seid Ihr«, sagte sie. Die Geschichten über den goldenen, schönen Heldengott Aenghus mac Og hörte sie am liebsten, wenn ihr Großonkel des Abends zu erzählen begann. Seltsamerweise staunte sie nicht, den Kriegsgott im Sonnenuntergang zu sehen, im magischen Augenblick zwischen Licht und Finsternis.
Er lächelte fein. »Sehen wir aus wie von jenem Reich?«
»Ja. Aus welchem Grund solltet Ihr sonst im Wechsel des Lichts über unser Land reiten?«
»Aus welchem anderen Grund«, antwortete er, »wenn nicht deinetwillen.«
»Meinetwillen?« Sie sah ihn verständnislos an.
»Du hast mich gerufen.«
Ihr Herz schlug wild, sie atmete schwer. Hoffnung keimte in ihr auf. Ihr Clan brauchte dringend Hilfe. Aber sie hatte niemanden gerufen. Wie konnte dieser Krieger ihr Flehen hören, das sie nur im Gebet flüsterte oder als stummes Bangen im Herzen trug? Wie sonst, wenn nicht durch Zauberei?
»Wer seid Ihr?«, fragte sie tonlos.
Er sah ihr unverwandt in die großen Augen. »Ich werde dir helfen, wenn du deinen Clan retten willst«, murmelte er. »Dafür aber musst du aufgeben, was dir am liebsten ist.«
»Ich würde alles aufgeben, um meinen Clan zu retten«, antwortete sie inbrünstig und begegnete seinem Blick. »Ich schwöre es.«
Er streckte ihr die Hand hin. »Dann soll es sein.«
Sie blickte in sein schönes Gesicht, in seine Augen wie Stahl, wie Silber. Er war nicht von dieser Welt, das wusste sie. Er war ein Prinz, vielleicht ein König des Feenreiches, der über Zauberkräfte verfügte und ihrer Sippe zu helfen vermochte.
»Was verlangt Ihr von mir?«, fragte sie.
»Komm mit mir.«
Sie hielt den Atem an. »Wenn ich mit Euch gehe, wird alles gut für meinen Clan?«
»Es wird alles gut.« Er hielt ihr die ausgestreckte Hand hin.
In ihr stieg ein Gefühl auf wie ein Sturm – nicht Angst, sondern eine plötzlich verzehrende Sehnsucht. Sie wollte mit ihm gehen. Die Sehnsucht steigerte sich, sie schloss die Augen, so überwältigend war ihr Wunsch.
»Alainna«, seine Stimme klang weich und dunkel wie die tiefe Saite einer Harfe. »Komm mit mir.«
Sie blickte in das tiefe Tal hinunter, wo ihre Verwandten jagten. Sie war ihrem Clan in inniger Liebe zugetan und der Gedanke, ihre Sippe zu verlassen, schmerzte sie sehr. Aber sie musste tun, was in ihrer Macht stand, um die Sippe zu retten, was immer auch von ihr verlangt wurde. Dieses Versprechen hatte sie ihrem Vater auf dem Sterbebett gegeben.
Wenn sie den Mut aufbrachte ins Jenseits zu reiten, um nie wieder zurückzukehren, würde ihr Clan gerettet werden und sich zu neuer Blüte aufschwingen, und das stolze und uralte Erbe ihres Stammes würde auf ewig weiter bestehen.
Sie holte tief Atem und blickte zu dem glänzenden, stummen Ritter auf. »Gebt mir Euer Versprechen, dass meine Sippe bestehen bleibt«, sagte sie.
»Ich verspreche es.« Seltsamerweise wusste sie, er würde Wort halten, ohne dass sie sich ihr Vertrauen erklären konnte.
Sie streckte den Arm aus. Der Krieger führte sein Pferd näher, beugte sich aus dem Sattel und nahm ihre Hand. Seine Finger schlossen sich warm und kraftvoll um die ihren. Ihr Herz schlug wie ein soeben flügge gewordener Vogel.
Alainna erwachte und setzte sich mit pochendem Herzen in der Dunkelheit auf. Ein Traum, mahnte sie sich. Es war nur ein Traum. Mit einem erstickten Schluchzen barg sie das Gesicht in den Händen.
Ach, wenn der Traum nur in Erfüllung ginge. Ihr Clan brauchte einen tapferen Krieger, ein rettendes Wunder. So sehr Alainna sich bemühte, sie konnte ihren geschwächten Clan nicht ohne fremde Hilfe retten. Sie konnte dafür sorgen, dass ihre Leute Behausung und Nahrung hatten, und sie konnte sich nach bestem Wissen bemühen, ihre stolze und alte Herkunft in Ehren zu halten. Aber sie konnte nicht gegen ihre Feinde in den Kampf ziehen und das war die Hilfe, die ihr Clan so dringend benötigte.
Der Clan Laren bestand nur noch aus einer Hand voll älterer Männer und Frauen, deren Anführerin Alainna war. Der gegnerische Clan, mit dem sie seit Generationen in Fehde lagen, würde über ihre Sippe triumphieren, wenn nicht ein Wunder geschah. Mit dem Beginn des Frühlings sollte ein uralter Zauber enden, der ihre Familie Jahrhunderte lang beschützt hatte, und damit würde die Macht ihrer Feinde wachsen.
Ihre Leute drängten sie, einen Hochländer zu heiraten, einen tapferen Krieger mit Gefolgsleuten, die bereit waren zu kämpfen. Der Clan Laren brauchte einen solchen Mann, doch niemand erklärte sich bereit, das Risiko für einen geschwächten Clan, der es gegen einen starken Feind aufnehmen musste, einzugehen.
Wenn nur der Traum Wahrheit wäre, dachte sie und seufzte tief. Doch den goldenen Krieger gab es nicht, und die Zeit wurde knapp.
Stahl blitzte in der Dämmerung, als Sebastien herumfuhr und die Schwertspitze senkte. Die Klinge sauste im flachen Bogen nach unten, so schnell, dass die Luft surrte, und wurde wieder hochgerissen. Den lederbespannten Schwertgriff in der rechten Faust, schnellte der Ritter auf bloßen Füßen herum, muskelgestählt und sehnig. Die Klinge durchfuhr singend die kühle Morgenluft.
Die Zinnen des Wehrturms waren mit Raureif bedeckt, ein scharfer Wind zerrte an den dunkelblonden Locken des Mannes. Der Schweiß auf seinem Rücken unter dem losen Leinenhemd kühlte die Hitze des anstrengenden Exerzierens.
Er achtete genau auf Beinarbeit, Schnelligkeit, Balance und die Wucht seiner Hiebe, führte jeden Angriff, jeden Schlag zornig kraftvoll aus und fühlte sich dabei doch hilflos und ohnmächtig. Die Klinge durchschnitt singend die Luft. Es gab keinen Feind zu bekämpfen, und er wusste nicht, wie er das Kostbarste und Liebste auf der Welt beschützen sollte.
Auf dem Turmdach des Palastes blies der Wind heftiger. Sebastien blieb keuchend stehen, ließ den Blick über die Baumwipfel des Waldes zu den Türmen der Abtei und die kobaltblauen Berge dahinter schweifen. Schottland war ein schönes Land, barg viele Verheißungen für normannische Ritter auf der Suche nach Wohlstand und Landbesitz. Auch er war aus diesen Gründen hierher gekommen.
Nun aber musste er fort und zwar so schnell wie möglich. Grimmig biss er die Zähne aufeinander. Er hatte drei Jahre im kalten Norden zugebracht. Wenn er länger bliebe, würde er eine Belohnung erhalten, die der König ihm ohne Zweifel anbieten würde – aber es blieb ihm keine Zeit zu warten.
Er fuhr in einer Drehung herum und schwang das Schwert mit neuer Kraft. Ausfall, Schwung, Rückzug, Drehung. Die Übungen an der Waffe dienten seiner Körperertüchtigung und schenkten ihm Einsamkeit, zwei Dinge, die ihm sehr wertvoll waren. Wann immer der König sich in seiner Burgfeste in Dunfermline aufhielt, wussten die Turmwachen, dass der Bretone aus der Leibwache des Königs hier oben seine Fechtübungen machte. Oft ließen sie Sebastien allein auf den Burgzinnen und gönnten sich einen zweiten Morgenimbiss.
Vor Morgengrauen hatte er das Garnisonsquartier verlassen und war aufs Dach geklettert. Er liebte diese Stunde des Tages mit ihrer mystischen Verheißung, liebte den weiten Blick über das Land, der seine Seele mit andachtsvollem Staunen erfüllte.
Wieder schwang er das Schwert, Stahl streifte surrend gegen Stein und blaue Funken stoben auf, was ihn mit grimmiger Genugtuung erfüllte, auch wenn er später die Scharte in der Klinge sorgfältig auswetzen musste. Sein Tatendrang schrie nach Auseinandersetzung und Kampf. Aufgestaute Unzufriedenheit brachte sein Blut in Wallung, forderte Entladung.
Gestern hatte er einen Brief erhalten durch einen bretonischen Boten, dessen Schiff unterwegs lange aufgehalten worden war. Die Nachricht erhöhte seine Ungeduld, trieb ihn zur Eile an.
Sein kleiner Sohn, den er in einem bretonischen Kloster zurückgelassen hatte, war seit sechs Monaten in Gefahr, und Sebastien war nicht bei ihm, um ihn zu beschützen. Er wusste nicht einmal, wo der Knabe sich jetzt aufhielt.
Mit einer Verspätung von sechs Monaten erreichte ihn die Botschaft aus einer fernen Welt. Er verfluchte den unbezähmbaren Drang, der ihn nach Schottland getrieben hatte, statt in der Bretagne bei seinem Sohn zu bleiben. Er hatte Conan in die Obhut von Mönchen gegeben und sich erneut als Ritter verdingt.
Der Absender des Briefes war der Abt des Klosters, in dem Conan untergebracht und in dem auch Sebastien erzogen worden war. Das Benediktinerkloster war einem Brand zum Opfer gefallen, viele Bewohner waren in den Flammen umgekommen, auch einige Mönche, die Sebastien gut kannte. Die Zöglinge, darunter auch sein Sohn, konnten unverletzt gerettet werden, doch alle brauchten dringend ein Dach über dem Kopf.
Die Mönche suchten einen Wohltäter, der ihnen Unterkunft und Nahrung gab, bis das Kloster wieder aufgebaut war. Ohne diese Hilfe mussten Mönche und Zöglinge auf mehrere Klöster verteilt werden, manche der Knaben würden wohl oder übel auf der Straße landen.
Der Abt fragte Sebastien in seinem Brief, wohin Conan geschickt werden sollte. Er bat ihn, den Günstling des Herzogs der Bretagne und des Königs von Schottland, um Hilfe. Er möge den Mönchen und Zöglingen in einer seiner bretonischen Besitzungen Unterkunft gewähren.
Seither waren Monate vergangen, und Sebastien, nichts von den Nöten des Abts und seiner Schützlinge ahnend, hatte nichts von sich hören lassen.
Zornig schlug er das Schwert in den stürmischen Wind. Dann senkte er die Waffe und wandte den Blick in die aufgehende Sonne. Er stand reglos, Körper und Geist angespannt und konzentriert, nur der Wind zerrte an seinem Haar und bauschte sein Hemd.
Er hatte sich von seiner Gier nach Landbesitz und ritterlichem Ruhm verleiten lassen, und nun war sein Sohn in Gefahr. Seit dem Tod seiner französischen Gemahlin aus edlem Geschlecht war er vom Wunsch beseelt, nur das Beste für das Kind zu tun, das er vergötterte.
Eines Tages würde Conan der Landsitz übertragen werden, den seine Mutter als Heiratsgut in die Ehe gebracht hatte, er wurde von ihrer Familie verwaltet, die dem Witwer nichts als Verachtung entgegenbrachte. Die Verstorbene hatte einen Mann geliebt, der von ihrem Vater nie anerkannt worden war.
Alles, was er besaß, hatte er aus dem Nichts erschaffen. Sebastien le Bret, berühmt für seine Heldentaten und seine Tapferkeit auf dem Turnierplatz und auf dem Schlachtfeld, Ritter in Diensten von Herzögen und Königen, konnte weder eine Ahnentafel, noch Erbgüter oder einen alten, stolzen Namen aufweisen.
Als Findling im Kloster von Saint-Sebastien in der Bretagne aufgezogen, hatte er lediglich den Namen, den die Mönche ihm gegeben hatten. Den Rest hatte er sich selbst erworben. Er sah sich gezwungen, ständig nach Höherem zu streben und seinen Kampf unbeirrt fortzusetzen zum Wohle seines Sohnes.
Diese Ziele waren nun unwichtig geworden; er musste auf schnellstem Wege in die Bretagne zurückkehren. Wieder hob er das Schwert über den Kopf, schwang es noch einmal in einem kraftvollen Bogen und drehte sich mit dem Schwung. Dann stand er still im Wind.
Die Sonne stieg hinter den Bergen auf wie eine riesige, strahlende Hostie. Der Morgen rief ihn zu seinen Pflichten in der Ehrengarde des Königs der Schotten. Sebastien bückte sich nach Tunika und Gürtel und eilte zur Treppe.
Schottland, das HochlandHerbst 1170
In der stillen Dämmerstunde vor Morgengrauen legte Alainna einen kleinen Leinensack mit Hafer und einen Strauß Wiesenblumen vor die Steinsäule, murmelte ein Gebet und trat ein paar Schritte zurück. Hinter dem hohen Stein schwappten die Wellen des Sees rhythmisch ans Ufer, der Himmel am Horizont färbte sich grau.
Sie rang besorgt die Hände, mahnte sich aber zur Ruhe, da ihre Ungeduld die wohltätigen Kräfte der Steinmaid zu beeinträchtigen drohte.
Der Fels ragte zwölf Fuß hoch, eine Säule aus grauem Granit in Gestalt einer Frau im langen Gewand. Uralte, in den Fels geritzte Zeichen waren mit den Zeitläufen verwaschen und teilweise kaum noch sichtbar. Nebelschwaden umwaberten den hohen Stein kühl und feucht.
»Steinmaid«, murmelte sie, »ich bin Alainna, Tochter des Laren von Kinlochan, Sohn des Laren, Sohn des Donal, Sohn des Aodh ...« Sie setzte die Aufzählung nicht fort, obgleich sie alle Namen ihrer Vorfahren bis zurück zur Steinmaid kannte – mit der sie der Name verband, abgeleitet von àlainn, die Schöne – und zu Labhrainn, dem irischen Prinzen, der ihren Clan vor Jahrhunderten gründete.
Der Sage nach wohnte der Geist einer Jungfrau in dem Stein, die hier vor langer, langer Zeit von Feen verzaubert wurde. Die Steinmaid, so lautete die Überlieferung, war die Beschützerin des Clans Laren. Seit vielen Generationen brachte die Sippe Opfergaben hierher, sprach Beschwörungen und erflehte den Schutz der Jungfrau. Alainna, die seit dem Tod ihres Vaters vor wenigen Monaten Anführerin des Clans war, erhoffte sich inständig ein gutes Omen, um ihrer Sippe davon zu berichten.
Sie trug der Felssäule leise murmelnd ihre Anrufungen vor, bat um Schutz für ihren Clan und flehte darum, ihn zu neuer Blüte zu führen, und dann wartete sie.
Der Wind wisperte in den Blättern, zerrte Strähnen aus ihren kupferroten Zöpfen. Sie hörte das Zwitschern der Vögel, das Schwappen der Wellen, das Bellen ihres Jagdhundes, der eine Feldmaus aufscheuchte. Die aufgehende Sonne ließ die Holzdächer der Festung von Kinlochan am Schmalufer des Sees aufleuchten. Sie stand geduldig neben dem Stein, ohne ein deutliches Zeichen wahrzunehmen.
Sie seufzte. Es musste ihr gelingen, den Clan Laren vor dem Untergang zu retten. Aber die Lösung würde sich nicht durch Opfergaben und Anrufungen einstellen. Ihre Notlage erforderte rasches und tatkräftiges Handeln.
Der Hund kam angerannt und umkreiste sie bellend. Er äugte zum Hügel hinüber, der sanft vom Ufer anstieg. Alainna spähte durch den Nebel und sah einen Rothirsch, der witternd im welken Heidekraut stand.
»Ach Finan, willst du den Hirsch jagen?« Sie tätschelte den Kopf des großen Hundes. Das gefährlich dunkle Knurren des Hundes jagte ihr einen Schauer über den Rücken. »Finan, was ist?«
Auf dem Kamm des Hügels erschien ein Mann und kam auf sie zu. Alainna erkannte ihn an seinem hohen Wuchs und seiner breiten Statur, an seiner wilden, schwarzen Haarmähne und an den roten und braunen Farben seines Plaids.
Cormac, der junge Häuptling des Clans Nechtan, ihr Feind, näherte sich ihr. Hätte sie geahnt, dass er in der Nähe war, sie beobachtete und wusste, dass sie mit ihrem Hund allein war, hätte sie sich längst auf den Heimweg gemacht.
»Bleib, Finan!« Sie krümmte die Finger um das Lederhalsband des Hundes. Sein langer, sehniger Körper zitterte, er knurrte leise und sein drahtiges, blaugraues Fell sträubte sich im Nacken. Aber er blieb gehorsam bei ihr.
»Alainna von Kinlochan!« Cormac blieb breitbeinig wenige Schritte vor ihr stehen. Seine tiefe, dunkle Stimme störte die friedliche Morgenstille. »Ich sah dich, als ich mit meiner Sippe jagte. Ich möchte mit dir reden.«
»Cormac MacNechtan«, entgegnete sie. »Wir haben nichts miteinander zu reden.«
»Doch, das haben wir. Sind deine Leute in der Nähe?« Er spähte durch den dünnen Nebel.
»Sie werden bald da sein.« Sie wusste, man würde nach ihr suchen, wenn sie zu lange fort blieb, oder wenn jemand vom Turm über den See zur Felssäule blickte.
Sie kannte Cormac, hatte aber seit ihrer Kindheit kaum mit ihm gesprochen. Damals hatten ihre Wege sich allzu oft gekreuzt, wenn sie mit ihren beiden jüngeren Brüdern und ihrem Ziehbruder die Gegend durchstreifte. Cormac war bereits als Knabe bösartig gewesen und daran hatte sich später nichts geändert. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben.
Cormac aber war der Anführer des feindlichen Clans, und sie durfte ihn nicht vor den Kopf stoßen, wenn er bereit war, mit ihr zu reden. Möglicherweise lag der Frieden nur ein paar versöhnliche Worte entfernt.
Sie stand stolz und hoch aufgerichtet da wie die kleine, lebendige Ausgabe der Steinfigur und hielt den knurrenden Hund am Halsband fest, um Cormac zu zeigen, dass sie nicht nur von dem Hund, sondern auch von dem sagenumwobenen Stein beschützt wurde.
»Bring deinen großen, blauen Hund zum Schweigen, sonst tu ich es für dich.« Cormac legte die Hand an den Dolch, der in seinem Gürtel steckte.
»Finan mór«, befahl sie. »Guter Finan. Still!« Der schottische Hirschhund hörte auf zu knurren.
»Ein großer Hund wie dieser gehört zu einem Mann, das ist kein Hund für eine Frau«, stellte Cormac fest.
»Finan gehört mir seit seiner Geburt.«
»Dann ist er durch die Hand einer Frau verhätschelt.«
Sie maß Cormac mit gelassenen Blicken. »Fordere ihn heraus und du wirst feststellen, ob er verhätschelt ist.«
»Noch bist du in Sicherheit«, sagte er. »Der Sage der Steinmaid nach darf kein Mann des Clans Nechtan einer Frau des Clans Laren ungestraft etwas antun.«
»Leider trägt kein Bann Sorge dafür, dass die Männer des Clans Nechtan gegen die Männer des Clans Laren Krieg führen«, versetzte sie spitz.
»Wir hegen einen uralten Groll gegen euch, der uns das Recht gibt, Krieg gegen euch zu führen.«
Sie funkelte ihn zornig an. »Euer Hass gegen uns ist alt, aber der unsere ist genauso alt! Du würdest uns alle vernichten, wenn du könntest.«
»Nicht dich, Alainna. Dich will ich besitzen.«
»Sag das nicht in Gegenwart der Jungfrau!«
»Sie kann dich nicht mehr lange schützen. Der Bann der Feen endet im kommenden Frühling – das wissen wir alle.« Er musterte sie mit finsteren Blicken. Er war kein unansehnlicher Mann, trotz des vorspringenden breiten Unterkiefers, doch seine bösartigen dunklen Augen schadeten seinem Aussehen mehr als jeder äußere Makel. »Manche behaupten, die Macht der Steinmaid, deine Sippe zu schützen, sei bereits im Schwinden begriffen.«
»Unser Barde sagt, die Macht der Steinmaid verstärkt sich, wenn der Zauber der Feen endet«, versetzte sie. In Wahrheit aber wusste niemand, was geschehen würde, wenn der Zauber des Steins im nächsten Frühjahr endete.
»Du redest wie der alte Lorne MacLaren, statt einzugestehen, dass dein Clan dem Untergang geweiht ist!« Cormac machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die Steinmaid kann euch nicht länger schützen, falls sie je die Macht dazu besaß. Die Jungfrau und ihr Clan werden untergehen.«
»Wir mögen durch Fehde, Krankheit und Unglück geschwächt sein«, entgegnete sie hitzig. »Nur noch wenige tragen unseren Namen, da wir von einem grausamen Feind bedroht werden« – ihre Augen blitzten zornig – »aber unser Stolz und unser Vermächtnis bleiben bestehen. Sie könnt ihr mit euren Brandschatzungen, Plünderungen und eurem Hass nicht zerstören!«
Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Wenn du zuhörst, habe ich gute Nachricht für deinen Clan.«
»Gute Nachricht in den Augen des Clans Nechtan kann keine gute Nachricht für den Clan Laren sein.« Sie blickte über den lang gezogenen See nach Kinlochan hinüber. Rauchwölkchen kräuselten sich aus dem Dach. Bald würden ihre Leute nach ihr suchen. Wenn man sie hier mit Cormac sah, würde es wieder ein Gefecht geben.
»Ich habe bei König William um die Hand der Jungfrau von Kinlochan angehalten. Der lebendigen Jungfrau, nicht der aus Stein.« Er lachte über seinen plumpen Scherz.
Alainna schnappte nach Luft. »Dich würde ich niemals heiraten!«
»Du bist jetzt die Erbin und musst bald heiraten. Dein Vater lebt nicht mehr und kann keine Vorkehrungen für deine Vermählung treffen.«
»Durch deine Hand niedergestreckt!«
»Nicht durch meine Hand, Alainna.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht durch meine.«
»Mein Vater wurde vom Schwert eines MacNechtan niedergestreckt und meine Brüder ebenfalls. Niemals würde ich dich oder einen von deinem Blut heiraten!«
»Die Ältesten deiner Sippe und auch du, ihr alle wollt diese Fehde beenden, das weiß ich. Und meine Leute drängen mich, dich zu heiraten. Es wird Zeit, dass ich heirate.«
»Heirate die Frau, die dir versprochen ist und die du verstoßen hast.«
»Nicht sie. Dich.« Er warf sich siegesgewiss in die Brust. »Es gereicht uns nicht zur Ehre, gegen die alten Männer des Clans Laren zu kämpfen. Du kannst den riesigen Besitz alleine nicht halten. Also wirst du meine Braut werden. Ich weiß, es wäre der Wunsch deines Vaters gewesen.«
»Niemals«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Finan knurrte wieder und zerrte am Halsband. Sie tätschelte ihm den Kopf mit zitternden Fingern. »Du würdest dir unser Land aneignen und unseren Namen auslöschen!«
Sein Gesicht verfinsterte sich. »Der König hat das Recht, deine Vermählung zu bestimmen, da du als Alleinerbin über Titel und Land verfügst. Wir werden ihm die Entscheidung überlassen. Ich habe König William eine Botschaft mit meinem Antrag geschickt. Das friedliche Ende dieser Fehde wird seinen Gefallen finden.«
»Selbst der König kann mich nicht zu dieser Verbindung zwingen.«
»Eine störrische Frau ist eine törichte Frau«, murmelte Cormac. »Du bist ein eigensinniges Mädchen, aber ich hoffte, du besitzt Vernunft.« Er machte eine unwirsche Geste. »Die Männer des Clans Laren sind zu alt, um das Schwert zu führen. Dein Ziehbruder Giric MacGregor ist der einzige junge Mann unter euch, wir aber sind viele.« Er trat einen Schritt näher, blieb stehen, als der Hund gefährlich bellte. »Heirate mich und das Blut deines Clans lebt in unseren Söhnen weiter.«
»Ich will keine Söhne mit dem Namen MacNechtan!«
Er lachte in sich hinein. »Ansehnlich und eigensinnig. Wie ich höre, bist du auch kräftig. Man sagt, du wurdest zum Steinmetz ausgebildet und sollst mit Hammer und Meißel umgehen wie ein Mann.« Er musterte ihre Gestalt mit begehrlichem Blick. »Ich habe einen Hammer und Geräte, mit denen du umgehen kannst, wann immer du Lust dazu verspürst.« Er grinste hinterhältig, lüstern.
»Geh weg«, fuhr sie ihn an. »Mein Arm ist stark, doch er erlahmt allmählich im Bemühen, den großen Hund zu halten.«
Cormacs braune Augen wurden schmal. Kalte Wut flackerte in seinem Blick. »Jungfrau aus Stein«, knurrte er, »hör mir gut zu. Der Frühling kommt, und mit ihm endet dein Schutz. Wer wird deinen Clan dann beschützen? Nicht ein Mädchen mit Hammer und Meißel. Ganz sicher nicht ein paar alte Männer.«
»Mein Clan wird dich eines Tages töten, Cormac«, murmelte sie.
Er lächelte dünn und kalt. »Wenn ich wollte, könnte ich dich jetzt nehmen, hier unter diesem Stein. Weder dein Hund noch die Feen könnten mich davon abhalten. Ich kann aber auch warten bis zum Frühling. Ich habe die Wahl. Du hast keine.«
»Die habe ich doch.« Alainna reckte das Kinn. »Ich heirate dich nicht. Weder der König noch ein Hochländer kann mich dazu zwingen.«
»Ich erweise mich als großzügig und gewähre dir Aufschub bis zum Tag der Heiligen Brighid, an dem der Feenzauber endet. Bis dahin hat mir der König seine Zustimmung erteilt. Heirate mich oder du wirst zusehen müssen, wie dein Clan untergeht.« Achselzuckend fügte er hinzu: »So oder so findet die Fehde ein Ende.«
Bevor sie antworten konnte, machte er kehrt, stapfte den Abhang hinauf und verschwand hinter der Hügelkuppe. Alainna sah ihm mit klopfendem Herzen nach. Der Hund bellte, blieb aber an ihrer Seite.
Sie legte die flache Hand an den kühlen Granit und schloss die Augen, flehte um eine Lösung, einen Retter. Ein Wunder. Sie betete inbrünstig mit gesenktem Kopf, sprach auch eine gälische Anrufung, um den alten Göttern zu huldigen.
Dann machte sie sich auf den Heimweg nach Kinlochan. Finan rannte vor ihr her durch das hohe welke Gras am Ufer des Sees, dessen Wellen friedlich gegen Kies und glatte Steine schwappten.
Die Morgensonne hatte den Nebel vertrieben und hinter den hohen Palisaden leuchtete der hölzerne Turm von Kinlochan rötlich braun. In der Ferne erhoben sich majestätische Berge, die gezackten Gipfel wolkenverhangen. Der lang gestreckte, schmale See wand sich wie ein Silberband um den Fuß der Berge.
Das Tor der Festung schwang auf und drei Männer rannten heraus, Plaids hingen um ihre nackten Beine. Sie winkten herüber und kamen ihr auf dem Uferweg entgegen.
Alainna winkte zurück und wäre beinahe gestürzt, als sie über einen Stock stolperte. Sie bückte sich danach und hob einen weggeworfenen Pfeil auf, der tief im Heidekraut gelegen hatte. Das Holz war verwittert und grau, doch die Eisenspitze war noch scharf.
Alainna fragte sich, ob dies das Omen war, das sie erfleht hatte. Wenn ja, so wäre es eine bittere Enttäuschung, da es nichts anderes bedeuten konnte als weiteren Krieg.
Sie wollte den Pfeil schon wegwerfen, als sie sich ihres Traumes von einem goldenen Krieger entsann, dessen Schild ein einzelner Pfeil zierte. Er hatte ihr angeboten, ihre verzweifelte Sippe zu retten, und sie war bereit gewesen, ihm ins Jenseits zu folgen.
Seufzend dachte sie an den starken, schönen Krieger. Doch Träume halfen ihr nun nicht weiter.
Finan rannte den drei Männern entgegen, Alainna folgte ihm nachdenklich, den Pfeil in der Hand.
»Alainna!«, rief ihr Ziehbruder Giric, der neben ihrem älteren Vetter Niall und Lulach, einem ihrer beiden Großonkel, durchs hohe Gras stapfte. Giric tätschelte Finans Kopf und wurde mit einem treuherzigen Blick belohnt.
Giric bewegte sich trotz seines hünenhaften, breitschultrigen Wuchses mit geschmeidiger Anmut. Sein braunes Haar flog ihm ungebändigt um das gut geschnittene, markante Gesicht. Das um die Hüften gegürtete Plaid flatterte um seine kraftvollen Beine.
»Wir haben Cormac bei dir gesehen«, rief er, »hat er dir etwas angetan?«
»Sollen wir dem Kerl den Bauch aufschlitzen? Wo ist er?«, fragte Niall. Die Wangen in seinem hageren Gesicht waren eingefallen, seine Lippen schmal vor Zorn. Der Wind wehte ihm silbergraue Strähnen ins Gesicht. Er wischte sie mit dem vernarbten Stumpf seiner linken Hand nach hinten.
»Bist du verletzt, Mädchen?« Lulachs Haar, von grauen Fäden durchzogen, hing ihm in die Stirn, seine blauen Augen blitzten zornig. »Ich hätte den schwarzen Cormac selbst getötet, wenn ich ihn eher gesehen hätte.«
»Deine alten Beine sind zu langsam, um ihn einzuholen«, sagte Niall.
»Du würdest dich wundern, was meine alten Beine noch schaffen«, versetzte Lulach mürrisch.
»Seid unbesorgt«, beschwichtigte Alainna die Männer. »Ich stand unter dem Schutz der Jungfrau. Cormac würde es bestimmt nicht wagen, mir an diesem Ort etwas anzutun.«
»Ja, das stimmt. Er wäre ein Narr, den Zauberbann zu ignorieren«, sagte Niall.
»Er ist ein Narr«, stellte Lulach fest.
»Du brauchst den Schutz einer scharfen Klinge, nicht den eines Steinbrockens«, sagte Giric, normalerweise von gelassenem Gleichmut, doch nun waren seine Gesichtszüge angespannt und die Hände zu Fäusten geballt. »Trau keinem vom Clan Nechtan.«
»Cormac wagt nicht, mir etwas anzutun«, wiederholte Alainna zuversichtlich, obgleich sie innerlich schauderte in Gedanken an Cormacs Drohung, ihr ungeachtet des Banns am Fuß der Steinmaid Gewalt anzutun.
»Sie hat zwar kein Schwert, aber einen Pfeil«, sagte Niall und beäugte den verwitterten Schaft in ihrer Hand. »Woher hast du den?«
»Habe ich grade im Gras gefunden.«
»Ein Elfenpfeil«, murmelte er. »Wirf ihn weg, vielleicht haben ihn die Feen verloren.«
»Der ist von Menschenhand gemacht«, widersprach Lulach. »Er braucht nur neue Federn, die Spitze ist noch gut.«
»Ich fand ihn, nachdem ich der Maid eine Opfergabe gebracht habe. Vielleicht ist er ein Omen für uns«, sagte Alainna.
»Ein Zeichen, dass es bald einen MacNechtan weniger gibt«, meinte Niall. »Es ist gut, ihr an einem schönen Tag wie heute eine Opfergabe zu bringen, aber du sollst nicht alleine zum Stein gehen.«
»Du stehst nicht mehr lange unter dem Schutz der Jungfrau«, meinte Lulach. »Bald endet der siebenhundertjährige Bann.«
»Es sind noch viele Monate bis zum Namenstag der Heiligen Brighid«, widersprach Alainna.
»Und was wollte der Schwarze Cormac?«, fragte Niall.
»Deine rechte Hand«, meinte Niall gedehnt.
»Baothan«, knurrte Niall. »Dummkopf.«
Giric unterdrückte ein Lachen. »Zankt euch nicht«, sagte er. »Alainna hat alle Angehörigen der Sippe gebeten, den Winter auf Kinlochan zu verbringen. Wir müssen gut miteinander auskommen. Alainna hat genug Sorgen.«
»Du hast Recht«, stimmte Niall ihm zu. »Alainna, wir sind gestern Nacht spät von Esa aus den Bergen heruntergekommen. Sie will nicht nach Kinlochan kommen. Wir haben angeboten, ihren großen Webstuhl zu tragen, aber sie will an ihrem eigenen Herd überwintern.«
»Ich wünschte, sie ließe sich überreden, zu uns zu kommen«, meinte Alainna traurig.
»Versuche Schiefer zu überreden, sich in Marmor zu verwandeln«, brummte Lulach. »Sie ist entschlossen, den Winter über oben zu bleiben.«
»Sie trauert immer noch um ihren Ruari Mór. Dabei weiß sie seit über einem Jahr, dass er tot ist.« Alainna seufzte. »Eine so starke, dauerhafte Liebe vergisst man nicht.«
»Wir gehen noch einmal hinauf und reden mit ihr«, vertröstete Giric sie. »Sag uns lieber, was Cormac von dir wollte, Alainna.«
»Es ist doch klar, was Cormac will, und dafür sollten wir ihn um einen Kopf kürzer machen«, knirschte Lulach und ballte die Fäuste.
»Er sprach von Heirat«, sagte Alainna.
Lulach schnaubte verächtlich. Niall blinzelte vor Entsetzen.
»Was sagte er?«, fragte Giric scharf.
»Ich erkläre euch alles bei einer Schale mit heißem Haferbrei. Ich habe Hunger.« Sie pfiff Finan zu sich, der am Ufer entlangschnüffelte, und beschleunigte ihre Schritte.
»Denkt Cormac MacNechtan etwa, er könne unsere toiseach heiraten, unsere Anführerin, unsere Jüngste?«, fragte Niall. »Das darf niemals geschehen!«
»Nein, nie«, bestätigte Lulach. »Unser Clan braucht Frieden und sie braucht einen Ehemann, aber nicht diesen Kerl.«
»Wir haben seit Laren MacLarens Tod oft genug darüber geredet«, sagte Giric. »Es wird Zeit, dass du heiratest, Alainna.«
»Es ist nicht einfach, einen Krieger zu finden, der bereit ist, sich an einer Stammesfehde zu beteiligen und der die Zustimmung unseres Clans findet«, antwortete sie.
»Die Vermählung mit der Anführerin des Clans Laren bietet viele Vorteile«, sagte Niall. »Wir haben wildreiche Wälder, unser See ist voll mit Fischen, wir haben saftige Viehweiden und ein schönes Mädchen stolzer Herkunft ...«
»Und eine Blutfehde, die sich seit Generationen hinzieht«, ergänzte Alainna bitter.
»Du bist unsere Jüngste, die Letzte unseres Stammes«, sagte Lulach. »Eine mit Bedacht gewählte Ehe kann den Fortbestand unseres Clans für viele Generationen sichern.«
Dies war ihr sehnlichster Herzenswunsch, den Fortbestand ihrer Sippe zu sichern. Ein Knoten schnürte ihr die Kehle zu. »Aber der Mann, den ich heirate, wird unseren Kindern seinen Namen geben wollen. Und wo bleibt dann der Clan Laren?«
Die Männer gingen schweigend neben ihr her.
»Der Mann, den sie heiratet, könnte unseren Namen annehmen«, schlug Niall vor.
»Ja, das kommt gelegentlich vor. Davon habe ich gehört«, meinte Lulach.
Alainna furchte die Stirn. »Wo sollten wir einen Mann finden, der den Namen unseres Clans übernimmt und unsere Sorgen dazu?«
»Wenn du nur unseren Giric heiraten könntest«, meinte Niall. »Er ist nicht unser Blutsverwandter, und er ist uns allen zugetan.«
»Aber er ist ihr Ziehbruder«, stellte Lulach fest.
»Die Entscheidung, wen sie heiraten wird, liegt beim König«, sagte Giric. »Er hat das Recht, einen Ehemann für eine unverheiratete Erbin auszusuchen. Trage dem König deinen Fall vor und bitte ihn um Hilfe.«
Sie nickte. Und sie beschloss, dem König ihre Bitte vorzutragen, ehe er Cormacs Gesuch zustimmte. »Ja, das werde ich tun und zwar sehr bald.«
»Giric kann mit dir zum Königshof reiten«, schlug Niall vor.
»Der König überwintert in Dunfermline, zwei Tagesritte von hier. Er kennt mit Sicherheit einen Hochländer, der nach Landbesitz strebt und nach einer Fehde hungert.«
»Aber wenn er einen fremdländischen Ritter vorschlägt?«, fragte Lulach.
Niall schüttelte den Kopf. »Wir waren dem König stets treu ergeben. Es ist gewiss nicht in seinem Sinn, einen alten Clan aussterben zu lassen. Er wird unsere Bitte erfüllen und den keltischen Krieger finden, den wir brauchen.«
»Alainna« sagte Giric leise, der sie beobachtete. »Einen solchen Ehemann wünschst du dir doch, oder?«
»Wenn er meiner Sippe gefällt, gefällt er auch mir«, antwortete sie, und plötzlich zitterte ihre Stimme.
Ihr geheimster Wunsch war unerfüllbar, das wusste sie. Den goldenen Krieger gab es nicht, den sie im Traum gesehen hatte.
Sie hielt den verwitterten Holzpfeil immer noch fest umschlossen und beschleunigte ihre Schritte auf dem felsigen Hügel vor Kinlochans hölzernem Tor.
Sebastien stand stramm auf dem Podium, ohne recht hinzuhören, als der Großkämmerer des Königs den nächsten Bittsteller aufrief. Aus der Menge trat eine Frau, von der er nur den rötlichen Glanz ihrer geflochtenen Haare wahrnahm.
Erst als sie sich näherte, fesselte sie seine Aufmerksamkeit. Der Ehrengardist des Königs von Schottland verengte die Augen. Sie wirkte wie eine prachtvolle Blüte inmitten vertrockneter Wintergräser, er konnte den Blick nicht von ihr wenden.
Die beiden neben ihm stehenden Ritter pfiffen leise durch die Zähne. Durch die Menge flog ein bewunderndes Raunen. Eine Versammlung von Rittern, Edeldamen, Kaufleuten, Bauern und Barbaren aus den Bergen, die alle im großen Rittersaal darauf warteten, dass ihnen Gerechtigkeit von König William widerfuhr. Der Vormittag zog sich ermüdend in die Länge, und der Auftritt der jungen Frau brachte eine willkommene Abwechslung.
Für Sebastien aber bedeutete die Erscheinung mehr. Ihr Anblick verblüffte ihn, als geschehe etwas Bemerkenswertes. Er furchte die Stirn, hielt den Kopf weiterhin hoch aufgerichtet, die Schultern gestrafft, die rechte Hand ruhte auf dem Griff seines Schwertes. Er war es gewohnt, endlos lange in dieser reglosen Haltung zu stehen, alle Sinne geschärft, ohne sich ablenken zu lassen.
Dieser Ablenkung vermochte er freilich nicht zu widerstehen. Das durch die hohen Fenster strömende Sonnenlicht verwandelte die Frauengestalt in eine märchenhafte Vision. Sie trug ein mitternachtsblaues Gewand, um die Schulter hatte sie ein braun und violett kariertes Plaid drapiert. Nun sank sie anmutig in die Knie.
Der Großkämmerer forderte sie auf, ihren Namen zu nennen. »Àlainne nighean Labhrainn mac Labhrainn an Ceann Lochan«, sagte sie leise in gälisch, obwohl der Kämmerer sie englisch angesprochen hatte. Sebastien hörte den Stolz in ihrer tiefen, melodischen Stimme.
»Wer ist die Dame aus dem Hochland?«, fragte der Ritter neben ihm.
»Sie heißt Alainna MacLaren von Kinlochan«, erklärte Sebastien leise und sprach den Namen ALL-inna aus wie das Mädchen. Hugo und Robert, die neben Sebastien standen, nickten.
William von Schottland, dessen Haar eine Schattierung dunkler rot glänzte als das der jungen Frau, beugte sich in seinem Thronsessel vor und begrüßte sie auf gälisch. Von seiner Position konnte Sebastien jedes Wort hören, als die junge Frau dem König ihr Anliegen vortrug.
»Bastien, du sprichst die Landessprache und kannst uns übersetzen.« Robert de Kerec, der Ritter zu seiner Linken, sprach englisch, eine Gewohnheit unter den Freunden, ob sie sich in Frankreich, England oder Schottland aufhielten. Robert, Sebastiens ältester Freund, war Bretone wie er und gemeinsam mit ihm in England zum Knappen und Ritter ausgebildet worden.
»Er hat ja auch reichlich Unterricht bekommen.« Hugo de Valognes, der neben Robert stand, verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen. »Mit seiner hübschen Lehrerin wird er vermutlich nicht nur gälisch sprechen, und ich kann mir denken, dass Bastien in anderen Bereichen den Lehrer spielt.«
»Wir treffen uns häufig zum Unterricht«, antwortete Sebastien leise, den Blick geradeaus gerichtet. Hugo lachte und stieß Robert den Ellbogen in die Seite.
Die meisten normannischen Ritter am schottischen Hof sprachen englisch und französisch, und viele hatten Grundkenntnisse in der Landessprache. Da Sebastien neben seiner Muttersprache bretonisch schon als Kind in französisch, englisch und lateinisch unterrichtet worden war, fiel ihm das Gälische leicht, das er in den drei Jahren, für die er sich in die Dienste des Königs von Schottland verpflichtet hatte, noch besser kennen lernen wollte.
Die Tochter eines Ritters hatte sich erboten, ihn zu unterrichten und gewährte ihm gern auch andere, intimere Dienste. wie sich herausstellte. Seine Lehrerin war von seiner raschen Auffassungsgabe und seinem guten Aussehen angetan und bewunderte seine Kraft und Tapferkeit, ohne mehr von ihm zu fordern als seine Freundschaft.
»Was sagt sie noch?«, wollte Robert wissen.
»Alainna von Kinlochan ist die Anführerin eines Hochlandclans und ist gekommen, •um sich für die Erbschaft zu bedanken, die sie nach dem Tode ihres Vaters angetreten hat«, erklärte Sebastien.
Seine beiden bretonischen Kameraden nickten wieder. Die drei hoch gewachsenen Ritter in Kettenhemden und dunkelgrünen, mit Silberbordüren besetzten Wappenröcken standen als Ehrengardisten neben dem Königsthron. Ein Privileg, das die drei ihrer Tapferkeit, Fechtkunst, Disziplin und ihrem normannischen Aussehen verdankten.
Der schlanke, sehnige Robert war hellblond, den breitschultrigen, grobknochigen Hugo zierte eine weizenblonde Mähne. Sebastiens unübertroffene Kunst im Umgang mit Waffen und sein goldblondes Haar hatten ihm eine Sonderstellung unter den Rittern verschafft, die vom Herzog der Bretagne ausgeschickt worden waren, um König William zu dienen.
»Eine Erbin aus dem Hochland? Interessant«, bemerkte Hugo. »Sieht gar nicht aus wie eine Wilde.«
Das waren auch Sebastiens Gedanken, als er das Mädchen musterte. Ihr fein geschnittenes, helles Gesicht war rosig angehaucht, kupferfarbene Zöpfe hingen ihr bis zur Taille. Ihre Augen leuchteten ebenso dunkelblau wie ihr kostbares Gewand. Sie könnte eine normannische oder englische Edelfrau sein, dachte er, würde sie nicht das karierte Tuch über den Schultern tragen, das am Hals von einer großen, runden Silberspange gehalten wurde. In der Mitte gegürtet, wallte es in tiefen Falten über ihre Hüften.
Wohlgerundete Hüften, stellte Sebastien fest, schmale Taille, lange, schlanke Arme, gerade Schultern, feste Brüste. Ihre hohe Gestalt, ihr flammend rotes Haar strahlten einen erotischen Reiz aus, während ihr feines, ovales Gesicht von elfenhafter Zartheit war.
»Was für ein Leckerbissen«, flüsterte Hugo. »Wenn sie gekommen ist, um einen Ehemann zu suchen, dann bin ich ihr Mann.«
»Vielleicht ist der da ihr Mann«, bemerkte Robert.
Ein Hochländer trat an die Empore. Alainna MacLaren erhob sich. Sie war wahrlich keine zierliche Frau, doch der Mann, der sich neben sie stellte, überragte sie hünenhaft. Er trug ein braun und grün kariertes Plaid über einem hellen Hemd. Seine nackten Beine stark wie Baumstämme, sein markantes, gut geschnittenes Gesicht von langem, kastanienbraunem Haar umrahmt, das zu Zöpfen gebändigt war. Er sprach den König auf gälisch an.
»Barbar«, murmelte Hugo. »Er wartet nicht die Erlaubnis des Königs ab, sondern trampelt los wie ein Ochse. Und der König lässt es zu! Solche Manieren gäbe es in Frankreich nicht.«
»Still«, wies Robert ihn leise zurecht. »Du bist lange genug in diesem Land, um zu wissen, dass die Schotten keinen Respekt vor Ranghöheren haben, nicht einmal vor ihrem König. Wenn er sich nicht daran stört, wieso dann du?«
»Kein Wunder, dass es hier ständig zu Streitereien kommt«, versetzte Hugo.
Während Sebastien die Szene vor der Empore beobachtete, hielt er die Hand am Schwertgriff und achtete wachsam auf jede Bewegung in der Versammlung, die eine Bedrohung für den König sein könnte.
Sebastien war ein scharfer und umsichtiger Beobachter und vermochte Menschen und Situationen schnell und genau einzuschätzen. In der Kopfhaltung des Mädchens, ihrem langen, schlanken Hals sah er Stolz und Kraft. Die blauen Tiefen ihrer Augen verrieten ihm wehmütige Trauer. Eine verletzte Löwin, dachte er verwirrt.
Auf die Aufforderung des Königs sprach das Mädchen nun englisch. Gebildet und schön, dachte Sebastien. Wahrlich keine Wilde. Sie sprach fließend englisch mit leichtem Akzent, mit dunkler, melodischer Stimme.
Er kannte viele schöne und kluge Frauen, aber keine Frau seines Bekanntenkreises strahlte ein solches Maß an Anmut und Kraft aus, und keine glühte vor Stolz wie diese. Ein Leuchten schien von ihr auszugehen wie von einer Kerze in einer Hornlaterne. Er beobachtete sie mit wachsender Faszination.
»Sire!«, sagte sie nun. »Mein Verwandter, Giric Mac-Gregor und ich, wir sind an Euren Hof gereist, um Euch für meine Erbschaft zu danken. Mein Vater Laren MacLaren, Führer unseres Clans, wurde im letzten September im Kampf mit dem Clan Nechtan getötet. Meine zwei Brüder kamen in einem früheren Streit mit dem Clan Nechtan ums Leben. Nun bin ich die Anführerin des Clans Laren und die Alleinerbin von Kinlochan.« Das warme Timbre ihrer Stimme durchrieselte Sebastien wie eine zärtliche Berührung.
»Wir sprechen Euch unser Beileid aus, Lady Alainna«, sagte der König.
»My Lord.« Sie neigte den Kopf traurig und hob ihn wieder. »Ich bin gekommen, um eine Lehnsgabe für meine Erbschaft zu überbringen.«
»Zwei Ritter in den Dienst der Krone zu stellen, ist die übliche Bezahlung.«
»Sire, Ich kann Euch keine Ritter bieten. Mein Clan ist durch die tragischen Todesfälle geschwächt. Unser Reichtum besteht in Landbesitz und edlen Vorfahren, aber wir verfügen über wenig Waren und noch weniger Männer. Diese Blutfehde hat uns beinahe zugrunde gerichtet. Bitte gestattet mir, Euch eine andere Gabe zu überreichen, ehe ich mein Erbe auf Kinlochan antrete.«
Der König nickte. Alainna von Kinlochan wandte sich an ihren Verwandten, der aus den Falten seines Plaids einen in Leinen eingeschlagenen Gegenstand zog und ihn dem König reichte.
William enthüllte das Geschenk. Ein rechteckiger Stein von der Größe einer Männerhand kam zum Vorschein, in den das Relief eines Kreuzes in einem Kreis gemeißelt war, ein altes keltisches Symbol. Eine kunstvolle Steinmetzarbeit.
»Ein schönes Stück«, sagte der König. »Die Arbeit eines auf Kinlochan ansässigen Steinmetz?«
»Ja, My Lord«, antwortete Alainna.
»Wir nehmen das Geschenk an, My Lady. Kinlochan wird dem König jedes Jahr einen gemeißelten Stein überbringen. Dies ist ein königlicher Erlass.«
Das Mädchen lächelte. »Ich danke Euch, Sire. Wenn Ihr die Güte habt, mich anzuhören, so möchte ich ein weiteres Anliegen vorbringen, das meiner Vermählung.«
»Darüber wollen wir später entscheiden.«
»Sire, es ist Euer Recht, einen Gatten für mich zu bestimmen. Die Ältesten meines Clans haben mich gebeten, einige Bedingungen im Hinblick auf meine Vermählung vorzubringen, wenn Ihr gestattet.«
»Bedingungen?«, fragte der König.
»Meine Verwandten wünschen mich mit einem keltischen Krieger zu verheiraten, der unsere Feinde besiegt, Sire, ein Krieger, dessen Ahnentafel sich mit der unseren messen kann. Er soll gälisch sprechen und ein tapferer Held sein. Und sein Landbesitz darf nicht weiter als einen Tagesritt von Kinlochan entfernt liegen.«
»Gibt Eure Sippe auch ein Rätsel auf, das von einem Ritter zu lösen ist für den Preis Eurer Hand?« Der König lehnte sich zurück. Er klang erheitert.
»Sire!« Ihre Wangen glühten. »Wir geben kein unlösbares Rätsel auf.«
»An Unserem Hof dienen hervorragende normannische Ritter mit achtbaren Erbgütern und großen kriegerischen Fähigkeiten. Ein Ritter aus meiner Ehrengarde sollte Euch genügen.«
Hugo und Robert warfen sich stolz in die Brust. Sebastien zeigte keine Regung.
»Ich habe nicht den Wunsch, einen Normannen zu heiraten, Sire. Meine Verwandten wünschen, dass ich einen keltischen Krieger heirate.« Sie holte Atem. »Sire, es gibt eine weitere Bedingung. Wir fordern, dass mein Gatte seinen Namen aufgibt und den Namen unseres Clans annimmt.«
Sebastien sah sie verdutzt an. Sie war stolz, lebenssprühend und schön – und verfügte über eine reichliche Portion Anmaßung, die er ihr anfangs nicht zugetraut hätte.
»Pah«, höhnte Hugo. »Jetzt geht sie zu weit.«
»Eine hohe Forderung an jeden Mann, Normanne oder Kelte«, erwiderte der König. »Obgleich es gelegentlich vorkommt, wenn der Besitz sehr wertvoll ist. Selbst wenn ein derart selbstloser Krieger existieren würde, wäre es unklug, einen weiteren keltischen Clan in diese Fehde zu ziehen.«
Alainna hob das Kinn, eine schöne und störrische Frau. »Wie dem auch sei, einen solchen Mann werde ich heiraten und keinen anderen.«
Sie leuchtet wie eine Kerze, dachte Sebastien. Voll Kraft und Leidenschaft.
»Ihr verfügt über fruchtbares Land, Lady Alainna«, sagte der König. »Einer unserer normannischen Ritter wird Euer Gatte sein.«
»Sire, bitte.« Die Stimme drohte ihr zu versagen. »Zieht meine Bitte noch einmal in Betracht.«
In der folgenden Stille veränderte Hugo seine Haltung, und sein Kettenhemd klirrte leise. Der Blick des Mädchens wandte sich dem Geräusch zu.
Die Klarheit ihrer blauen Augen traf Sebastien wie ein sprühender Funke, drang tief in ihn ein, erwärmte sein Herz.
Niemand konnte sein Herz erwärmen, es war längst kalt wie Stein geworden. Sebastien gab sich einen inneren Ruck.
Bevor er den Blick wandte, sah er die Verzweiflung in ihren blauen Augen. Eine unerwartete Woge des Mitgefühls durchströmte ihn. Er stand reglos wie eine Statue, nur sein Herz schlug schnell. Auch er hatte Not, Verzweiflung und Angst kennen gelernt und sich mit Stolz und Willenskraft dagegen gewehrt, wie diese Frau es vermutlich tat.
»Der König wird ihre Bitte ablehnen«, murmelte Robert. »Das Gebiet braucht die gefestigte Militärmacht der Normannen – nicht noch einen keltischen Kriegsherrn.«
»Ich wünsche mir Landbesitz und eine Ehefrau, deshalb bin ich nach Schottland gekommen«, flüsterte Hugo, »aber meinen Namen würde ich niemals aufgeben.« Er nickte Sebastien zu. »Aber du könntest ihren Namen annehmen.«
»Schweig!«, warnte Sebastien ihn.
»Ich will dich nicht beleidigen«, meinte Hugh versöhnlich. »Aber dir fehlt ...«
»Schweig!«, zischte Sebastien wieder. Er stand hoch aufgerichtet und hielt den Blick geradeaus gerichtet. Hugo brummte, als Robert ihm einen Rippenstoß versetzte. Hugo redete oft gedankenlos daher, das wusste Sebastien. Er hatte ihm das Leben in der Schlacht gerettet und war ein Freund, auf den er sich verlassen konnte, aber er hatte das Feingefühl eines Trampeltiers.
Mochte das Land noch so groß und fruchtbar und die Dame noch so schön und begehrenswert sein, Sebastien würde niemals den Namen einer Frau annehmen. Er hatte zu lange und zu hart dafür gekämpft, dem Namen Sebastien le Bret Ehre und Ruhm zu verleihen.
Ihn aufzugeben war unvorstellbar.
Der König sprach leise auf die junge Frau ein. Sie suchte mit einem flüchtigen Blick Hilfe bei ihrem Gefährten. Der Gäle lächelte ihr aufmunternd zu.
Diese Alainna MacLaren zeigte sich vor anderen mutig und stark, ihre Schwäche zeigte sie nur diesem Mann. Sie waren einander tief verbunden, das erkannte Sebastien deutlich, ohne zu wissen, welcher Art diese Verbindung war. Die schottischen Gälen hielten Blutsbande und Treue in höchsten Ehren, das sah man den beiden deutlich an.
Ein eifersüchtiger Stich durchfuhr Sebastien. Er furchte die Stirn und ließ das Gefühl von sich abgleiten wie einen unerwünschten Mantel.
Sebastien hoffte, das Mädchen würde den stolzen keltischen Krieger finden, den sie suchte, einen Mann, der bereit war, ihre hochfahrenden Wünsche zu erfüllen, einen Mann, der ihrem Stolz und Edelmut gerecht werden würde.
Er jedenfalls war nicht dieser Mann.
»Lady Alainna, Eure Vermählung wird sorgfältig erwogen«, sagte König William. »Ihr erhaltet Nachricht, sobald eine Entscheidung getroffen ist. Lebt wohl!«
Wieder suchte Alainna ratlos Girics Blick. Sollte sie die weite Reise mit ihrem Ziehbruder umsonst gemacht haben? Der König schien entschlossen, einen Gemahl für sie nach seinem Gutdünken zu wählen, ohne auf ihre Wünsche Rücksicht zu nehmen. »Sire ...«, begann sie erneut.
Der König schenkte ihr keine weitere Beachtung und wandte sich an die drei Ritter auf dem Podium in grünen Wappenröcken und glänzenden Kettenhemden, drei ansehnliche, blonde normannische Hünen. »Sir Sebastien, begleitet Lady Alainna und ihren Verwandten hinaus und sorgt dafür, dass sie mit Reiseproviant versorgt werden.«
»Sire.« Der stattlichste Ritter trat vor, er war Alainna bereits aufgefallen. Er hatte sie während der Audienz mit wachen Augen und verhaltenem Interesse beobachtet.
Der Normanne verneigte sich höflich. »Mein Fräulein, bitte folgt mir«, sagte er auf gälisch. Sie spürte den Druck seiner Finger durch den Stoff ihres Ärmels. Die Berührung verblüffte sie ebenso wie seine Anrede.
»Nein«, widersprach sie. »Ich habe meinem König noch etwas zu sagen.«
Er zog eine Braue hoch. »Wie Ihr wünscht.« Er stand neben ihr, kraftvoll und hoch gewachsen, sein Kettenhemd streifte ihre Schulter.
Die Narbe über seiner linken Braue vermochte die markant geschnittenen, ebenmäßigen Züge nicht zu verunstalten. Goldblondes Haar, graue, kühle Augen, eine energische Kinnpartie, alles an seiner Haltung, seinem Aussehen, strahlte Gelassenheit und viel Selbstvertrauen aus.
Sie löste den Blick von ihm und wandte sich an den König. »Bitte Sire, darf ich noch einmal auf meine Vermählung ...«
»Mylady, Ihr habt Eure Bitte vorgebracht«, unterbrach der König ihre Rede.
»Sire, der Feind meines Clans, Cormac MacNechtan, hat die Absicht, Euch um meine Hand zu bitten. Ihm geht es aber nur darum, Kinlochan an sich zu reißen und unseren Clan durch die Ehe mit mir auszulöschen.«
»Sie spricht die Wahrheit«, eilte Giric ihr zu Hilfe. »Die Fehde beruht auf alter Feindschaft, die seit Generationen weitergetragen wird.«
William furchte die Stirn. »Vermählungen zwischen verfeindeten Clans legen häufig derartige Streitigkeiten bei.«
»Ich kann Cormac nicht heiraten!«, widersprach Alainna heftig. »Bitte, habt Verständnis. Wir brauchen Krieger, die für unsere Sache kämpfen.«
»Ihr braucht einen Mann, der auf Eurem Land eine Festung errichtet und sie mit Soldaten besetzt, damit endlich Friede im Hochland einkehrt.«
Sie seufzte erleichtert. »Ja, einen Hochländer.«
»Einen normannischen Ritter«, korrigierte der König sie. »Wir werden Euch einen passenden Gemahl wählen. Lebt wohl, Mylady.«
Angst durchfuhr sie wie ein Stich, die Knie drohten ihr den Dienst zu versagen. »Sire ...«
Der Normanne nahm sie wieder beim Arm. »Schweigt«, murmelte er. »Wenn Ihr etwas erreichen wollt, verfasst eine Bittschrift. Der König hat die Unterredung beendet.«
Sie entriss ihm ihren Arm. »Ich kann nicht schreiben«, zischte sie. »Aber ich kann reden, hier und jetzt.«
»Zum Schaden Eurer Sache.«
Sie blickte ihn finster an, schwieg jetzt aber wohlweislich.
»Ein schönes Paar«, stellte der König fest. »Wahrlich ein schönes Paar. Sebastien, soweit ich mich entsinne, seid Ihr verwitwet ... Wie lange steht ihr schon in meinen Diensten?«
Alainna sah den König erschrocken an.
Der Ritter zögerte. »Bald werden es drei Jahre, Sire.«
»Und Ihr habt noch keine angemessene Belohnung erhalten. Wenn ich recht unterrichtet bin, habt Ihr nicht wieder geheiratet.«
Alainnas Herz schlug zum Zerspringen, sie blickte entsetzt von einem zum anderen.
Der Ritter nickte. »Das Privileg, dem schottischen König als Ehrengardist zu dienen, erfüllt mich voll und ganz, Sire.« Die Antwort kam geschliffen und höflich über seine Lippen, nur seine Finger spannten sich wie Stahl um Alainnas Arm.
Ihr gehetzter Blick flog zu Giric, der argwöhnisch die Stirn furchte.
»Wir werden sehen, was wir für Euch tun können«, meinte der König. »Mylady, Sir Sebastien le Bret könnte genau der Krieger sein, den Ihr braucht.« Er lächelte.
»Sire ...«, wollte Alainna protestieren.
»Ich bin nicht der Krieger für diese Dame«, unterbrach der Ritter sie gelassen, aber bestimmt.
»Wie bescheiden. Ihr seid ein Vorbild für meine Ritter, genießt höchstes Ansehen als Kämpfer und edelmütiger Held«, sagte der König. »Ihr erfüllt genau die Bedingungen, die Lady Alainna fordert. Und Ihr sprecht auch noch gälisch.« Er lächelte zufrieden. »Das wird der Dame gefallen.«
»Daran zweifle ich, Sire«, murmelte Sebastien. Alainna spürte die Spannung, die sich zwischen dem König und seinem Gefolgsmann aufbaute.
»Wie dem auch sei, der Gedanke, Euch mit einem Tross Bewaffneter auf Kinlochan zu stationieren, gefällt mir.«
Alainna schnappte hörbar nach Luft. »Mein Clan wird niemals normannische Soldaten auf Kinlochan dulden!«
Unter dem strengen Blick des Königs zuckte sie unmerklich zusammen. William war kein grausamer Herrscher, galt aber als aufbrausend und unbeugsam. Ihm zu widersprechen, konnte unliebsame Folgen haben.
»Wir werden später darüber reden, Sebastien. Lady Alainna.« Der König gab seinem Kämmerer einen Wink, den nächsten Bittsteller aufzurufen.
Sir Sebastien festigte den Griff um Alainnas Ellbogen und führte sie fort. Sie warf einen Blick über die Schulter. »Sire ...«, wollte sie wieder anfangen.
»Schweigt endlich!«, zischte Sebastien.
»Er will Euch mein Land geben!«
»Er kann mir nichts geben, was ich nicht nehme«, versetzte er schroff. »Folgt mir, Sir«, richtete er das Wort an Giric. »Ein Knappe wird die Pferde bringen.«
»Wir haben die Pferde in einem Stall im Ort gelassen«, antwortete Giric. »Ich hole sie selbst. Alainna?«
»Ich ... ich warte in der Abtei auf dich«, antwortete sie ihrem Ziehbruder in gälisch. »Ich will mir die Steinmetzarbeiten ansehen, bevor wir abreisen. Giric, ich kann keinen Normannen heiraten!«, fügte sie verzweifelt hinzu.
»Sorge dich nicht. Wir sehen uns in der Abtei.«
»Wenn Ihr gestattet, werde ich Euch begleiten, mein Fräulein«, erbot der Ritter sich höflich. »Die Steine sind sehr kunstvoll bearbeitet. Ein Besuch in der Abtei wird Euch gewiss beruhigen. Folgt mir.« Sein Gälisch klang geschliffen und gewandt.
Er führte das Paar durch die Menge. Alainna hielt den Kopf stolz erhoben, doch ihr Herz schlug angstvoll.
Der Zorn beschleunigte ihre Schritte, presste ihre Lippen aufeinander und verschleierte ihren Blick mit Tränen, die sie heftig zurückdrängte, während sie neben dem Ritter den Weg hinaufstieg. Die Abtei von Dunfermline, deren Türme aus Sandstein golden in der Sonne leuchteten, thronte majestätisch auf einer Hügelkuppe.
Alainna schritt energisch voran, verhedderte sich im bestickten Saum ihres Gewandes und musste stehen bleiben. Welkes Herbstlaub blieb an der langen Schleppe haften. Sie raffte eine Hand voll des dünnen Wollstoffes und schüttelte ungeduldig daran.
»Gemach, mein Fräulein.« Der Ritter bückte sich und streifte die Blätter ab. »Ihr ruiniert das schöne Kleid.«
Seufzend glättete sie den Rock. Das kostbare Gewand aus mitternachtsblauer, fein gesponnener Wolle mit einer golden und rot bestickten Bordüre am Saum trug sie nur selten. »Meine Leute rieten mir, mich zur Audienz mit dem König herauszuputzen, um meiner Bitte Nachdruck zu verleihen«, grollte sie. »Leider vergeblich.«
»Dennoch eine schöne Bitte«, meinte er, »und ein schönes Kleid.«
Sie warf ihm einen ungehaltenen Blick zu, den er mit einem flüchtigen Lächeln quittierte. Verlegen nestelte sie an ihrem Plaid über der Schulter, das in der Taille von einem Gürtel gehalten war.
»Das Tuch ist kunstfertig gewebt«, meinte er.
»Eine Verwandte webt gute Wollplaids, leicht und dennoch wärmend, die sehr gefragt sind. Wir Hochlandbewohner kleiden uns schlicht, aber wir sind nicht so ungehobelte Barbaren, wie man uns nachsagt. Mein Vater ließ das Gewand für mich in Glasgow anfertigen. Er wollte, dass ich es zu meiner Hochzeit trage. Stattdessen trage ich es, um meinen Antrittsbesuch beim König zu machen«, sagte sie traurig.
»Euer Vater wäre gewiss stolz auf Euch gewesen«, murmelte Sebastien. Sie empfand es als tröstlich, dass der Ritter in ihrer Muttersprache mit ihr sprach, und ihr Zorn legte sich ein wenig.
»Nicht viele Normannen sprechen gälisch«, sagte sie im Weitergehen.
»Ich hatte reichlich Zeit, es zu lernen. Ihr sprecht gutes Englisch.«
»Meine Brüder und ich lernten auf Wunsch meines Vaters englisch. Unser Priester gab uns Unterricht. Vater Padruig sagt, die meisten Fremden halten gälisch für eine harte und barbarische Sprache. Dabei ist es die Sprache der Sänger und Dichter. Gälisch kling wie Musik in meinen Ohren.«
»Kommt drauf an, wer es spricht.«
Alainna spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. »Ich habe mich noch nie mit einem privilegierten Ritter unterhalten, weder in gälisch noch in englisch.«
»Weniger privilegiert, als Ihr annehmen mögt, mein Fräulein.«
Sie stutzte. Seine Rüstung und seine Waffen waren kostbar, sein dunkelgrüner Wappenrock war mit Silberfäden durchwirkt. Er strahlte Selbstvertrauen, Ansehen, Intelligenz und Macht aus. »Die fremdländische Ehrengarde des Königs scheint bei Hofe hohes Ansehen zu genießen.«
»Wir wurden von unserem Lehnsherrn, Herzog Conan der Bretagne, an den schottischen Hof gesandt. Es ist uns eine Ehre, König William zu dienen.«
»Sprecht Ihr etwa aus ritterlicher Bescheidenheit, Sir? Ich hörte, die fremden Ritter legen einen Eid der Tugend ab.«
»Wir bemühen uns, getreu unserem Ritterschwur zu leben. Allerdings würde mich kaum jemand bescheiden nennen«, entgegnete er trocken.
Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn neugierig an. »Als der König davon sprach, Euch nach Kinlochan zu schicken, habt Ihr gelassen gewirkt, doch mir fiel Euer Unmut auf, als behage Euch der Gedanke ganz und gar nicht. Oder habt Ihr meinen Arm so kräftig festgehalten, weil Ihr danach strebt, Euch schottischen Landbesitz anzueignen?«
Er zog die Brauen zusammen. In seinen kühlen, grauen Augen glaubte sie einen zornigen Funken aufleuchten zu sehen. »Der König machte mir kein wirkliches Angebot. Ihr sorgt Euch unnötig.«
»Ich sorge mich nicht«, widersprach sie hitzig. Doch ihre Enttäuschung über das magere Ergebnis ihrer Audienz beim König zerrte an ihren Nerven und machte sie aufbrausend. »Aber ich werde mir große Sorgen machen, wenn der König Euch oder einen anderen Fremden zu uns schickt!«
»Es gibt noch keinen königlichen Erlass. Beruhigt Euch.«
»Ich war ruhig, und es hat nichts genutzt. Nun bin ich zum Warten verurteilt, bis der König mir einen normannischen Gemahl bestimmt. Meine Verwandten erwarten einen keltischen Helden, der unseren Clan vor dem Untergang rettet. Nun muss ich ihnen meine Niederlage eingestehen!«
»Ihr habt Euer Bestes versucht. Wenn der König Euch bewaffnete Männer schickt, tut er das, um den Frieden zu sichern.«
»Frieden! Wenn er uns Normannen schickt, gibt es nur noch mehr Krieg!«
»Ihr habt den König um Unterstützung gebeten«, erinnerte er sie.
»Um Unterstützung der Wünsche meines Clans. Er aber will seinen Willen durchsetzen.«
»Er denkt an Schottland. Ihr denkt an den Clan Laren.«
»Woran könnte ich sonst denken?« Sie funkelte ihn wütend an.
»Ihr seid ungewöhnlich streitbar«, stellte er fest. »Wie gut, dass wir die Kirche besuchen. Das Gebet wird Euer erhitztes Gemüt kühlen.«