Der Tag, an dem Bayer Leverkusen Deutscher Meister werden konnte - Fred Erikson - E-Book

Der Tag, an dem Bayer Leverkusen Deutscher Meister werden konnte E-Book

Fred Erikson

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Beschreibung

Acht Freunde - 5 Männer und 3 Frauen - sind seit vielen Jahren Fans von Bayer 04 Leverkusen. Lange waren sie nicht mehr so optimistisch, wie vor dieser Saison, der Spielzeit 2023/2024. Ihre Mannschaft wurde super verstärkt, die erste Runde im DFB-Pokal wurde souverän überstanden. Jetzt träumen Holger, Babs, Reni, Tom, Mutti, Walt, Bunny und Joe von einer überragenden Saison. An jedem Spieltag sind sie dabei, entweder bei Heimspielen in der BayArena oder bei Auswärtspartien im Kino-Keller von Holger oder im Stadion des Gegners. Die Achter-Truppe leidet und jubelt, flucht und lobt, verzweifelt und ist begeistert - Je länger die Saison dauert, desto spannender wird der Kampf um die Meisterschaft. Bayer 04 Leverkusen ist bis zum Ende ganz oben mit dabei; ob es in dieser Spielzeit endlich zum erhofften Meistertitel reicht, wird man sehen.

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Buch

Holger, Babs, Tom, Reni, Bunny, Mutti, Walt und Joe fiebern vor der Saison 2023/2024 so intensiv wie seit Ende der 90er-Jahre nicht mehr. Ihr Team, Bayer 04 Leverkusen, hat sich bestens verstärkt. Die Fans träumen vom Titel. Nicht von irgendeinem: Die Deutsche Meisterschaft soll es werden. Nicht mehr und nicht weniger. Auch die Mannschaft und ihr Trainer Alonso formulieren hohe Ziele, von der Meisterschaft sprechen sie aber alle nicht. Sie wollen von Spieltag zu Spieltag schauen, dazu im DFB-Pokal weit kommen und, wenn möglich, auch in der Europa League so lange wie möglich im Wettbewerb bleiben.

Für die acht Fans hat aber die Bundesliga Vorrang. Auswärtsspiele werden, wenn die Mitt-Vierziger sich nicht auf die Reise ins fremde Stadion machen, im Kino-Keller von Holger verfolgt.

Tritt die Werkself in der BayArena an, sind die acht auf ihren Stammplätzen, nah am Spielfeldrand im Block B4. Sie erleben Spieltag für Spieltag, hoffen mehr und mehr, dass es dieses Jahr endlich!!! zur Meisterschaft reicht. Die Werkself bleibt oben dran. Es wird immer spannender zum Saisonende, die Fans träumen mehr denn je...

Autor

Fred Erikson, in Leverkusen geboren.

Bayer 04-Fan seit Mitte der 70er-Jahre

Fred Erikson

Der Tag, an dem Bayer Leverkusen Deutscher Meister

werden konnte

Roman

Für diejenigen, die ihre Hoffnung nie aufgeben

Impressum

Texte: © Copyright by Fred Erikson

Umschlaggestaltung: © Copyright by Frieda Erikson

Verlag: F. Erikson

51379 Leverkusen

[email protected]

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Vorwort

Die Idee zu diesem Roman entstand genau 7 Tage vor dem ersten Saisonspiel von Bayer 04 Leverkusen. Verdammt wenig Zeit. Darunter hat sicherlich die Qualität (man möge mir, trotz des Korrekturlesens, Rechtschreibfehler verzeihen ...) gelitten; auch sind manche Handlungsstränge sicherlich noch ausbaufähig.Egal.Da ich für die Spielzeit 2023/2024 dermaßen positiv eingestellt bin (Hoffnung, Glaube, Vertrauen, Vorfreude, Hunger auf den Titel und die Pommes in der Schwadbud), glaube ich - mittlerweile zum ca. 10. Mal seit dem Aufstieg 1979 - an den Titel. Sollten wir ihn am Ende nicht geholt haben, so können sich die Protagonisten in diesem Roman (und vielleicht auch Ihr als Leser und Leserinnen) wenigstens über eine grandiose Saison freuen, die mit ???????????? endet.Dass dieser Roman alles andere als bierernst ist, muss wohl nicht gesondert erwähnt werden. Alle Spielergebnisse sind getippt/geraten und werden sich sicherlich im Detail in der Realität nur selten wiederfinden.

Ich hoffe, Ihr habt Spaß daran, die Jungs und Mädels – nennt man Menschen jenseits der 40 überhaupt noch so?? - bei „ihrer“ Saison zu begleiten. Sie sind „Normalos“: Keine Ultras, Kuttenträger, Hools. Einfach nur Fans, wie das Gros der Anhänger.

Und vielleicht wird diese Saison ja auch Eure ...

Charaktere

Holger: Besitzer eines Kino-Kellers mit Original-Sitzschalen aus dem Stadion, einem 88-Zoll TV und einem fantastischen Surround-System. Ehemann von Barbara.Thomas: "Tom" Ältester Freund von Holger, überzeugter Junggeselle. Hat alle Heim-Trikots seit dem Aufstieg im Jahr 1979. Und weiß irgendwie alles über die Geschichte von Bayer Leverkusen. Ist ansonsten aber etwas weltfremd. Würde am liebsten im Keller von Holger wohnen. Walter: "Walt". Aussprache wie bei Walt Disney. Früherer Arbeitskollege von Holger. Bezeichnet sich selbst als kritischen Geist, ist auch nach noch so guten Leistungen und (klaren) Siegen der Mannschaft nie zufrieden. Wäre gerne selber Bundesligatrainer.Bernd: "Bunny". Heißt so, weil er an einem Morgen nach Weiberfastnacht in einem Hasenkostüm schlafend auf den Treppenstufen der Polizeiwache aufgefunden wurde und mit dem Satz "Mein Name ist Hase" auf die Bitte der Polizeibeamten nach der Nennung seiner Personalien antwortete. Joachim: "Joe". Alter Kumpel und Arbeitskollege von Bernd. Muss sich jedes Wochenende aufs Neue zu Hause rechtfertigen, dass er Fußball schauen geht. Bleibt da meistens standhaft. Seine Frau hat daheim eindeutig die Hosen an.Barbara: "Babs". Ehefrau von Holger, noch größerer Bayer-Fan als ihr Mann. Weltbeste Mettbrötchenproduzentin, verzweifelt manchmal an der Liebe ihres Mannes zur Elektrik. Evelyn: "Mutti". Darf nur in der Fan-Club-Runde so genannt werden. Hat oft irgendwelche angeblich hypergesunden Bonbons und natürlich auch Taschentücher und Pflaster dabei. Trinkt keinen Alkohol, sondern hat stattdessen bei Besuchen immer ein paar Tütchen Tee dabei. Irene: "Reni". Nachbarin und gute Freundin von Babs. Vegetarierin. Sie bekommt bei Ansicht der Mettbrötchen von Babs immer Schnappatmung. Ist dafür aber trinkfest. Sehr trinkfest. Und im Stadion extremst laut.

Vorbereitung

Holger hatte eingeladen. Zum Pokalspiel gegen Ottensen. Regionalliga. Die erste Pflichtpartie der Saison 2023/2024. Ihre Mannschaft war klarer Favorit. Aber das war sie im Jahr zuvor gegen Elversberg auch. Was daraus wurde, wussten sie alle noch.

Das sollte gegen Teutonia Ottensen nicht wieder passieren. Hofften sie. Als sie bei der Bekanntgabe der Aufstellung sahen, dass Coach Alsonso, abgesehen von Tah, die in ihren Augen beim ersten Kölsch – Aperol Spritz für Babs und Reni sowie der übliche Tee für Mutti – beste Elf starten ließ, entspannten sie sich. Ein wenig.

Zwei Stunden vor Spielbeginn wollten sie sich im Kinokeller von Holger treffen. Holger hatte sich einen neuen Fernseher zugelegt. Schlappe 88 Zoll hatte das Monster und nahm mehr als zwei Drittel der Wand ein. Das Teil wurde, fast schon ehrfürchtig, von allen bewundert. Zumindest von allen, die schon da waren.

Joe und Bunny fehlten. Joe kam immer erst auf den letzten Drücker, da er sich zu Hause von seiner Ehefrau Elly, die alle anderen aus dem Fan-Club – auch die Frauen – als selbst- und herrschsüchtige Person empfanden, ein ums andere Mal regelrecht freikämpfen musste.

Bunny hatte den dieses Mal tatsächlich sehr früh angesetzten Termin wahrscheinlich wieder verpeilt. Das geschah des Öfteren. Irgendwann würde er hereinschneien.

Reni stand immer noch mit offenem Mund vor der TV-Wand.

Holger starrte sie an und wartete auf irgendeine Frage, die noch unausgegoren in Renis Hirn umherwaberte.

„Was für ein Teil.“

Nun gut, das war jetzt keine Frage. Holger atmete lautstark aus und nahm einen tiefen Schluck von seinem frischgezapften Kölsch.

„Was kann der denn alles?“

Das war nun die Frage. Mit ihr konnte Holger allerdings nichts anfangen.

„Hä?“

Verwirrt schaute Reni jetzt Holger an.

„Was kann der, was dein alter Fernseher nicht konnte? Der alte war doch erst zwei Jahre alt.“

Bevor Holger antworten konnte, trat Babs neben die beiden.

„Danke, Reni. Genau das habe ich Holger auch gefragt und bis heute keine gute Antwort bekommen.“

Holger wandte sich seiner Frau zu.

„Schätzeken, so kannst du das auch nicht sagen. Ich habe dir doch was dazu gesagt.“

Babs grinste nach der Antwort ihres Mannes.

„Zitat Ehemann: Der ist größer.“

Reni verdrehte die Augen nach Babs´ Aussage.

„Ich hab´s mir schon fast gedacht. Da sind die Männer doch fast alle gleich. Es muss immer das Größte sein.“

Babs nickte Renis Ergänzung ab.

Holger wollte das aber nicht einfach so stehen lassen.

„So habe ich das nicht gesagt. Die Größe ist eine Sache. Acht Zoll mehr ist schon etwas. Außerdem gibt es einen noch größeren Apparat. Aber ich wollte ja nicht übertreiben.“

Jetzt verdrehte Babs die Augen.

Reni grinste dabei.

„Als ob es noch ein größeres Teil gibt.“

Holger tippte nach Babs´ Zweifel wild auf dem Display seines Smartphones herum. Kurz darauf hielt er es abwechselnd seiner Frau und Reni vor die Gesichter.

„Da!! Das Ding hat 97 Zoll. Noch Fragen?“

Babs drehte und winkte ab, widmete sich wieder ihrem Aperol. Reni blieb weiter vor dem TV stehen.

„Kann der noch mehr, als einfach nur größer zu sein?“

„Die Farben sollen noch intensiver sein. Sagt die Werbung. Ich konnte das gestern beim Probeschauen so nicht feststellen, aber vielleicht fällt´s euch auf.“

Reni nickte zufrieden und ging zu Thomas, Walter und Evelyn, die am Tisch der Tafelrunde – So nannte Holger den runden Tisch in der Ecke des großen Kellerraums – schon mit dem Ausfüllen der Saisontipps auf Laptops beschäftigt waren.

Dieses Ritual wurde seit sieben Jahren immer kurz vor Saisonbeginn vollzogen. Jedes einzelne Spiel an jedem Spieltag wurde ab dem 1. Spieltag bis zum 34. Spieltag getippt. Vor dem ersten Spieltag. Am Ende erstellte das Programm automatisch die Abschlusstabelle.

Diese wurde abgespeichert und ausgedruckt. Nach dem letzten Spieltag wurden die Abweichungen bei den Platzierungen bei jedem Verein verrechnet. Wer am wenigsten bei seinen Platzierungen danebenlag, bekam einen Wanderpokal.

Die letzten beiden Jahre hatte Evelyn gewonnen, davor zwei Mal Babs. Dies zum Thema, Frauen haben keine Ahnung vom Fußball.

Mitunter gab es kuriose Ergebnisse, die mit normalem Fußballverstand nicht zu erklären waren. So hatten vor der Saison 2022/2023 sechs Tipper den 1. FC Köln als Absteiger gesehen. Einer sogar den FC Bayern München. Sympathie und Antipathie spielten bei diesen Tipps sicherlich eine größere Rolle als die tatsächliche Qualität der Mannschaften.

Seit Beginn der Tipprunde gab es übrigens keine Saison, in der nicht mindestens 2 Tipper Bayer 04 als Meister vorhergesehen hatten. Auch hier waren eher die Wünsche und Hoffnungen Auslöser für diese Tipps als die Realität.

Reni schlenderte nun auch zum Tisch, um ihren Tipp zu beginnen. Holger und Babs waren schon durch, wollten aber mit der Bekanntgabe ihrer Endtabellen warten, bis die anderen auch fertig waren

Also machte Holger schon mal seinen neuen Fernseher an. Er war noch ein wenig verliebt in das neue Teil, das erst Anfang der Woche im Keller installiert worden war.

Es hatte ihn einen ganzen Abend gekostet, ehe die Surround-Anlage mit dem Monster-TV in Einklang gebracht worden war. Gestern Abend gab es die Generalprobe zusammen mit Babs, als sich die beiden drei Folgen ihrer Lieblingsserie Ted Lasso reingezogen hatten.

Babs nahm ihren Mann ob seiner Technik-Liebe gerne etwas hoch, doch wenn sie mit ihm vor dem TV im Keller saß, konnte sie sich genauso über die Bild- und Klangqualität freuen. So wie gestern Abend.

Wobei die Serie kein Vergleich zu einer Live-Veranstaltung, wie der eines Fußballspiels, darstellte.

Als Babs hoch ins Erdgeschoss in die Küche wollte, um die schon vorbereiteten Mett- und Käsebrötchen aus dem Kühlschrank zu holen, klingelte es an der Haustür.

Sie konnte schon durch die Milchglastür anhand der Konturen erkennen, dass es Bunny war.

Als sie die Tür öffnete, fiel ihr Bernd um den Hals und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Tach Mädchen, ich weiß, ich bin wieder zu spät. Aber es ging nicht eher. Hast du wieder Mettbrötchen gemacht oder gibt es keine mehr zur neuen Saison?“

„Du kommst gerade richtig. Ich wollte die Tabletts mit Brötchen in den Keller bringen. Du kannst mir beim Tragen helfen.“

„Nichts lieber als das. Sind alle anderen schon da?“

„Nein, Joe fehlt noch. Aber damit war ja zu rechnen.“

Bunnys Miene trübte sich für einen Moment.

„Hauptsache, er kann sich überhaupt lösen. Irgendwann muss es aber eine andere Lösung für ihn geben.“

Babs nickte und ging mit Bernd in die Küche.

Als die beiden, bewaffnet mit den Brötchentabletts, im Keller auftauchten, wurden sowohl die Brötchen als auch Bunny lautstark begrüßt. Umarmt wurde nur Bunny.

Nachdem er sich ein Kölsch gezapft hatte, machte er sich direkt an seinen Jahrestipp. Er saß neben Reni, die immer wieder kicherte.

„Tippst du wieder irre?“

„Ich tippe NIE irre!“

Bernd grinste seine Nachbarin an.

„Das würden nicht alle von uns unterschreiben. Oder war der von dir getippte Abstieg der Bayern letztes Jahr ein Versehen?“

Reni schaute ihn konzentriert an.

„Das hat sich einfach so ergeben, da konnte ich nichts für.“

Bunny schmunzelte.

„Aha, einfach so ergeben. Großartig. Da bin ich mal gespannt, was sich dieses Jahr ergibt. Wundern tut mich nichts mehr.“

Reni konzentrierte sich wieder auf ihren Tipp und starrte auf den Monitor.

„Warte ab, Bunny, irgendwann werde ich auch mal gewinnen. Ganz bestimmt!“

Bernd stimmte dieser Aussage mit ernstem Gesicht zu.

„Natürlich, Reni. So wird’s sein.“

Um 15 Uhr hatten alle ihre Tipps beendet und saßen, ausgestattet mit Mett- und Käsebrötchen sowie mit Getränken auf den alten Stadion-Schalensitzen, die Holger irgendwann mal während des Austauschs der Sitze im Stadion organisiert hatte.

Holger hatte für die zweite 5er-Reihe der Sitze sogar ein kleines Podest auf Paletten gebaut und in Vereinsfarben gestrichen. So konnten auch die Fans in der zweiten Reihe ungestört auf den TV sehen.

Um 15.20 Uhr klingelte es. Sturm sogar.

Holger sah Babs an.

„Gehst du oder gehe ich?“

„Du! Ich war eben schon oben, um Bunny reinzulassen.“

„Das stimmt so nicht. Du wolltest eigentlich Brötchen holen und hast, mehr zufällig, Bunny mitgebracht.“

„Das ist doch egal. Fakt ist: Ich habe den Honk mitgebracht. Also Hopp, mein Lieber. Du wirst doch nicht wollen, dass Joe wieder zurück in die Hölle der Löwin muss, oder?“

Holger gab sich geschlagen, quälte sich aus seinem Sitz hoch und schlurfte zur Treppe, um oben Joe die Tür zu öffnen.

Kurz darauf kamen die beiden runter; Joe wurde ebenso mit lautem „Hallo“ begrüßt wie zuvor Bunny.

„Ihr glaubt gar nicht, was zuhause wieder los war. Elly wollte mich nicht gehen lassen, weil sie mit mir in die Stadt zum Einkaufen wollte. Genau das hatte ich schon für 10 Uhr vorgeschlagen, aber da musste sie ja deutlich länger im Bett liegen bleiben. Dabei wusste sie genau, dass ich heute mit euch verabredet bin“, posaunte Joe in die Runde.

Statt einer Antwort gab´s ein Kölsch, das ihm Holger in die Hand drückte.

„Danke, Holger. Prost Jungs und Mädels. Auf die neue Saison!“

Die anderen hoben ihre Gläser, Evelyn ihre Teetasse, und prosteten sich zu.

Jetzt nahm Holger Joe kurz zur Seite.

„Junge, du musst irgendwann mal überlegen, ob du dir diesen Stress dauerhaft antun willst. Wenn du magst, kann ich dir mal die Adresse eines Männerberaters geben. Der kennt sich mit solchen Beziehungskrisen aus Sicht der Männer aus. So viel heute erst mal dazu.“

Joe schaute Holger überrascht an.

„Hmm, ich wusste gar nicht, dass es so etwas auch für Männer gibt. Danke für die Info. Ich werde mal drüber nachdenken.“

Die beiden stießen noch mal an.

„Mist, ich muss auch noch meinen Tipp machen, aber dann verpasse ich den Anfang des Spiels.“

Joe schaute bei seinen Worten auf die Uhr.

„Das ist doch heute egal. Nach dem Spiel und vor dem ersten Heimspiel gegen Leipzig am Samstag bekommst du es nicht mehr hin. Also mach´s doch jetzt.“

„Du hast recht.“

Thomas, der das Gespräch der beiden mitbekommen hatte, bot Joe seinen Platz an.

„Du kannst an meinen Platz. Ich bin fertig. Dafür brauche ich jetzt mindestens ein Kölsch.“

„Danke, Tom.“

Joe pflanzte sich auf den Platz von Tom, speicherte dessen Datei ab und legte sie unter seinem Namen neu an.

In den nächsten Minuten wurden die anderen Tipper fertig, versorgten sich noch mal mit Getränken und Brötchen und nahmen ihre Plätze vor dem TV ein.

Holger hatte den übertragenden Sender eingestellt, die Partie würde in wenigen Augenblicken beginnen.

Als der Schiedsrichter anpfiff, wurde es erst mal ruhig. Weniger leise ging es im Stadion Am Millerntor, der Heimat des FC St. Pauli ab, der Ottensen für die Austragung der Partie sein Stadion überlassen hatte. Für Stimmung in Hamburg sorgten 2.500 mitgereiste Bayer-Fans unter den knapp 11.000 Zuschauern.

Nach drei gespielten Minuten nörgelte Walter schon wieder.

„Das gibt wieder nix. Die fangen genauso scheiße an wie letztes Jahr gegen Elversberg. Ich sag´s euch: Wir fliegen heute wieder raus.“

„Klappe, Walt!“

Das war Babs.

„Ihr werdet es sehen.“

Nach knapp einer Viertelstunde traf Tapsoba zum 1:0 für Bayer. Alles jubelte, auch Joe sprang vom Tisch auf.

„Das war Glück.“

Walt konnte es nicht lassen.

„Klappe, Walt!“

Babs grinste den Nörgler an.

Nach den nächsten beiden Toren durch Boniface und Wirtz war das Ding für die acht gegessen. Mittlerweile saß auch Joe auf seinem Tribünenplatz.

Vor allem das Tor von Victor Boniface wurde in der Runde besonders lautstark zelebriert. Der junge Nigerianer hatte beste Chancen, zum Publikumsliebling zu avancieren. Nicht zuletzt seine bärenstarke Vorstellung im Testspiel gegen West Ham United hatte ihn in der Publikumsgunst weit nach oben schnellen lassen.

3:0 gegen Ottensen zur Halbzeit. Das Ding war durch. Fanden zumindest sieben Fans. Einzig Walt war da etwas anderer Ansicht.

„Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Und wir kennen doch unseren Bayer. Immer wieder für eine böse Überraschung gut“, mahnte er mit düsterer Miene.

Von den anderen nahm aber keiner die Unkerei ernst. Im Gegenteil.

„Komm, Walt; trink noch ein Kölsch. Das schärft vielleicht deinen Sehsinn und du erkennst dann, dass Ottensen wirklich keine Chance hat. Selbst du könntest als Coach auf der Bayer-Bank das Spiel nicht mehr vermasseln.“

Bunnys Frotzelei konnte Walt nicht auf sich sitzenlassen.

„Was soll das denn heißen? Ich bin im letzten Jahr beim Kicker-Manager-Spiel unter die ersten 10.000 gekommen. Und das schafft man nicht, wenn man keine Ahnung hat.“

Bunny klopfte Walter auf die Schulter.

„Ist ja schon gut, Walt. Wir wissen ja alle, dass an dir ein Spitzentrainer verlorengegangen ist. Ich weiß nur noch nicht, in welcher Liga.“

Bei seinen letzten Worten entfernte sich Bunny zügig ein paar Schritte von Walter, sollte dieser auf die Idee kommen, eine körperliche Antwort auf das Aufziehen zu geben. Kam er aber nicht. Walt hatte stattdessen die Mettbrötchen im Auge, deren Bestand schon rapide abgenommen hatte. Bunny war uninteressant geworden.

Uninteressant wurde auch die zweite Hälfte des Pokalspiels. Die weiteren Tore der Werkself wurden fast schon beiläufig bejubelt; die Diskussion drehte sich schon mehr um den Bundesliga-Auftakt am nächsten Samstag gegen RB Leipzig.

Es herrschte eine ordentliche Portion Zuversicht in der Gruppe, die mehrheitlich an einen knappen Sieg glaubte. Einzig Irene war sich sicher, dass es einen klaren Erfolg geben würde.

„4:0; darunter machen wir´s am Samstag nicht.“

Widerspruch gab´s natürlich von Walter.

„Wir können froh sein, wenn wir einen Punkt holen. Nach dem Sieg heute glauben die doch, auch Leipzig so an die Wand spielen zu können.“

Babs widersprach: „Das wird nicht der Fall sein, mein Lieber. Dafür werden allein schon unsere erfahrenen Zugänge Xhaka, Hofmann und Grimaldo sorgen.

Walters Miene blieb trotzdem düster.

„Dein Wort in Gottes Ohr.“

Holger klopfte kurz und laut auf den Tisch der Tafelrunde.

„Meine Damen und Herren, hier kommt die Zusammenfassung unserer Saisontipps. Also: Klappe halten. Auch, wenn´s schwerfällt.“

Dabei sah er Bunny an und grinste.

Der grinste zurück.

„Zuerst die Meisterfrage. Wenig überraschend wurde unsere Werkself von den meisten als Meister getippt. Fünf Mal war das der Fall, ein neuer Rekordwert.“

Kurzer Applaus brandete auf.

„Zwei Mal ist München der Meister.“

Irene kommentierte diese Aussage mit einem „Verräter sind unter uns.“

„Und einmal wurde Dortmund als Meister getippt.“

Nach dieser Auskunft schauten sieben Augenpaare Richtung Evelyn. Die wurde rot.

„Was denn? Ich komme nun mal aus dem Pott, auch wenn ich mit einem Jahr nach Leverkusen umgezogen bin. Und seine Herkunft sollte man nicht verleugnen. Aber ich habe den Bayer mit nur einem Punkt Rückstand auf Platz 2 getippt. Also als Fast-Meister. Das ist doch schon was, oder etwa nicht?“

Walt wollte ihr zustimmen, kassierte aber rechtzeitig einen kleinen Ellenbogenhieb von Babs.

„Du sagst jetzt besser nichts“, flüsterte sie ihm zu.

Walt sagte nichts …

„Ist schon gut, Mutti. Ich bin aber dafür, dass dich dieser Tipp vor dem Spiel gegen Leipzig eine Runde kostet.“

Evelyn schüttelte den Kopf.

„Nöö, das sehe ich gar nicht ein. Was ist denn mit den Bayern-Tippern? Die dürfen ungestraft ihren einfachen Gewohnheitstipp abgeben? Und ich werde bestraft, wenn ich meiner Herkunft folge? Das ist nicht fair.“

„Da hat sie recht“, meldete sich Irene.

„Finde ich auch“, sagte Babs.

Die Jungs blieben still. Bis auf Walt.

„Ich finde, wir sollten die Strafe weglassen.“

Tom schaute ihn an.

„Dann ist ja wohl klar, dass du einer der beiden Bayern-Tipper bist.“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Weil dir der Stift geht, dass du am Samstag auch eine Runde schmeißen musst. Ich kenne dich doch, du Knauserich.“Walt schwieg nun.

Holger meldete sich noch mal.

„Wer ist für eine Runden-Strafe für die Abweichler?“

Fünf hoben die Hand, drei hielten sie unten.

Die drei waren Evelyn, Walt und – Holger.

Babs sah ihren Ehemann fassungslos an.

„DU hast auf München gesetzt? Das hat ja schon was von Fremdgehen; ich bin entsetzt.“

„Wieso sollte ich auf die Bayern getippt haben? Das weißt du doch gar nicht. Vielleicht will ich einfach nur, dass wir die Meinungen Anderer akzeptieren und nicht sanktionieren.“

Babs musterte ihn prüfend. Dann nahm sie ihren Mann in den Arm „Ich habe dich trotzdem lieb, du Spalter.“

Holger grinste zufrieden.

Danach verkündete Holger die getippten Absteiger.

„Mal zuhören, bitte. Auch hier gibt es eine große Überraschung. Nur einer hat auf den Effzeh als direkten Absteiger getippt, so wenige Nennungen hatten wir noch nie für unseren ungeliebten Nachbarn.“

„Das war ich“, outete sich Bunny und schlug sich auf die Brust.

Acht Mal wurde Darmstadt genannt, vier Mal Bochum, zwei Mal Augsburg und nur einmal Heidenheim. Und natürlich die eine Nennung Kölns durch Bunny.

„Dafür ist Köln drei Mal auf dem Relegationsplatz gelandet. Bochum zwei Mal, Augsburg, Hoffenheim und Heidenheim einmal.“

Alle nickten.

Walter meldete sich.

Holger winkte ein wenig ab.

„Du brauchst dich nicht wie in der Schule zu melden, Walt.“

Zack! Walts Finger fiel nach unten.

„Wie hat denn der Bayer insgesamt abgeschnitten?“

„Gute Frage, mein kritischer Freund.“

Holger sah auf seine Zettel.

„Also: Wie schon gesagt, fünf Mal Meister. Dazu noch zwei Mal Vizemeister und einmal Sechster.“

Es wurde plötzlich still im Raum.

Jetzt schauten alle Walt an.

„Na, und? Was ist schon dabei? Ich bin nun mal etwas skeptischer als ihr“, gab er direkt zu, dass er der Abweichling war.

„Wer ist dafür, dass Walt ab sofort Kellerverbot erhält? So viel schlechte Energie kann dieser Raum nicht verarbeiten.“

Babs hatte diese Frage in den Raum gestellt, wohl wissend, wie wichtig Walt das Zusammensein mit der Gruppe bei den Kellertreffen war.

Walt wurde blass.

„Das könnt ihr doch nicht machen.“

Babs blieb erbarmungslos.

„Wer sagt das?“

„Ähm, aber ich wollte doch nur, es war doch gar ...“

Holger unterbrach das Gestammel, er hatte Mitleid.

„Ist ja schon gut, Walter.“

„Nenn mich nicht Walter!“

Alle brachen in Gelächter aus.

„Boah, ihr seid so blöde!“

Walt war zu erleichtert, um sauer auf Babs und die anderen zu sein.Nachdem das Fass und die Brötchentabletts geleert waren, der Treffpunkt für den nächsten Samstag geklärt war, löste sich die Runde langsam auf.

Spieltag 1: H, Leipzig

Treffpunkt: 13.00 Uhr beim Gässler in der Kurt-Riess-Halle des TSV Bayer 04. Hier saßen und standen vor den Heimspielen immer viele Fans zusammen, fachsimpelten über die Saison und die einzelnen Spiele. Ließen sich Kölsch, Pommes mit Currywurst und ähnliche Ferkeleien schmecken. Die eine oder andere Runde hatte ihren Stammtisch, in der Mitte thronte immer ein Fass Kölsch. Rheinisches Brauchtum.

Oft mischten sich auch Gäste-Fans unter das Gässler-Volk, in der Regel gab´s aber, abgesehen von ein paar Frotzeleien, keinen Stress.

Man merkte schon beim Betreten des Gastraums, dass dieses Mal die Stimmung eine andere war als in den letzten Jahren: Sie war positiver, erwartungsvoller, zuversichtlicher. Vielleicht trug auch das schöne Wetter dazu bei. 25 Grad, ein leicht bewölkter Himmel; die Terrasse war trotz der noch frühen Uhrzeit schon gut besetzt.

Wie immer, trafen Holger und Babs als Erste ein. Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit. Die beiden sicherten einen Tisch auf der Terrasse. Alle Anderen – abgesehen von Joe – trudelten in der nächsten Viertelstunde ein. Bunny schmiss die erste Runde; die Männer orderten allesamt Pommes mit Currywurst; die Mädels hielten sich an Salate. Evelyn desinfizierte nach ihrem Erscheinen erst mal den kompletten Tisch, danach auch noch ihren Stuhl.

Die anderen beobachteten das Schauspiel grinsend.

„Ja, lacht nur über mich. Spätestens dann, wenn einer von euch sich irgendwo irgendwas geholt hat, werdet ihr an mich denken.“

„Wir denken auch so an dich“, stellte Tom fest und legte Mutti eine Hand auf die Schulter.

„Möchte jemand ein Salbei-Bonbon?“

Evelyn hielt ihre geöffnete Handfläche, in der ein paar Bonbons lagen, über den Tisch.

Keiner wollte.

„Dann eben nicht.“

Nachdem alle ihr Essen vertilgt hatten und ein paar Gläser geleert waren, machte sich die Gruppe auf den Weg ins Stadion.

Es waren immer noch 45 Minuten bis zum Spielbeginn, daher hielten sich die Schlangen vor dem Einlass in Grenzen. In noch nicht einmal fünf Minuten waren alle im Stadion.

„Wer will was?“

Babs schaute fragend in die Runde.

Bunny – schon leicht verwaschen in der Sprache: „Ich will´n Bier.“

Walter: „Dito.“

Tom: „Ich nehme auch eins.“

Holger: „Ich schließe mich an.“

Mutti: „Ich probiere mal was Neues: eine Rhabarber-Schorle.“

Babs: „Haben die sowas?“

Mutti: „Ich weiß nicht.“

Babs: „Und wenn nicht?“

Mutti: „Dann eine Cola Zero.“

Babs (leise): „Du bist ja richtig draufgängerisch heute.“

Mutti: „Was hast du gesagt?“

Babs: „Ich habe gesagt, dass du gut drauf bist.“

Mutti (verwundert): „Bin ich doch immer.“

Reni: „Für mich auch ein Bier.“

Holger und Babs bewegten sich zur Getränke- und Futterausgabe, sorgten für die Bestellung des Verlangten und händigten anschließend die Becher aus.

Sie wollten gerade auf ihre Plätze in B4 gehen, da rief Reni: „Stopp, ich muss noch aufs Klo.“

Mutti schloss sich diesem Anliegen sofort an.

„Ich komme mit.“

Holger verdrehte die Augen.

„Oh Gott, das kann jetzt dauern.“

Bunny nickte.

„Wenn die in fünf Minuten nicht wieder hier sind, gehen wir schon rein. Die finden ja den Weg.“

Die anderen nickten.

Wie angenommen, waren Mutti und Reni in diesem zeitlichen Rahmen nicht zurück.

„Auf geht´s“.

Joe war immer noch nicht da.

Dafür war die Kurve schon gut gefüllt.

Erster Spieltag. Alle hatten Bock auf die neue Saison, die Vieles versprach.

Das merkte man direkt im Stadion. Wie schon in der Gaststätte, herrschte auch im Stadionrund eine andere Atmosphäre. Sie war schon fast euphorisch.

Trotz des starken Gegners aus Leipzig.

Um 15.15 Uhr traf auch Joe ein, gerade noch rechtzeitig, um die Hymne mitsingen zu können.

Kurz danach wurde die Partie angepfiffen. Erstaunlicherweise blieben auch in B4, ähnlich wie im Halbfinalspiel gegen AS Rom im Mai, erst mal alle stehen.

Leipzig hatte nach zwei Minuten die erste Chance, aber Tah passte auf und klärte kurz vor der Linie. In der 22. Minute erhielt Boniface den Ball knapp 30 Meter vor dem Tor der Gäste. Er schüttelte mit einem Dribbling und seiner physischen Präsenz zwei Gegenspieler ab und zog aus 15 Metern aus zentraler Position ab.

Ein Schuss wie ein Strich; der Ball schlug, unhaltbar für Leipzigs Keeper, im linken Winkel ein.

Das Stadion explodierte.

„Jaaaaaa“, brüllte Bunny und stürzte vor Begeisterung fast auf die Reihe vor ihm. Reni und Mutti lagen sich in den Armen, Babs knutschte Holger; Joe und Tom klatschten sich ab. Walt riss ebenfalls die Arme hoch, bremste seinen Jubel aber sofort ab.

„Es ist noch viel zu früh“, murmelte er. Dennoch ließ er sich gerne von Mutti umarmen, die neben ihm jubelte.

Die Partie nahm an Tempo auf, beide Teams taktierten nicht wild herum, sondern spielten mit Dampf nach vorne. Chancen hier, Chancen da.

Aber es blieb bis zur Pause beim 1:0.

Unverändert ging es nach dem Seitenwechsel weiter. Jetzt spielte die Werkself auf das Tor vor der Nordkurve.

Leipzig erhöhte den Druck, wollte unbedingt den Ausgleich. Und bekam ihn auch. Eine Unachtsamkeit in der Bayer-Abwehr, die Olmo eiskalt nutzte und aus 10 Metern traf.

Kurz war es still im Stadion. Abgesehen von den 789 mitgereisten Fans der Sachsen.

Dann kam aber die Reaktion des Leverkusener Anhangs, der seine Elf aufbauen und nach vorne pushen wollte.

Do or die!

Das Auftaktspiel einer Saison, und dann auch noch gegen einen direkten Konkurrenten um einen Champions League-Platz. Wichtiger ging’s kaum.

Coach Alonso wechselte in der 65. Minute aus, brachte den jungen Brasilianer Arthur. Und der war es auch, der in der 85. Minute mit einem schönen Flachschuss aus 16 Metern das 2:1 markierte.

Arthur sprintete mit erhobenen Armen zu den Fans, sprang am Zaun hoch und ließ sich von den dort tobenden Ultras herzen.

Was für ein Moment für den jungen Mann.

Die Lautstärke hatte noch mal zugelegt, denn jetzt wusste jeder, dass der Sieg zum Greifen nah war. Neben der Nordkurve powerte auch der B-Block, was das Zeug hielt. Sogar im F-Block standen plötzlich viele Fans.

Nachspielzeit: 5 Minuten.

Die wurden zur Nervenschlacht. Leipzig schnürte Leverkusen ein. Aber die Abwehr stand und ließ keinen gefährlichen Ball aufs Tor zu. Als Leipzigs Werner in der 93. Minute aus aussichtsreicher Position den Ball fast in den Oberrang drosch, war klar: Heute würde nichts mehr passieren.

So war es denn auch, denn kurz danach beendete der Schiedsrichter die Partie.

Grenzenloser Jubel bei der Mannschaft und den Fans. Die Ehrenrunde des Teams wurde zu einem Triumphzug; anschließend verließ jeder, der es mit Leverkusen hielt, mit einem strahlenden Lächeln das Stadion.

Draußen verabschiedete sich Joe von den anderen.

„Ich muss zügig nach Hause. Wir bekommen gleich Besuch. Elly hat für 18 Uhr eingeladen“, erzählte er.

Bunny sah auf seine Uhr: „Da musst du jetzt aber Gas geben. Es ist 17.45 Uhr.“

„Ich weiß“, ächzte Joe, rannte zu seinem Rad und heizte nach Hause.

Die anderen Sieben ließen den Abend im Pentagon ausklingen. Selbst Walter konnte der Partie bei der Nachbetrachtung nicht viel Negatives abgewinnen. Vielleicht lag das aber auch an den vier Ingwer-Schnäpsen, die er sich hatte aufschwatzen lassen. Bunny grinste schon länger grenzdebil vor sich hin; er hatte mit den Schnäpsen mehr zu kämpfen als Walt, was ihn mächtig wurmte.

Um 23 Uhr verließen die letzten – Holger und Babs – die Kneipe.

Spieltag 2: A, Mönchengladbach

Schon vor drei Wochen hatten die Acht – selbst von Joe kam eine Zusage – beschlossen, das erste Auswärtsspiel der Saison nach Mönchengladbach mitzunehmen. Keine Stunde Fahrtzeit; gut, mit einem großen Bus würde es länger dauern -, die eigene Mannschaft war gut drauf; es sprach nichts gegen die Tour an den Niederrhein.

Als sich die Jungs und Mädels um 12 Uhr am Bierbrezel in Opladen trafen, war dort schon einiges los. Andi, der Organisator der Bustour, stand mit seiner dicken Musicbox schon fahrbereit parat. Einer fehlte noch: Der Busfahrer. Mitsamt seiner Kutsche. Bis das Gespann verspätet erschien, mussten noch ein paar Kaltgetränke konsumiert werden. Als der Bus endlich auftauchte und anschließend noch betankt werden musste, hatten einige Mitreisende schon ordentlich getankt. So läuft das bei Auswärtsspielen.

Die Fahrt nach Mönchengladbach verlief reibungslos. Das war nicht unbedingt selbstverständlich, kommt es doch bei solchen Touren gerne mal zu Verzögerungen durch übermäßige viele Pinkelpausen (Man kann sich als Nicht-Busfahrer gar nicht vorstellen, wie oft auf einer verhältnismäßig kurzen Strecke Parkplätze angefahren werden müssen, weil Reisenden eine geplatzte Blase droht).

Dieses Mal nicht.

Der Gang zum Stadion ging ebenso reibungslos über die Bühne wie der Eintritt in den Borussen-Park.

Die acht saßen neben dem eigentlichen Fan-Block, der rappelvoll war. Auch der Sitzplatzblock, in dem sie nun waren, schien ausverkauft zu sein.

„Ob die hier auch Tee haben?“

Evelyns erster Kommentar im Stadion sorgte bei den anderen für Lachanfälle.

Bunny und Tom machten sich auf, Bier und Pommes für den Rest zu holen. Und Tee für Mutti.

Als das Spiel begann, waren tatsächlich alle Sitzplätze im Block von Bayer-Fans belegt. Das hatte es zuletzt 2007 gegeben.

Die Partie begann von beiden Seiten verhalten. Die Coaches hatten ihren Teams wohl Zurückhaltung, zumindest für die Anfangsphase, mit auf den Weg gegeben.

Nach 20 Minuten erfolgte der erste gefährliche Angriff der Borussen, der direkt von Erfolg gekrönt war. Gladbachs neuer Stürmer Cvancara hatte im Fünf-Meter-Raum nach einer Flanke per Kopf vollendet. Links von den Leverkusenern tobte alles, die Bayer-Fans waren in einer Art Schockstarre. Aber nicht lange. Während sich die Farbenstädter wieder berappelten, schlugen die Gastgeber noch mal zu.

Leverkusens Abwehr war nach dem 0:1 immer noch desorganisiert. Nach einem Ballverlust im Mittelfeld, konterte Mönchengladbach. Ihr schneller Franzose Honorat tanzte zwei Bayer-Abwehrspieler aus und zimmerte den Ball an Hradecky vorbei ins lange Eck: 0:2.

Der Borussenpark eskalierte, im Bayer-Block herrschte Schweigen. Als der Support der Gäste wieder begann, wirkte er nicht mehr so mächtig wie in den ersten 20 Minuten.

Die Hausherren hatten den Rest der ersten Halbzeit klar Oberwasser, aber gute Chancen erspielten sie sich nicht mehr. Leverkusen kam dagegen kurz vor dem Pausenpfiff zu einer großen Möglichkeit, aber Hofmann, der bei jedem Ballkontakt von den Anhängern seines Ex-Clubs ausgepfiffen wurde, nagelte die Kunststoffkugel gegen die Latte. Es blieb also aus Bayer-Sicht beim 0:2.

Um diesen Spielstand zu verdauen, besorgten Reni und Walt Flüssigkeitsnachschub. Auch Mutti erhielt einen neuen Teebecher.

Nach dem Seitenwechsel hatte Gladbach die erste Chance, aber Hradecky parierte glänzend, als Cvancara nach einem schönen Steckpass allein auf ihn zulief.

Als ob dies ein Signal für die eigene Mannschaft war, drehte Bayer nun auf. Sie pressten deutlich früher, überraschten die Gastgeber damit und kamen immer wieder zu Ballgewinnen im Mittelfeld.

Die ersten beiden daraus resultierenden Chancen blieben noch ungenutzt. Xhaka und Boniface verfehlten das Tor. Es dauerte bis zur 62. Minute, ehe Tah nach einer Ecke per Kopf zum 1:2 verkürzte. Der durch die zuvor gezeigte offensivere Spielweise eh schon lauter gewordene Bayer-Block drehte nun richtig auf.

Und jubelte in der 80. Minute erneut.

Dieses Mal hatte Boniface seinen Gegenspieler im Strafraum fast schon spielend leicht abgeschüttelt und mit einem Hammer aus 12 Metern das 2:2 erzielt.

Boniface rannte vor die Bayer-Kurve, die anderen Spieler folgten ihm. Die Truppe ließ sich vom Leverkusener Anhang feiern, beide Gruppen pushten sich noch mal gegenseitig hoch. Schließlich waren noch mindestens zehn Minuten zu spielen.

Bayer hatte nun Blut geleckt, wollte auch noch das 3:2. Das ging fast nach hinten los, denn die Gladbacher nutzten einen Ballverlust der Gäste und kamen in einer 2- gegen 1-Situation vors Leverkusener Tor.

Erneut war es Hradecky, der den keinesfalls unplatzierten Schuss des Borussia-Angreifers entschärfte.

Gewarnt durch diese Aktion, agierte Bayer nun vorsichtiger. Trainer Alonso wirkte durch entsprechende Gesten auf die Mannschaft ein.

Da auch Gladbach anscheinend mit dem Remis einverstanden war, blieb es beim 2:2.