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Der Schmidt Max macht ein Buch! Kult-Moderator Schmidt Max präsentiert seine schönsten Erlebnisse. Humorvoll, urig, informativ! Zum 30-jährigen Jubiläum des beliebten BR-Fernsehmagazins "freizeit" Man kennt ihn aus dem Fernsehen: den Schmidt Max, mit seinen unverwechselbaren Koteletten und dem charmanten bayerischen Zungenschlag. Er ist ein umtriebiger Lebenskünstler, der aber nie die nötige Ruhe verliert. Nun versammelt das Münchner Urgestein erstmals seine persönlichen Highlights als Moderator des BR-Magazins "freizeit" in einem Buch. Vom Eisschwimmen und Nostalgie-Skifahren übers Kräuterwandern, Schweinsbratenkochen und Zwetschgendatschibacken bis hin zum Selberbauen von Rodel, Uhr oder Sarg: 29 Kapitel bieten die schönsten Hintergründe, Anekdoten und Fotoaufnahmen zu den Themen: · Reisen · Natur · Sport · Kulinarik · Heimwerken
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Seitenzahl: 244
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MIT TEXTEN VONELMAR TANNERT UNDBILDERN VONANDRÉ GOERSCHEL
Brauchtumspflegeder besonderen Art: ein Bier im Denkmal
Der perfekteZwetschgendatschi
Waldbaden– sag bloß nicht Spaziergang dazu
Vom Reiz der Kälte:W-w-w-wi-hinterschwimmen
Mit dem Aufzug ins Grüne:schwebende Gärten
Diebeste Pizzader Welt
Nerven wie Drahtseile:Übernachten in der Steilwand
Auf dem SUPdurch Venedig
O’zogn is:Wiesn-Outfitselber machen
Säen, düngen, mähen, mulchen:der perfekte Rasen
Mitdem Wasserflugzeugüber dem Comer See
Auf einerKräuterwanderungzur Hausapotheke Natur
EineAudienz beim Papst
Nostalgie pur:Skifahrenwie vor 100 Jahren
Zu Besuch imErdbeerhimmel
Reiten lernenin fünf Tagen
Eineselbst gebaute Uhr
Die Schönheit der Erschöpfung beimRetro-Radrennen Eroica
Schwammerlsucheim Winter
Flussschwimmenin Zürich
So knusprig, so gut:der Sonntagsbraten
Wandern im Regen –herrlich, nichts wie raus
Das allmächtigeTaschenmesser
Italienisch verführt mitRisottovariationen
Auf demFränkischen Rotwein-Wanderweg
EinenRodelselber bauen
Ein Gourmetmenüvom Lagerfeuer
Einmal Held sein beimhistorischen Bobrennen
Die ewige Ruhe imselbst gebauten Sarg
Der Schmidt Max wurde 1968 in München geboren.Er ist Schauspieler und Fernsehmoderator.Seit 2003 moderiert er das BR-Magazin freizeit.Er lebt in München und am Chiemsee.
Der Schmidt Max macht jetzt also ein Buch. Aha. Weil?
Die Antwort ist relativ einfach: weil’s Zeit wird. Vor dreißig Jahren haben sich Herbert Stiglmaier und Frank Meißner auf den Weg gemacht, eine ganz besondere Sendung für das Bayerische Fernsehen zu entwickeln. Die freizeit. Ein Format, das es so in der deutschen Fernsehlandschaft noch nicht gab. Thematisch bunt und unterhaltsam. Es war die Zeit der VHS-Recorder und Fernsehzeitschriften. Fünf Moderator*innen gaben der Sendung in den ersten zwölf Jahren ein Gesicht. Seit 2003 darf nun ich diese wunderbare Sendung moderieren. Besser gesagt: erleben. Umgeben von einem großartigen Team, bei dem ich so sein darf, wie ich bin. Ebenso großartig sind all die Bekanntschaften, die ich vor der Kamera machen durfte und immer noch darf. Tolle Menschen mit viel Enthusiasmus und vor allem Humor bei jeder einzelnen Produktion. Und dieses Lebensgefühl, die ganzen Erfahrungen, die Vielzahl an Themen und Begegnungen, das soll jetzt also alles irgendwie in ein Buch. Aha.
Wie? Keine Ahnung. Bei bislang an die 280 Sendungen mit mir eine schier unmögliche Aufgabe. Es muss also eine Auswahl getroffen werden. Genau. Und im besten Fall stehen die auch stellvertretend für alle anderen. Ja, so könnte es gehen. Schließlich heißt es ja: Der Schmidt Max macht ein Buch und nicht zehn. Außerdem braucht eine zehnbändige Enzyklopädie dann doch a bissal viel Platz aufm Nachtkastl. Ich freue mich jedenfalls sehr über dieses Buch und kann mich nur bei allen Beteiligten recht herzlich für dieses Kunststück bedanken.
So, aber jetzt halte ich Sie nicht mehr länger auf. Schließlich haben Sie ja gerade Freizeit. Und diese, das kann ich sagen, ist kostbar. Also, viel Spaß beim Lesen.
Nichts weniger als die erste Freizeit-Sendung im deutschen Fernsehen wollten wir erfinden. Die Premiere wurde wochenlang beworben und dann, tja, dann fielen wir zum Sendestart gleich mal aus. Genau am dafür festgelegten Tag, am 17. Januar 1991, begann der Zweite Golfkrieg …
Als Nächstes planten wir Eissegeln auf den Kärntner Seen, nur leider hatten wir drei Tage völlige Flaute. Beim Ersatzdreh, einer Schlittentour, brach sich Moderatorin Stefanie Tücking zwei Rippen. Und bei einer Folge wenig später kippte Moderator Herbert Gogel samt Kamera aus einem Heißluftballon.
Uns Machern war klar: Das halten wir keine sechs Monate durch. Daraus sind nun dreißig Jahre geworden – und es gibt uns noch immer.
Wir sind Absolventen der Deutschen Journalistenschule und glühende 1860-Anhänger mit Dauerkarte in der Stehhalle des Grünwalder Stadions. Außerhalb des Stadions und der Redaktion gründelt Stiglmaier in seinem Weinkeller als IHK-geprüfter Sommelier, während der Fliegenfischer Meißner dem Huchen, seinem Lieblingsfisch, folgt.
Im Geiste vereint, im Temperament doch recht unterschiedlich. Und so »darf« der Max mal im Römertopf kochen, muss aber zwei Wochen später als tauchende Putzkolonne im Haifischbecken schrubben. Mit Haien versteht sich.
Froh, so einen Teufelskerl entdeckt zu haben, begann 2003 die noch erfolgreichere Zeit dieser Sendung, die glücklicherweise bis heute andauert. Den Schmidt Max komplettiert der alte grüne Opel Kadett seines Opas, eine abgetragene cognacfarbene Lederjacke und sein lichter werdendes Haupthaar, an dessen Verlust er gerne öffentlich leidet. Seit dreißig Jahren schreiben wir die Drehbücher zur Sendung. Wir – dazu gehört seit bald zwei Jahrzehnten auch Sylvie Menning. Über 1 000 Themen sind es inzwischen geworden. Bei besonders kniffligen Aufgaben fragt der Schmidt Max: Habt ihr es selber ausprobiert? Haben wir. Und deshalb baumelt der Max schon mal beim Übernachten in einer 400 Meter hohen Steilwand (siehe Seite 64) oder muss achtzig Kilometer mit dem alten Stahlrennrad die Schotterpisten der Eroica (siehe Seite 156) überstehen. Zum Ausgleich gibt’s Reisen zu Wein und Kulinarik – von Tomate bis Datschi (siehe Seiten 20, 58 u. 214).
Mit dieser Mischung aus Wahnsinn und Wellness, von Arschbacken bis Kuchenbacken haben wir fünf Mal den »Columbus« gewonnen, den Oscar des deutschen Reise-Journalismus, dazu den Katholischen Medienpreis der Deutschen Bischofskonferenz für unseren gefilmten Versuch, eine Papst-Audienz bei Franziskus (siehe Seite 110) zu bekommen, außerdem den Deutschen Denkmalschutz-Preis und die Bayerische Denkmalschutzmedaille.
Der Todfeind eines Magazins sind ordentliche Geschichten – ordentliches Thema, ordentlich recherchiert, ordentliche Bilder: das einzige Schlafmittel, das mit den Augen eingenommen wird. So etwas wollen wir auch in Zukunft bestmöglich verhindern.
Eine Auswahl unserer ungewöhnlichsten Geschichten finden Sie hier im Buch. Viel Freude beim Ausprobieren. Denn das war uns immer das Wichtigste: Alle verfilmten Abenteuer sind garantiert nachmachbar.
Frank Meißnerund Herbert Stiglmaier
Zwetschgen vom Baum, Teig anrühren, Zwetschgen auf Teig, in den Ofen damit, halbe Stunde warten und – fertig ist er, der Zwetschgenkuchen. Zwetschgenkuchen? Doch wohl eher der bayerische Zwetschgendatschi – oder? Der Schmidt Max kommt ins Grübeln, denn er hat munkeln hören, dass man in manchen Regionen auch von einem »Zwetschgenblootz« spricht. Aber wie schreibt man den bloß? Blootz oder Bloods oder gar Plotz wie Hotzenplotz, weil die Großmutter in den Geschichten vom Räuber Hotzenplotz auch immer Zwetschgenkuchen backt?
Noch wichtiger aber ist die Geschmacksfrage. Macht man einen Mürbteig? Macht man einen Hefeteig? Und: Macht man den Datschi respektive Blootz rund oder eckig? Auch dies gehört ganz klar zu den Geschmacksfragen. Schließlich schmecken Spaghetti ja auch anders als Tagliatelle oder Makkaroni.
Zur Klärung dieser Fragen hilft nur, sich auf Reisen zu begeben, dorthin, wo die Fachleute zu Hause sind. Die erste Reise führt den Schmidt Max ins unterfränkische Mönchsondheim und dort wiederum zuerst zum Heimatforscher Reinhard Hüßner, der den Schmidt Max sogleich auf einen Baum schickt. »Reif ist die Frucht, wenn beim Rupfen der Stiel am Ast bleibt«, schärft er ihm ein.
Während der Schmidt Max hoch oben am Baum emsig pflückt, eingedenk des Bibelwortes im Schweiße deines Angesichts sollst du deinen Datschi essen, schwelgt Herr Hüßner in Erinnerungen an goldene Zwetschgenzeiten. Rund 60 000 Bäume habe es allein im Landkreis Kitzingen gegeben, doch im Lauf der Jahrzehnte habe man ihnen den Garaus gemacht, unter anderem bei Flurbereinigungen. Da habe es Prämien für die Abholzung der Bäume gegeben – heute würden Prämien für Neuanpflanzungen ausgezahlt. Auch seien früher, erfährt der Schmidt Max weiter, die Zwetschgen waggonweise als »Prünellen«, gedörrt und in Rauch getrocknet, exportiert worden; aber: Aufwand groß, Erlös gering, das tue sich niemand mehr an.
»Ein Grund mehr«, meint der schwitzende Schmidt Max, als er mit vollem Korb hinunterklettert, »den Datschi hochleben zu lassen!« Herrn Hüßners bisher freundliche Miene umwölkt sich. Der Schmidt Max ist ins fränkische Fettnäpfchen getreten. Blootz, nicht Datschi, so Herr Hüßner, sage man in Franken, denn das fränkische Wort Blootz heiße zu Hochdeutsch »Platz«, und weil der Blootz genau so flach und rund sei wie ein Blootz, heiße der Blootz eben Blootz.
Schmidt Max ist insgesamt ein schöner Beruf, bei dem man viel herumkommt, doch verlangt er auch die Bereitschaft, jedwede Herausforderung anzunehmen und auch mal ins kalte Wasser zu springen. Dass dies zuweilen wörtlich zu verstehen ist, hat ihm jedoch vorher keiner gesagt. Selbst dann nicht, als man ihn nach Burghausen schickte; dort gebe ein sogenannter Extremschwimmer namens Christof Wandratsch irgendwelche Winterschwimmkurse, das solle er sich mal ansehen.
Wahrer Individualismus zeigt sich nicht ausschließlich in der Wahl des Reiseziels. Sondern eher darin, wie man sich die Zeit am Reiseziel gestaltet. Deshalb kann einer wie der Schmidt Max sogar nach Venedig fahren, ohne sich in einen Massentouristen zu verwandeln (und das, wohlgemerkt, schon in Vor-Coronazeiten).
Der Individualtourismus steht und fällt mit der Wahl der Unterkunft und des Fortbewegungsmittels. Eingemietet hat sich der Schmidt Max für lässige 55 Euro in einem Palazzohotel namens Casa Cardinal Piazza, wunderschön ruhig gelegen, mit hauseigenem Park. Als Fortbewegungsmittel wiederum hat er sich ein SUP auserkoren, eine Art Kreuzung aus Surfbrett und Paddelboot also, inklusive individueller Grundausbildung bei der charmanten Diplomstehpaddlerin Eliana Argine im Stadtviertel Cannaregio, die nebenbei auch studierte Anthropologin, lizenzierte Stadtführerin sowie Präsidentin des Surf Club Venezia ist.
Sie muss dem Schmidt Max auch gleich die Grenzen des Individualismus aufzeigen: Ganz allein auf die venezianischen Wasserstraßen loslassen kann sie ihn nicht – da könnte man ebenso gut ein Kind auf dem Dreirad in den Großstadtverkehr schicken. Und weil es außerdem verboten ist, ins Wasser zu fallen, muss zuallererst die korrekte SUP-Haltung geübt werden, zunächst im Knien, dann im Stehen. Jetzt zahlen sich die Ballettstunden aus der Kindheit aus – der Schmidt Max bekommt von Eliana ein »fantastico!« geschenkt. Nur aufpassen heißt’s, um sich von vorübereilenden Motorbooten nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.
Beim Stand-up-Paddling kann man Venedig auch von einer ruhigeren Seite kennenlernen, quasi »durch die Hintertür«
Die zweistündige Einsteigertour auf dem extra breiten Einsteigerboot führt zunächst zur gotischen Kirche Madonna dell’ Orto mit dem vierzehn Meter hohen Gemälde Die Anbetung des Goldenen Kalbes von Jacopo Tintoretto.
Noch mehr indes beeindruckt den Schmidt Max die weitgehende Abwesenheit der Spezies Mensch. Es gibt also viel zu sehen, aber relativ wenig zu hören. Man müsste jetzt nur noch beim Paddeln fotografieren können, denkt der Schmidt Max, um die vielen Einblicke in Gassen und Kanäle festzuhalten. Andererseits aber auch wieder gut, dass man es nicht kann, weil man schon genug damit zu tun hat, auf die Verkehrsregeln und Verkehrszeichen zu achten und vor jeder Kreuzung »a stagando« oder »a premando« zu rufen, um zu signalisieren, aus welcher Richtung man kommt.
Nach der Einsteigertour stehen dem Schmidt Max die höheren Weihen bevor, wenngleich er konstatieren muss, dass zwei Stunden individuelles Paddeln der Anstrengung von acht Stunden Normaltouristenprogramm gleichkommen, vielleicht aber auch nur acht Stunden von irgendwas anderem, Wäsche aufhängen, Tango tanzen oder was es sonst eben so gibt im Leben.
Dottoressa Eliana Argine hat auf dem SUP schon die halbe Welt bereist und den Surf Club von Venedig gegründet
Deshalb werden die höheren Weihen auch auf den nächsten Tag verschoben. Sie beinhalten insbesondere das Stehpaddeln auf dem Canal Grande, dem Mittleren Ring von Venedig sozusagen, wo sich die halbe Menschheit eigens dafür in Wasserfahrzeugen jeglicher Art versammelt, um Individualwasserreisende wie den Schmidt Max aus dem mühsam erkämpften Gleichgewicht zu bringen.
Das Frühstück fällt mit einem Espresso und einem marmeladegefüllten Cornetto nicht allzu üppig aus, aber dennoch fühlt sich der Schmidt Max dem Tag gewachsen – Eliana hat ihm als Ausgleich für den Paddlerstress am Canal Grande ein traditionell venezianisches Essen in Aussicht gestellt, beschauliche Kulturerlebnisse außerdem.
Ihr erster, noch geruhsamer Paddelweg führt sie zum Ghetto Nuovo, dem alten Eisengießerviertel, in dem einst vertriebene Juden aus Mitteleuropa Zuflucht fanden. Damit wurde wohl das Wort ghetto, das eigentlich »Gießerei« bedeutet, zur Bezeichnung für ein abgetrenntes Wohngebiet.
Nebenbei hat der Schmidt Max auf seiner Besichtigungstour das irritierende Gefühl, seinerseits besichtigt zu werden, von Spaziergängern oder Rentnerpaaren am Fenster, die sich zu fragen scheinen, wie lange das wohl noch gut gehen wird mit ihm, dem SUP und dem Gleichgewicht. Aber es geht gut, sogar überraschend gut angesichts dessen, dass sie mittlerweile in belebteren Wasserstraßen angelangt sind.
An der nächsten Station, der Museumswerft von Giovanni Caniato, wo historische Gondeln restauriert und konserviert werden, bekommt der Schmidt Max wieder festen Boden unter den Füßen, und ein paar Schritte weiter, in der Osteria Al Mariner, die versprochene Stärkung. Zugleich eine hübsche Gelegenheit für den Schmidt Max, mit Elianas Hilfe sein Italienisch ein wenig aufzupolieren – »dimme un ombra«, »gib mir einen Schatten« sagt man hier, wenn man ein Gläschen Wein zu sich nehmen möchte. Dies stammt noch aus der Zeit, als der Wein an Stehausschänken kredenzt wurde, die wegen der Hitze mit dem Schatten mitwandern mussten. Nebenbei erschließt sich, dass man offenbar auch einem Stehpaddler eine gewisse Promillemenge Alkohol im Blut gewährt. Für die Erhaltung der Balance wird hoffentlich der zum Wein gereichte Stockfisch sorgen.
Und weiter geht’s, vorbei an der Statue des venezianischen Freiheitskämpfers Paolo Sarpi und Gott sei Dank durch Kanäle, die mit einem weißen Gondoliere auf blauem Grund beschildert sind. Heißt: Nur Ruderboote sind hier erlaubt; wellenschlagende Motorboote könnten einen beschwipsten Schmidt Max ins Trudeln bringen.
Eine Weile noch muss er sich als Stehpaddler bewähren, dann darf er wieder ein Stück zu Fuß gehen. Eliana lenkt seine Schritte allerdings auch an Land auf Wege abseits der überlaufenen Touristenpfade. In einer stillen Seitengasse liegt die Werkstatt von Piero Dri. Er hat sich nach einem Studium der – ja, der Schmidt Max hat schon richtig gehört – Astrologie dem Beruf des fórcolario zugewandt, hat eine siebenjährige Ausbildung absolviert und befasst sich seither mit der Herstellung und Restaurierung der Gondelgangschaltung, sprich, des gabelartigen maßgeschneiderten Ruders in den Händen eines Gondoliere.
An einer solchen Gabel, gefertigt aus zwei Jahre gelagertem Walnussholz, schnitzt Piero eine gute Woche und bringt sie für bis zu 1 200 Euro an den Mann, nicht immer indes an einen Gondoliere: Auch als Deko fürs Wohnzimmer ist so eine Fórcola sehr beliebt. Dort hält sie im Prinzip auch unbegrenzt, während sie als Dienstgabel eine Mindesthaltbarkeit von fünfzehn bis zwanzig Jahren hat.
Als echte Venezianerin kennt Eliana auch versteckte Ecken, und sie weiß, wo es den besten Sprizz gibt
Anreise
Nach Venedig kommt man mit dem Auto, dem Bus – oder ganz bequem mit dem »Nightjet« (ÖBB): knapp 12 Stunden dauert zum Beispiel die Zugfahrt München–Venedig. Um 20 Uhr einsteigen und am nächsten Morgen entspannt um 8 Uhr in der Sonne aussteigen
Infos (u. a. zu Spartickets) unter:
www.nightjet.com
Zum Nachlesen
Christian Barth, SUP. Stand Up Paddling. Material, Technik, Spots, Delius Klasing Verlag 2019
Karl Johaentges u. Luana Castelli, Die letzten Venezianer. Leben in der Lagunenstadt, terra magica 2014
Ein Werkstattbesuch macht Durst. Eliana stillt ihn, diesmal alkoholfrei, am nächsten Trinkbrunnen. Nein, Schmidt Max, hier wird nicht etwa das trübe Kanalwasser hochgepumpt, in das du nicht hineinfallen darfst; hier sprudelt Wasser aus der fünfzehn Kilometer entfernten Quelle San Benedetto, für das sie dir in einem Café am Markusplatz zwanzig Euro abknöpfen würden.
Der nächste Geheimtipp ist die antiquarische Buchhandlung Acqua Alta, und wer – wie der Schmidt Max – im Lateinunterricht immer gut aufgepasst hat, weiß, dass das Geschäft nach Hochwasser benannt ist. Als Aufbewahrungsort für Bücher dienen neben Regalen auch ausrangierte Gondeln und Badewannen, die verraten, dass im Namen der Buchhandlung auch leidvolle Erfahrung steckt. Bei Normalwasserstand, wie jetzt, könnte diese Buchoase auch als Arbeitszimmer eines Schriftstellers durchgehen, der darin sein ganzes Leben verbracht hat und außerdem ein großer Katzenfreund ist.
Der Schmidt Max bekommt von Buchhändler Luigi das passende Werk in die Hand gedrückt – eine illustrierte Geschichte des Stand-up-Paddling. SUP ist nämlich keineswegs ein Modegag vom letzten Jahr, sondern geht auf die 1950er-Jahre zurück. Hawaiianische Surflehrer paddelten damit neben ihren Schützlingen her. In den Achtzigern verschwanden die SUPs wieder von der Bildfläche, um im Jahr 2000, als auf Hawaii Wind und Wellen ausblieben, wiederbelebt zu werden.
Am zweiten Tag geht es unter Anleitung Elianas und Einhaltung der Verkehrsregeln auf den belebten Canal Grande
Nun war der Schmidt Max aber immer noch nicht auf dem Canal Grande. Eliana führt ihn vorher noch geschwind zur Basilica di San Marco. Als Tourist muss man hier eine Stunde anstehen. Wer aber, wie der Schmidt Max, vor der letzten und größten venezianischen SUP-Herausforderung ein Stoßgebet sprechen will, schlüpft ganz ohne Wartezeit durch den Nordeingang hinein. Andere Gebetsanlässe gelten natürlich auch, aber: Man muss es ernst meinen.
Frisch gestärkt im Glauben und voll Gottvertrauen lässt sich nun der Schmidt Max zum Canal Grande lotsen, auf dem es zugeht wie am Montagmorgen im Münchner Berufsverkehr. Gegen die trotz Stoßgebet aufkeimende Nervosität hilft ihm eine Stegreifarie. »Grande momento!«, schmettert der Schmidt Max aus tiefster Paddlerheldenbrust in seinem besten Italienisch, mit einer Baritonstimme, die er täglich unter der Dusche trainiert, »grande momento! Traffico, multi traffico! Canal grande schaukelo!«
Ein Boot mit einer japanischen Reisegruppe zieht dicht am Schmidt Max vorbei. Die Damen applaudieren dezent, die Herren verbeugen sich. Dann zücken sie alle ihre Smartphones und Kameras. Vielleicht wird er jetzt auch in Japan berühmt, der Schmidt Max.
Casa Cardinal Piazza
Cannaregio 3539/a30121 Venedig
www.casacadinalpiazza.org
Museumswerft Arzanà
www.arzana.org
Libreria Acqua Alta
Calle Lunga Santa MariaFormosa 5176b30122 Venedig
SUP in Venice
www.supinvenice.com
Infos zu SUP-Technik u. Fahrtraining:
www.sup-mag.de
»Nein, Schmidt Max! Die Schere bekommst du nicht!« Erinnerungen an die Kindheit werden wach. Es ist aber nicht dem Schmidt Max seine Mutter, die da gerade spricht, sondern die Modedesignerin Gudrun, in deren fachliche Obhut er sich begeben hat.
»Das ist nämlich meine Schere! Hast du denn keine eigene mitgebracht?«
Hat der Schmidt Max leider versäumt. Scherenmangel herrscht bei ihm zu Hause zwar nicht, aber welche der vielen Scheren nun die richtige gewesen wäre …?
Gudrun meint es übrigens keineswegs zickig.
»Jeder braucht seine eigene Stoffschere, Schmidt Max, und ich kann dir auch erklären, warum: Durch unterschiedlichen Druck wird sie stumpf.«
»Die ist an dich gewöhnt?«
»Sozusagen.«
»Und bleibt dadurch immer scharf?«
»Ja. Sie hat meinen Griff. Deswegen darf sie keiner ausleihen. – Hier hab ich noch eine alte, die kannst du nehmen.«
Kann der Schmidt Max verstehen. Mit seinem alten Kadett geht es ihm ja nicht unähnlich. Da sitzt stets nur er auf dem Fahrersitz und kein anderer. Weil nur er und sonst niemand den richtigen Tritt auf die Kupplung und den richtigen Griff am Schalthebel hat.
So weit, so gut. Was indes dazu geführt hat, dass er sich mit seinem Opel nach Söchtenau begeben hat, um in Gudruns Atelier Lieblingsteil eine Näharbeit anzufangen, lässt sich nicht so kurz und bündig beantworten.
Begonnen hat es damit, dass der Schmidt Max vor einiger Zeit ein paar abgetragene Sachen zum Altkleidercontainer bringen wollte. Aber was heißt schon »abgetragen«? Eigentlich geht’s nur um ein paar abgewetzte Stellen hie und da. Ansonsten schaut der Stoff noch gut aus. Man könnte schon noch was machen draus. Also sind die ausrangierten Kleidungsstücke erst einmal wieder beiseitegelegt worden.
Dann rückte der Geburtstag seiner Nichte näher. Was wünschte die junge Dame? Einen Einkaufsgutschein für ein Trachtenoutlet, damit sie stilecht auf die Wiesn gehen kann. Stilecht! Genauso stilecht wie die Amerikanerinnen und Australierinnen, die sich ihre Tracht im Internet bestellen – und am Ende kommt sie in pinkfarbenen Kniebundhosen daher. Oder im Minidirndl.
In Söchtenau nahe dem Chiemsee kann man sich in der Werkstatt von Modedesignerin Gudrun sein eigenes upgecyceltes Dirndl nähen
Nur zehn Mal vernähen muss sich der Schmidt Max, dann kommt ihm die Expertin zu Hilfe
Nun lässt sich unter Fachleuten durchaus darüber streiten, ob das Dirndl überhaupt auf die Wiesn gehört. Aber immerhin stünde »selbstgeschneidert« für eine traditionelle Herstellungsweise. Und ein unverwechselbares Unikat käme auch dabei raus. Also ein ideales Geschenk.
Deswegen sitzt der Schmidt Max jetzt also in Gudruns Atelier in Söchtenau im Landkreis Rosenheim, hat ihre alte Stoffschere in der Hand und verarbeitet die Altkleider, die er vor dem Reißwolf bewahrt hat, darunter auch eine alte Jeans, zu einem Miederdirndl. Wenn es nix wird, kann er es ja immer noch in den Altkleidercontainer werfen.
Die Seitennaht des Jeans-Hosenbeins wird beim Zuschnitt des Dirndloberteils zur Rückennaht. Den Schnitt, lernt der Schmidt Max, zeichnet man sich besser mit Seife (Gudruns Geheimtipp!) als mit Schneiderkreide an. Seife geht nämlich garantiert wieder raus, Schneiderkreide dagegen kann auch mal versehentlich festgebügelt werden.
Der Schmidt Max lernt dann auch, was ein Blindstichfuß und was ein Steppfuß ist, wie man aus Schrägband Ziernähte macht, und dass eine Nähmaschine, sollte er sich je eine anschaffen wollen, schön schwer zu sein hat, damit sie nicht davonhoppelt.
Man kann sagen, dass der Schmidt Max schon öfter im Leben von seinen eigenen Fähigkeiten überrascht war, sei es beim Übernachten in der Steilwand (siehe Seite 64), sei es beim Backen von Zwetschgendatschi (siehe Seite 20). Noch nie aber war er so sehr von sich selber hingerissen wie in jenem Moment, als er die Nähmaschine in Gang setzte und ein Rautenmuster aus den vollendetsten Wiener Nähten, die die Welt je gesehen hat, in den Stoff zauberte. Eigentlich hatte er ja eher erwartet, Gudruns Notfallservice nutzen zu müssen: »Wenn du dich zehnmal vernäht hast, dann helf ich dir.«
Nun aber blickt sie ihm über die Schulter und macht Komplimente. »Respekt, Schmidt Max! Als hättest du nie etwas anderes gemacht!«
Zur Auffrischung des Dirndls, sollte es nach einem Ausgehabend einmal zammgsessn aussehen, empfiehlt Gudrun, man solle das gute Stück einfach im Badezimmer aufhängen und eine heiße Dusche nehmen, dann werde es ganz von selbst wieder glatt und schön. Ein Rezept, das sich der Schmidt Max merken kann – auch er kommt ja stets glatter und schöner aus der heißen Dusche, als er vorher war.
So zufrieden sieht man nach seiner ersten Naht aus – das Oberteil des Miederdirndls wird aus einer alten Jeans gemacht
Da es aber bekanntlich nichts gibt, was man nicht noch besser oder schöner machen könnte, beschließt er, auch seinen eigenen Trachtenauftritt ein wenig aufzumöbeln. Am Gewand selber feit si nix, aber neue Schuhe dazu könnte er wieder einmal brauchen. Haferlschuhe. Nähen kann er ja jetzt, das wird ihm beim Schuhmachen zugutekommen.
Schön, dass es auch Schuhmachermeister gibt, die wie Gudrun eine Werkstatt betreiben, in der die handwerkliche Genialität eines Schmidt Max in die richtigen Bahnen gelenkt wird. Markus Nöß in Pfronten ist so einer. Seine Werkstatt ist ein Familienbetrieb, in dem auch der 93-jährige Senior noch mitwerkelt, an Maschinen, die der Vater des Seniors vor dem Ersten Weltkrieg angeschafft hat.
Die Arbeit am Schuh beginnt mit einer zweiwöchigen Pause nach der Fußvermessung. Jedenfalls für den Schmidt Max. Dann kann er wiederkommen, den Plastikprobeschuh prüfen, der nach dem Blauabdruck gefertigt wurde, und seine Wünsche äußern.
Sein Hauptwunsch ist: Schwarz soll er sein, der Haferlschuh.
In Pfronten bei Markus Nöß muss jeder der insgesamt 300 Arbeitsschritte sitzen – auch beim Löcher-Vorstechen mit der Ahle
Der runde Schuhmacherhammer verhindert Ecken und Kanten im späteren Schuh, die offenporige Brandsohle ist atmungsaktiv
»Im klassischen Allgäuer Schnitt mit Mittelschnürung?«
Der Schmidt Max hätte ihn gern oberbayerisch. Also mit Seitenschnürung.
Nachdem dieser Rahmen gesetzt ist, können die 300 Arbeitsschritte bis zum fertigen Schuh beginnen. Nummer eins: aus dem sieben Millimeter starken Blankleder die Brandsohle zuschneiden. Schon das ist leichter gesagt als getan – zwischen Stoff zuschneiden und Leder zuschneiden liegen Welten. Das Wasser, worin die Brandsohle nach dem Zuschnitt eingelegt wird, könnte der Schmidt Max in Form von Schweiß selber zur Verfügung stellen. Dann folgt das Abglasen der Brandsohle: abziehen mit scharfem Glas, um die Poren zu öffnen, damit sie irgendwann einmal Schweiß aufnehmen können.
Die vielen druckvollen Handbewegungen, die dafür nötig sind, zählen leider nicht als ebenso viele Arbeitsschritte, sondern als nur einer. Der nächste ist: die Brandsohle mit vier Nägeln auf dem Leisten fixieren. Wäre dem Schmidt Max ein Leichtes – wenn nur der Schuhmacherhammer nicht so komisch rund wäre. Aber das hat seinen Grund. Der Hammer soll keine Ecken und Kanten in den Schuh klopfen.
Nicht nur fünf Tage Schwerstarbeit, auch das Zwienähen verbindet – und über das Resultat »derf ma fast a bissl stolz sei«
Pflegetipps
Fürs Dirndl: Nach einem Abend im Bierzelt das Dirndl im Bad (neben der Duschkabine) aufhängen und selber schön heiß duschen – der feuchte Dampf ist für den Stoff das Beste.
Für die Haferlschuh: Bier auf dem Schuh entfernt man am besten mit lauwarmem Wasser und etwas Spülmittel. Danach farblose Schuhcreme auftragen.
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle sämtliche weiteren 297 Arbeitsschritte zu dokumentieren, an deren Ende der maßgeschneiderte Schmidt-Max-Haferlschuh steht. Etwa das stundenlange Löcherstechen mit der Ahle, damit der Schuh zusammengenäht werden kann.
Doch sollte noch erwähnt werden, dass der Schuh, mit dem der Schmidt Max seinem stilvollen Trachtenauftritt auf der Wiesn den letzten Schliff verpassen will, eigentlich ein Arbeitsschuh für Jäger und Bergbauern war, erfunden um 1800 von einem gewissen Franz Schratt, damit man sich ohne die Verletzungen, die der vorher übliche Holzschuh mit sich brachte, durchs steile Gelände bewegen konnte. Daher auch das vorne aufgebogene »Schiffchen«: Die Zehen sollen beim Bergabwärtsgehen nicht anstoßen.
Eine wohldurchdachte Konstruktion also und schön anzuschauen außerdem, was gerade heutzutage, wo einem jeder Sportlaufschuh seine grelle neonfarbene Existenz in die Augen schreit, keine Selbstverständlichkeit ist. Einen solchen Schuh kann sich der Schmidt Max auch in hundert Jahren noch anschauen, und auf diese Zeitspanne gerechnet, sind 1 300 Euro für ein Paar maßgeschneiderte Haferlschuhe nicht viel. Abgesehen davon hat er das Geld beim selbst genähten Dirndl für 150 Euro wieder eingespart. Darf er seiner Nichte nur nicht verraten.
Lieblingsteil Upcycling Fashion, Gudrun Weber
Dorfplatz 7, 83139 Söchtenau
www.lieblingsteil.me
Gesunde Schuhe / Bergsport, Markus Nöß
Tiroler Straße 62, 87459 Pfronten
www.gesunde-schuhe-noess.de
Mit Christian Dinauer auf dem heiligen Rasen in der Allianz Arena – unten im Querschnitt das ausgediente Rasensystem von Pep Guardiola
Der Mensch möchte es gern grün haben. Vielleicht, weil in jedem Menschen eine Ahnung wohnt, dass die allerersten Vorfahren einmal im paradiesischen Garten Eden zu Hause waren. Dort hat sich alles noch von selbst ergeben. Das Grün war einfach da. Heute muss man es sich selbst gestalten, und das fängt schon beim Grün unter den eigenen Füßen an, das sich ums eigene Haus herum befindet, so man eines hat.