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Winterruhe auf dem Campingplatz? Nicht bei den Hirschgrundis: Sofias alter Gartenpavillon wurde nämlich demoliert - und bei den Aufräumarbeiten findet sie ein Skelett! Wer wurde damals im Fundament des Pavillons begraben? Und warum? War es Mord? Und hat Sofias Opa womöglich etwas damit zu tun? Das mag von den Hirschgrundis keiner so recht glauben. Aber bei ihren Nachforschungen gibt es diesmal ein Problem: Kommissar Jan van der Linden! Der sieht nicht nur aus wie der nächste James Bond, sondern ist auch fest entschlossen, den Fall ohne die Hilfe der Dauercamper zu lösen. Aber so schnell lassen sich Sofia und ihre Camper nicht aufs Abstellgleis verfrachten ...
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Seitenzahl: 234
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Blaues Wasser, klare Luft, in der Ferne bei schönem Wetter die Alpen – das ist der Hirschgrund, ein idyllischer See mitten in Bayern. Nebenan der gleichnamige Campingplatz. Doch die Idylle trügt – denn diese Saison wird mörderisch.
Kaum ist die neue Besitzerin Sofia auf dem Platz angekommen, stolpert sie über den ersten Toten. Sofia ist entsetzt! Und dann neugierig. Bald schon entdeckt sie ihr Talent fürs Ermitteln und fängt an, in der bayerischen Idylle so einiges umzukrempeln …
Winterruhe auf dem Campingplatz? Nicht bei den Hirschgrundis: Sofias alter Gartenpavillon wurde nämlich demoliert – und bei den Aufräumarbeiten findet sie ein Skelett! Wer wurde damals im Fundament des Pavillons begraben? Und warum? War es Mord? Und hat Sofias Opa womöglich etwas damit zu tun? Das mag von den Hirschgrundis keiner so recht glauben. Aber bei ihren Nachforschungen gibt es diesmal ein Problem: Kommissar Jan van der Linden! Der sieht nicht nur aus wie der nächste James Bond, sondern ist auch fest entschlossen, den Fall ohne die Hilfe der Dauercamper zu lösen. Aber so schnell lassen sich Sofia und ihre Camper nicht aufs Abstellgleis verfrachten …
SUSANNE HANIKA
Der Tod macht eine Schlittenfahrt
Ein Bayernkrimi
Satt und zufrieden legte ich die Serviette weg und lehnte mich zurück. Soeben hatte ich den Stöckl-Brauhausburger verdrückt – den gab es noch nicht so lange auf der Speisekarte. Denn mein Jugendfreund Alex, zukünftiger Besitzer der Brauerei und des traditionellen Brauereigasthofs, versuchte einen kleinen Schwenk zur Moderne, um mehr junge Leute anzulocken. Bierspezialitäten und modernes Essen, nicht nur Schweinshaxen und Bockbier.
Der leckere Burger und das Stimmengewirr um mich herum hatten mich müde gemacht, und ich sah eine Weile nach draußen. Nach den verregneten Weihnachtsfeiertagen hatten meine Dauercamper vorgeschlagen, dass wir uns alle hier trafen, um etwas Ordentliches zu essen und mal wieder so richtig zu ratschen. Draußen war es dunkel geworden und plötzlich auch kalt. Einzelne Schneeflocken tanzten unter der Außenlampe des Brauhauses, und die Weihnachtsbeleuchtung glitzerte malerisch vor der Kulisse des dunklen Hirschgrunder Sees und der ausgedehnten Wälder am anderen Ufer.
»Noch ein Bier«, sagte der Hetzenegger mir gegenüber zur Bedienung, und seine Frau, die Vroni, schimpfte ein bisschen, weil der Hetzenegger wegen seiner Leibesmitte nicht so viel Alkohol trinken sollte.
»Zu einem gscheiten Schweinsbraten, da gehört einfach eine ordentliche Menge Bier«, behauptete der Hetzenegger. »Das muss schwimmen.«
»So ein Unsinn, das ist doch kein Fisch«, wandte die Vroni ein.
Neben mir saß Evelyn, schon länger fertig mit dem Essen. Sie hatte ein Fotoalbum meiner Großeltern aus dem Jahr 1962 mitgebracht, und Frau Stöckl, die Mutter von Alex und Brauereibesitzerin, beugte sich begeistert über die Bilder.
»Das war unser allererstes Brauereifest, da kann ich mich noch gut dran erinnern! Da hat ja noch mein Großvater gelebt …«, schwärmte sie.
Ich warf auch einen Blick ins Album. Zwischen den Jahren war es so ruhig auf dem Campingplatz geworden, dass ich die Zeit genutzt hatte, um endlich ein bisschen im Haus zu entrümpeln. Der Wohnzimmerschrank meiner Großeltern war zwar wunderschön, aber vollgestopft mit all den geerbten Dingen, die meine Nonna in ihrem Leben angesammelt hatte. Und langsam wurde es eng. Seit Jonas die meiste Zeit bei mir wohnte, brachte er immer mehr Dinge aus seiner Regensburger Wohnung hierher und stapelte alles Mögliche neben seinem Bett. Es wurde Zeit, dass ich meine Wohnung umgestaltete und mich auch von Dingen trennte, die meiner Nonna gehört hatten. Bei dieser Entrümpelungsaktion hatte ich zur Freude meiner Camper eine Unzahl von Fotoalben gefunden. Mich stimmten sie allesamt sehr sentimental. In den Anfängen des Campingplatzes hatte mein Großvater offenbar unglaublich viel fotografiert, und Nonna hatte sich sehr große Mühe gegeben, alles schön in Alben zu kleben. Sie waren gefüllt mit historischen Bildern, Postkarten von Gästen, die sich für die schöne Zeit auf dem Platz bedankten, gepressten Blümchen und Bildern von Menschen, die wir alle nicht mehr kannten. Außer den handschriftlich vermerkten Jahreszahlen gab es keinen Hinweis darauf, wer diese Leute waren. Damals waren sie mit ihren kleinen Kindern zum Campen gekommen, aber nun waren sie bestimmt alle bereits verstorben. Die allerersten Fotoalben wollte ich auf jeden Fall aufheben, aber die späteren Alben? Mit Menschen, die keiner mehr kannte?
Evelyn hatte vorgeschlagen, die Bilder abzufotografieren und sie so für die Nachwelt zu archivieren.
»Ich stell die alle bei Insta ein«, sagte Evelyn eben zu Frau Stöckl. »Das wird ein richtiges öffentliches Fotoalbum. Das kann man auch mit eurer Website verbinden, und ihr könnt auf eurer Instagram-Seite darauf hinweisen. Das wird bestimmt großartig!«
»Wir haben kein Instagram«, antwortete Frau Stöckl knapp, doch ihre Augen begannen zu leuchten, als Evelyn ihr Handy auf den Tisch legte und den neuen Account »Die Anfänge der Hirschgrundis« herzeigte. Dort wollte sie nach und nach all die Bilder hochladen, die ihr aus den Alben meiner Großeltern erinnerungswürdig erschienen.
»Die Anfänge der Hirschgrundis am idyllischen See«, las Frau Stöckl den Text vor, den Evelyn unter das erste Foto des Campingplatzes geschrieben hatte, gefolgt von den obligatorischen Hashtags: #campingplatz #hirschgrundis #nostalgie #retro #backtotheroots. Mich stimmte das tatsächlich sehr nostalgisch. Allein die Vorstellung, dass meine Nonna damals eine junge Frau gewesen war, jünger als ich im Moment. Der Campingplatz sah komplett anders aus als jetzt. Auf dem Foto erkannte man, dass es noch keine Parzellen gegeben hatte, man sah zwei VW Käfer und zwei Zelte. Das Geschirrspülhäusl existierte noch nicht, der asphaltierte Weg auch nicht. Es sah aus, als hätten sich die Leute einfach auf eine Wiese gestellt, und so war das damals in den Anfängen auch gewesen. Die Bäume waren allesamt ganz klein, es war eine schlichte Wiese am See, ohne Schatten. Erst später hatten meine Großeltern die Johannisbeerbüsche gepflanzt. Und es war davon auszugehen, dass die hohen Erlen und Pappeln und die drei wunderbaren Birken überhaupt nicht gepflanzt worden waren, sondern hier einfach selbst Wurzeln geschlagen hatten.
»Siehst du, wie viele Abonnenten wir inzwischen haben?«, fragte Evelyn begeistert. »Über zweitausend!«
Damit hätte ich nun auch nicht gerechnet. Den Account gab es jetzt gerade sage und schreibe vier Tage! Und jedes Bild, das Evelyn hochlud, wurde ausführlich kommentiert, auch von Leuten, die wir überhaupt nicht kannten!
»Das ist ein tolles Album«, sagte Frau Stöckl, die sich wieder dem realen Fotoalbum zugewandt hatte. »Die Bilder hätte ich gerne. Siehst du, dort, das bin ich …«
Ein etwa zehnjähriges Mädchen stand neben einem älteren Mann mit einem struppigen weißen Bart und finsterer Miene. »Mein Großvater«, sagte sie. »Der ist im selben Jahr noch gestorben.«
Evelyn machte sofort ein Bild von dem grimmigen Kerl und postete es auf unserem Kanal mit den Hashtags #Brauerei #Stöckl #Urgestein.
Wir beugten uns alle über unsere Handys, um zuzuschauen, wie die Likes geradezu explodierten. Es war faszinierend!
Ich scrollte ein wenig nach oben und fand den Post, mit dem Evelyn immenses Interesse an ihrem neuen Kanal erzeugt hatte: Die Ankündigung, dass sie Bilder von der Entstehung meines kleinen Gartenpavillons aus dem Jahr 1970 posten würde. Mein Großvater hatte damals jeden Arbeitsschritt dokumentiert und in einem Album namens »Pavillon 1970« verewigt. Ganz als gäbe es noch weitere Pavillons! Wahrscheinlich hätte es ihm das Herz gebrochen zu sehen, in welch miserablem Zustand der Pavillon gerade war. Aber für Evelyn war das natürlich die Möglichkeit, tollen Content zu kreieren!
»Im Frühjahr geht’s wieder los! Aus alt mach neu!«, hatte Evelyn in ihrer Story mit hüpfenden Buchstaben über das Bild des alten Pavillonfundaments gepostet und mit den Hashtags #ourprettyproject #sanierung #diy und #workinprogress die Renovierung angekündigt. Seit Jahren war das Dach nämlich kaputt, und eines der Fenster hatte einen Sprung. Seit gestern war das Fenster seltsamerweise ganz zerbrochen.
»Warst das du?«, wollte ich von Evelyn wissen.
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie, während sie auf Fragen aus ihrer Instagram-Gemeinde antwortete. Kurz sah sie zu Elias, dem Enkel der Hetzeneggers, der plötzlich ganz intensiv in seinem Micky-Maus-Heftchen las, das ihm seine Oma in die Hand gedrückt hatte. Er wurde ein klein wenig rot.
Aha!
»Das war ein Fußball, oder?«, fragte ich nebenbei und stupste Elias mit dem Fuß an.
»Wie bitte?«, fragte er sehr höflich und wurde noch einen Tick röter.
Mehr musste ich auch gar nicht sehen. Ich warf Evelyn einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Das sieht einfach authentischer aus«, erklärte sie ihr Vorgehen.
»Noch einen Nachtisch?«, fragte Frau Stöckl.
»Nachtisch geht immer«, strahlte die Vroni.
»Hausgemachter Apfelstrudel mit Vanilleeis oder eine Panna Cotta mit pürierten Erdbeeren«, schlug Frau Stöckl vor. »Und für den jungen Herrn vielleicht einfach nur eine große Portion Eis?«
Der junge Herr nickte, etwas miesmuffelig, weil ihm seine Großmutter inzwischen sowohl Tablet als auch Handy abgenommen hatte und ihn zwang, in der Realität zu leben. Ihrer Meinung nach war nämlich die Langeweile, die ihr Enkel gerade durchlebte, ganz unglaublich gesund. Nachdem ich mir einen Apfelstrudel bestellt hatte, schnappte sich Elias mein Handy und sah sich die Story von Evelyn an. Vermutlich in Ermangelung eines coolen Gamers, dem er sonst beim Spielen zugesehen hätte.
Auf Evelyns Story konnte man eben abstimmen, ob man sämtliche Arbeitsschritte beim Pavillonbau sehen wollte. Innerhalb von fünf Minuten hatten etwa vierzig Leute abgestimmt, dass sie total scharf darauf waren. Elias stimmte für mich ab, nämlich dass ich das auch unbedingt sehen wollte. Blieb mir ja auch nichts anderes übrig, schließlich war es mein Pavillon, den ich mit meinem Geld renovieren würde.
Evelyn war zufrieden. Sie postete das Bild vom Fundament des Pavillons aus dem Jahr 1970.
Eigentlich wollte ich nur das Dach reparieren lassen und die Fenster. Aber es machte Spaß, Evelyn dabei zuzusehen, wie sie Bilder einstellte, Fragen beantwortete und schon Ideen für den Pavillon hatte. Und ich genoss es unglaublich, zwischen meinen Dauercampern zu sitzen und dem Durcheinandergeplapper zu lauschen. Vroni blätterte gerade durch ein Album aus dem Jahr 1964 und sagte: »Siehst du, ich hab’s doch gewusst, früher waren vorne beim Häuschen auch noch mal drei Birken. Und schau doch, dieser Busch am Klohäusl, der war damals noch ganz klein …«
Ja, der war riesig, grässlich und stachelig geworden, und ich hatte ihn entfernt. Zu Recht wie ich fand, seitdem war das Klohäusl ein Ort des Lichts!
»Die Autos, Wahnsinn«, sagte die Schmidkunz und sah sich die VW Käfer an.
Für kurze Zeit stieg das Stimmengewirr schlagartig an, als wäre eine Tür aufgegangen, hinter der viele Menschen durcheinanderredeten. Als ich aufsah, bemerkte ich Hildegard, die neunzigjährige ehemalige Grundschullehrerin vom Ort, die aus dem Nachbarraum kam. Zielsicher steuerte sie unseren Tisch an. Am liebsten wäre ich in Deckung gegangen, denn in den letzten Tagen war sie trotz Regen und Kälte jeden Tag samt Gehwagerl bis zu meinem Campingplatz gerollert, um Organisatorisches zu besprechen, wie sie es formulierte. Sie wollte unbedingt ihr fünfundsechzigjähriges Dienstjubiläum bei uns auf dem Platz feiern. Damals war sie als frischgebackene Lehrerin hierhergekommen, nur als Vertretung, und gar nicht in der Absicht, hier Wurzeln zu schlagen. Aber noch am ersten Tag, wie sie behauptete, hatte sie die Liebe ihres Lebens kennengelernt und schnell geheiratet. Nun hatte sie viele ihrer ehemaligen Schüler zu Kaffee und Kuchen in Evelyns Café eingeladen. Jeden Tag hatte sie neue Ideen und Anliegen. Von der Unterkunft von auswärtigen ehemaligen Schülern bis zu Bewirtungsfragen hatten wir inzwischen hoffentlich alles geklärt. Gerade stresste mich das ein wenig – schließlich hatten wir schon einen Tag später unsere Hirschgrundi-Silvesterparty! Jetzt steuerte sie allerdings nicht mich, sondern zielsicher Elias an.
Sie schob einen Stuhl vom Nachbartisch zwischen ihn und den Schmidkunz und legte ihr Handy auf den Tisch. Das sah nagelneu aus.
»Kannst du mir da dieses Instagram installieren?«, fragte sie den Jungen, und ich riss erstaunt die Augen auf.
»Klar«, antwortete Elias und wurde nun endlich munterer. »Geht ganz einfach.«
»Ich brauch das unbedingt«, fügte sie erklärend an mich gerichtet hinzu. »Mir hat gerade die Meierbeck erzählt, dass man sich da jetzt alte Fotos vom Campingplatz ansehen kann … das interessiert doch bestimmt meine früheren Schüler! Das muss ich ihnen unbedingt zeigen!«
Sie hatte rote Bäckchen bekommen und sah Elias dabei zu, wie er routiniert die App installierte. Ich bemerkte, wie auf ihrem Handy alle paar Minuten Nachrichten von ihrer Schwiegertochter Ursel eintrudelten. Die letzte las ich versehentlich, sie lautete: »Ist der Wolfi bei dir?«
Wolfi war Hildegards Sohn.
Entgegen meiner Erwartung kümmerte sich die Hildegard überhaupt nicht darum.
»Und dann müssen Sie halt auch die Accounts abonnieren, die Sie sehen wollen«, erklärte Elias ihr gerade, und sie sah ihn an, als hätte er Chinesisch gesprochen.
Ich warf dem Gröning einen Blick zu, meinem ältesten und schwerhörigsten Camper. Der hatte kein Handy und stand Technik nicht besonders innovativ gegenüber. Momentan sah er auch sehr schlecht gelaunt aus. Wenn sich alle unterhielten, verstand er eigentlich gar nichts mehr. Die Laune konnte aber auch an dem Weihnachtsgeschenk liegen, das meine Camper ihm überreicht hatten: eine neue Badehose. Denn die alte war »einfach zu durchsichtig«, wie ihm die Vroni ins Gesicht gebrüllt hatte. Der Gröning, der sich nie von hinten sah, fand das aber nicht.
Auch ich war mit meinem Geschenk nicht so ganz glücklich. Ich hatte nämlich neue Flipflops bekommen, um die alten meiner Nonna zu ersetzen. Und an diesen alten Flipflops hing ich wirklich! Einmal hätte ich sie beinahe während einer Mörderjagd im See verloren!
Einzig der Hetzenegger war begeistert von seinem Geschenk, einem Blechschild mit dem treffenden Spruch: Let’s sit by the campfire and watch people park their campers.
Das war nämlich genau das, was der Hetzenegger den lieben langen Sommer über machte: Campern beim Aufstellen ihrer Fahrzeuge zuzusehen und sich am besten auch noch einzumischen.
»Und nun will ich noch so eine Gruppe haben, so wie ihr, die Hirschgrundis …«, forderte Hildegard weiter.
Ich grinste.
»Auf WhatsApp«, erklärte ich Elias, weil ich sofort verstanden hatte, was Hildegard meinte.
Eine Weile verfolgte ich noch, wie sich Elias und Hildegard in deren neues Handy vertieften.
Ich grinste, stand auf und ging zu Alex zum Tresen. In meiner Hosentasche brummte mein Handy, und ich sah, dass ich einer WhatsApp-Gruppe mit dem Namen »Fräuleins Jubiläum« hinzugefügt worden war. Die Gruppe bestand momentan nur aus Hildegard, Evelyn und mir.
»Ich sag’s dir. Ich liebe sie alle«, behauptete ich. »Ich weiß gar nicht, was ich früher den ganzen Tag so getrieben und erlebt habe.«
Alex grinste. »Ich befürchte, gar nichts.«
Er schob mir noch ein Bier über den Tresen.
»Ohne meine Camper und euch ist es einfach nur halb so schön.« Ich trank einen großen Schluck und wischte mir den Schaum von den Lippen.
»Da sind ja schon einige Leute zum Klassentreffen da«, stellte er fest.
»Zwei Paare sind schon eine ganze Woche vorher angereist«, erzählte ich. »Die meisten kommen aber erst am Vortag an.«
»Einige wohnen ja auch hier«, sagte Alex. »Man muss nur an meine Eltern denken.«
»Werden die auch kommen?«
»Garantiert«, sagte Alex.
Der Schmidkunz gesellte sich zu uns. Er zeichnete eine stilisierte Tanne und einen See auf eine Serviette, so gekonnt mit wenigen Strichen, dass man sofort unseren Campingplatz erkennen konnte.
»Stammtisch der Hirschgrundis«, schrieb er auf die Serviette.
»Cool«, sagte ich. »Da machen wir doch was draus.«
»Ja, da bekommt ihr einen extra Stammtisch«, freute sich Alex. »Dann müsst ihr jeden Freitagabend zu uns kommen.«
»So wie der Männergesangsverein?«, fragte ich lächelnd.
Den gab es nämlich noch bei uns. Allerdings war er inzwischen etwas unterbesetzt.
Alex behielt die Serviette gleich bei sich. »Sie haben da wirklich ein Händchen für so etwas«, sagte er zum Schmidkunz.
Er drehte sich um und holte ein paar weiße Blätter, die er dem Schmidkunz vor die Nase legte.
»Noch mal auf einem Blatt Papier! Dann mache ich für euch ein Hirschgrundi-Schild«, erklärte er, und mit schnellen Strichen zeichnete der Schmidkunz die Vorlage für unser Stammtischschildchen.
»Großartig«, grinste Alex. »Und was willst du, Sofia, einen Ehrenthron am Kopfende?«
»Ja«, witzelte ich mit. »Am besten ganz in Gold und mit Blumengirlanden außen herum.«
Mit schnellen Strichen machte der Schmidkunz weiter, und wir staunten nicht schlecht, als wir sahen, was er so draufhatte. Als Nächstes zeichnete er nämlich einen Hund, der seinen Kopf zwischen die Pfoten legte und treuherzig guckte. Und obwohl es nur ein paar Striche waren, erkannte ich sofort, wen er gemalt hatte.
»Wahnsinn, die Lola!«, freute ich mich. »Das darf ich behalten, oder?«
Der Schmidkunz lächelte nur. Neben ihm tauchte jetzt Elias auf, die Hildegard rollerte derweil mit ihrem Gehwagerl in den Nachbarraum, wo sich normalerweise um diese Uhrzeit der Männergesangsverein traf. Kurz verstärkte sich das Stimmengewirr, und mein Blick fiel auf den vollbesetzten Tisch. Vier der Personen kannte ich, denn sie nächtigten gerade bei mir: Zwei Ehepaare, die ebenfalls von Hildegard eingeladen worden waren. Bärbel war blind, sie hatte ihren Blindenstock an den Tisch gelehnt. Mit halb geschlossenen Augen wandte sie sich gerade Hildegard zu, die lautstark verkündete: »So, jetzt habe ich dieses Instagram, da werdet ihr alle staunen!«
Dann ging die Tür zu, und wir hörten nichts mehr. Alex’ Grinsen verstärkte sich noch ein wenig. Er schob gerade dem Schmidkunz ein weiteres weißes Blatt Papier vor die Nase, und wir sahen zu, wie er in kurzer Zeit eine Campingplatzbesitzerin zauberte, der ein Kriminalkommissar die Hand um die Schulter legte. Das waren mein Freund Jonas und ich.
»Sie haben Ihre Berufung verfehlt«, befand Alex, denn der Schmidkunz war Apotheker.
Eine Weile ließ sich Elias vom Schmidkunz unterhalten, der ihm ein Daumenkino zeichnete. Eines zeigte eine Lola, die mit dem Schwanz wedelte. Wir fanden die alle sehr lustig, aber Elias haute das nicht wirklich vom Hocker. Er hing ziemlich in den Seilen und hatte den Kopf auf den Tresen gelegt.
»Na ja. Dann fahren wir halt zurück«, gab die Vroni seufzend auf.
»Ich muss mein Bier austrinken!« Der Hetzenegger krallte sich an seinen Krug. So schnell wollte der nicht nach Hause.
»Dann fahr ich mit dem Buben halt heim«, sagte die Vroni, und die Schmidkunz, Evelyn und ich schlossen uns an.
Wir nahmen das Auto von den Schmidkunzens, weil die Vroni nicht gerne Auto fuhr, und die Männer versprachen, zu Fuß nach Hause zu gehen – oder wenigstens anzurufen. Es sah so aus, als würde der Abend noch länger dauern!
Eingeklemmt zwischen Evelyn und mir saß Elias auf der Rückbank und ließ die Daumenkinos vom Schmidkunz laufen.
»Das ist praktisch wie ein analoges GIF«, sagte er und war nun doch einigermaßen fasziniert.
»GIF, was ist denn das?«, fragte seine Großmutter.
»Animierte Bilder«, sagte ich und lachte ebenfalls über das Daumenkino mit Lola, das sie zum Schwanzwedeln brachte.
»Da mach ich ein richtiges GIF draus«, kündigte Elias an und fügte listig hinzu: »Also, wenn ich mein Tablet wiederkriege.«
Die Vroni drehte sich zu uns um und machte eine überlegende Miene.
»Fantastisch. Hirschgrundi-GIFs!«, jubelte Evelyn und erklärte, bevor Vroni ihre Meinungsfindung abgeschlossen hatte: »Natürlich bekommst du dein Tablet wieder!«
Ich sah aus dem Fenster und mischte mich nicht ein. Im Scheinwerferlicht des Autos sah man, dass es inzwischen leicht zu schneien begonnen hatte. Einzelne Schneeflocken segelten durch die Lichtstrahlen und schmolzen auf der Straße sofort wieder.
»Ich hab da noch tausend Ideen für GIFs«, freute sich Evelyn, die immer ganz schnell bei der Sache war, neue Dinge für Instagram zu kreieren. »Da werde ich mich doch gleich morgen mit deinem Mann zusammensetzen«, wandte sie sich an die Schmidkunz.
»Dann hat er wenigstens was zu tun«, lachte diese und wurde langsamer, weil der Campingplatz vor uns auftauchte.
»Hast du dein Außenlicht brennen lassen?«, wollte sie wissen.
»Energiesparen ist total wichtig«, erklärte Elias neben mir. »Haben wir in der Schule gelernt. Licht brennen lassen ist aber nicht so schlimm wie zu viel Heizen. Jedes Grad weniger bedeutet fünf Prozent weniger Heizkosten.«
Vroni seufzte. Ich drückte meine Nase gegen die Fensterscheibe. Hinter meinem Haus war es hell erleuchtet. Eigentlich um einiges heller, als es meine etwas funzelige Beleuchtung nach hinten raus hergab.
»Das ist ja eigenartig«, stellte ich fest.
Die Helligkeit erinnerte ein bisschen an Flutstrahler, die bei Dunkelheit auf Baustellen eingesetzt wurden. Aus einiger Entfernung hörte man etwas, das wie ein Presslufthammer klang. Ich ließ die Fensterscheibe runter und hörte es nun noch deutlicher.
»Ist Jonas wieder nach Hause gekommen?«, fragte die Vroni, während wir zum Campingplatz abbogen.
Die Schranke ging auf, und die Schmidkunz ließ das Auto auf den Platz rollen. Direkt hinter der Schranke blieb sie stehen.
»Nein, das hätte er doch gesagt«, wandte ich ein. »Er ist doch das ganze Wochenende bei seinem Bruder! Außerdem, wieso sollte er mitten in der Nacht bei uns im Garten anfangen, das Pavillondach zu reparieren? Das haben wir fürs Frühjahr geplant!« Jetzt, wo der Motor vom Auto nicht mehr brummte, hörte man nur das Bellen meiner Hunde im ersten Stock, und ich fragte mich, ob ich mir den Baulärm nur eingebildet hatte. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben in den ersten Stock. Normalerweise ließ ich im Flur das Licht brennen. Das war vielleicht verrückt, aber es war angenehmer, in eine erleuchtete Wohnung zurückzukehren. Ganz deutlich konnte man Lolas helles, begeistertes Bellen von dem dunkleren ihrer Mutter Clärchen unterscheiden. Darunter mischte sich das heisere Bellen meines sehr, sehr alten Hunds Milo. Eigentlich hörte er gar nichts mehr, aber sobald er mitbekam, dass die anderen Hunde bellten, machte er sehr energisch mit und hörte normalerweise auch nicht mehr auf, selbst wenn die anderen schon längst aufgegeben hatten.
Von einem Presslufthammer war jetzt nichts mehr zu hören.
»Meinst du, dass sich da jemand einen Scherz erlaubt hat?«, fragte ich.
»Unsinn, Scherz. Wahrscheinlich ist es ein Einbrecher«, mutmaßte Evelyn, und die Schmidkunz presste sich entsetzt die Hand auf den Mund.
»Ein Einbrecher mit Flutlicht?«, fragte ich kopfschüttelnd.
»Das bekommen wir ratzfatz heraus«, sagte die Vroni energisch und wuchtete sich vom Beifahrersitz. »Bestimmt gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung.«
Was diese einfache Erklärung sein sollte, verriet sie uns nicht.
Wieso ich nicht wenigstens ein klein wenig Angst hatte, konnte ich mir später nicht erklären. Vielleicht, weil der Schneefall dichter wurde und die Weihnachtsbeleuchtung auf meinen Balkonen so nett leuchtete. Und weil der kugelige Schneemann mit der roten Nase so friedlich vor sich hin strahlte. Während wir in den Garten stapften, erzählte uns die Vroni noch von ihren morgigen Plänen.
»Ich hoffe ja so sehr, dass wir richtig Schnee kriegen. Damit der Opa mit dem Buben ein bisschen Schlittenfahren kann.«
Der »Bub« rollte mit den Augen. »Was ist mit meinem Handy?«, warf er ein. »Das bräuchte ich schon, wenn ich so GIFs machen soll.«
Mit einem Seufzen gab Vroni nach. »Richtig süchtig«, sagte sie und zog das Handy ihres Enkels aus der Handtasche. »Wohin das noch führen soll, eine ganze Generation von Süchtigen, die ganztags nur ihr Handy streicheln und reinstarren!«
»Ich starr nicht nur aufs Handy!«, verteidigte sich Elias.
Dann blieb die Schmidkunz so abrupt vor mir stehen, dass ich in sie hineinlief.
»Grundgütiger!«, stieß sie aus.
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Auf jeden Fall nicht das, was ich erblickte: Der kleine Pavillon war abgerissen worden, und zwar bis aufs Fundament! Auf meiner Terrasse standen zwei Bauleuchten, die an meine Außensteckdosen angesteckt waren, und beleuchteten mit ihrem grellen Weiß den gesamten Schaden. War das etwa die Überraschung, die mir Evelyn angekündigt hatte?
»Sag mal«, wandte ich mich an Evelyn, die ebenfalls erstarrt neben mir stehen blieb. »Ich habe nie gesagt, dass ich das gesamte Häuschen wegreißen will. Und vor allen Dingen nicht jetzt im Winter, einfach mal so zwischendurch!«
»Und wieso machst du es dann?«, wollte Evelyn wissen.
»Hast du das nicht in Auftrag gegeben?«, fragte ich ärgerlich, während ich über den Rasen näher an die Überreste vom Pavillon ging. Manchmal war Evelyn nämlich ziemlich übergriffig.
»Sieh dir das an, meine Gartenstühle sind total ruiniert! Die haben einfach die Wände eingeschlagen, ohne vorher das Häuschen auszuräumen!« Ich verschränkte ärgerlich die Arme vor der Brust.
Was im Klartext bedeutete, dass der gesamte Bauschutt auf meinen Gartenstühlen lag, den Blumentöpfen und dem Rasenmäher. Ein Profi war da auf jeden Fall nicht am Werk gewesen! Die Schmidkunz und die Vroni standen sprachlos neben uns.
»Das ist Vandalismus«, äußerte sich Evelyn. »Ich würde doch nie in Auftrag geben, dass dein Pavillon abgerissen wird, ohne das Ganze fotografisch zu dokumentieren und selbst mit vor Ort zu sein!«
Ärgerlich stemmte sie die Hände in die Hüften.
Dass es Vandalismus sein musste, war klar ersichtlich, denn derjenige, der da bis eben noch gearbeitet hatte, hatte sein Werkzeug zurückgelassen und sich verkrümelt. Ein Presslufthammer lag am östlichen Eck des Häuschens, einfach hingeworfen, als würde der Handwerker gleich wieder auftauchen und weitermachen wollen. Und dort, wo er gearbeitet hatte, sah man, dass er auch das Fundament hatte entfernen wollen. Ein Quadratmeter war schon herausgebrochen und achtlos in die Blumenbeete geworfen worden.
»Das gibt’s doch nicht!«, stieß Evelyn fassungslos hervor. »Wie kommt man darauf, so etwas zu machen!«
War der Übeltäter noch in der Nähe? Ich beschloss, die Hunde aus dem Haus zu lassen – wenn sie uns schon nicht zu dem Typen mit dem Presslufthammer führten, würde ich mich wenigstens ein bisschen sicherer fühlen. Denn nun beschlich mich doch ein leicht mulmiges Gefühl.
Die Frauen gingen auf das eingerissene Häuschen zu, Elias hatte sein Handy in der Hand und filmte die Aktion, während ich mich umdrehte, um meine Hunde zu holen.
Dann passierten zwei Dinge gleichzeitig.
Vroni stieß einen markerschütternden Schrei aus. Fast zeitgleich ging abrupt das Licht aus.
Vronis Schrei verebbte sofort. Meine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, ich sah nicht einmal das Wohnhaus. Vermutlich war der FI-Schalter vom gesamten Campingplatz geflogen, denn nirgendwo war ein Lichtchen zu sehen. Ich hörte neben mir den keuchenden Atem von Vroni, die sich an meinen Arm krallte. Die Hunde waren verstummt und schienen genauso erstaunt zu sein wie wir.
»Alles halb so schlimm«, beruhigte ich die Damen.
Während der Campingsaison passierte das häufiger. Entweder weil zu viele Gäste elektrische Geräte betrieben, oder weil ein des Campen unkundiger Gast eine Mehrfachsteckdose im Regen hatte liegen lassen.
»Oh Gott, oh Gott! Wären doch nur die Männer da!«, japste Vroni neben mir.
Etwas beleidigt antwortete ich: »Das mit dem FI-Schalter bekomme ich auch ohne Männer hin!«
»Aber da ist … da ist doch …« Die Vroni schien keine Luft mehr zu bekommen vor lauter Panik.
Ein Licht flammte auf. Elias war so schlau gewesen und hatte seine Handy-Taschenlampe angemacht. Er leuchtete mir direkt ins Gesicht, und ich schloss geblendet die Augen.
»Schau nicht hin, Schatzerl«, bat sie ihren Enkelsohn. »Das ist nix in deinem Alter.«
»Was denn?«, fragte Elias und lenkte den Lichtstrahl glücklicherweise jetzt auf etwas anderes als meine Augen.
»Schau nicht hin!«, befahl die Vroni jetzt total energisch.
»Wohin denn?«, fragte Elias und schwenkte das Handy, um herauszubringen, was er nicht sehen sollte.
»Wir müssen sofort die Polizei … und der Mörder muss ja ganz nah sein …«, keuchte die Vroni weiter, während sie sich die Hand von Elias schnappte und losrennen wollte. »Wir verstecken uns am besten in deinem Keller, Sofia, oder meint ihr …«
Elias ließ sich nicht so einfach mitschleifen, sondern machte sich vom festen Griff seiner Großmutter frei.
»Was ist denn, Oma?«