Der strebende Geist -  - E-Book

Der strebende Geist E-Book

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Beschreibung

Noah Ndosi ist ein Arzt und Dichter aus Tanzania. Er schildert seine Kindheit, Jugend und Schulzeit, berichtet von den Erzählungen seiner Großmutter und leistet damit seinen Beitrag zum Erhalt dieser Erinnerungen, die sonst im Dunkeln versinken würden. Das Buch enthält auch eine ganze Anzahl von Kommentierungen politischer Ereignisse weltweit. Ein Schwerpunkt sind die vielfältigen Sorgen, die sich Ndosi macht, wenn es um die Umwelt und den menschlichen Zusammenhalt geht. Die zweite Hälfte des Buches bildet in drei verschiedenen Sprachen eine große Zahl von Gedichten ab, die sich allesamt mit seinem Hauptthema befassen, nämlich den Schilderungen des frühen Dorflebens, der Deformation der Umwelt und des menschlichen Miteinanders.

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Der Herausgeber und Mit-Autor

Fernand Schmit schreibt Sachbücher zu Bildung und Erziehung. Einige Gedichtbände und ein Kinderbuch sind fertig, mehrere Romane befinden sich in Arbeit, einige Fachaufsätze sind erschienen. Von Beruf ist er Lehrer, und zwar aus vollem Herzen. Intensive Berührungspunkte gibt es mit der Philosophie, der Paläoanthropologie, der Parasitologie und Immunologie, mit vielerlei Sprachen und schließlich mit dem so genannten Globalen Lernen. Der Herausgeber, Jahrgang 47, wartet zurzeit auf seinen nächsten Einsatz in der Bildung. Die momentane Heimat liegt in der Nordheide. Viele Aufenthalte in Afrika, insbesondere in Ostafrika und einige Jahre Arbeit in Ägypten haben weiterhin an ihm als Weltbürger geformt.

Noah Krillo Ndosi

Geboren 1945. Er ist Arzt und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, trat aber schon sehr früh als Dichter mit etlichen Veröffentlichungen in Erscheinung, später auch als Schulbuchautor. Geboren am Mt. Meru in Nordtanzania, durfte er eine sehr privilegierte Bildung in den dortigen Schulen genießen und im Anschluss daran eine ebenso gute Ausbildung zum Arzt in der damaligen DDR, später zum Facharzt im schwäbischen Tübingen. Ende 1984 kehrte er nach Tanzania zurück. Nur ein Stipendium in den USA unterbrach den Aufenthalt in seinem Heimatland.

Das große Anliegen von Noah Ndosi ist der politische und menschliche Weg, den Homo sapiens eingeschlagen hat. Getragen wird sein Denken von der großen Sorge um die Natur, um die Menschlichkeit und um Good Governance und schließlich auch von den Erinnerungen an Kindheit und Jugend.

Verwendete Sprachen:

Ein Teil der Gedichte und ein sehr kleiner Teil der Texte sind im Original verblieben, also in Englisch. Buch 6 enthält Gedichte in Swahili, gedacht für alle, die sich mit dieser Sprache bereits einmal befasst haben, bzw. für Noah Ndosis Landsleute.

Dieses Buch ist einem der

herausragenden Söhne Tanzanias

gewidmet, Noah Ndosi, und seinen

Ahnen, ohne die es ihn nicht gegeben

hätte; zudem allen Einrichtungen und

Stationen und menschlichen Begegnungen

auf dem Werdegang von Noah Krillo Ndosi,

die seinem Denken Anreize gegeben haben.

– Inhalt –

Vorwort

Buch 1

Eine afrikanisch / tanzanische Kindheit und Jugend

Buch 2

Politische Plaudereien und Analysen

Buch 3

Weltsichten

Buch 4

Gedichte in Deutsch

Buch 5

Gedichte in Englisch

Buch 6

Gedichte in Swahili

Nachwort

Inhaltsverzeichnis / Gedichte

Danksagung

Swahili - Spruch

„Ole wake nyasi wapiganapo ndovu!“

(Wehe dem Gras, wenn sich Elefanten streiten)

- Vorwort -

Ein so langer Brief – hieß es damals bei Miriama Bâ. Ein so langer Briefwechsel, könnte es hier in diesem Buch heißen. Grundlage: fast vierzig Jahre Austausch.

Was für eine Neuschöpfung der deutschen Sprache! Sie findet sich sowohl in den Gedichten als auch in Noah Ndosis politischen Beschreibungen, in all seinen Beobachtungen und Weltsichten. Was für ein Schatz an Erzählungen aus Kindheit und Jugend! Das wird uns demnächst für immer verloren gehen. Sprache, afrikanische Kindheit und Jugend, Gedichte - dies festzuhalten und zu präsentieren, das war eine Verpflichtung. Und nur deshalb wurde dieses Buch geschrieben.

Das Jahr 1982 war das Jahr, in dem ich Noah Ndosi traf. Unsere erste Begegnung war eingefädelt worden von einer meiner Teilnehmerinnen im Swahili Kurs der Volkshochschule Stuttgart, Rosi Sarkar. Noah hatte sie in der Zeit besucht, während er die Facharztausbildung für Neuro-Psychiatrie in Tübingen absolvierte, unter anderem beim renommierten Professor Johannes Dichgans.

Ich wusste sehr bald auch, dass Noah Ndosi demnächst in einer englischen Anthologie Gedichte veröffentlichen würde, zum Beispiel in „An Anthology of East African Poetry“, erschienen 1988 bei Longman. Auch waren einige seiner Gedichte in Daily News (Tanzania) erschienen1 und unter anderem zur Ergänzung des Lehrstoffs in Kenya und Uganda verwendet worden. Schließlich hatte er bereits einige Zeit davor in Tanzania in den Sprachen Kimeru und Kiswahili veröffentlicht.

Bei seinen Besuchen führten wir immer wieder viele Gespräche, und zwar meistens an Wochenenden, dort in dieser kleinen Dachwohnung in Stuttgart-Degerloch, bei Familie Baur. Lustig zu erwähnen deshalb, weil Noah ein Meru (Einzahl: „Mmeru“, Mehrzahl: „Wameru“) ist und eine entsprechende Körpergröße vorzuweisen hat. Wie er sich nun in dieser winzigen Dachwohnung mit seinen über 1.90 bewegte, das war immer wieder ein Lacher.

Sehr bald schon brachte er Gedichte mit, die er in deutscher Sprache geschrieben hatte. Wir sprachen viele Male über sie, bis ich den Entschluss fasste, sie zu veröffentlichen. Dazu mussten die Stücke allerdings in eine für deutsche Leser verständlichere Form gebracht werden, was zu einem richtigen Spagat gedieh, denn es ging darum, die besondere Sprache dieses Menschen Noah Ndosi in ihrer typischen Kreativität und Einzigartigkeit zu erhalten und das Original nicht zu verfälschen. Zuerst wurde es ein Büchlein aus dem Selbstverlag von Franz Lemmer, dem Stuttgarter, der sich so sehr verdient gemacht hatte, das Kiswahili in Deutschland publik zu machen und dem nach seinem Tod für sein Werk ein gebührender Nachruf versagt blieb. Das Büchlein steht (leider) immer noch in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, obwohl es Fehler enthält und vom Layout her mehr als dürftig ist. Auf einem großen Bildungskongress in Köln 1990 bekam zufällig der Verleger Jürgen Horlemann etwas von Noah zu lesen. Ich hatte nämlich nichtsahnend einem Kongressbeitrag, den ich zu schreiben hatte, ein Gedicht beigelegt. Sofort sprang der Verleger Jürgen Horlemann darauf an und wollte sie alle haben. Ein Jahr später erschien der Lyrikband „Echos der Erinnerung“.

Da der Briefwechsel zwischen Noah Ndosi und mir seit 2011 wieder sehr intensiv geworden ist und ich von ihm eine solche Menge an Kostbarkeiten erhielt, entschloss ich mich in meinem Übermut zu diesem Projekt, das Sie als Leser gerade in den Händen halten. Übermütig will hier heißen, dass ich eigentlich dafür keine Zeit hatte, unter anderem wegen zahlreicher eigener Buchprojekte und meiner beruflichen Tätigkeiten. Dass ich mich dennoch an die Arbeit machte, beweist meine Überzeugung, dass wir hier etwas Unschätzbares vor uns liegen haben.

Und dieses Unschätzbare besteht vor allem darin, die Erinnerungen an die afrikanischen Kindheiten und Jugendzeiten festzuhalten, denn längst verblassen sie auf dem ganzen Kontinent. Diese Erzählungen förmlich zu retten und zu verschriftlichen, das erschien mir eine Pflicht zu sein.

Und so schlug ich ihm vor, dieses Buch machen zu dürfen. Eine ganze Anzahl Argumente trug ich vor, um von ihm grünes Licht zu bekommen und ihn um sein Vertrauen zu bitten. Ich sagte ihm zu, dass ich alles nur in seinem Sinne ausführen möchte und ihn nicht dazu zwingen wollte, nun unbedingt Wort für Wort prüfen zu müssen mit einem kritischen Blick dahingehend, dass ich keine Veränderungen vorgenommen habe. Er erteilte mir die Genehmigung und er gab mir dieses Vertrauen.

Zu betonen ist auf jeden Fall schon an dieser Stelle das Folgende: Noahs Sprache wurde durchgehend erhalten, so weit es nur ging. Das erstreckt sich manchmal bis in die Satzstellung hinein. Die Besonderheit dieser ganz eigenen Sprache darf niemand verletzen. Wie sie zustande kommt, das wird vermutlich ewig ein Rätsel bleiben. Noah spricht Kimeru, Kiswahili und Englisch mehr als perfekt. Ein berühmter Schriftsteller und Dichter aus Cornwall in England hatte einmal geäußert, dass er für Noahs reichhaltige Sprache manchmal selbst ein Wörterbuch brauche. Aber gerade wenn es um Deutsch geht, äußert Noah immer wieder die Vermutung, dass er diese Sprache nicht fehlerfrei anwenden könne, äußert Zweifel an dem Projekt. Er setzt die Sprache anders ein. Diejenigen Wörter und Formulierungen, die er dann benutzt, die sind es ganz genau, die diese besondere „Sprache neben der Sprache“ erst zulassen und schaffen. Es kommen Umschreibungen, Bekenntnisse, Sichtweisen und Philosophien zutage, zu denen wir Europäer in der Form möglicherweise nicht fähig wären. Hier versucht eine afrikanische Seele, die Wörter völlig neu zusammenzusetzen. Dadurch entstehen Dinge, die uns permanent überraschen.

Das Buch enthält neben den Texten eine große Anzahl von Gedichten. Es muss betont werden, dass viele von ihnen die Erzählung aus der Kindheit im Buch 1 ergänzen. Ebenso viele andere sind so etwas wie Teil der Bücher 2 und 3 und haben eng mit Fragen der Weltanschauung, der Philosophie, dem Agieren auf unserem Planeten zu tun. Text und Gedichte müssen als eine Einheit gesehen werden.

Alles in diesem Buch basiert auf Begegnungen von mir und Noah Ndosi bei unseren Treffen in den Jahren 1982-84, sodann auf einem recht umfangreichen Briefwechsel in den vielen Jahren danach, und ganz besonders aber auch auf dem sehr intensiven Austausch über Mails zwischen 2011 und 2021. Allein in den Jahren 2018 bis 2020 gingen hunderte von Mails über die Kontinente. Und da es sich immer um eine Form des Briefwechsels handelt, erscheint häufig zu Beginn die Anrede „Mwalimu“, womit der Herausgeber, der Empfänger also, gemeint ist (von Beruf Lehrer /„mwalimu“). Umgekehrt wird Noah oftmals mit „Daktari“ angeredet. Der „Mwalimu“ zieht sich durch alle Texte von Buch 1 bis 3.

Seevetal, den 1. Januar 2021

„In jeder Hinsicht fehlt es an Erinnerung, um ein Licht auf unsere Herkunft fallen zu lassen. Es ist aber schwer, eine funktionierende Zivilisation zu errichten, ohne diese Lücken zu füllen.“

1 Mzumbe Project: Echoes of a Past World, 1993

Buch 1

Eine afrikanisch – tanzanische Kindheit und Jugend

Lieber Mwalimu!2

Man sollte das Gewicht der literarischen Bemühungen vielleicht lieber der Gegenwart widmen. „Echos der Erinnerung“3 hatte schon zum Teil Mengen aus meiner Kindheit vorgestellt. Damals war ich viel unsicherer als jetzt. Ich denke, dass große Lücken bestehen, die eigentlich Überbrückungen verlangen, um meine Vergangenheit verlässlicher darzustellen. Für dich ist es aber, höre ich, noch interessanter, auf welche Weise ich meine Begriffe konzipiere und einordne, um das Gewollte und Gemeinte zu treffen. Anders gesagt, wie das gemeinte Bild vorgetragen wird oder den Weg in der Finsternis findet.

Während diese Bemühungen für die Analyse interessant sein können, lautet die Frage, ob diese Bröckchen im Leser einen Sinn erkennen lassen und ob sie ihn ausreichend berühren.

Hier nun findest du wieder einmal Aspekte meiner Kindheit. Ich war damals sieben, acht und neun Jahre alt. Überall ändert sich das Leben von uns allen. Bei euch hat der Mensch dem Denken den Vorrang eingeräumt. Deswegen sehen wir schnelle Fortschritte überall. Bei uns wissen die Termiten und der Rost, wie viel sie von uns gestohlen haben. Aber solche Verluste sind bei vielen Völkern der „Dritten Welt“ üblich.

Obwohl ich alles noch nicht klar vorhersagen kann, ab November werde ich auf freiem Fuß laufen4. Danach könnte man voraussichtlich und vielleicht für die Zukunft planen.

___

Als ich die Grund- und Mittelschule besuchte, musste ich am Wochenende früh morgens mit meiner Mutter zum Acker gehen. Die Hacke über der Schulter, liefen wir die schlängelnden Dorfpfade entlang. Wir überquerten einige murmelnde Bächlein, an deren Ufer Webervögel nestelten und sich grüne Schlangen geschmeidig bewegten. Es war üblich, jeden, der einem entgegenkam, zu grüßen. Anhalten und sagen: „Gruß, Vater!“, um dem Mann im Alter meines Vaters oder einem noch älteren den Kopf entgegenzustrecken, der einem dann seine Hand auf den Kopf legte und sagte, „Grüße, mein Sohn, Geht es dir gut? Lebe wohl und grüße deine Eltern!“ Dann lief man weiter. Ein Kind erwartete nicht, dass ein Gespräch mit einem Erwachsenen stattfinden würde. Wenn die Eltern aber in Begleitung ihrer Kinder waren, verwickelten sich die Eltern in Gespräche, die sich inhaltlich mit Nachrichten befassten. Die wichtigsten Geschehnisse im Dorf wurden weitergegeben.

Ich hörte das Schrillen und das Rumpeln des fern fahrenden Zuges. Dann hörte ich die Gespräche von den Eltern: Häufig ging es um den Tod im Dorf, um die Geburt eines Kindes, um die Drohungen der Siedler in den Plantagen, um die Schäferhunde der Siedler, die, groß wie Kälber, die Ziegen im Dorf getötet hatten. Es ging darum, wer noch von der Kopfsteuer bedroht war, um die Erhöhung der Kirchensteuer, um Termine für die nächste Versammlung im Dorf oder um das Unbehagen wegen des Unwetters. Ich war nicht immer in der Lage, die Tiefe der Gespräche zu begreifen, aber einige waren durchsichtig. Hierzu ein Beispiel:

A threatening dry season

Yet again stamps the hand of time changes

on the face of the country side,

articulating the looks of the naked lands,

empty skies and unfolding horizons,

while birds on shadowy shrubs

applaud the birth of another celebrated day.

A bloody sun stirs up at dawn,

bends upward crawling to mid-day hesitation;

as the unrivalled imperious sun creeps proudly,

it hardens its horns of anger,

but after advancing past midday,

it charms grasshoppers to stage a snap dance,

cruel heat imprints cobwebbed cracks on earth,

where scorpions like to dwell;

Lush green of previous rains lies scorched brown

as debris at the mercy of winds,

whirring mischiefs claims a stage

whereon clouds of dust wriggle about like smoke;

As children cough all the time

into deep nights and awake peeling painful, red eyes,

glossy fleas like invading armies nibble their paths

surreptitiously under nail beds

wherein they inflict notorious itches

that alert agitated slumberers as dreams flee;

Apprehensive mothers off load grievances

of failed crops at gates of silent heavens

as memories of the jaws of hunger shimmer,

fear swells up occupying uneasy faces.

___

Als ich so sechs bis zehn Jahre alt war, hütete ich die Ziegen, die Schafe und ein paar Kühe. Ihre Weide befand sich in einem Gebiet, das „Kilala“ genannt wurde, dort, wo sich heute Häuser und Felder ausbreiten. Kilala war so etwas wie der Treffpunkt von uns jugendlichen Hirten. In jener Zeit war ein großer Teil der Landschaft in Kilala bedeckt mit bestem schwarzen und ertragreichen Boden. Zur Regenzeit sah man in den Plantagen allerorten häufig die Traktoren der Siedler. Überall Im Gebüsch entlang der Bächlein waren die Frösche immer wieder zu hören. Die heiß brennende Sonne trocknete den Boden aus, sodass er mancherorts aussah wie ein Skelett oder wie mit vielen kleinen Rissen übersät, ähnlich einem Spinngewebe. Schmale und aschgraue Schlänglein versteckten sich in diesen Rissen, um Ratten zu jagen. Erstes Gesträuch breitete sich überall aus, Vögel waren überall zu sehen, in den Büschen, in den Bäumen. Und wir erkannten sie an ihren Stimmen. Sie brachten mit ihren vielen Farben unsere Augen zum Leuchten.

Zu einer anderen Zeit hielt ich, ohne dass es mir bewusst war, ganz nah an einem Gebüsch, wo bewegungslos eine junge Schlange lauerte, ganz still im Laub des Busches. Aber an dem Tag war sie bestens getarnt. Antilopen oder Hasen, die durchs Gebüsch streifen würden, hätten schnell das offene Gelände gesucht und hätten sich fernab versteckt. Ich hatte nur eine kleine Machete dabei und einen Stock. Falls ich Fleisch essen wollte, würde es mir ohne Erfahrung und besonderes Werkzeug nicht gelingen, ein größeres Tier wie eine Antilope zu erlegen. Es blieb mir nichts als dass mir das Wasser im Munde zusammenlief, während ich mich jedoch freute, ein solch großes Tier zu sehen, das mir den Mund wässrig machte wie eine zarte Versuchung.5

Das Unwetter eines Weidetages

Vor Stunden hatte die Sonne die Erde verbrannt,

spielend drehten sich die Flöhe in der Staubdichte um,

Staubwolken schlichen über dem Weidegrund fort,

man hörte die Käfer im Grass knattern;

als eine Wildtaube auf einem Akazienbaum

ihre weiche Steppenmelodie wiederholte,

schleppte sich allmählich mein Weidetag

wie eine Schnecke voran

leise und heimlich fing der Wind an zu wehen,

laut knurrte mein Magen vor Hunger,

dann flatterte und pfiff der Wind vorbei

Erst einmal standen die Bäume still zum Kommando,

aber nach einer Weile gaben sie nach:

Sie befanden sich im Hin- und Herschwingen

und gehorchten dem aufwühlenden Rhythmus,

während die abfallenden Blätter die Luft belebten

Aus der Ferne vermischten sich fliehende Wolken,

dann spannte sich eine überschattende Deckung aus:

Die siegreiche Sonne blieb versteckt

wie eine lauernde Löwin;

das Tageslicht befand sich im Wiegen,

als die gehetzte Wolkenüberschattung dunkler wurde

Der Blitz flickerte durchschneidend,

dann gestaltete sich der Weidetag anders:

Vereinzelte kalte Tropfen schlugen herunter,

kurzweilig folgten bombenartige Explosionen:

Meine Schafe hüpften ängstlich auseinander;

das Donnerwetter übernahm den holden Tag,

als das Weideland erschüttert bebte

Der durchlöcherte Himmel ließ Wassermengen herab,

die Tagesherrlichkeit: am Rande zum Kippen;

der wütende Wind raschelte, wie er wollte,

dann war der Teufel los:

Große Zweige aus den Bäumen

wurden mit gewaltigem Krach herabgerissen,

Bananenstangen lagen schon am Boden wie Gras;

Ach! Unser Dorfweg verkam zur Barrikade

Wasserströme flossen schäumend umher,

entlang der Gräben zogen die Wellen eilig fort,

Baumstümpfe tauchten wie Krokodile im Wasser auf,

tüchtig erschienen die Kröten und die Vögel;

sie jagten schnappend die flatternden Regenwürmer

Unser zuvor ausgetrocknetes Bächlein

murmelte überflutet in Eile abwärts,

das dunkelbraune Wasser gurgelte voran,

die umhüllenden Hügel verloren ihre Fruchtbarkeit,

schichtweise wurde der Boden verarmt,

mein Fuß rutschte leicht auf der verschlammten Erde

Klatschnass stand ich unter einem Baum;

von der Kälte zitternd, kroch ich zusammen,

ich gähnte wegen der belästigenden Müdigkeit,

aber als der Regen zur Pause kam,

befand ich mich auf der Heimkehr

Am Hofeingang stand meine Großmutter,

sie spuckte gleich die Ermunterung aus:

„Du bist ja schon ein Mann geworden“;

ich sehnte mich nach dem Feuerplatz,

die Bananensuppe mit Fleischklumpen

wurde heiß serviert und gegessen;

meine Großmutter meinte:

Das Übel sei schon vorbei,

ich blieb von der Erkältung verschont

Nun sind beinah vier Jahrzehnte überschritten,

seitdem meine Großmutter sich zur Ruhe legte,

unsere beglückenden Jagd- und Weidegründe

sind in aller Deutlichkeit nicht nur überbevölkert,

die reizende Natur erscheint mancherorts verwundet,

das Leben im Dorf schreitet überschattet voran;

im Lande von Milch und Honig

lässt ein Streit sich leicht entzünden,

Tag für Tag wird das fruchtbare Land noch ärmer,

der Blick in die Zukunft ruft Sorgen hervor;

trotzdem blickt uns die Gegenwart teilweise tröstend an.

Mitte der Fünfzigerjahre, die Zeit, als ich die Grund- und Mittelschule besuchte, erzählte uns meine Großmutter väterlicherseits immer eine Menge aus ihrer Jugend. Sie erinnerte sich dabei an die vielen Dinge, die während dieser Zeit passiert waren. Sie hatte das Glück, noch viele Jahre zu leben, bis sie 1966 starb. Ich war zu dieser Zeit in der vierzehnten Klasse und wir schätzten sie auf mindestens neunzig Jahre. Einmal erzählte sie uns etwas über die Art und Weise, wie die Masai6 die Wameru überfielen und uns unser Vieh wegschnappten. Die Angst vor Krieg und vor der Gefangennahme durch die Masai bedrückte uns sehr. Unser Alltag war geprägt durch die Sorge und Angst, unterwegs von Masai überrascht zu werden. Sie waren dunkle große Gestalten, die sich ihrer selbst völlig sicher waren. Kaltblütig. Sie sprachen zu niemandem etwas.

Aufgrund von Durchfallerkrankungen starben die Leute wie die Fliegen. Die Großmutter erzählte uns auch, wie unter Leutnant Georg Küster und Kapitän Johannes Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Erwachsenen zu harter Arbeit gezwungen wurden und wie ganz Meru bluten musste unter den zwei deutschen Missionaren Ovir und Segebrock, die dann später in Akheri im Oktober 1896 getötet wurden.

Sie gingen weite Wege, um das nötige Holz zu besorgen, das sie zum Hausbau in der Stadt Arusha brauchten. Die Männer mussten bei Androhung von Peitschenhieben Straßen bauen und Gebäude errichten. Nach meiner Auffassung wollte sie immer nur von früheren Sachen erzählen, was für uns wenig attraktiv war. Es waren vor allem die neuen Dinge, für die wir uns besonders interessierten. In diesem Alter waren es die modischen schönen Kleider, die Süßigkeiten und die Zigaretten, die für uns die größte Anziehungskraft hatten. Wir rupften Blätter und machten daraus Zigaretten, die wir rauchten. Radiosendungen hatten zu der Zeit in Tanganyika7 noch keinen Eingang gefunden.

Das konsistente System unserer Traditionen war der verlässliche Wegweiser, um das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder zu fördern.

Jemand, der sich hier nicht exakt anpasste, wurde angesehen wie ein junges Maispflänzchen, das verloren in der Savanne und auf sich selbst gestellt gedeihen sollte. Menschen gleicher Abstammung wurden geformt wie Wachs. Sie schlachteten eine Ziege, sprachen zueinander und tranken gemeinsam Bier – „Walichinja mbuzi wakaitana na kunywa pombe pamoja...“ Erst später erwachte ich aus meiner Umnachtung und bedauerte, meiner Oma nicht mit Bedacht viele Fragen gestellt zu haben, die unsere Geschichte anbetrafen. Jetzt heute sehe ich mich in der Rolle, wie ich den Jungen etwas erkläre über die Veränderungen, die im Umkreis unseres Dorfes zu unseren Lebzeiten stattgefunden haben, und sie schauen mich jetzt so an, wie ich damals umgekehrt meine Oma angeschaut habe.

Viele Male, wenn ich auf der Weide war, heftete ich meine Augen an die Südseite des Meruberges, an der jeden Tag eine Wolkenhaube an seinem Gipfel hing. An der Ostseite, zu mir hin, schaute der Kilimanjaro hervor, auch wenn es nur gelegentlich so war. Ich staunte über den Eisüberzug da in der Ferne auf seinem Gipfel – „Niliistaajabia barafu iliyoganda kileleni mwake mbali...“ Meine Gedanken wanderten in die Ferne und ich dachte, dass es vielleicht kein Wunder ist, dass Gott nicht weit ist und der Berg die Augen der Menschen andächtig verzaubert8.

Im Alter von zehn Jahren hatte ich viel in der Natur erlebt. Hierzu ein Beispiel:

Die Maisfelder in der Trockenzeit

Staubwolken schweben schattenhaft übers Land,

darüber marschiert die ausstrahlende Sonne

wie ein Allmächtiger,

die Hitze hat die grüne Decke der Bäume

weitgehend abgeschüttelt

Murmelnd gedeiht eine koloniale Herrschaft im Untergrund,

am Ameisenhaufen fasse ich die feuchte

frisch ausgespuckte Erde,

abwehrend greifen die Termitenkiefer

den Finger schmerzhaft an

Am halbnackten Gebüsch in der Nähe

haftet eine Kobrahaut an,

plötzlich schlagen die Pfeile einer Gefahr durchs Herz,

mit aufgeweckten Augen eile ich auf eine Schrittweite fort;

wie doch gedeihen die Feinde des Bauern zu seiner Ungunst!

In versteckten Nestern feiern die Wildratten die Maisreste,

das Ohr spioniert die zarten, quietschenden Nachkömmlinge

der Ratten aus

Streckenweit strahlen die leeren Felder strohgelb,

meine weidende Ziege knabbert ein altes, erschlafftes Blatt,

die leeren Maisstiele auf den Feldern

schwanken rasselnd umher

Die Vögel haben ihre Gesangsorte verlassen,

der Durst trieb sie weit zu den schlängelnden Bächen,

sie fanden ihre kurzfristige Verborgenheit an den grünen Ufern,

lebhaft pfeift der scheue Wind fliehend vorbei,

alles tanzt rasend kurzweilig, dann kehrt die Stille wieder,

im Gehen fällt mein Fuß zum Boden knackend hin

Braungefärbte Käfer springen fort, knisternd,

während Eidechsen auf den heißen Felsen lauern;

da, ein fliehendes Eichhörnchen9 hält inne

mit neugierigem Blick,

in der Ferne steht Mt. Meru aufrecht wie ein stolzer Krieger

im klaren Wetter posieren die Flanken des Berges,

so seltsam imponierend

der Berg erscheint wie ein bläulich herausragendes Zeltdach,

die Fassade der Natur spielt rätselhaft

vor den verblüfften Augen

Unbeeilt zieht sich die Trockenzeit stolzierend an,

Schatten verlängern sich, als die Sonne

hinter umklammernde Bäume gleitet.

___

In den Fünfzigerjahren nahm unsere Mutter uns Ältere immer mal wieder mit auf den Markt. Oftmals schleppten wir die Säcke mit der Ernte aus der Landwirtschaft mit hin zum Markt. Es waren hauptsächlich Mais, Bohnen, Hirse, Zuckerrohr, Hühner, Eier, Häute, Kohl und Früchte. Die Familie vergrößerte so das Budget für die täglichen Bedürfnisse. Zu jener Zeit waren viele Häuser in den Dörfern aus Holzstämmen gebaut. Abends und nachts hatten wir Öllampen angezündet, um unsere Aufgaben machen zu können. Das Haus war mit einem Zinkdach gedeckt und wirkte wie eine Kostbarkeit. Entlang der Straßen gab es nur wenige solche, und sie waren fett mit Staub bedeckt. Wenn die Sonne ordentlich schien, brannte der Staub unter den Fußsohlen, denn wir hatten zu der Zeit keine Schuhe. Wir überquerten Gräben und durchquerten Wälder und stiegen auf die Hügel, die mit Sand oder Schotter oder Felsgestein bedeckt waren. Der Schweiß rann, und die Erschöpfung lastete auf uns. Immer noch gingen wir in die Grundschule im Dorf Poli. Die Nackenschmerzen vom Tragen der Lasten hielten etliche Tage an, bis sie verschwanden.

Unsere Welt zu der Zeit hatte keine Augen für Technologie. Wir benutzten Schüsseln, Teller und Löffel aus Holz. Macheten, Messer, Beile und Hacken waren wertvolle Werkzeuge, die besonders pflegebedürftig waren. Auf den Straßen gab es nur wenige Autos und wenn ein Auto vorbeifuhr, betrachteten wir es mit großer Neugier, freuten uns riesig und winkten hinterher, bis es in der Ferne verschwand. Fahrräder waren ein Luxus. Es gab nur wenige Leute, die eines hatten. Die Währung war Englisch und zeigte König George VI. Der Wert des Schilling lag hoch, verglichen mit heute. Eine Fahrt von Meru in die Stadt Arusha kostete einen Schilling. Heute sind es 500 und mehr. Eine Flasche Bier war nicht teurer als zwei Schilling. Heute wird es für über 2000 verkauft. Unterwegs haben wir sechs Bananen für zehn Cent gekauft. Heute kostet eine einzige Banane 200 Schilling.

Mwalimu, man wird die folgenden Zeilen in Deutsch weiter unten nicht vollständig verstehen können ohne gründliche Kenntnis des entsprechenden historischen Hintergrunds. Zu Beginn von Deutsch Ostafrika, so um 1900, wurden große Teile fruchtbaren Merulandes von den Siedlern genommen. Diese Ländereien wurden zu großen Farmen umgewandelt. Kaffee war das Hauptanbauprodukt. Die Merubevölkerung war sehr verärgert über den Verlust ihres Landes. Sie weigerten sich, als Landarbeiter herangezogen zu werden. Die Siedler waren gezwungen, Arbeitskräfte aus den zentralen und westlichen Provinzen zu rekrutieren, das heißt also aus den Gebieten südlich und südwestlich des Mount Meru. Diese Arbeiter waren hier fremd (sie stammten aus den Volksgruppen Warangi, Wanyaturu, Wagogo, Wasukuma, Wanyamwezi usw.). Und sie lebten in Wohnsiedlungen und auch Camps. Ihre Kultur unterschied sich von derjenigen der Meru. Ihre Arbeitsbedingungen waren dürftig, ihre Mahlzeiten sehr einfach, ihre Entlohnung gering.

Als die Deutschen dann fort waren und ich heranwuchs, traf ich diese Leute häufig entlang der Straßen. Ihre kleinen Hütten flatterten im Wind. Man konnte durch die durchscheinenden Wände aus Zweigen hindurchsehen. Ihre Lebensweise war anders. Die meisten von ihnen waren Muslime. Die Meru waren hauptsächlich Christen. Noch etwas: die Meru benutzten nie Trommeln für ihre Feierlichkeiten. Allerdings wurden dann aber doch allmählich in den Schulen während der Parade Trommeln eingeführt, mit Begeisterung. Trommeln nahm die Aufmerksamkeit der Meru-Kinder in Beschlag, lenkte sie während der Feierlichkeiten ab. Ich betrachte das aus der Perspektive eines Dorfjungen, der, wie durch ein Schlüsselloch, gerade eine andere Welt anschaut, wie sie einen bevorstehenden öffentlichen Feiertag begeht.

Dazu ein Stück, das du im Anschluss hier findest:

Der Abend vor dem Feiertag

Ein langer Arbeitstag, aufgebraucht,

ein ruhiger Abend kroch langsam ein,

der unerreichbare Himmel flackerte,

als unzählbare kleine Augen aufwachten,

die spähenden Ohren wurden wach geschüttelt,

leises Trommeln aus der Ferne belebte die Zeit

Die heimgekehrten Kühe standen wieder gemolken,

die Kälber und die Schafe knabberten im Kraal herum,

ein lauter Bock meckerte neben einer abwehrenden Ziege,

knisternd und splitternd brannte das Abendfeuer gelb,

die Flammenzungen leuchteten

wie beim heißen Wettbewerb auf,

langsam strömte die Wärme

wie eine Schlange in die Hütte ein

Die keimende Abendstille blieb in Schach gehalten,

als ein lautes Hyänengeheul durch die Umgebung riss,

schrien die Bushbabys10 erschreckt in dunklen Bananenblättern,

aus aufraffenden Ängsten flohen die Herzschläge pochend;

Unruhe wehte, als die Geburt der Nacht sich in Wehen befand,

zwischendurch aber kehrte die Ruhe wieder, einschleichend

Eine kühle Abendbrise strömte erfrischend vorbei,

tief atmend bebte die Brust zuversichtlich,

lebhaft pulsierten die Trommelschläge erheiternd,

in der Nähe verdichtete sich die umklammernde Dunkelheit,

ein fühlbarer Rhythmus schwebte weiter in der Luft,

das tröstende Abendtrommeln spornte den Tag an,

in den dunklen Baumkronen flatterten die Fledermäuse

Plötzlich fiel etwas in der Nähe gewaltig nieder,

die Begegnung mit Nachtgeistern erregte brennende Furcht,

aber eine Paraffinlampe leuchtete aus der Gegenrichtung,

lange Schatten begleiteten eilende Männer beim Wandern,

dann entfaltete sich eine beruhigende Entspannung

Die frohen Nachrichten des folgenden Feiertages sanken tiefer,

die Landarbeiter, die weit aus dem Süden stammten,

wiesen starke unermüdbare Glieder und Brüste auf,

ihre zerfallenden Klamotten wehten im Wind,

ihr Heimweh wiederholte sich durch die Weite der Kaffeeplantagen;

sie bereiteten sich für die Erholung am kommenden Feiertag vor.

___

Obwohl ich damals die Geschichten meiner Großmutter als ewigen Kram von gestern ansah, sind diese Erzählungen heute für mich voll glühender historischer Faszination und erhellen mein Bewusstsein über unsere Vergangenheit. Überfälle der benachbarten Masai waren außerordentlich gefürchtet. Wenn diese Eroberer unser Vieh stahlen, töteten sie auch Leute, nahmen Frauen und Kinder als Gefangene mit. Das geschah nachts und ging ruckzuck. Ich hatte das Glück, einen Angriff nicht selbst erleben zu müssen. Es war eine angsteinflößende und dramatische Erfahrung. Hier eine Erzählung meiner Großmutter:

Wieder Viehraub der Masaikrieger

Unbemerkt schlich der Vollmond

durch die nächtliche Stille ein,

die Nachteule verbreitete ihr Lied

in der umklammernden Laubkrone;

auf einmal brachen Männerstimmen herein,

schreiend übertönt von weiblicher Heulerei,

ein unerwarteter Tumult überrollte das Dorf,

als unzählige Beine flohen

In einer unerträglichen Aufregung

wehte die Luft wie drohende Gefahr,

während das Dorf träumte,

waren die Masaikrieger in den Kraal eingebrochen,

ein Speerwurf hatte einen Hirten schwer getroffen:

Er verblutete heulend;

im Wind verbreiteten sich die Nachrichten:

wieder ein Raubzug der Masaikrieger

eine Viehherde wurde heimlich und eilig

in die unbekannte Dunkelheit fortgetrieben,

Frauen trugen die Kinder zum Schlaf,

während die Männer sich berieten,

das Dorf wurde derart aufgeregt

die Ruhe so gestört, wie ein Nadelstich,

die geschliffenen Waffen lagen bereit

im Griff für den Kampf am nächsten Tag:

Beim ersten Hahnenschrei reihten sich

bewaffnete Dorfmänner auf für die Suche,

fährtenlesend wanderten sie lauschend

durch die Wälder zu den fernen Horizonten,

erst nach drei Tagen fanden sie die

glaubhaften Spuren der gestohlenen Viehherde

entlang eines rauschenden Flusses,

im Wald lauerten fleischzehrende Masai

Ein furchtloser blutiger Angriff

brach wie ein heftiger Brand herein,

nach einer Weile tauchten die Speere

und Macheten blutverschmiert auf,

das Todesgeschrei der Getroffenen

schallte in die verlassene Leere der Wildnis,

aber das gestohlene Vieh

blieb rätselhaft nirgendwo zu finden -

Die grausame Sonne reiste

durch den verdunkelten Abendhimmel,

mehrere verwundete Dorfkämpfer

humpelten heim, gestützt,

mitten in Durst und Hunger

bewältigten die torkelnden Kämpfer die Strapaze;

alte Männer warnten: der Verzicht auf Raubzug

blieb ein umschattender Traum.

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Es gab immer wieder Hungerphasen, etwa einmal in zehn Jahren. Aber auch davon wurde ich verschont. Es gab solche Epidemien wie Dysenterie, Pocken, was unter ungünstigen Umständen die Leute wie die Fliegen sterben ließ. Dennoch starben zu meiner Zeit weniger Menschen als zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Großmutter hatte Angst vor Heuschreckenschwärmen. Außer Mensch und Tier aßen sie buchstäblich alles auf. Im Folgenden nun etwas über eine kurze Begegnung mit den Heuschrecken in Meru.

Invasion by Swarms of Locusts11

How dictatorial time arms itself

with drought and pestilent maladies

Imposing agonizing ill health or hunger

like frenzy flames that gallop

While the unrelenting sun burnt fiercely,

scorching green lands brown

Out of no where, across the open skies,

dark clouds zoomed in stealthily

A shadow of devastating jaws

drifted ominously, invading our territory

Myriad little beasts like parachutists

descended on a rich inspiring land

Like hungry battalions, they chewed up

foliage with insatiable appetites;

Desperate farmers beat bushes

clanging tins to drive off the beasts in vain

Soon, flourishing crops of maize, bananas,

millet and grass stood stumpy;

After swarms advanced on at night,

newer ones moved in, as at a war-front;

With uplifted eyes, mothers wailed

fearing a door-knocking bout of hunger

Varied big birds perched on trees

feasting insatiably as they never did before

Folding up arms in prayers, people flocked

to churches to plead for clemency;

After a spell of rain, the beasts lay like dead leaves,

only a few gasped kicking.

Manchmal denke ich an meine Vergangenheit. Sie enthält, was ich heute geworden bin. Es war nicht immer schön, in die Schule zu gehen. Unsere Grundschullehrer waren kolonial erzogen. Manche von ihnen arbeiteten mit der Peitsche. Die Peitsche kommandierte die große Disziplin. Wie glücklich sind deine Schüler heute Mwalimu!

Auch wenn es nicht so erschütternd ist, hier erlebst du mit mir kurz diese furchterregende Vergangenheit!

Ein Tag in der Dorfschule

Eilend betraten wir das Grundschulgelände

am Montag früh,

der Lehrer vom Dienst hielt sich bereit

wie ein verwundeter Büffel,

ein grüner Stock wog drohend

in seinen ungeduldigen Händen,

als er alle Spätkommenden unverzüglich aufhielt

und kommandierte!

Auf dem Paradeplatz ordneten wir uns

in drei geradlinigen Reihen ein,

aufrechtstehend wie Soldaten,

richteten wir den fernen Blick nach vorne,

die Sauberkeit der Uniform, der Nägel und der Haare

wurde scharf kontrolliert,

wie Stangenhölzer standen wir alle lautlos,

ohne Husten, ohne Umdrehung

Als wir ins Klassenzimmer eintraten:

kalte Angstwellen schlugen ins Herz,

flüsternd, herzrasend nahmen wir Platz,

unsere Ohren hochgespitzt

Furchtergriffen verharrten wir

wie Antilopen vor dem jagenden Löwen,

die Stimmen zitterten,

während Minuten sich in die Ewigkeit verzögerten

Bei Rechenaufgaben entwarf unser Lehrer

zahlreiche Probleme, eins nach dem anderen,

schlagartig Antworten erwartend,

drohte uns sein Unheil verkündender Zeigefinger

Wehe dem, der langsam rechnete

oder eine falsche Antwort ausspuckte:

vor die Klasse beordert -

schallend folgte der Schreck des gnadenlosen Hiebs

Das Geschrei nach Eltern, nach Gott

und nach Gerechtigkeit hallte wider, vergeblich

Stumm warfen prunkvolle Bäume ihre Schatten

auf das grüne Schulgelände,

Fingerspitzen fühlten die stumpfbrennenden Wülste am Po,

die von Hieben getroffenen Finger schmerzten

bereits steif geschwollen

Obwohl der Lehrer sich manchmal verrechnete,

erteilte er die Strafe eilend. Er meinte,

er hätte uns schon nach falschen Antworten

vielmals verziehen

Verzweifelt und ratlos saßen wir stumm

und verkrampft wie gelähmt,

als die Glocke die Unterrichtstunde beendete,

brach die Befreiung aus: Wir atmeten entspannt

Während die Dorfbewohner das Schulgelände durchquerten,

hörten sie das schrille Geschrei der bloßgestellten Schüler;

manche meinten, nur Peitschenhiebe trieben die Unwissenheit

aus dummen Köpfen,

während die Frauen klagten,

die Lehrer schlügen die armen Schüler zu Tode

Gott sei Dank, als ein langwieriger Schultag

wieder zu seinem Ende kam,

beschlossen wir den Schultag

mit Gesängen wie freudige Vögel

Auf der Rückkehr spielten wir gewandt,

voller schallender Gelächter,

aber zu Hause warteten schon zahlreiche

streng erteilte Aufgaben.

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Verglichen mit den Jüngeren in Poli weißt du nun mehr über mein Dorf, denn die haben die Vergangenheit des Dorfes nicht mehr auf dem Schirm, so wie ich sie in den Fünfzigern erfahren habe. Und das war ja zur Zeit der Britischen Kolonialherrschaft, die schwer gekennzeichnet war von Landknappheit und Befreiungsbestrebungen, schwankenden Kaffeepreisen auf dem Weltmarkt, der Zahlung von Steuern für die verschiedenen kolonialen Kassen und den Gebühren für die Schule. Zu der Zeit wurde es als etwas Besonderes angesehen, ein mit Wellblech bedecktes Haus zu haben. Die Leute überall hatten große Hoffnung auf eine glänzende Zukunft. Die ersten Anzeichen für ein nationales Bewusstsein, die Völ-ker verschiedener Zugehörigkeit zusammenbrachten, waren sichtbar, auch wenn alles zunächst noch zaghaft blieb. Hier und da gab es Versammlungen der Ortsansässigen, um die Menschen aufzuwecken zum Kampf für Uhuru, für die Freiheit.

Als ich die Grund- und Mittelschule besuchte, stürmte die grüne Szene die Hügel und die Berge, und auch wie der Lebensrhythmus sich durchsetzte, all das hinterließ bei mir einen großen Eindruck. Wie immer im Dorf, so gingen wir sonntags zur Kirche und ruhten uns etwas aus. Während dieser Zeit besuchten wir Freunde, um ihre Meinung zu hören, wenn wir Nachrichten austauschten. Ich hasste die Einsamkeit in den Ebenen, wenn ich die entschwindenden Herden aus Ziegen, Schafen und Rindern zu hüten hatte. Da gab es keinerlei spannende Anreize durch die Beschäftigung mit technischen Dingen. Wir staunten über einige Leute, die auf Fahrrädern daherkamen. Ich war mir nicht einmal dessen bewusst, dass ich in einer Gebärmutter der Natur lebte. Wenn ich bei der Feldarbeit helfen musste, legte ich mich zu Hause erschöpft nieder. Aufgegangene Blasen überall an meinen Handflächen. Das Leben forderte mich auf hartnäckige Weise. Ich konnte wenig für meine persönlichen Belange tun und trat eher auf der Stelle. Wie sollte ein Angeketteter laufen können?

Die Tage und Nächte kamen und gingen, wie es der Lauf ist. Auch wenn da keinerlei Höhepunkte bei meinen täglichen Begegnungen zu verzeichnen waren, so entdeckte ich doch zunehmend mein Interesse an der Art, wie wir leben und ich widmete meinem akademischen Vorankommen mehr Aufmerksamkeit. Bildung hatte ich ja nicht deswegen genossen, um damit Wunder zu enträtseln, die jenseits unserer Grenzen liegen.

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Im Folgenden nun reflektiere ich über die Eindrücke, wenn im Dorf ein neuer Tag geboren wird:

A day is born in the village

After the last cock crows,

whistling off another wearisome night,

Early village wakers wriggle off their warm,

worn out blankets,

Assuaging uncountable dull aches

from a previous labouring day;

Outstretched long leaves of bananas

cuddling pockets of darkness,

Light fights away remaining pockets of darkness

which flee in defeat;

Welcoming an unfolding miracle of day,

birds orchestrate appraisals,

While dew drops like silver-jewels

hesitantly drip-drop down to earth;

A long silence of night suffers assaults

as spurting noises swell louder,

An axe explodes with aim into depths

of logs of wood for morning fire,

A pungent smell of smoke creeps stealthily

unseen like a witch on flight,

A heavy-eyed sun stirs up,

rising ceremoniously as a newly crowned king,

Blurred vision begins to decipher slowly

a new day into a familiar world;

After empty tummies tighten up from leftovers

of a previous night meal,

Sneezing coughs along windy paths

cheer up resolve to sweat another day.

Als ich noch zur Poli Grundschule ging, es war ebenfalls In den Fünfzigerjahren, musste ich auch mit aufs Feld gehen. Meine Eltern freuten sich über eine weitere helfende Hand. Es war eine Strecke von ungefähr zehn Kilometer. Ein ganz schön weiter Weg für ein zehnjähriges Kind. Der Weg ging an Quellen vorbei, durch kleine Wälder, bis man endlich in der Savanne um Manyata ankam. Bevor man auf dem Acker war, meldete sich beißender Hunger, denn die Erschöpfung hatte Besitz vom ermüdeten Körper ergriffen. Die Sonne brannte erbarmungslos. Der Boden war vollkommen rissig und der desolate Zustand hier wie dort in der Bananenpflanzung war klar erkennbar. Die Machete in der Hand, begann das Lichten in der Pflanzung. Die an den Handflächen sich abzeichnenden Schrunden wuchsen immer größer. Es gab auch Zeiten, wo man die Unkräuter mit der bloßen Hand ausgerissen hat. Die Hände hatten überall Wunden und die Haut veränderte sich zu derber Hornhaut, die gar nicht schön anzusehen war. Schulter-und Hüftgelenke schmerzten tagelang. Die Schmerzen der Vereiterungen innen drin zwangen einen zur Untätigkeit. Aber trotz allem gehörte dies zum Alltag der Bauern. Ich denke, ein solch hartes Leben in der Landwirtschaft im weitesten Sinne war eben nun mal so, wobei wir einmal die Mühsal von langen Fußwegen beiseitelassen. Wie oft habe ich das Grünzeug für die Ziegen heimgeschleppt oder auf dem Rückweg nach Hause das Brennholz für den Abend mitgebracht. Und wenn man an einer Quelle oder einem Fluss vorbeikam, schöpfte man mit den Händen das Trinkwasser, nahm aber keinen Schaden dabei, so wie es heute oftmals der Fall ist. Aber es ist eine Tatsache, dass die Umweltzerstörung zu Schwächungen bis hin zu Mängeln in der Krankheitsabwehr geführt hat.

Der Wunsch, nach der Arbeit noch was zu lernen, war nicht vorhanden. Ein Teil der Kinder lehnte es ab, zur Schule zu gehen; sie waren mit Anbau und Weide-gängen beschäftigt. Außerdem wurden sie von ihren Eltern darin unterstützt, bei der Arbeit für die Familie mitzuhelfen und auf diese Weise auch die Ausgaben für die Schule zu umgehen, die zu der Zeit zusammen mit anderen Zahlungen und Steuern zu einem echten Problem für viele Familien werden konnten. Wenn ich heute so durchs Dorf gehe, sind etliche dieser Nachbarn wirklich gealtert. Viele sind bereits gestorben, denn das Durchschnittsalter eines Tanzaniers liegt zwischen 50 und 60 Jahren. Es sind nicht viele, die diese Altersgrenze überschreiten.

Um ein genaues Bild von den gewachsenen Erträgen zu bekommen, muss man etwas erzählen über die Art und Weise, wie wir zu dem von uns angebauten Getreide kamen, wenn die Regenzeit entsprechend gepasst hat. Unabhängig von der harten Arbeit haben immer auch Wildtiere, Vögel und spezielle Ameisen unser Getreide von Mal zu Mal bedroht. Das hieß, es gab einen Dauerkrieg zwischen dem Sattwerden der Tiere und Insekten, und den gefüllten Vorratsspeichern der Bauern, damit diese genug zum Leben hatten.

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Hier unten stelle ich einen ganz normalen Tag vor, mit den guten Erträgen nach einer angemessenen Regenzeit. Es ist fast schon so, dass man es kaum glauben kann.

Hekaheka za mazao porini

Mwaka ule wakulima kijijini walilima isivyo kawaida,

Baada ya mvua kumalizika, mazao yaliota kwa wingi,

Uoni mbichi ulivutia macho kama mkeka bila mwisho,

Wakulima walitabasamu wakisifia majaliwa ya msimu ...12

Inhaltliche Wiedergabe durch den Herausgeber:

Ein Hoch auf die Feldfrüchte in der Steppe13

In jenem Jahr betrieben die Bauern den Anbau nicht wie sonst / Nach Ende der Regenzeit wuchs alles im Überfluss / Mit klarem Blick erschien mir das Feld wie eine endlose Matte / Die Bauern lächelten erfreut und lobten die Vorteile der Jahreszeit / Nach dem Ernten appellierten die Augen an die Barmherzigkeit des Himmels / Der Mais trug das Doppelte und die Körbe füllten sich / Die Bohnen erstrahlten und wanden sich um die Maisstämmchen / Die Bauern glaubten nicht, sich diese Gnade bewahren zu können / Entlang der Flüsse und Brunnen versteckten sich viele Feinde/ Vogelschwärme und Raupen tauchten allerorten auf / Vögel, Paviane und Meerkatzen erschienen überall / Die Felder wurden heimgesucht und umzingelt wie von einem Python / Die Bauern bedeckten die Büsche mit Säcken, um die Feinde zu verschrecken / Abschreckende Blechkanister sollten ihnen Angst machen und sie vertreiben / An vielerlei Stellen bellten heftig die Hunde, die von den Kreaturen gefürchtet wurden / Die Feinde nahmen die Felder als uneinnehmbare Festung wahr / Um die Mittagszeit brannte die Sonne stark wie ein glühendes Feuer / Der Boden wurde von Rissen durchzogen wie bei einer Landkarte / Schlangen und Tausendfüßer genossen diese Umgebung, weil sie Schutz bot / Die Sonne ließ den Blick erzittern und verjagte die Tiefen der Stille / Die Augen der Wächter funkelten beim Verjagen / Immerzu lärmte es: Hai Hai Hai war in der Steppe zu hören / Wenn dann der Bauer die untergehende Sonne sah, machte er sich auf den Heimweg / Worauf die Affen eilends von den Bäumen stiegen und sich gnadenlos über den Mais hermachten / Wenn der Wächter endlich zur Pflanzung kam, mussten sie sich nämlich beeilen / Die Vögel fielen ein wie eine Armee und fraßen, bis sich die Bäuche blähten / Ein Teil vom Mais bestand nur noch aus Stängeln und brachte den Schaden ans Tageslicht / Die Maisstämmchen waren von ihrem Schatz an Körnern total befreit / Überall bei den Feldfrüchten wurden Lücken sichtbar als Beleg für die Verlockung / Am Boden kauten und fraßen Tag und Nacht die Termiten / Viel von der nackten roten Erde kam zum Vorschein / Ganz unten unter den Fraßlücken blühte im Verborgenen ein Reich / Und der Wachmann wurde von dieser tiefen Einsamkeit der Wildnis regelrecht verschluckt / Der Schlaf übermannte ihn, und er verfiel im Schatten der Bäume unmittelbar ins Schnarchen / Als die Affen gewahr wurden, dass er schon in eine andere Welt gezogen war / fielen sie wie die Wilden über die Ernte her und schlugen sich voll / Wochen später war es der Sonne gelungen, Blätter und Früchte zu trocknen / Die braune Trockenzeit verschluckte alles Grün, das sich reichlich in den Feldern ausgebreitet hatte / Mit dem getrockneten Mais beladen schwankten die Stämme hin und her / Der Wind raschelte so sehr, als wenn der Teufel vorbeizöge / Die Hoffnung auf eine gute Ernte zerbrach in Stücke wie eine faule Frucht / Der Mais wurde in Säcken oder Tüchern gesammelt / Sonst wären die Vögel schon eingefallen und hätten alles fortgetragen / Die vorhandenen Bohnen taugten nur, um dem Bauern seinen Schweiß vor Augen zu führen / Manchmal wurden die Maisstängel gebündelt und nach Hause getragen / Immer wenn wir etwas geerntet hatten, trugen wir die schweren Lasten nach Hause / Unsere Nacken pochten und schmerzten unter der Last wie bei einem Esel / Die Füße waren so ermüdet, dass jeder Schritt war wie eine Prüfung zu einer langen Reise / Schließlich war die Ernte in den Speichern und wir verschnauften und redeten darüber.

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Mwalimu, ich danke dir herzlich für deine letzte E-Mail. Ich befand mich zu der Zeit in Meru, wo ich, wie es zu erwarten war, „hija“14 hielt. Ich meine, den Bungalow zu erwärmen, die Spinnen fortzujagen, das Gelände zu pflegen und die beruhigende Umgebung wieder zu erleben. Diese Gegend erinnert mich an mei-ne Kindheit. Als ich hier Hirte war, bellten mehrere Schäferhunde (der Siedler) neben der Stacheldrahtgrenze. Die Hunde versuchten die Grenze zu überwinden, um mich zu beißen. Voller Angst sagten die Dorfbewohner immer wieder, dass die Hunde kalbgroße und gefährliche Bestien wären. Die Hunde hatten manchmal die Ziegen und die Schafe im Dorf getötet. Gelegentlich explodierten Schüsse in der umgrenzenden Plantage, um die Dorfbewohner zu erschrecken. Elektrisches Licht wurde damals als ein wunderlich ausstrahlender Himmel hoch geschätzt. Dies geschah Ende I940.

Die runden Hütten im Dorf rauchten Tag und Nacht. Sie waren mit Bananenblättern bedeckt. Lagen reife Bananen auf dem Dach, spielten die Ratten und die Küchenschaben fröhlich herum. Nachts hörte man die Ratten deutlich beim Feiern. Meine Großmutter väterlicherseits wohnte in einer solchen Hütte, als ich im Alter von fünf Jahren war. Ich schätze ihr Geburtsdatum auf ungefähr 1870. Sie starb unter andauernder Pflege meiner Mutter im Jahr 1966. Sie starb einige Monate vor meinem Abitur und damit auch bevor ich wegen einer politischen Äußerung aus der Schule entlassen wurde. Während der Regenzeit, oder manchmal auch nachts, erzählte uns die Großmutter von ihrer Vergangenheit. Es drehte sich um tödliche Kriege mit den Masai, die immer das Vieh stahlen, oder um Epidemien und Seuchen, und auch, wie sie Hunger überlebten. Auch davon, wie sie Zwangsarbeit in der Deutschen Kolonialzeit verrichteten und von ihrer Nostalgie in Richtung „Orient“: Masama am Kilimanjaro15. Sie hatte einen lauten Ruf wegen ihres Fleißes bei der Arbeit. Ihre Ernten in den Feldern und auch ihr Vieh gediehen beeindruckend. Damals dachten wir, dass sie uns bloß träumerische Märchen erzählte. Nun verstehe ich, dass man besser Notizen gemacht hätte. Mwalimu, die Vergangenheit Afrikas liegt stumm in der Geschichte. Leider gibt es sehr wenig Geschriebenes. Nach einer Generation rutschen viele afrikanische Erlebnisse in die dunkle Vergessenheit.

Mein Vater wurde 1917 geboren. Meine Mutter wurde im Dezember 1921 geboren. Das Geburtsdatum meiner Mutter wurde schriftlich von ihrem Stiefbruder dokumentiert. Meine Eltern besuchten die Buschschule in Poli, zwei Jahre, um das Lesen und Schreiben zu lernen. Zuerst arbeitete mein Vater als Hirte. Getauft wurde er schätzungsweise im Jahr 1930. Nach seiner rituellen Beschneidung im Alter von 18 Jahren wurde mein Vater als Sprecher für seine Altersgruppe gewählt. Er war streng und diszipliniert. Er wurde kurzweilig eingestellt, um (als Sanitätspfleger) während der britischen Herrschaft in den späten 1930er Jahren die Moskitos in den europäischen Siedlungen zu bekämpfen.

Meine Eltern waren Christen. Ihre Ohren wurden nicht gelöchert, wie es damals üblich war. Zwischen 1939/1940 heiratete mein Vater. Sein Anzug war ausstrahlend weiß und auch meine Mutter trug eindrucksvolle weiße Kleidung in der Kirche. Mein Vater hatte eine schöne Vierzimmerhütte mit steilem viereckigen Dach, die geschickt von Bananenblattwerk gedeckt wurde. Mehrere Stimmen sagten, “Numba shisha ya Nsero Muni” (Kimeru: „Das ist ein würdiges Haus für einen aufrechten, jungen Mann“). Er war der erste im Dorf, der Ende 1940 einen Pflug mit vier Ochsen besaß. Regelmäßig kamen am Abend Kunden, um die Pflugtermine bei ihm zu bestellen. Sein Vermögen im Dorf wurde damals als beglückend und ausreichend betrachtet.

Meine Familie besaß 2 Morgen Land im Dorf, auf denen wir Kaffee und Bananen anbauten. Wir hatten 2 Morgen Land bei der Hauptstraße nach Arusha in Kilala, und noch zwei Morgen Land in der Steppe (Nganana und Manyata) für Mais, Hirse und Bohnen. Wir hatten einige Kühe, Ziegen und Schafe. Als ich die Grundschule in Poli besuchte, arbeitete ich in den Feldern und hütete die Haustiere, wie es zum Teil in meinen Versen geschildert wird.

Meine Mutter war eine fleißige Bäuerin. Bereits als ich acht Jahre alt war, begleitete ich die Eltern zu den Feldern. Beide Eltern arbeiteten von morgens früh bis abends.

Es war manchmal zu viel für mich. Diese Strapazen gehörten eher zu einem Arbeitstier. Die älteren Frauen im Dorf nannten meine Mutter “Nkameemba” (die Frau, die immer viel Mais hat). Ich will nicht meine Eltern als etwas Besonders schildern. Zweifellos waren sie fleißig und Vorbild im Dorf in der ersten Hälfte ihres Lebens. Mwalimu, das Leben ist ein abenteuervolles Hin und Her. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Die Afrikaner sind im allgemeinen gewohnt, alte Dinge vorbeigehen zu lassen. Die alten Blätter fallen zur Erde, wie es die Natur dirigiert, aber hier stehe ich nun, aufgefordert, wertvolle Erinnerungen an die Vergangenheit fest anzubinden. Das ist aber hauptsächlich durch dich möglich gewesen, diese Bruchstücke wach aufzuraffen. Ich habe die Teile meiner Geschichte organisch dargestellt. In „Echoes of a Past World“16 gibt es weitere Bruchstücke, die mehr Einsicht in die Dynamik des Lebens bieten.

Wir Kinder gingen stets um acht Uhr zur Sonntagsschule. Minuten vor zehn Uhr läuteten die Glocken und die Sonntagskirche fing kurz danach an. Meine Eltern gingen regelmäßig zur Kirche. Mein Vater hatte eine wunderbare Stimme gehabt. Die Stimme klang weich, schwungvoll schön und irgendwie feinfühlig moduliert. Bis heute gilt: keines von meinen Geschwistern weiß von diesem Geheimnis. Nur du, Mwalimu. Während der Vater sang, hörte ich zu, freudig mit zugespitzter Aufmerksamkeit. Er wiederholte eine Hymne. In unserer Kultur wagte kein Kind zu verlangen, “Papa, singst du mal für mich”. Es herrschte eine strenge Trennung zwischen Kindern und Elternangelegenheiten. Kinder machten keinen Spaß mit Erwachsenen. Aber umgekehrt ging es. Kinder spielten immer unter Kindern. Meine Mutter war Diakonisse in der Kirchengemeinde. Sie wirkte 18 Jahre lang, bevor sie diese Rolle einer jüngeren Frau übergab. Außerdem arbeitete sie als Sprecherin für die Frauen im Dorf. Diese soziale Leistung hatte sie ernsthaft und immer gratis durchgeführt. Manchmal handelte es sich um Konflikte zwischen Nachbarinnen oder um Ehekrisen, gelegentlich wurde der Friedhof gepflegt oder irgendeine Missionsarbeit unterwegs erledigt. Meine Mutter blieb beliebt im Dorf, weil sie mit fast allen zurechtkam. Sie mied Probleme mit anderen. Wir Kinder wurden aufrecht erzogen. Dazu gehörte: Erteilte Dienste geschwind zu erledigen, sich sauber zu pflegen, ältere Menschen auf den Wegen immer zu grüßen, Lügen zu meiden und hilfsbereit und tatkräftig zu sein.

Im mittleren Alter hatte mein Vater immer wieder Schafböcke im Haus gezüchtet. Man hatte an der Hausecke eine Stallkammer von etwa vier Quadratmetern und einem Meter Höhe aus Holz gebaut. Quer in der Mitte verlief eine Stange, worauf man das geteilte Grasbündel zwischenzeitlich aufhängte. Es waren meistens zwei oder drei Schafböcke. Morgens früh, während wir Kinder schliefen, ging der Vater mit seiner Machete in der Hand fort. Entlang der Bäche suchte er grünes Gras für die Tiere, das er kräftig mähte. Damals waren viele Flusstäler im Dorf immer mit sanften Gewächsen grün bedeckt. Das murmelnde Wasser floss häufig kristallklar. Er brachte ein dickes Grasbündel nach Hause, das sehr oft schnell, mit vorzüglichem Appetit, von den Schafböcken aufgefressen wurde. Innerhalb von sechs Monaten nahmen die Schafböcke zu. Sie trugen schwankende fette Schwänze. Meistens wurden sie verkauft. Wenn meine Mutter sich aber im Wochenbett befand, schlachtete der Vater einen Bock. Für uns Kinder war das Freude ohne Ende. Es war wie Weihnachten bei Euch. Der geräucherte Hinterkopf des Bocks war ein besonderer Genuss, wie sanfter Speck. Ging es um Ziegenbockfleisch, waren wir natürlich nicht weniger glücklich. Meistens aßen Frauen die Gedärme. Alte Männer genossen die Leber, das Herz und die weichen Innereien. Jungen bekamen die Beine, den Schwanz oder die Ohren. Trotzdem waren wir echt glücklich. Das war ein Diktat der Kultur, das, Gott sei Dank, in der Zwischenzeit aus der Mode gekommen ist.

Anfang der Fünfzigerjahre bekam der Kaffee einen guten Weltmarktpreis. Solche Preisgewinne hatte man auch in den Zwanzigerjahren gekannt. Während der verlängerte Winter in Brasilien den Kaffee zerstörte, verdienten die Kaffeebauern in anderen Ländern mehr Geld. Eine Kaffeegesellschaft Namens „Giuliani Coffee Exporters“ kaufte den Kaffee von den Bauern. Viele Männer entfernten die Bananenkeime und pflanzten eifrig Kaffeebäume. Kaffee verlangt viel Arbeit: pflücken, fermentieren, gründliches Waschen und mehrere Wochen in der Sonne trocken lassen, dann zur Verkaufsstelle transportieren. Die Familien, die Hektare von Kaffee besaßen, konnten moderne Häuser bauen. Mein Onkel Gamaliel Sablaki hatte viel Kaffee gehabt. Er war ein Ratsmitglied der Meru Citizen Union. Er kaufte einen Sieben-Tonnen-LKW. Außerdem begann er, ein mehrstöckiges Haus aus Steinen zu bauen. Ich kannte keinen anderen Merumann in der Nähe, der so sehr den Fortschritt gewagt hatte. Über dem ganzen Land brannte hell der Optimismus der neuen Zeit. Viele Menschen glaubten, Gott hätte ihre Bemühungen beglückt.

Die Inder hatten Geschäfte in den Ortschaften und in der Stadt aufgebaut. Merumänner, die gutes Geld vom Kaffee verdient hatten, reisten nach Arusha, begleitet von ihren Frauen, die den besten Stoff in den Geschäften der Inder suchten. Die Frauen beteuerten, sie hätten mit viel Schweiß einen hohen Preis auf dem Land verdient. Weihnachten trugen viele Menschen schöne Kleider aus Japan, England und Amerika. Das Meruvolk hielt fest zusammen. Das Land glänzte auch in den dunklen Ecken. Kaffeebäume blühten im Dezember auf. Die Luft von den Kaffeefeldern duftete. Im Mondlicht beglückten uns Kinder unzählbare Sternchen. Wir spielten, tanzten und sangen bis zur Müdigkeit. Die Bienen summten, die Käfer knatterten, die Vögel belebten die schweigende Landesweite. Die Fruchtbarkeit des Landes brauchte keine lobenden Zungen. Das Leben entfaltete sich nickend und bejahend. Wir lebten im Gottesauge.

Der koloniale Druck aufs Land nahm zu. Neue Siedler wollten ihr Glück auf dem Land probieren. Kaffeeanbau, Viehzucht, Geflügelzucht, Schweinezucht oder Jagen lockten neue Augen an. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die deutsche koloniale Regierung viele Buren nach Tanganyika eingeladen. Sie sollten Ackerbau im Norden des Landes treiben. Andere Buren kamen unter General Smuts während des Ersten Weltkrieges. Die Buren waren unaufhaltsame Jäger. Sie sahen ihre Träume verwirklicht in einer reichen Jagdwelt. In der Zwischenzeit hatte die einheimische Bevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg unbekümmert zugenommen. In dieser Zeit hatte ich schon drei Geschwister. Der Kampf ums Leben wurde zunehmend überall verspürt, auch als mehr Land der Einwohner beschlagnahmt wurde.

In 1951 wurden den Südafrikanern tausend Morgen im Norden Tanganyikas zugeteilt. Dunkle Wolken erspähten das grüne Meruland. Ich merkte, wie die Erwachsenen sich kummervoll unterhielten. Es war mir nicht deutlich, worüber sie sich unterhielten. Ihre Augen häufig zu Boden gerichtet, redeten sie mit gereizten, bitteren Stimmen, auch wenn sie kein Hirsebier getrunken hatten.

Die alten Lebensgewohnheiten waren erschüttert. Obwohl ich noch jung war, spürte ich diesen Lebensdruck in den Gedanken meiner Eltern. 1952 spendete ich 10 Cent für die Reise unseres Repräsentanten Kirilo Japhet, der in diesem Jahr den Landkonflikt zwischen der Regierung und dem Meruvolk vor den UN in New York vortrug. Das war drei Jahre, bevor Julius Nyerere für Tanganyikas Verlangen nach Unabhängigkeit vor der UNO plädierte. Neue Zeiten klopften an die Türe der herrschenden Umstände, mit unbekannter Härte. Derjenige, der sich manchmal vorne befindet, hat noch nicht mit aller Sicherheit gewonnen.

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Die Berichte, die ich oben vorgestellt habe, versuchen ein Bild des Lebens zu zeichnen, wie es sich zu Beginn der Fünfzigerjahre darstellte. Ich war damals gerade zur Poli Grundschule gekommen. Zwei Generationen sind vergangen. Dies ist also die Erinnerung an die Geschichte in unserem Lebensraum zu der Zeit. Ich würde mich gerne konzentrieren auf wichtige Dinge, die mir passiert sind; und auf das Dorfleben meiner Eltern. Wie du weißt, erklärt die Art und Weise, wie jemand aufgewachsen ist, auch sein Umfeld. Alles aus dieser Welt sammelte sich in meiner Vorstellungskraft an und formt noch bis zum heutigen Tag meinen Charakter und mein Sosein.

Des Weiteren werden die folgenden Zeilen in Swahili17 die ganz gewöhnlichen Ereignisse aus meinem frühen Leben wiedergeben, als ich die Ziegen, Schafe und einige Rinder in der Savanne hütete. Wie ich dir bereits in vorangegangenen Erzählungen erklärt habe, hat diese Hütearbeit meine Augen geöffnet, um die Umwelt und die Jahreszeiten mit Bedacht, aber immer deutlicher verstehen zu wollen. Den Herden immer hinterherzulaufen ermüdete sehr, vor allem, wenn auch noch die Sonne brannte und alles mich dazu brachte, von einem anderen Leben zu träumen.

Trotz allem aber wanderten die Augen neugierig umher, der Hunger war den ganzen Tag lang überwunden, ebenso wie die nervigen Tiere, gelegentlich in pochender Einsamkeit. Wenn die Tiere die Feldfrüchte der Bauern fraßen, bekam ich mächtig Ärger und wurde von den Nachbarn und Eltern sehr gerügt. Ein Kind wird nicht von den Eltern alleine erzogen, sondern, anders als bei euch in Deutschland, auch von der näheren Verwandtschaft. Deshalb musste man immer sehr aufpassen. War die Atmosphäre im Eimer, gab es Ärger und Verdruss, wie das folgende Stück beweist:

Dhoruba ya mvua porini

Jua kali lilikuwa limekausha miti na majani kote,

Ardhi ilitapakaa mabaka ya udongo pale na kule,

Kimbunga kilitimua vumbi nene lililoelea hewani,

Majani mabichi yalisimama kama visiwa majini …18

Inhalt (vom Herausgeber in Deutsch wiedergegeben):

In diesem Stück wird erzählt von der Hitze, die alles verdorren lässt, Bäume, Blätter. Erzählt wird vom Wind, der die Luft mit Staub füllt, und einzelne grüne Blätter nur noch wie Inseln im Wasser erscheinen. Es erzählt von Grashüpfern und von Eidechsen, die sich in der Sonne aalen, von der rissigen Erde, die wie eine geritzte Landkarte aussah, und der Savanne, die still dalag wie ein von Einsamkeit erfülltes Meer. Wie sich dann der Himmel mit schwarzen Wolken zuzieht, wie aus ersten Tropfen ein Sturzregen wird und er sich unversehens und Schutz suchend zusammen mit den Ziegen unter einem Baum wiederfindet. Herunterfallende Äste, Blitze, die den Himmel zerreißen und die Welt in ein Schlachtfeld der Hölle verwandeln. Der Donner, der Angst einjagt und man sich zu schützen sucht, das Wasser des Regens, das die Augen trübt und nach kurzer Zeit schon der Körper aufgeweicht ist und total durchnässt vor Kälte erschauert und man sich wie eine Termite in der Savanne fühlt. Wie der Boden dahinfließt, die Gräben überquellen, die Schritte schwerfallen, der glitschige Boden zur Herausforderung wird, die Brunnen von Schlamm überlaufen, die Tiere sich fürchten, hindurch zu waten und man zu Hause so dankbar ist, diesen Sturm heil überstanden zu haben.

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Ich danke dir sehr für deinen letzten Brief. Du hast immer so viel Lob für mich, dass es schwer für mich wird, nicht verwöhnt zu erscheinen. Meine Erzählungen beruhen auf erlebten Fakten. Es ist nicht immer leicht, eine multidimensionale Sicht zu bewahren. Du wirst aber etwas verstehen von meiner Kindheitswelt. Für mich bestehen keine Grenzen zwischen Deutschland und Tanzania. Ich gehöre beiden. Es ist aber leider noch nicht so weit, dass ich dir Bescheid sagen könnte, wann ich einreisen werde. Ich möchte auch nicht zu lange warten.

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Ohne es zu beabsichtigen, ertappe ich mich dabei, an längst vergangene Dinge zu denken. Ich denke, ich verstehe bis zu einem gewissen Grad, wie sich in unserer Geschichte Stück für Stück die Lücken schließen. In jeder Hinsicht fehlt es an Erinnerung, um ein Licht auf unsere Herkunft fallen zu lassen. Es ist aber sehr schwer, eine funktionierende Zivilisation zu errichten ohne diese Lücken zu füllen. Bei euch gibt es unzählige Bibliotheken, voll mit dem, was entfernte Generationen schrieben. Bevor zum Beispiel Bismarck Deutschland zu einem Reich zusammengeführt hatte, lebte in unseren Breiten die Gesellschaft noch in verstreuten Gruppen. War Deutschland in Folge des Krieges gespalten, so hält das Land heute doch zusammen als eine einzige Nation. Die Vereinigung hat die Unterschiede beseitigt, die durch die gegenseitige Bekämpfung entstanden waren. Es liegt in der Verantwortung einer jeden Nation, seine Kultur auszubauen und zu pflegen.

Als ich klein war, sah ich die Leute, wie sie in den Kneipen Bier tranken. Zu der Zeit hütete ich die Ziegen auf der Weide. Einmal schickte mich mein Vater Bier holen, weil er zu Hause eine sehr anstrengende Arbeit zu verrichten hatte. So nahm ich denn eine Fünf-Liter-Kanne, um ihm das Hirsebier kaufen zu gehen. Da ich kein Biertrinker war, riet er mir, jemanden zu finden, den ich kannte und ihm vertraute, um ein Bier auszusuchen, das ihm gefallen würde. Es kam vor, dass die Verkäufer den Leuten Bier verabreichten, das völlig schal und lasch war. Und das schmeckte gar nicht gut.

Die Bars befanden sich nicht in der Nähe der Gebiete, wo die Leute wohnten. Oftmals lagen sie eher in der Wildnis, entlang der Flüsse, wie das unten folgende Gedicht erläutert. Es wurden einige Hütten errichtet, die sowohl die Sonne als auch den Regen fernhielten. Immer waren Feuer an und es rauchte. Der Wind blies den Biergeruch fort und verteilte ihn überall. Eine große Tonne war in der Küche zu sehen, in der Bananen für das Bier der Folgetage gekocht wurden. Entlang der Hütten lagen Holzscheite, die dazu da waren, das Bier zu kochen.

Wenn man sich die Bars anschaute, konnte man denken, es seien lediglich üble Orte für Saufbolde. Die Kneipen waren Orte der Erfrischung, die Menschen von überall her anlockten. Die Leute erfrischten sich mit Bier, das einen sehr guten Geschmack hatte. Ein kleinerer Teil der Männer trank draußen gewöhnliches Flaschenbier. Die Menschen kamen auf andere Gedanken und tauschten die neuesten Nachrichten aus. Man könnte es auch „Forum für erwachsene Menschen“ nennen. Du weißt, es gab zu der Zeit weder Zeitungen noch Radio. Das gesprochene Wort kam dem heutigen dot.com gleich. In einem dazu passenden Gedicht wird berichtet, dass man traditionell viel Bananen, Hirse und Getreide anbaute, um daraus Bier zu machen:

Watu wengi walivaa mavazi ya kazi yaliyochoka,

Wengi walivaa matambara wakitokea shambani,

Kofia chakavu zilining’inia vichwani kukinga jua,

Miguu ilicharaza pekupeku viatu vikiwa ni ndoto19

Teilübersetzung durch den Herausgeber: