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Sofia ist glücklich. Ihr Campingplatz am Hirschgrundsee ist über Pfingsten ausgebucht und sie erwartet Besuch aus Hamburg. Doch die Idylle wird empfindlich gestört, als Evelyn auf Instagram zwei furchtbare Entdeckungen macht: Erstens versucht jemand namens "Sissy Campingmaus" ihr Follower abspenstig zu machen. Und zweitens soll auf dem benachbarten Steglmaier-Campingplatz Europas erste Erlebnistoilette eröffnen. Natürlich müssen Sofia und Evelyn das neue Waschhaus inspizieren - und stolpern prompt über eine Leiche! Und auch wenn die beiden sich auf keinen Fall in die Ermittlungen einmischen wollen, fallen ihnen die Hinweise geradezu vor die Füße ...
Inklusive einer Leseprobe von "Ein unerhörter Mord im High Park" von Andreas Fennek.
"Der Tod braucht keinen Brötchendienst" ist der achte Teil der erfolgreichen Bayern-Krimi-Reihe "Sofia und die Hirschgrund-Morde" von Susanne Hanika. Krimi trifft auf Humor, Nordlicht auf bayerische Dickschädel, Wieder-Single-Frau auf Jugendliebe und feschen Kommissar - dazu jede Menge Leichen, Mörder und Ganoven. Und all dies vor herrlich bayerischer Kulisse!
eBooks von beThrilled - mörderisch gute Unterhaltung!
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Seitenzahl: 221
Blaues Wasser, klare Luft, in der Ferne bei schönem Wetter die Alpen – das ist der Hirschgrund, ein idyllischer See mitten in Bayern. Nebenan der gleichnamige Campingplatz. Doch die Idylle trügt – denn diese Saison wird mörderisch.
Kaum ist die neue Besitzerin Sofia auf dem Platz angekommen, stolpert sie über den ersten Toten. Sofia ist entsetzt! Und dann neugierig. Bald schon entdeckt sie ihr Talent fürs Ermitteln und fängt an, in der bayerischen Idylle so einiges umzukrempeln …
Sofia ist glücklich. Ihr Campingplatz am Hirschgrundsee ist über Pfingsten ausgebucht und sie erwartet Besuch aus Hamburg. Doch die Idylle wird empfindlich gestört, als Evelyn auf Instagram zwei furchtbare Entdeckungen macht: Erstens versucht jemand namens »Sissy Campingmaus« ihr Follower abspenstig zu machen. Und zweitens soll auf dem benachbarten Steglmaier-Campingplatz Europas erste Erlebnistoilette eröffnen. Natürlich müssen Sofia und Evelyn das neue Waschhaus inspizieren – und stolpern prompt über eine Leiche! Und auch wenn die beiden sich auf keinen Fall in die Ermittlungen einmischen wollen, fallen ihnen die Hinweise geradezu vor die Füße …
Susanne Hanika, geboren 1969 in Regensburg, lebt noch heute mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in ihrer Heimatstadt. Nach dem Studium der Biologie und Chemie promovierte sie in Verhaltensphysiologie und arbeitete als Wissenschaftlerin im Zoologischen Institut der Universität Regensburg. Die Autorin ist selbst begeisterte Camperin und hat bereits zahlreiche Regiokrimis veröffentlicht.
SUSANNE HANIKA
Der Tod brauchtkeinen Brötchendienst
Bayernkrimi
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Dieses Werk wurde vermittelt durch die agentur literatur Gudrun Hebel.
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Meike Frese
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: U1berlin / Dunja Berndorff unter Verwendung von Motiven © muha04 / depositphotos © VikaSuh / Shutterstock © ppart / Shutterstock © prapann / Shutterstock © Prophoto42 / Shutterstock © Rosa Jay / Shutterstock © lcrms / Shutterstock © nataliegrafico / Shutterstock
eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-8562-5
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Ein unerhörter Mord im High Park« von Andreas Fennek.
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Ein heißer Sonnentag näherte sich gerade seinem Höhepunkt. Als ich die Tür der Rezeption öffnete und nach draußen trat, hatte ich das Gefühl, gegen eine warme Wand zu laufen. Für einen Moment blieb ich stehen, die rot karierte Bettwäsche an die Brust gedrückt, und blickte hinunter zum See am Hirschgrund. Er funkelte und glitzerte zwischen den hohen Pappeln, ein leichter Windhauch brachte die Millionen von Blättern zum Winken, und selbst von hier aus hörte ich das begeisterte Kreischen der badenden Kinder. Ich lächelte breit und stellte mir vor, wie ich gerade aussah: dümmlich grinsend über mein unverdientes Glück, in Flip-Flops über meinen Campingplatz schlappend.
Was für ein toller Tag!
Was für ein tolles Wetter!
Ich begegnete einem Camper, der ein Damenfahrrad schob. Ins Körbchen hinten hatte er die Chemieklokassette gelegt, und er strahlte zurück, als gäbe es nichts Schöneres an so einem wunderbaren Tag, als mit Chemieklogeruch in der Nase über meinen Campingplatz zu spazieren! Ich grüßte und wurde kurz darauf von einer Familie mit einem Leiterwägelchen voller Bade-Gummitiere überholt sowie einer Horde kleiner Kinder, die allesamt knappe Badesachen trugen und sich ausschließlich schreiend verständigten. Ich blieb erneut stehen, inzwischen bei den Johannisbeerbüschen angelangt, die schon knallrote Beeren hatten, und atmete tief die sommerliche Luft ein.
Genauso sollte es sein, wenn die Pfingstferien vor der Tür standen! Warmes Wetter, nette Camper und alle Plätze belegt. Ein Hund rannte volle Kanne in mich hinein und brachte mich ein bisschen zum Schwanken. Clärchen, meine sardinische Maremannohündin, hatte die Kurve nicht gekriegt und war in mich hineingerumpelt. In den letzten fünf Monaten war sie gewaltig gewachsen, zwar war sie noch immer schlaksig und überdreht, dafür jetzt aber fast so groß wie ein Schäferhund. In ihrem Maul trug sie ein Sofakissen.
Aus meinem Wohnzimmer, stellte ich erbost fest.
»Clärchen!«, stieß ich hervor und versuchte, ihr das Kissen zu entwenden, was sich mit Bettwäsche im Arm etwas schwierig gestaltete. Begeistert tobte sie vor mir Richtung »Gruberhäusl«.
Milo, mein geerbter schwarzer Hund, der bald seinen Status »Riesenhund« mit Clärchen würde teilen müssen, blieb mit traurigem Gesichtsausdruck neben mir stehen.
Er sah immer traurig aus, auch wenn er sich irre freute, wie man an dem unmerklichen Hin-und-her-Wippen seines Schwanzes erkennen konnte.
»Na komm«, sagte ich und schlappte in den Flip-Flops meiner Nonna weiter.
Hinter mir hörte ich ein Auto kommen, und als ich mich umdrehte, sah ich den Hetzenegger vor der Schranke zum Campingplatz halten. Ich hielt den Atem an. Noch immer hatte ich mich nicht daran gewöhnt, dass die neue Schranke einfach funktionierte, zu lang war die alte defekt gewesen. Es dauerte ein Weilchen, dann leuchtete eine Lampe neben der Schranke auf. Zufrieden sah ich zu, wie die Schranke hochging. Ganz ohne mein Zutun! Statt sie zu durchqueren, fuhr der Hetzenegger ein paar Meter rückwärts. Dort stand der Schmidkunz, ebenfalls Dauercamper und nebenbei mein Lieblingsapotheker, und die zwei berieten sich durch das Autofenster.
Meine Camper, dachte ich mit einer gewissen Begeisterung. Die beiden waren schon jahrelang Dauercamper auf meinem Platz, zusammen mit ihren Frauen, die sich gerade zu mir gesellten.
»Die Buben«, sagte Vroni zu mir. »Das werden sie jetzt mit Sicherheit jeden Tag machen.«
»Was?«, fragte ich neugierig.
»Die Schranke testen.«
Die Schranke musste nicht getestet werden, sie war nämlich tiptop und nigelnagelneu! Ich konnte am Computer Nummernschilder eingeben, dann identifizierte die Schranke diese und ließ die Leute problemlos passieren. Hetzenegger und Schmidkunz hatten das Spielzeugpotenzial erkannt und waren gerade dabei, die Kamera, die die Nummernschilder aufnahm, neu einzustellen. Das hatte zwar ein Techniker gemacht, aber die beiden fanden wohl, dass das noch optimiert gehörte. Gerade knieten sie beide vor der Kamera und debattierten miteinander.
Wie ein Wirbelwind stürmte Clärchen um die zwei Männer herum und dann wieder zurück zu uns. Direkt vor der Vroni machte sie eine gekonnte Vollbremsung – wieso konnte sie das jetzt für Vroni und für mich nicht? – und ließ das Sofakissen fallen. Sie setzte sich so brav und routiniert direkt vor die Vroni, dass man den Verdacht schöpfen konnte, dass sie auf eine Belohnung wartete. Und dass sie das nicht zum ersten Mal mit der Vroni machte.
»Ich muss weiter«, sagte ich. »Muss noch die Betten im Gruberhäusl beziehen.«
»Ich hab was zum Probieren dabei«, sagte die Vroni und hielt mir ein Glas Eingemachtes vor die Nase.
Die Schmidkunz und ich schauten leicht verdutzt. Der Inhalt war ziemlich grau und unappetitlich, und ich stellte mir vor, dass so Gallensteine aussahen. Aber laut Aufschrift war es »Erdbeerkompott«.
»Uh«, stieß ich hervor und behauptete, gerade keine Hand frei zu haben.
»Von Tante Ottilie geerbt«, seufzte Vroni. »Davon haben wir so viel, ich kann’s schon nicht mehr sehen.«
Ich machte, dass ich weiterkam, damit ich keines dieser Gläser in die Hand gedrückt kriegte.
Außerdem hatte ich noch einiges zu tun, heute sollte nämlich Klara kommen, meine beste Freundin aus Hamburg! Zusammen mit ihrem neuen Freund Carlos Sanchez Serrano, einem in Deutschland lebenden spanischen Journalisten, wollte sie ein paar Tage auf meinem Campingplatz verbringen, und ich freute mich schon wie Bolle auf sie. Als ich die Tür zum Gruberhäusl öffnete, sah ich, dass schon jemand Blumen auf den Tisch gestellt hatte. Und meine Putzfrau Fanni hatte auch schon sauber gemacht, alles sah frisch und hübsch aus! Zufrieden begann ich die Betten zu beziehen, als mein Handy »Lollipop« dingelte. Klara!
»Freu mich schon!«, hatte sie geschrieben. »Gerade meinte Carlos, in der Redaktion habe jemand gesagt, dass genau in eurer Region ein Campingplatztester unterwegs sein soll. Also, Augen auf! Wenn wir Glück haben, erkennt Carlos ihn.«
Ich starrte eine Weile auf die Nachricht, dann kam schon die nächste. Ein paar Smileys mit Herzen um den Kopf, eine Konfetti spritzende Tüte, Luftschlangen und ein Kussmund.
»Denk an die Sterne!«, empfahl sie mir. Das verstand ich nicht ganz, vermutlich meinte sie die »Campingtest«-Sterne, die uns bald in den Olymp der Campingplätze schießen würden.
Hinter mir riss jemand die Tür auf, und Evelyn stürmte herein.
»Stell dir vor, es kommt vielleicht ein Campingplatztester!«, stieß ich hervor. »Womöglich landen wir sogar in einem Campingplatzführer!«
Evelyn stemmte die Hände in die Seiten.
»Vom ADAC«, fügte ich hinzu, da sie nicht reagierte.
Seit ein paar Tagen war Evelyn kleidungstechnisch voll auf die Fünfzigerjahre eingestiegen: Heute trug sie ein schwarzes Kleid mit weißen Punkten, darunter einen Petticoat und sehr wahrscheinlich einen Push-up, denn ob man wollte oder nicht, man sah ihr als Allererstes immer in den nicht mehr ganz jungen Ausschnitt. Ihrer Miene nach zu urteilen lief es im Moment nicht so gut für sie, und da hielt sie mir auch schon ein Glas mit grauen Früchten entgegen.
»Tante Ottilie«, stellte ich grinsend fest.
»Vermutlich aus der Nachkriegszeit«, sagte Evelyn ärgerlich. »Dass Vroni nie etwas wegwerfen kann!«
»Meinst du, der Campingplatz-Tester ist schon da?«, fragte ich, während sie die grauen Früchte einfach auf die rot karierte Tischdecke stellte. »Sei vorsichtshalber mal zu jedem nett«, empfahl ich ihr, während ich die Kissen aufschüttelte.
»Ich bin immer nett«, erklärte Evelyn mir augenrollend. »Und du bist ja geradezu anormal nett zu den absonderlichsten Leuten. Sogar zu denen, die es überhaupt nicht verdient haben.«
»Ach.«
»Diesen grässlichen Kindern von eben zum Beispiel hätte ich überhaupt kein Eis mehr verkauft. Dieses Geschrei ist ganz furchtbar!«
Ja, aber mit dem Eis im Mund konnten sie nicht mehr kreischen. Oder erst dann, wenn sie mit dem Eis hingefallen waren.
»Auch zum Beispiel zu deinen Freunden. Dass du in der Hochsaison unser Gruberhäusl einfach für lau an deine Freundin rausgibst. Kann die nicht in der Nebensaison kommen?«, moserte sie weiter.
»Sie hat halt nur jetzt Zeit.«
»Sie hat keine Kinder, die kann doch Urlaub nehmen, wann sie will«, wandte Evelyn ein und behauptete: »Normalerweise dürfen Leute ohne Kinder in den Schulferien keinen Urlaub nehmen. Das ist verboten!«
»In Hamburg sind gerade keine Schulferien«, sagte ich, zog die Bettdecken glatt und nahm das Erdbeerkompott-Glas vom Tisch. Das sah wirklich nicht so einladend aus, dass man es als Deko hätte durchgehen lassen können. Evelyn blieb vor einem Fenster stehen und rückte die rot karierten Vorhänge in gerade Falten. »Wenn ich schätzen sollte, wer der Campingplatztester ist«, fing sie an und sah zum Fenster hinaus, »dann würde ich sagen, Joachim Schulze. Echt ein Jammer.«
Nun sahen wir beide aus dem Fenster. Der Camper Joachim Schulze war Evelyn in den Sinn gekommen, weil er gerade mit griesgrämiger Miene über den Platz zu seinem Wohnmobil ging. Auf die Idee, er könnte ein Gutachter sein, wäre ich persönlich nicht gekommen. Jedenfalls nicht für Campingplätze, denn er wirkte wie jemand, der absolut kein Interesse am Campen hatte und eigentlich lieber in Fünfsternehotels abhing. Die schlechte Laune schien ihm ins Gesicht gemeißelt zu sein. Wenn er grüßte, dann nur mit nach unten gezogenen Mundwinkeln und stark gerunzelter Stirn. Er mochte um die sechzig sein und war gekleidet, als würde er bei einem Zwanzigerjahre-Spielfilm die Hauptrolle übernehmen wollen. Helle Stoffhose, trotz des warmen Wetters ein langärmeliges weißes Baumwollhemd, ein cremefarbener gestrickter Pullunder und ein heller Hut mit dunklem Band. Während alle anderen Camper Flip-Flops und Crocs trugen, hatte er helle Halbschuhe an. Gerade wich er einer Schar von Kindern aus, die laut schreiend Richtung Strand rannten. So viel zum Thema, dass man nicht schreien konnte, wenn man ein Eis in der Hand hatte.
»Wieso ein Jammer?«, wollte ich wissen. Ich persönlich fände es auch schade, wenn ausgerechnet so ein schlecht gelaunter Typ wie Joachim Schulze der Tester sein sollte. Gerade jetzt, wo so viele kleine Kinder hier waren, gab es von ihm bestimmt Punkteabzug wegen Lärmbelästigung. Ich zog ein wenig das Genick ein, als ich sah, dass ein kleiner Knopf, der gerade bei mir Eis gekauft hatte, mit dem bunt geringelten Wassereis Schulzes teure Stoffhose streifte. Okay, das mit den Sternen für meinen Campingplatz konnte ich mir abschminken.
Der Kopf von Schulze lief erwartungsgemäß rot an, das Kind rannte wie der Teufel hinter den anderen her, und der Schulze fing an zu schreien. Vorsichtshalber beschloss ich, noch ein Weilchen im Gruberhäusl zu bleiben und dort sinnlos Blumentöpfe von hier nach da zu schieben.
»Ein Jammer auch deswegen, weil ich mich selbstverständlich gerne voll eingebracht hätte, um ihn positiv zu stimmen«, erklärte mir Evelyn. Mit »voll einbringen« meinte sie natürlich, dass sie mit ihm ins Bett gegangen wäre. »Aber ich habe keine Lust.«
»Keine Lust?«, staunte ich, da Evelyn eigentlich immer Lust hatte, mit Männern ins Bett zu hüpfen.
»Ja. Zu alt. Zu spießig«, erklärte sie und setzte zufrieden hinzu: »Außerdem habe ich gerade was am Laufen.«
»Echt?«, fragte ich erstaunt, weil ich noch nicht gesehen hatte, dass sie mit einem der Männer hier auf dem Platz flirtete.
»Niklas«, sagte sie und stemmte eine Hand in die Seite. »Ein cooler Typ.«
»So um die dreißig«, schätzte ich.
»Genau. Woher weißt du?«, fragte sie erstaunt.
Nun, weil ihre Freunde immer so um die dreißig waren. Mal abgesehen von dem Rechtsmediziner Stein, für den machte sie, obwohl er Mitte fünfzig war, gerne eine Ausnahme.
»Nun, das sind die Männer, die deinem wahren Alter entsprechen«, erfand ich eine Begründung, während ich zusah, wie sich Joachim Schulze mit dem weißesten Stofftaschentuch, das ich jemals gesehen hatte, die Hose reinigte.
»Und, was macht er so? Beruflich? Privat?«, bohrte ich nach.
»Keine Ahnung«, gab Evelyn zu. »Recht viel über ihn gesprochen haben wir nicht.«
»Noch keine Zeit dazu gehabt?«, grinste ich.
»Er ist mehr so der schweigsame Typ, der von sich selbst nicht viel erzählt«, gab Evelyn zu. »Der Steppenwolf, den eine geheimnisvolle Aura umgibt.«
Das klang ja interessant!
»Außerdem waren wir anderweitig beschäftigt.«
Noch immer beobachteten wir Schulze, und Evelyn fügte hinzu: »Aber ich habe das Prinzip, nur mit einem Mann zurzeit ins Bett zu gehen«, entschuldigte sie sich.
Ich nickte verständnisvoll, weil das auch mein Prinzip war. Ich ging nämlich nur mit meinem Jonas ins Bett, mein persönlicher Held und Kriminalkommissar, in meinen Augen der bestaussehende Mann in Bayern, Deutschland und überhaupt. Nun gut, neben meinem Jugendfreund Alex, dessen Eltern die Besitzer der örtlichen Brauerei Stöckl waren. Aber an die beiden kam niemand heran. Auch kein einsamer Steppenwolf.
Evelyn stupste mich an und deutete mit dem Kinn nach draußen. Energisch schüttelte ich den Kopf. »Also, für mich kommt das nicht infrage, mit Joachim Schulze aus niederen Beweggründen ins Bett zu hüpfen.«
»Das weiß ich«, sagte Evelyn. »Inzwischen kenne ich dich doch.«
Jetzt sah ich auch, was sie wirklich gemeint hatte, denn den Weg entlanggeschlendert kam Klara, meine beste Freundin aus Hamburg. Ihre dunklen, glänzenden Haare waren zu einem asymmetrischen Bob geschnitten, was ihr schmales Gesicht etwas voller wirken ließ, und irgendetwas hatte sie mit ihren Brüsten angestellt, denn die waren viel größer, als ich sie in Erinnerung hatte. An der Hand hielt sie ihren Carlos. Evelyns Augen begannen zu leuchten, weil er genau ihrem Beuteschema entsprach: Mitte dreißig, gut aussehend und wenige dunkle Haare auf dem Kopf.
»Lass bloß die Finger von ihm!«, warnte ich, während ich nach draußen eilte.
Nachdem ich das Glas Erdbeerkompott hinter den Johannisbeerbüschen versteckt hatte, umarmte ich Klara herzlich. Wir quietschten beide begeistert, weil wir uns seit dem vorletzten Weihnachtsfest nicht mehr gesehen hatten, und da war Klara auch noch krank geworden. Danach umarmte ich auch Carlos in meinem Überschwang. Obwohl wir uns so selten sprachen, konnten Klara und ich sofort wieder drauflosquasseln, ohne Punkt und Komma, und kamen vom Hundertsten ins Tausendste.
»Schöner Platz!«, sagte Carlos schließlich in einer der wenigen Gesprächspausen.
»Sagte ich doch«, merkte Klara an, mit stolzer Stimme, als wäre es ein bisschen auch ihr Campingplatz.
»Ja«, sagte ich genauso stolz. »Ihr müsst mal unser Klohäusl ansehen, das ist echt super geworden.«
Klara lachte laut, vielleicht war es auch komisch, frisch angekommene Gäste auf den Eins-a-Zustand der Campingtoiletten hinzuweisen.
»Das wird der Campingplatztester auch so sehen«, grinste Klara. »Erkennst du da jemanden?«
Carlos sah sich um, als würde der Typ hinter uns stehen, und schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, wir wissen schon, wer es ist«, flüsterte ich und deutete mit dem Kopf auf das riesige blank geputzte Wohnmobil von Schulze. »Er muss sich nur gerade umziehen, weil ihm ein Kind farbiges Wassereis an die Hose geschmiert hat.«
»Oh, oh«, machte Klara und musste noch mehr lachen.
Mit einem erschrockenen Schrei lief ein kleines Kind in mich hinein, diesmal bekam ich das Eis an die nackten Beine, und ich fing das Kind auf.
»Daran musst du noch ein wenig arbeiten«, grinste Klara. »An der Farbe des Wassereises?«, grinste auch ich.
»Genau!«, meinte Klara und umarmte mich noch einmal, als das Kind das Weite gesucht hatte.
»Ich mach euch einen Kaffee«, erbot sich Evelyn, die sich bis jetzt aus der Unterhaltung rausgehalten hatte, und dirigierte uns Richtung Bootshaus, das demnächst als Café eröffnet werden würde.
»Für mich bitte Tee. Ich habe heute schon so viel getrunken, ich habe schon Herzrasen von dem Koffein … Oh süß!« Klara blieb vor der Tür des Cafés stehen und lächelte über das dekorative Schild »Fräulein Schmitts«, weil sie natürlich die ganze Story kannte. Unter anderem, dass niemand Fräulein Schmitts hieß und sich die Bäckerin Meierbeck nur bei Instagram so nannte.
»Wir sind noch nicht fertig«, erklärte Evelyn und deutete auf einen großen Stapel Bretter und Balken neben dem Eingang.
»Das wird die neue Terrasse«, erklärte Evelyn an Klara gewandt. »Die wird rund um das Bootshaus gebaut! Dann können wir bei schönem Wetter auch draußen Tischchen aufstellen. Das wird fantastisch, ich hoffe, wir schaffen das, solange ihr hier seid … Auf der Vorderseite ist es schon fertig. Das müsst ihr euch ansehen.«
»Ui«, machte Klara, als die Tür aufging.
Alex hatte nämlich die Idee gehabt, auf der gesamten Vorderfront die massive Holzwand durch eine Glasschiebetür zu ersetzen, und nun hatte man einen wunderbaren Ausblick auf den See. Jetzt im Sommer sah das wirklich super aus, besonders da Evelyn die Glasfront frisch geputzt hatte. Davor standen hübsche Stühlchen und kleine Bistrotische, die von Evelyn mit einer pastellfarbenen Mischung aus Rosen, Nelken und Pfingstrosen wunderhübsch dekoriert worden waren. Evelyn hatte dafür wirklich ein Geschick. Seit sie das Bootshaus von mir gepachtet hatte, hatte sie anscheinend all ihr Geld, das wer weiß woher stammte, in das Café investiert. Eine Weile bestaunten Klara und Carlos auch die Glasplatte im Fußboden, durch die man das Wasser unter sich schwappen sehen konnte. Gerade sahen wir zwei badende Kinder darunter treiben, die mit großen Augen zu uns heraufsahen.
»Irgendwie gruselig«, sagte Evelyn, die alles, was mit Kindern zu tun hatte, unheimlich fand.
»In Erinnerung daran, dass es ein Bootshaus war«, erklärte ich die Idee.
Während Evelyn den Kaffee machte, setzten wir uns an eines der Tischchen an der riesigen Glasfront und sahen zu, wie der Gröning, mein dienstältester Camper, seine Runde im See schwamm. Am Nachbartisch entdeckte ich zwei Gläser von Vronis grauem Erdbeerkompott und beschloss, die möglichst schnell verschwinden zu lassen.
»Wunderschön«, strahlte Klara, die das Erdbeerkompott vermutlich nicht gesehen hatte, und stupste Carlos an, als müsste er dazu auch etwas sagen. Er nickte nur und lächelte. Da er nur Augen für seine Klara hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sonst irgendetwas um sich herum aufnahm. Hinter uns zischte die Kaffeemaschine, und es begann sehr aromatisch nach Kaffee zu duften.
»Wirklich ausgesprochen idyllisch«, stellte Klara fest.
»Und von der Terrasse aus können die Eltern auch ihren Kindern beim Baden zusehen«, erzählte ich.
»Ich dachte, wir stellen Paravents auf, damit wir die Kinder nicht sehen«, meinte Evelyn, als sie uns auf einem rosafarbenen Tablett mit der Aufschrift »Fräulein Schmitts« den Cappuccino brachte. Wir bestaunten die perfekt geschäumte Milch und das Herzchen im Milchschaum. Und den Teebecher mit integriertem Teesieb, den Klara bekam. Die cremefarbene Tasse war mit Katzen bemalt.
»Und, wie läuft es bei dir?«, wollte ich von Klara wissen, da sie mir erst kürzlich erzählt hatte, dass sie sich beruflich verändern wollte.
»Die Homepage ist noch nicht fertig«, erzählte Klara, aber sie strahlte mich trotzdem an. »Und ich will natürlich erst kündigen, wenn ich wirklich genügend damit verdiene, um meine ganzen Ausgaben zu decken. Vielleicht hast du noch ein paar Ideen, textmäßig.«
»Klar, das können wir uns zusammen ansehen!«, nickte ich. »Deine Pläne stehen dir gut«, fügte ich hinzu. »du strahlst richtig von innen heraus …«
Klara lachte und warf einen verliebten Blick auf Carlos, der vielleicht der Hauptgrund für ihre super Ausstrahlung war.
»Was machst du denn?«, wollte Evelyn wissen, während sie uns kleine Quarkküchlein, garniert mit Erdbeeren und einem Minzblatt, auf den Tisch stellte.
»Eigentlich bin ich Eventmanagerin im Motorsport-Sektor«, antwortete Klara. »Aber ich habe eine Weiterbildung zur Weddingplanerin gemacht. Bis jetzt mach ich das nur im Bekanntenkreis, aber langsam scheint sich das zu tragen.« Schwupps, war eines der Törtchen schon verschwunden. Sollte ich vielleicht auch machen, dachte ich, als ich mir Klaras tollen Busen ansah. »Das wäre echt mein Traumjob!«
Klara und Carlos warfen sich wieder einen verliebten Blick zu.
»Das mit der Glasfront war eine tolle Idee. Aber man ist ständig am Putzen«, sagte Evelyn und sah ebenfalls zufrieden nach draußen. Das Stück fertige Terrasse vor der Glasfront war noch gesperrt, solange das Geländer fehlte.
Gerade ging wieder die Tür auf, und der Hetzenegger und der Schmidkunz kamen herein. Der Hetzenegger hatte ein Laptop dabei, der Schmidkunz einen Stapel Blätter, und im Schlepptau hatten sie einen dünnen jungen Camper. Sie machten es sich am Nachbartisch bequem, mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte das Café nicht nur schon geöffnet, sondern schon immer existiert.
»Das mit der Schranke ist das beste Spielzeug am Campingplatz«, flüsterte ich grinsend. »Und der Schmidkunz hat ein richtiges Faible für technische Erfindungen …«
Der Schmidkunz hatte mein Geflüster anscheinend gehört, denn er sagte in normaler Lautstärke: »Das mit der Schranke hat total Potenzial! Man kann die Autonummern in eine Zwischenablage kopieren und dann mit anderen Daten im Computer verknüpfen.«
»Aha«, machte ich etwas skeptisch, weil ich mir nicht vorstellen konnte, was das für einen Sinn haben könnte.
»Das Programm zeigt nicht nur an, wann das Auto angekommen ist, sondern auch, wann es wieder weggefahren ist. Man weiß also immer, wer gerade da ist und wer nicht. Und kann die Dauer des Aufenthalts ermitteln.«
»Aha«, sagte ich noch einmal, noch skeptischer, aber da die »Buben«, wie Vroni die zwei immer bezeichnete, mit Feuereifer bei der Sache waren, beließ ich es dabei. Über Datenschutz würde ich mir später Gedanken machen. Und wahrscheinlich bekamen sie es auch gar nicht gebacken, das tatsächlich auszuwerten.
»Hat Joachim Schulze unser Café eigentlich schon gesehen?«, fragte Evelyn.
»Weiß ich doch nicht«, antwortete ich. »Ich beschäftige mich doch nicht mit diesem schlecht gelaunten Kerl.«
»Wer ist das?«, fragte Klara.
»Na, der Campingplatztester«, erklärte Evelyn. »ich bin mir hundertpro sicher, der ist vom ADAC.«
Klara grinste. »Wahrscheinlich. Campingplatztester sind immer schlecht gelaunte Kerle.«
»Echt?«, fragte Carlos.
»Ja. So stelle ich mir die jedenfalls vor«, erklärte Klara. »Schlecht gelaunt, schlecht im Bett und immer miesmuffelig.«
Carlos lachte über die Vorstellung und wandte ein: »Also, ich kenne einen, der ist ein superentspannter netter Kerl.«
»Ich dachte jetzt, du sagst, gut im Bett«, grinste Klara.
»Schlecht gelaunt und miesmuffelig passt«, sagte Evelyn. »Im Bett war ich nicht mit ihm.«
»Und, hast du den Tester schon entdeckt?«, wollte ich von Carlos wissen.
»Nein. Sorry«, erwiderte Carlos und nippte an seinem Kaffee.
»Ich bin mir sicher, dass es Joachim Schulze ist. Ein anderer unserer Gäste kommt nicht infrage. Die anderen haben doch alle Kinder dabei«, warf Evelyn ein. »Weißt du was, du lädst ihn zum Kaffeetrinken hierher ein. Das stimmt ihn bestimmt positiv. Sag mir nur Bescheid, wann, dass ich die Glasscheibe noch einmal putze.«
»Kommt nicht infrage«, erklärte ich sehr bestimmt. »Ich schleim mich doch nicht ein.«
»Für mich kommt das auch nicht infrage«, gab Evelyn zu. »Der verdirbt einem echt die Laune. Sag mal, hast du Instagram?«, wechselte sie an Klara gewandt abrupt das Thema.
»Ja, wieso?«
»Könntest du mal für mich was nachsehen, ich hab gerade mein Handy nicht da«, sagte Evelyn, und ich hatte den Eindruck, dass sie log.
»Klar.«
»Schau mal unter Sissy Campingmaus nach.«
Während Carlos seinen Cappuccino trank und über den See blickte, sahen wir uns auf Instagram Sissy Campingmaus an.
»Huch«, machte Klara und lachte. »Wer ist denn das?«
»Unsere Konkurrenz«, erklärte Evelyn.
Sissy Campingmaus war die neue Freundin vom Steglmaier, meiner Konkurrenz. Und anscheinend hatte sie es sich zum Ziel gesetzt, es Evelyn nachzumachen und auf Instagram mehr Präsenz zu zeigen, natürlich für den Konkurrenz-Campingplatz. Mir war das einigermaßen egal, denn ich hatte einen vollen Campingplatz und nicht das Bedürfnis, ihnen Gäste wegzunehmen.
»Sieh dir das an«, sagte Evelyn düster und nahm Klara einfach das Handy weg.
Sissy hatte eine ewig lange Instagram Story gepostet, in der sie in einem langen und sehr engen Schlauchkleid in Leopardendruck zu sehen war. Das Erste, was auffiel, waren ihre riesigen Brüste, die voll im Bild waren, und die irre schlanke Taille. Ich war wie gefesselt von den Brüsten, aber Evelyn hatte was anderes gemeint: Sissy stand nämlich vor einem Haus, das aussah, als stammte es aus Disneyworld. Es war sehr bunt, mit runden Fenstern, einer Meerjungfrau über dem Eingang und einer Kanone neben der Tür.
»Ich dachte, sie macht Werbung für den Campingplatz?«, sagte ich verständnislos.
»Das IST doch auf dem Campingplatz«, erklärte Evelyn schlecht gelaunt. »Sieh dir das an!«
»Aber was ist das?«, fragte Klara und beugte sich ebenfalls mit über ihr Handy.
»Eine Kanone«, erklärte ich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wozu der Steglmaier eine Kanone am Campingplatz brauchte.
Die Insta-Story ging weiter, und selbst ich wollte nicht verpassen, was Sissy zu sagen hatte. Mit gespitzten Lippen strich sie sich gerade sehr dekorativ durch die Haare und hauchte in die Kamera: »Das Mega-Überraschung für Campingsaison, unser Piraten-Waschhaus!«
Obwohl sie sehr gut Deutsch sprach, hatte sie einen leichten osteuropäischen Akzent und etwas Schwierigkeiten mit den deutschen Artikeln.
»Ha!«, machte Evelyn mit zusammengekniffenen Augen. »Ich habe es geahnt!«
»Erste Camping-Erlebnis-Toilette Europas!«, erklärte Sissy mit sehr erotischer Stimme, als würde sie für einen Swingerclub Werbung machen. Das mit dem Campingerlebnis hörte sich wie »Camping-Ärlebnis« an. »Bald ist unsere Eröffnung! Daraus wir machen ein wunderbaren Event! Wollt ihr teilnehmen, dann holt euch Eintrittskarte mit Spezial-Zugangscode …« Sie deutete mit ihrem Finger quasi auf ihre Brüste, wo der Code ›Sissy14‹ eingeblendet wurde. »Gilt nur vierundzwanzig Stunden!«
»Himmel«, sagte ich nur.