Der Schimmelreiter - Theodor Storm - E-Book + Hörbuch

Der Schimmelreiter Hörbuch

Theodor Storm

4,5

Beschreibung

"Der Schimmelreiter" im April 1888 veröffentlicht, ist Storms bekannteste Erzählung und zählt zu seinen Spätwerken. Die Novelle basiert auf einer Sage, mit der Storm sich über Jahrzehnte befasste. Mit der Niederschrift der Novelle beginnt er jedoch erst im Juli 1886 und beendet seine Arbeit daran im Februar 1888, wenige Monate vor seinem Tod. Das Werk ist in drei Erzählebenen aufgebaut. Ein Mann gibt eine Geschichte wieder, die die Rahmenhandlung bildet, in der wiederum ein Reisender von seinen Erlebnissen berichtet. Kunstvoll sind diese Ebenen ineinander verbunden. Man erfährt von der tragischen Geschichte des Hauke Haien, der vom Deichgraf Tede Volkerts in Lohn und Brot gestellt wird. Aber schnell gerät er in Konflikt mit dem Großknecht Ole Peters. Dann ist da auch noch Elke, die Tochter des Deichgrafs, um die Hauke Haien freien will. Hauke Haien hat einen Schimmel, mit dem er die Deiche abreitet; das Pferd ist den Dorfeinwohnern unheimlich, es soll mit dem Teufel im Bunde stehen. Schließlich spitzt sich die Geschichte in einer tragödienhaften Nacht zu, in der der von Hauke Haien konstruierten Deich das erste Mal den Gewalten der Natur trotzdem muss. Storms letzte Novelle ist zugleich sein Meisterwerk. Null Papier Verlag

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Zeit:4 Std. 22 min

Sprecher:Sven Görtz
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Theodor Storm

Der Schimmelreiter

Novelle

Theodor Storm

Der Schimmelreiter

Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-47-0

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Der Schim­mel­rei­ter

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Klas­si­ker bei Null Pa­pier

Ali­ce im Wun­der­land

Anna Ka­re­ni­na

Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

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Das Buch

»Der Schim­mel­rei­ter« im April 1888 ver­öf­fent­licht, ist Storms be­kann­tes­te Er­zäh­lung und zählt zu sei­nen Spät­wer­ken.

Die No­vel­le ba­siert auf ei­ner Sage, mit der Storm sich über Jahr­zehn­te be­fass­te. Mit der Nie­der­schrift der No­vel­le be­ginnt er je­doch erst im Juli 1886 und be­en­det sei­ne Ar­beit dar­an im Fe­bru­ar 1888, we­ni­ge Mo­na­te vor sei­nem Tod.

Das Werk ist in drei Er­zäh­le­be­nen auf­ge­baut. Ein Mann gibt eine Ge­schich­te wie­der, die die Rah­men­hand­lung bil­det, in der wie­der­um ein Rei­sen­der von sei­nen Er­leb­nis­sen be­rich­tet. Kunst­voll sind die­se Ebe­nen in­ein­an­der ver­bun­den.

Man er­fährt von der tra­gi­schen Ge­schich­te des Hau­ke Hai­en, der vom Deich­graf Tede Vol­kerts in Lohn und Brot ge­stellt wird. Aber schnell ge­rät er in Kon­flikt mit dem Groß­knecht Ole Pe­ters. Dann ist da auch noch Elke, die Toch­ter des Deich­grafs, um die Hau­ke Hai­en frei­en will.

Hau­ke Hai­en hat einen Schim­mel, mit dem er die Dei­che ab­rei­tet; das Pferd ist den Dor­fein­woh­nern un­heim­lich, es soll mit dem Teu­fel im Bun­de ste­hen.

Schließ­lich spitzt sich die Ge­schich­te in ei­ner tra­gö­dien­haf­ten Nacht zu, in der der von Hau­ke Hai­en kon­stru­ier­ten Deich das ers­te Mal den Ge­wal­ten der Na­tur trotz­dem muss.

Storms letz­te No­vel­le ist zu­gleich sein Meis­ter­werk.

*

*

Der Schimmelreiter

Was ich zu be­rich­ten be­ab­sich­ti­ge, ist mir vor reich­lich ei­nem hal­b­en Jahr­hun­dert im Hau­se mei­ner Ur­groß­mut­ter, der al­ten Frau Se­na­tor Fed­der­sen, kund­ge­wor­den, wäh­rend ich, an ih­rem Lehn­stuhl sit­zend, mich mit dem Le­sen ei­nes in blaue Pap­pe ein­ge­bun­de­nen Zeit­schrif­ten­hef­tes be­schäf­tig­te; ich ver­mag mich nicht mehr zu ent­sin­nen, ob von den »Leip­zi­ger« oder von »Pap­pes Ham­bur­ger Le­se­früch­ten«. Noch fühl ich es gleich ei­nem Schau­er, wie da­bei die lin­de Hand der über Acht­zig­jäh­ri­gen mit­un­ter lieb­ko­send über das Haupt­haar ih­res Uren­kels hin­g­litt. Sie selbst und jene Zeit sind längst be­gra­ben; ver­ge­bens auch habe ich seit­dem je­nen Blät­tern nach­ge­forscht, und ich kann da­her um so we­ni­ger we­der die Wahr­heit der Tat­sa­chen ver­bür­gen, als, wenn je­mand sie be­strei­ten woll­te, da­für auf­ste­hen; nur so viel kann ich ver­si­chern, daß ich sie seit je­ner Zeit, ob­gleich sie durch kei­nen äu­ße­ren An­laß in mir aufs neue be­lebt wur­den, nie­mals aus dem Ge­dächt­nis ver­lo­ren habe.

*

Es war im drit­ten Jahr­zehnt un­se­res Jahr­hun­derts, an ei­nem Ok­to­ber­nach­mit­tag -- so be­gann der da­ma­li­ge Er­zäh­ler --, als ich bei star­kem Un­wet­ter auf ei­nem nord­frie­si­schen Deich ent­langritt. Zur Lin­ken hat­te ich jetzt schon seit über ei­ner Stun­de die öde, be­reits von al­lem Vieh ge­leer­te Marsch, zur Rech­ten, und zwar in un­be­hag­lichs­ter Nähe, das Wat­ten­meer der Nord­see; zwar soll­te man vom Dei­che aus auf Hal­li­gen und In­seln se­hen kön­nen; aber ich sah nichts als die gelb­grau­en Wel­len, die un­auf­hör­lich wie mit Wut­ge­brüll an den Deich hin­auf­schlu­gen und mit­un­ter mich und das Pferd mit schmut­zi­gem Schaum be­spritz­ten; da­hin­ter wüs­te Däm­me­rung, die Him­mel und Erde nicht un­ter­schei­den ließ; denn auch der hal­be Mond, der jetzt in der Höhe stand, war meist von trei­ben­dem Wol­ken­dun­kel über­zo­gen. Es war eis­kalt; mei­ne ver­klom­me­nen Hän­de konn­ten kaum den Zü­gel hal­ten, und ich ver­dach­te es nicht den Krä­hen und Mö­wen, die sich fort­wäh­rend kräch­zend und ga­ckernd vom Sturm ins Land hin­ein­trei­ben lie­ßen. Die Nacht­däm­me­rung hat­te be­gon­nen, und schon konn­te ich nicht mehr mit Si­cher­heit die Hu­fen mei­nes Pfer­des er­ken­nen; kei­ne Men­schen­see­le war mir be­geg­net, ich hör­te nichts als das Ge­schrei der Vö­gel, wenn sie mich oder mei­ne treue Stu­te fast mit den lan­gen Flü­geln streif­ten, und das To­ben von Wind und Was­ser. Ich leug­ne nicht, ich wünsch­te mich mit­un­ter in si­che­res Quar­tier.

Das Wet­ter dau­er­te jetzt in den drit­ten Tag, und ich hat­te mich schon über Ge­bühr von ei­nem mir be­son­ders lie­ben Ver­wand­ten auf sei­nem Hofe hal­ten las­sen, den er in ei­ner der nörd­li­che­ren Har­den be­saß. Heu­te aber ging es nicht län­ger; ich hat­te Ge­schäf­te in der Stadt, die auch jetzt wohl noch ein paar Stun­den weit nach Sü­den vor mir lag, und trotz al­ler Über­re­dungs­küns­te des Vet­ters und sei­ner lie­ben Frau, trotz der schö­nen selbst­ge­zo­ge­nen Pe­ri­net­te- und Grand-Richard-Äp­fel, die noch zu pro­bie­ren wa­ren, am Nach­mit­tag war ich da­von­ge­rit­ten. »Wart nur, bis du ans Meer kommst«, hat­te er noch an sei­ner Haus­tür mir nach­ge­ru­fen; »du kehrst noch wie­der um; dein Zim­mer wird dir vor­be­hal­ten!«

Und wirk­lich, einen Au­gen­blick, als eine schwar­ze Wol­ken­schicht es pech­fins­ter um mich mach­te und gleich­zei­tig die heu­len­den Böen mich samt mei­ner Stu­te vom Deich her­ab­zu­drän­gen such­ten, fuhr es mir wohl durch den Kopf. ›Sei kein Narr! Kehr um und setz dich zu dei­nen Freun­den ins war­me Nest.‹ Dann aber fiel’s mir ein, der Weg zu­rück war wohl noch län­ger als der nach mei­nem Rei­se­ziel; und so trab­te ich wei­ter, den Kra­gen mei­nes Man­tels um die Ohren zie­hend.

Jetzt aber kam auf dem Dei­che et­was ge­gen mich her­an; ich hör­te nichts; aber im­mer deut­li­cher, wenn der hal­be Mond ein kar­ges Licht her­a­bließ, glaub­te ich eine dunkle Ge­stalt zu er­ken­nen, und bald, da sie nä­her kam, sah ich es, sie saß auf ei­nem Pfer­de, ei­nem hoch­bei­ni­gen ha­ge­ren Schim­mel; ein dunk­ler Man­tel flat­ter­te um ihre Schul­tern, und im Vor­bei­flie­gen sa­hen mich zwei bren­nen­de Au­gen aus ei­nem blei­chen Ant­litz an.

Wer war das? Was woll­te der? -- Und jetzt fiel mir bei, ich hat­te kei­nen Huf­schlag, kein Keu­chen des Pfer­des ver­nom­men; und Roß und Rei­ter wa­ren doch hart an mir vor­bei­ge­fah­ren!

In Ge­dan­ken dar­über ritt ich wei­ter, aber ich hat­te nicht lan­ge Zeit zum Den­ken, schon fuhr es von rück­wärts wie­der an mir vor­bei; mir war, als streif­te mich der flie­gen­de Man­tel, und die Er­schei­nung war, wie das ers­te Mal, laut­los an mir vor­über­ges­to­ben. Dann sah ich sie fern und fer­ner vor mir; dann war’s, als säh ich plötz­lich ih­ren Schat­ten an der Bin­nen­sei­te des Dei­ches hin­un­ter­ge­hen.

Et­was zö­gernd ritt ich hin­ten­drein. Als ich jene Stel­le er­reicht hat­te, sah ich hart am Deich im Koo­ge un­ten das Was­ser ei­ner großen Weh­le blin­ken -- so nen­nen sie dort die Brü­che, wel­che von den Sturm­flu­ten in das Land ge­ris­sen wer­den und die dann meist als klei­ne, aber tief­grün­di­ge Tei­che ste­hen blei­ben.

Das Was­ser war, trotz des schüt­zen­den Dei­ches, auf­fal­lend be­wegt; der Rei­ter konn­te es nicht ge­trübt ha­ben; ich sah nichts wei­ter von ihm. Aber ein an­de­res sah ich, das ich mit Freu­den jetzt be­grüß­te: vor mir, von un­ten aus dem Koo­ge, schim­mer­ten eine Men­ge zer­streu­ter Licht­schei­ne zu mir her­auf, sie schie­nen aus je­nen lang­ge­streck­ten frie­si­schen Häu­sern zu kom­men, die ver­ein­zelt auf mehr oder min­der ho­hen Werf­ten la­gen, dicht vor mir aber auf hal­ber Höhe des Bin­nen­dei­ches lag ein großes Haus der­sel­ben Art; an der Süd­sei­te, rechts von der Haus­tür, sah ich alle Fens­ter er­leuch­tet; da­hin­ter ge­wahr­te ich Men­schen und glaub­te trotz des Stur­mes sie zu hö­ren. Mein Pferd war schon von selbst auf den Weg am Deich hin­ab­ge­schrit­ten, der mich vor die Tür des Hau­ses führ­te. Ich sah wohl, daß es ein Wirts­haus war; denn vor den Fens­tern ge­wahr­te ich die so­ge­nann­ten »Ricks«, das heißt auf zwei Stän­dern ru­hen­de Bal­ken mit großen ei­ser­nen Rin­gen, zum An­bin­den des Vie­hes und der Pfer­de, die hier halt­mach­ten.

Ich band das mei­ne an einen der­sel­ben und über­wies es dann dem Knech­te, der mir beim Ein­tritt in den Flur ent­ge­gen­kam: »Ist hier Ver­samm­lung?« frug ich ihn, da mir jetzt deut­lich ein Geräusch von Men­schen­stim­men und Glä­ser­k­lir­ren aus der Stu­ben­tür ent­ge­gen­drang.

»Is wull so wat«, ent­geg­ne­te der Knecht auf platt­deutsch -- und ich er­fuhr nach­her, daß die­ses ne­ben dem Frie­si­schen hier schon seit über hun­dert Jah­ren im Schwan­ge ge­we­sen sei --, »Diek­graf und Ge­voll­mäch­tig­ten un we­cke von de an­nern In­ter­es­sen­ten! Dat is um ’t hoge Wa­ter!«

Als ich ein­trat, sah ich etwa ein Dut­zend Män­ner an ei­nem Ti­sche sit­zen, der un­ter den Fens­tern ent­lan­glief, eine Punsch­bow­le stand dar­auf, und ein be­son­ders statt­li­cher Mann schi­en die Herr­schaft über sie zu füh­ren.

Ich grüß­te und bat, mich zu ih­nen set­zen zu dür­fen, was be­reit­wil­lig ge­stat­tet wur­de. »Sie hal­ten hier die Wacht!« sag­te ich, mich zu je­nem Mann wen­dend, »es ist bös Wet­ter drau­ßen; die Dei­che wer­den ihre Not ha­ben!«

»Ge­wiß«, er­wi­der­te er; »wir, hier an der Ost­sei­te, aber glau­ben, jetzt au­ßer Ge­fahr zu sein; nur drü­ben an der an­dern Sei­te ist’s nicht si­cher, die Dei­che sind dort meist noch mehr nach al­tem Mus­ter; un­ser Haupt­deich ist schon im vo­ri­gen Jahr­hun­dert um­ge­legt. -- Uns ist vor­hin da drau­ßen kalt ge­wor­den, und Ih­nen«, setz­te er hin­zu, »wird es eben­so ge­gan­gen sein; aber wir müs­sen hier noch ein paar Stun­den aus­hal­ten; wir ha­ben si­che­re Leu­te drau­ßen, die uns Be­richt er­stat­ten.« Und ehe ich mei­ne Be­stel­lung bei dem Wir­te ma­chen konn­te, war schon ein damp­fen­des Glas mir hin­ge­scho­ben.

Ich er­fuhr bald, daß mein freund­li­cher Nach­bar der Deich­graf sei; wir wa­ren ins Ge­spräch ge­kom­men, und ich hat­te be­gon­nen, ihm mei­ne selt­sa­me Be­geg­nung auf dem Dei­che zu er­zäh­len. Er wur­de auf­merk­sam, und ich be­merk­te plötz­lich, daß al­les Ge­spräch um­her ver­stummt war. »Der Schim­mel­rei­ter!« rief ei­ner aus der Ge­sell­schaft, und eine Be­we­gung des Er­schre­ckens ging durch die üb­ri­gen.

Der Deich­graf war auf­ge­stan­den. »Ihr braucht nicht zu er­schre­cken«, sprach er über den Tisch hin; »das ist nicht bloß für uns; Anno 17 hat es auch de­nen drü­ben ge­gol­ten; mö­gen sie auf al­les vor­ge­faßt sein!«

Mich woll­te nach­träg­lich ein Grau­en über­lau­fen. »Ver­zeiht!« sprach ich, »was ist das mit dem Schim­mel­rei­ter?«

Ab­seits hin­ter dem Ofen, ein we­nig ge­bückt, saß ein klei­ner ha­ge­rer Mann in ei­nem ab­ge­schab­ten schwar­zen Röck­lein; die eine Schul­ter schi­en ein we­nig aus­ge­wach­sen. Er hat­te mit kei­nem Wor­te an der Un­ter­hal­tung der an­dern teil­ge­nom­men, aber sei­ne bei dem spär­li­chen grau­en Haupt­haar noch im­mer mit dunklen Wim­pern be­säum­ten Au­gen zeig­ten deut­lich, daß er nicht zum Schlaf hier sit­ze.

Ge­gen die­sen streck­te der Deich­graf sei­ne Hand. »Un­ser Schul­meis­ter«, sag­te er mit er­ho­be­ner Stim­me, »wird von uns hier Ih­nen das am bes­ten er­zäh­len kön­nen; frei­lich nur in sei­ner Wei­se und nicht so rich­tig, wie zu Haus mei­ne alte Wirt­schaf­te­rin Ant­je Voll­mers es be­schaf­fen wür­de.«

»Ihr scher­zet, Deich­graf!« kam die et­was kränk­li­che Stim­me des Schul­meis­ters hin­ter dem Ofen her­vor, »daß Ihr mir Eu­ern dum­men Dra­chen wollt zur Sei­te stel­len!«

»Ja, ja, Schul­meis­ter!« er­wi­der­te der an­de­re, »aber bei den Dra­chen sol­len der­lei Ge­schich­ten am bes­ten in Ver­wah­rung sein!«

»Frei­lich!« sag­te der klei­ne Herr; »wir sind hier­in nicht ganz der­sel­ben Mei­nung«; und ein über­le­ge­nes Lä­cheln glitt über das fei­ne Ge­sicht.

»Sie se­hen wohl«, raun­te der Deich­graf mir ins Ohr; »er ist im­mer noch ein we­nig hoch­mü­tig; er hat in sei­ner Ju­gend ein­mal Theo­lo­gie stu­diert und ist nur ei­ner ver­fehl­ten Braut­schaft we­gen hier in sei­ner Hei­mat als Schul­meis­ter be­han­gen ge­blie­ben.«

Die­ser war in­zwi­schen aus sei­ner Ofen­e­cke her­vor­ge­kom­men und hat­te sich ne­ben mir an den lan­gen Tisch ge­setzt. »Er­zählt, er­zählt nur, Schul­meis­ter«, rie­fen ein paar der jün­ge­ren aus der Ge­sell­schaft.

»Nun frei­lich«, sag­te der Alte, sich zu mir wen­dend, »will ich gern zu Wil­len sein; aber es ist viel Aber­glau­be da­zwi­schen und eine Kunst, es ohne die­sen zu er­zäh­len.«

»Ich muß Euch bit­ten, den nicht aus­zu­las­sen«, er­wi­der­te ich; »traut mir nur zu, daß ich schon selbst die Spreu vom Wei­zen son­dern wer­de!«

Der Alte sah mich mit ver­ständ­nis­vol­lem Lä­cheln an. »Nun also!« sag­te er. »In der Mit­te des vo­ri­gen Jahr­hun­derts, oder viel­mehr, um ge­nau­er zu be­stim­men, vor und nach der­sel­ben, gab es hier einen Deich­gra­fen, der von Deich- und Siel­sa­chen mehr ver­stand, als Bau­ern und Hof­be­sit­zer sonst zu ver­ste­hen pfle­gen; aber es reich­te doch wohl kaum, denn was die stu­dier­ten Fach­leu­te dar­über nie­der­ge­schrie­ben, da­von hat­te er we­nig ge­le­sen; sein Wis­sen hat­te er sich, wenn auch von Kin­des­bei­nen an, nur sel­ber aus­ge­son­nen. Ihr hör­tet wohl schon, Herr, die Frie­sen rech­nen gut, und ha­bet auch wohl schon über un­sern Hans Momm­sen von Fah­re­toft re­den hö­ren, der ein Bau­er war und doch Bus­so­len und Seeuh­ren, Te­le­sko­pen und Or­geln ma­chen konn­te. Nun, ein Stück von solch ei­nem Man­ne war auch der Va­ter des nach­he­ri­gen Deich­gra­fen ge­we­sen; frei­lich wohl nur ein klei­nes. Er hat­te ein paar Fen­nen, wo er Raps und Boh­nen bau­te, auch eine Kuh gras­te, ging un­ter­wei­len im Herbst und Früh­jahr auch aufs Land­mes­sen und saß im Win­ter, wenn der Nord­west von drau­ßen kam und an sei­nen Lä­den rüt­tel­te, zu rit­zen und zu pri­ckeln, in sei­ner Stu­be. Der Jun­ge saß meist da­bei und sah über sei­ne Fi­bel oder Bi­bel weg dem Va­ter zu, wie er maß und be­rech­ne­te, und grub sich mit der Hand in sei­nen blon­den Haa­ren. Und ei­nes Abends frug er den Al­ten, warum denn das, was er eben hin­ge­schrie­ben hat­te, ge­ra­de so sein müs­se und nicht an­ders sein kön­ne, und stell­te dann eine ei­ge­ne Mei­nung dar­über auf Aber der Va­ter, der dar­auf nicht zu ant­wor­ten wuß­te, schüt­tel­te den Kopf und sprach: »Das kann ich dir nicht sa­gen; ge­nug, es ist so, und du sel­ber irrst dich. Willst du mehr wis­sen, so su­che mor­gen aus der Kis­te, die auf un­serm Bo­den steht, ein Buch, ei­ner, der Eu­k­lid hieß, hat’s ge­schrie­ben; das wird’s dir sa­gen!«

-- Der Jun­ge war tags dar­auf zum Bo­den ge­lau­fen und hat­te auch bald das Buch ge­fun­den; denn vie­le Bü­cher gab es über­haupt nicht in dem Hau­se; aber der Va­ter lach­te, als er es vor ihm auf den Tisch leg­te. Es war ein hol­län­di­scher Eu­k­lid, und Hol­län­disch, wenn­gleich es doch halb Deutsch war, ver­stan­den alle bei­de nicht. »Ja, ja«, sag­te er, »das Buch ist noch von mei­nem Va­ter, der ver­stand es; ist denn kein deut­scher da?«

Der Jun­ge, der von we­nig Wor­ten war, sah den Va­ter ru­hig an und sag­te nur: »Darf ich’s be­hal­ten? Ein deut­scher ist nicht da.«

Und als der Alte nick­te, wies er noch ein zwei­tes, halb zer­ris­se­nes Büch­lein vor. »Auch das?« frug er wie­der.

»Nimm sie alle bei­de!« sag­te Tede Hai­en; »sie wer­den dir nicht viel nüt­zen.«

Aber das zwei­te Buch war eine klei­ne hol­län­di­sche Gram­ma­tik, und da der Win­ter noch lan­ge nicht vor­über war, so hat­te es, als end­lich die Sta­chel­bee­ren in ih­rem Gar­ten wie­der blüh­ten, dem Jun­gen schon so weit ge­hol­fen, daß er den Eu­k­lid, wel­cher da­mals stark im Schwan­ge war, fast über­all ver­stand.

»Es ist mir nicht un­be­kannt, Herr«, un­ter­brach sich der Er­zäh­ler, »daß die­ser Um­stand auch von Hans Momm­sen er­zählt wird; aber vor des­sen Ge­burt ist hier bei uns schon die Sa­che von Hau­ke Hai­en -- so hieß der Kna­be -- be­rich­tet wor­den. Ihr wis­set auch wohl, es braucht nur ein­mal ein Grö­ße­rer zu kom­men, so wird ihm al­les auf­ge­la­den, was in Ernst oder Schimpf sei­ne Vor­gän­ger einst mö­gen ver­übt ha­ben.

Als der Alte sah, daß der Jun­ge we­der für Kühe noch Scha­fe Sinn hat­te und kaum ge­wahr­te, wenn die Boh­nen blüh­ten, was doch die Freu­de von je­dem Mar­sch­mann ist, und wei­ter­hin be­dach­te, daß die klei­ne Stel­le wohl mit ei­nem Bau­er und ei­nem Jun­gen, aber nicht mit ei­nem Halb­ge­lehr­ten und ei­nem Knecht be­ste­hen kön­ne, an­glei­chen, daß er auch sel­ber nicht auf einen grü­nen Zweig ge­kom­men sei, so schick­te er sei­nen großen Jun­gen an den Deich, wo er mit an­dern Ar­bei­tern von Os­tern bis Mar­ti­ni Erde kar­ren muß­te. ›Das wird ihn vom Eu­k­lid ku­rie­ren‹, sprach er bei sich sel­ber.

Und der Jun­ge karr­te; aber den Eu­k­lid hat­te er all­zeit in der Ta­sche, und wenn die Ar­bei­ter ihr Früh­stück oder Ve­s­per aßen, saß er auf sei­nem um­ge­stülp­ten Schub­kar­ren mit dem Bu­che in der Hand. Und wenn im Herbst die Flu­ten hö­her stie­gen und manch ein Mal die Ar­beit ein­ge­stellt wer­den muß­te, dann ging er nicht mit den an­dern nach Haus, son­dern blieb, die Hän­de über die Knie ge­fal­tet, an der ab­fal­len­den See­sei­te des Dei­ches sit­zen und sah stun­den­lang zu, wie die trü­ben Nord­see­wel­len im­mer hö­her an die Gras­nar­be des Dei­ches hin­auf­schlu­gen; erst wenn ihm die Füße über­spült wa­ren und der Schaum ihm ins Ge­sicht spritz­te, rück­te er ein paar Fuß hö­her und blieb dann wie­der sit­zen. Er hör­te we­der das Klat­schen des Was­sers noch das Ge­schrei der Mö­wen und Strand­vö­gel, die um oder über ihm flo­gen und ihn fast mit ih­ren Flü­geln streif­ten, mit den schwar­zen Au­gen in die sei­nen blit­zend; er sah auch nicht, wie vor ihm über die wei­te, wil­de Was­ser­wüs­te sich die Nacht aus­brei­te­te; was er al­lein hier sah, war der bran­den­de Saum des Was­sers, der, als die Flut stand, mit har­tem Schla­ge im­mer wie­der die­sel­be Stel­le traf und vor sei­nen Au­gen die Gras­nar­be des stei­len Dei­ches aus­wusch.

Nach lan­gem Hin­star­ren nick­te er wohl lang­sam mit dem Kop­fe oder zeich­ne­te, ohne auf­zu­se­hen, mit der Hand eine wei­che Li­nie in die Luft, als ob er dem Dei­che da­mit einen sanf­te­ren Ab­fall ge­ben woll­te. Wur­de es so dun­kel, daß alle Er­den­din­ge vor sei­nen Au­gen ver­schwan­den und nur die Flut ihm in die Ohren don­ner­te, dann stand er auf und trab­te halb durch­näßt nach Hau­se.

Als er so ei­nes Abends zu sei­nem Va­ter in die Stu­be trat, der an sei­nen Meß­ge­rä­ten putz­te, fuhr die­ser auf: »Was treibst du drau­ßen? Du hät­test ja ver­sau­fen kön­nen, die Was­ser bei­ßen heu­te in den Deich.«

Hau­ke sah ihn trot­zig an.

»Hörst du mich nicht? Ich sag, du hättst ver­sau­fen kön­nen.«

»Ja«, sag­te Hau­ke; »ich bin doch nicht ver­sof­fen!«

»Nein«, er­wi­der­te nach ei­ner Wei­le der Alte und sah ihm wie ab­we­send ins Ge­sicht -- »dies­mal noch nicht.«

»Aber«, sag­te Hau­ke wie­der, »un­se­re Dei­che sind nichts wert!«

»Was für was, Jun­ge?«

»Die Dei­che, sag ich!«

»Was sind die Dei­che?«

»Sie tau­gen nichts, Va­ter!« er­wi­der­te Hau­ke.

Der Alte lach­te ihm ins Ge­sicht. »Was denn, Jun­ge? Du bist wohl das Wun­der­kind aus Lü­beck!«

Aber der Jun­ge ließ sich nicht ir­ren. »Die Was­ser­sei­te ist zu steil«, sag­te er; »wenn es ein­mal kommt, wie es mehr als ein­mal schon ge­kom­men ist, so kön­nen wir hier auch hin­term Deich er­sau­fen!«

Der Alte hol­te sei­nen Kauta­bak aus der Ta­sche, dreh­te einen Schrot ab und schob ihn hin­ter die Zäh­ne. »Und wie­viel Kar­ren hast du heut ge­scho­ben?« frug er är­ger­lich; denn er sah wohl, daß auch die Deich­ar­beit bei dem Jun­gen die Denk­ar­beit nicht hat­te ver­trei­ben kön­nen.

»Weiß nicht, Va­ter«, sag­te die­ser, »so, was die an­dern mach­ten; viel­leicht ein hal­b­es Dut­zend mehr; aber -- die Dei­che müs­sen an­ders wer­den!«

»Nun«, mein­te der Alte und stieß ein La­chen aus; »du kannst es ja viel­leicht zum Deich­graf brin­gen; dann mach sie an­ders!«

»Ja, Va­ter!« er­wi­der­te der Jun­ge.

Der Alte sah ihn an und schluck­te ein paar­mal; dann ging er aus der Tür; er wuß­te nicht, was er dem Jun­gen ant­wor­ten soll­te.

*

Auch als zu Ende Ok­t­obers die Deich­ar­beit vor­bei war, blieb der Gang nord­wärts nach dem Haff hin­aus für Hau­ke Hai­en die bes­te Un­ter­hal­tung; den Al­ler­hei­li­gen­tag, um den her­um die Äqui­nok­ti­al­stür­me zu to­sen pfle­gen, von dem wir sa­gen, daß Fries­land ihn wohl be­kla­gen mag, er­war­te­te er wie heut die Kin­der das Christ­fest. Stand eine Spring­flut be­vor, so konn­te man si­cher sein, er lag trotz Sturm und Wet­ter weit drau­ßen am Dei­che mut­ter­see­len­al­lein; und wenn die Mö­wen ga­cker­ten, wenn die Was­ser ge­gen den Deich tob­ten und beim Zu­rück­rol­len gan­ze Fet­zen von der Gras­de­cke mit ins Meer hin­a­bris­sen, dann hät­te man Hau­kes zor­ni­ges La­chen hö­ren kön­nen. »Ihr könnt nichts Rech­tes«, schrie er in den Lärm hin­aus, »so wie die Men­schen auch nichts kön­nen!« Und end­lich, oft im Fins­tern, trab­te er aus der wei­ten Öde den Deich ent­lang nach Hau­se, bis sei­ne auf­ge­schos­se­ne Ge­stalt die nied­ri­ge Tür un­ter sei­nes Va­ters Rohr­dach er­reicht hat­te und dar­un­ter durch in das klei­ne Zim­mer schlüpf­te.

Manch­mal hat­te er eine Faust voll Klei­er­de mit­ge­bracht; dann setz­te er sich ne­ben den Al­ten, der ihn jetzt ge­wäh­ren ließ, und kne­te­te bei dem Schein der dün­nen Un­schlitt­ker­ze al­ler­lei Deich­mo­del­le, leg­te sie in ein fla­ches Ge­fäß mit Was­ser und such­te dar­in die Auss­pü­lung der Wel­len nach­zu­ma­chen, oder er nahm sei­ne Schie­fer­ta­fel und zeich­ne­te dar­auf das Pro­fil der Dei­che nach der See­sei­te, wie es nach sei­ner Mei­nung sein muß­te.

Mit de­nen zu ver­keh­ren, die mit ihm auf der Schul­bank ge­ses­sen hat­ten, fiel ihm nicht ein, auch schi­en es, als ob ih­nen an dem Träu­mer nichts ge­le­gen sei. Als es wie­der Win­ter ge­wor­den und der Frost her­ein­ge­bro­chen war, wan­der­te er noch wei­ter, wo­hin er frü­her nie ge­kom­men, auf den Deich hin­aus, bis die un­ab­seh­ba­re eis­be­deck­te Flä­che der Wat­ten vor ihm lag.

Im Fe­bru­ar bei dau­ern­dem Frost­wet­ter wur­den an­ge­trie­be­ne Lei­chen auf­ge­fun­den; drau­ßen am of­fe­nen Haff auf den ge­fro­re­nen Wat­ten hat­ten sie ge­le­gen. Ein jun­ges Weib, die da­bei­ge­we­sen war, als man sie in das Dorf ge­holt hat­te, stand red­se­lig vor dem al­ten Hai­en. »Glaubt nicht, daß sie wie Men­schen aus­sa­hen«, rief sie; »nein, wie die See­teu­fel! So große Köp­fe«, und hielt die aus­ge­spreiz­ten Hän­de von wei­tem ge­gen­ein­an­der, »gnid­der­schwarz und blank, wie frisch­ge­ba­cken Brot! Und die Krab­ben hat­ten sie an­ge­knab­bert; und die Kin­der schri­en laut, als sie sie sa­hen!«

Dem al­ten Hai­en war so was just nichts Neu­es. »Sie ha­ben wohl seit No­vem­ber schon in See ge­trie­ben!« sag­te er gleich­mü­tig.

Hau­ke stand schwei­gend da­ne­ben; aber so­bald er konn­te, schlich er sich auf den Deich hin­aus; es war nicht zu sa­gen, woll­te er noch nach wei­te­ren To­ten su­chen, oder zog ihn nur das Grau­en, das noch auf den jetzt ver­las­se­nen Stel­len brü­ten muß­te. Er lief wei­ter und wei­ter, bis er ein­sam in der Öde stand, wo nur die Win­de über den Deich weh­ten, wo nichts war als die kla­gen­den Stim­men der großen Vö­gel, die rasch vor­über­schos­sen; zu sei­ner Lin­ken die lee­re wei­te Marsch, zur an­dern Sei­te der un­ab­seh­ba­re Strand mit sei­ner jetzt vom Eise schim­mern­den Flä­che der Wat­ten; es war, als lie­ge die gan­ze Welt in weißem Tod.

Hau­ke blieb oben auf dem Dei­che ste­hen, und sei­ne schar­fen Au­gen schweif­ten weit um­her; aber von To­ten war nichts mehr zu se­hen; nur wo die un­sicht­ba­ren Watt­strö­me sich dar­un­ter dräng­ten, hob und senk­te die Eis­flä­che sich in stro­mar­ti­gen Li­ni­en.

Er lief nach Hau­se; aber an ei­nem der nächs­ten Aben­de war er wie­der­um da drau­ßen. Auf je­nen Stel­len war jetzt das Eis ge­spal­ten; wie Rauch­wol­ken stieg es aus den Ris­sen, und über das gan­ze Watt spann sich ein Netz von Dampf und Ne­bel, das sich selt­sam mit der Däm­me­rung des Abends misch­te. Hau­ke sah mit star­ren Au­gen dar­auf hin; denn in dem Ne­bel schrit­ten dunkle Ge­stal­ten auf und ab, sie schie­nen ihm so groß wie Men­schen. Wür­de­voll, aber mit selt­sa­men, er­schre­cken­den Ge­bär­den; mit lan­gen Na­sen und Häl­sen sah er sie fern an den rau­chen­den Spal­ten auf und ab spa­zie­ren; plötz­lich be­gan­nen sie wie Nar­ren un­heim­lich auf und ab zu sprin­gen, die großen über die klei­nen und die klei­nen ge­gen die großen; dann brei­te­ten sie sich aus und ver­lo­ren alle Form.

›Was wol­len die? Sind es die Geis­ter der Er­trun­ke­nen?‹ dach­te Hau­ke. »Hoiho!« schrie er laut in die Nacht hin­aus; aber die drau­ßen kehr­ten sich nicht an sei­nen Schrei, son­dern trie­ben ihr wun­der­li­ches We­sen fort.

Da ka­men ihm die furcht­ba­ren nor­we­gi­schen See­ge­spens­ter in den Sinn, von de­nen ein al­ter Ka­pi­tän ihm einst er­zählt hat­te, die statt des An­ge­sichts einen stump­fen Pull von See­gras auf dem Na­cken tra­gen; aber er lief nicht fort, son­dern bohr­te die Ha­cken sei­ner Stie­fel fest in den Klei des Dei­ches und sah starr dem pos­sen­haf­ten Un­we­sen zu, das in der ein­fal­len­den Däm­me­rung vor sei­nen Au­gen fort­spiel­te. »Seid ihr auch hier bei uns?« sprach er mit har­ter Stim­me; »ihr sollt mich nicht ver­trei­ben!«