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Blut ist dicker als Wasser? Nicht für Sofia - zumindest, wenn es um ihren Cousin Horst geht. Der hat sie schon als Kind immer geärgert und jetzt taucht dieser unverschämte Kerl plötzlich auf ihrem Campingplatz auf und will ihr Nonnas Erbe streitig machen. Sogar Evelyn hat er gedroht, dass ihr Café bald ihm gehören wird. Und auch die anderen Camper sind vor seinen haltlosen Unterstellungen und Bedrohungen nicht sicher.
Als Horsts Klamotten aus dem Gruberhäusl verschwinden, beschuldigt er Sofia. Doch sie findet seine Jacke wieder - am leblosen Körper eines Anglers. Liegt hier eine Verwechslung vor? Wollte der Mörder in Wirklichkeit ihren Cousin töten? Schließlich hat sich Horst in der kurzen Zeit reichlich Feinde gemacht. Obwohl die Hirschgrundis dazugehören, lassen sie es sich nicht nehmen, ihre eigenen Ermittlungen aufzunehmen.
»Der Tod braucht schreibt heut sein Testament« ist der fünfundzwanzigste Teil der erfolgreichen Bayern-Krimi-Reihe »Sofia und die Hirschgrund-Morde« von Susanne Hanika. Krimi trifft auf Humor, Nordlicht auf bayerische Dickschädel, Hobbyermittlerin auf feschen Kommissar - dazu jede Menge Leichen, Mörder und Ganoven. Und all dies vor herrlich bayerischer Kulisse!
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Seitenzahl: 232
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Blut ist dicker als Wasser? Nicht für Sofia – zumindest, wenn es um ihren Cousin Horst geht. Der hat sie schon als Kind immer geärgert und jetzt taucht dieser unverschämte Kerl plötzlich auf ihrem Campingplatz auf und will ihr Nonnas Erbe streitig machen. Sogar Evelyn hat er gedroht, dass ihr Café bald ihm gehören wird. Und auch die anderen Camper sind vor seinen haltlosen Unterstellungen und Bedrohungen nicht sicher.
Als Horsts Klamotten aus dem Gruberhäusl verschwinden, beschuldigt er Sofia. Doch sie findet seine Jacke wieder – am leblosen Körper eines Anglers. Liegt hier eine Verwechslung vor? Wollte der Mörder in Wirklichkeit ihren Cousin töten? Schließlich hat sich Horst in der kurzen Zeit reichlich Feinde gemacht. Obwohl die Hirschgrundis dazugehören, lassen sie es sich nicht nehmen, ihre eigenen Ermittlungen aufzunehmen.
Blaues Wasser, klare Luft, in der Ferne bei schönem Wetter die Alpen – das ist der Hirschgrund, ein idyllischer See mitten in Bayern. Nebenan der gleichnamige Campingplatz. Doch die Idylle trügt – denn diese Saison wird mörderisch.
Kaum ist die neue Besitzerin Sofia auf dem Platz angekommen, stolpert sie über den ersten Toten. Sofia ist entsetzt! Und dann neugierig. Bald schon entdeckt sie ihr Talent fürs Ermitteln und fängt an, in der bayerischen Idylle so einiges umzukrempeln …
SUSANNE HANIKA
Der Tod schreibt heut sein Testament
Ein Bayernkrimi
Noch war das Campingjahr jung. Die Osterferien hatten wir schon hinter uns – allerdings mit so viel schlechtem Wetter, dass selbst die Hirschgrundis nicht in ihren Wohnwagen ausgeharrt hatten.
Aber jetzt ging’s aufwärts, wie die Vroni es nannte, und die Wohnwagen wurden grundgereinigt und die Betten gelüftet. Jonas war etwas früher von der Arbeit gekommen, um mit mir eine lange Hunderunde zu drehen, und als wir beim Geschirrspülhäuschen vorbeikamen, hörten wir die Waschmaschinen auf Hochtouren laufen.
»Kein Wort über Horst«, sagte er zu mir, als uns die Vroni zuwinkte.
»Kein Problem«, antwortete ich.
Das war nämlich momentan unser Hauptgesprächsthema. Mein überheblicher Cousin Horst war zu Besuch und vermieste uns den wunderbaren Start in die Campingsaison!
Deswegen tat es besonders gut, zügig durch die Natur zu marschieren. Die Wiesen mit ihrem satten Grün und der voll erblühte Löwenzahn mit seiner gelben, sonnigen Energie waren ein herrlicher Anblick! Meine aufgedrehten Hündinnen Clärchen und Lola tobten voran, und selbst mein alter Hund Milo war mitgekommen. Als er sich endlich auf dem Heimweg wähnte, ging er auch ein kleines bisschen schneller!
Zurück beim See empfing uns ein vielstimmiger Vogelgesang und das leise Schwätzen von wagemutigen Luftakrobaten, die über den See sausten. Es war noch hell, obwohl es schon halb sechs war.
Bei der Brücke begegnete uns der Gröning, der gerade wahrscheinlich zum zehnten Spaziergang des Tages aufgebrochen war, und hob einen Finger, als wollte er uns ermahnen. Stattdessen sagte er: »Das ist der quäkende Regenruf des Grünlings. Der sitzt dort in der hohen Erle.«
Brav sahen wir in die Richtung. Obwohl ich den Grünling nicht erkennen konnte, nickte ich. Wir blieben beim Gröning stehen, während die Hunde schnüffelten. Bevor wir zurückschlenderten, zeigte uns der Gröning noch Mehlschwalben, die direkt über der Wasseroberfläche mit schnellem Flügelschlag jagten. Ihr rasches belangloses Rufen begleitete uns bis zum Campingplatz, wo uns die Unterhaltung einiger Spatzen in der Hainbuchenhecke empfing.
»Wir haben hier so ein Idyll«, merkte ich an, plötzlich in der Gewissheit, dass sich all unsere Probleme in Wohlgefallen auflösen würden, wenn wir nur lange genug Kaffee tranken und Mohnschnecken aßen.
Schließlich konnte auch ein Horst nicht ewig bleiben!
Es gingen ein paar Nachrichten auf meinem Handy ein, was normalerweise der Anfang diverser Verwicklungen war. Diesmal war es aber meine Freundin Sabrina, die Schwiegertochter des legendären Architekten Gruber. Sie hatte unser altes Klohäusl fantastisch renoviert und war seitdem so etwas wie meine beste Freundin. Seit sie Kinder hatte, war es etwas schwierig, sich für gemeinsame Unternehmungen Zeit freizuschaufeln. Besonders seit diesem Winter, weil ihr Schwiegervater sehr plötzlich gestorben war. Sie hatte alle seine offenen Aufträge übernommen und daher besonders wenig Zeit.
Ich flipp aus, hatte sie geschrieben und zwei Fotos geschickt. Auf einem war ihre Tochter zu sehen, mein Patenkind Mia, die verheult am Boden zwischen aufgeschlagenen Aktenordnern lag. Das sah ziemlich lustig aus. Wenn man nicht gerade die Mutter des Kindes war, die just mit diesen Aktenordnern zu arbeiten hatte.
Mein Schwiegervater hat so einen Saustall hinterlassen, kam die nächste Nachricht.
Ich starrte für einen Moment auf das verheulte Kind, dann auf die am Boden liegenden Ordner.
Soll ich kommen?, wollte ich wissen.
Nein, war die knappe Antwort, vermutlich hatte sie Angst, dass ich noch mehr Unruhe hineinbringen würde. Du könntest uns Milo leihen.
Ich könnte dir einen Papagei leihen, schlug ich vor.
Seit den Weihnachtsferien beherbergte ich nämlich einen Papagei namens Katmandu, der einen mit seinen James-Bond-Imitationen zur Raserei bringen konnte. Sabrina schickte allerdings nur ein Augenrollsmiley zurück, wahrscheinlich würde Katmandu das Fass zum Überlaufen bringen.
Sag mir, was ich tun soll, schrieb ich noch, aber das las Sabrina nicht mehr.
Als das Café in Sichtweite kam, blieb ich abrupt stehen. Denn ich konnte von hier aus prima sehen, dass auf der Terrasse die Tische unaufgeräumt waren, als hätten alle Gäste fluchtartig das Café verlassen. Kaffeetassen, Teller – und die Blumen in den kleinen Vasen ließen die Köpfe hängen.
Was war da los? Gleichzeitig hörte ich rechts oberhalb von mir am Hang zum Campingplatz durch die Hainbuchenhecke hindurch die wohlvertraute Stimme von Horst sagen : »Na ja, wenn man damit zufrieden ist, auf so einem kleinen Campingplatz rumzuhängen … Es müsste wirklich mehr Aktivitäten geben, mehr Wellness und Sportangebote. Kein Wunder, dass es mit dem Platz bergab geht, den meine Großmutter bis zum Schluss so gut in Schuss gehalten hatte. Aber dann hat ihn sich ja meine Cousine unter den Nagel gerissen und ihn so richtig verlottern lassen …«
Seine Stimme verklang. Jonas legte mir den Zeigefinger auf die Stirn und massierte sanft genau die Stelle, an der sich in den letzten Tagen zwei tiefe Zornesfalten entwickelt hatten.
»Ich weiß. Oooom«, lächelte er mich an und machte ein Daumen-hoch-Zeichen.
»Ich muss nach Evelyn schauen«, seufzte ich.
Natürlich ahnte ich bereits, was oben am Campingplatz los war, bestimmt war Horst im Café gewesen und hatte seine üblichen Gemeinheiten von sich gegeben. Jonas war heilfroh, dass ich ihn nach Hause schickte. Ich sah Jonas kurz hinterher, wie er mit schwingenden Schritten den Weg entlangging, dann eilte ich ins Café.
Auch drinnen im Café war nicht aufgeräumt. Evelyn saß inmitten von benutzten Kaffeetassen, vor sich zwei Flaschen Ramazzotti, eine davon halb leer, sowie ein großes, gut gefülltes Glas. Der Inhalt war eindeutig. Um sie herum am Boden lagen jede Menge Kaffeelöffel.
»Was gibbet?«, empfing mich Katmandu sehr fröhlich, wahrscheinlich begeistert, dass jemand ins Café kam, der nicht nur depressiv vor sich hinstarrte. Ich ignorierte die Papageiendame, weil sie immer furchtbar aufdrehte, sobald sie Ansprache bekam.
»Evelyn!«, sagte ich energisch. »Was ist los?«
Sie antwortete nicht. Stattdessen hob sie einen Kaffeelöffel hoch, hielt ihn am ausgestreckten Arm eine Weile neben sich und ließ dann einfach los. Mit einem lauten Klirren und Scheppern landete der Kaffeelöffel direkt vor mir auf dem Fußboden und gesellte sich zu den anderen Löffeln, die sie wahrscheinlich auf die gleiche Weise auf den Boden befördert hatte. Katmandu machte das Geräusch routiniert nach.
»Evelyn Kaminski«, wiederholte ich streng.
»Ich lerne loszulassen«, sagte sie betrübt, ohne mich anzusehen und mit einer Stimme, als hätte sie Schnupfen.
»Wie bitte?«, fragte ich erstaunt nach. »Was lässt du denn los?«
»Im Moment die Kaffeelöffel«, erklärte sie mir mit dumpfer Stimme. »Aber das ist nur, um meinen Loslass-Muskel zu trainieren. Und wenn es so weit ist, dass ich das Café loslassen muss, dann fällt mir das bestimmt ganz leicht.«
Wieder hob sie den Arm, mit einem Gesichtsausdruck, als würde der Kaffeelöffel mehrere Tonnen wiegen, und schon schepperte der nächste Löffel auf den Boden.
»Sag mal, spinnst du?«, fragte ich kopfschüttelnd. »Weshalb solltest du denn das Café loslassen? Hier läuft doch alles wie geschmiert.«
»Ja«, nickte sie betrübt. Und erneut klirrte ein Kaffeelöffel auf den Boden.
»Du willst doch gar nicht loslassen«, sagte ich streng.
»Nein. Ich weiß auch gar nicht, wie viele Kaffeelöffel ich fallen lassen muss, damit mir allein der Gedanke daran nichts mehr ausmacht.«
Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich Evelyn gegenüber. Als sie nach dem nächsten Löffel griff, packte ich fest ihre Hand.
»Hast du die Flasche Ramazzotti allein geleert?«, wollte ich wissen.
»Du warst ja nicht da«, antwortete sie.
»Du säufst«, sagte ich streng.
»Nein, ich habe eine Erkältung«, erklärte sie ihre nasale Sprache.
So ein Unsinn. Sie klang zwar so, als wäre ihre Nase verstopft, aber ihren Augen nach zu schließen hatte sie gerade geweint.
»Horst war da«, sagte sie.
Mit der Hand, die ich nicht festhielt, nahm sie das Glas und trank den Inhalt auf ex.
Meine Familie war recht klein. Vor allen Dingen hatten wir nicht so viel Kontakt wie andere Leute mit ihren Angehörigen. Meine Schwester schrieb mir hin und wieder aus dem fernen Hamburg. Mein Vater war irgendwo, meiner Erinnerung nach in Florida, und genoss seinen Ruhe- beziehungsweise Unruhestand. Und er erinnerte sich nur noch vage an mich und vermutlich auch an meine Geschwister. Schon früher war er erst nach Hause gekommen, wenn er sicher sein konnte, dass wir Kinder fast im Bett waren. Er hatte jegliche Erziehungsarbeit meiner Mutter überlassen, und auch später war sein Interesse an uns nicht groß gestiegen. Dann hatte ich noch einen Bruder, der siebzehn Jahre älter war als ich, und der sich nur an mich erinnerte, wenn ich ihn daran erinnerte. Meine Mutter war gestorben, als ich zehn Jahre alt gewesen war, und auch wenn Nonna nicht die Mutterrolle übernommen hatte – in jeden Ferien hatte sie die Nonna-Rolle vorbildlich ausgefüllt, hatte mich gelobt und geschimpft, hatte mir italienische Flüche beigebracht (das wahrscheinlich eher unabsichtlich, zumindest waren die meisten Flüche absolut nicht jugendfrei gewesen), und hatte mir eine wunderbare Kindheit und Jugend beschert.
Hin und wieder war auch der Sohn ihres Sohnes dagewesen, Horst. Ich weiß nicht, wann Cousin Horst in seinem Gehirn falsch abgebogen war, aber inzwischen wollte eigentlich niemand mehr Kontakt mit ihm haben.
Auch ich nicht.
Wieso er hier so urplötzlich Urlaub machen wollte, war mir ein Rätsel. Er hatte so viel Geld, dass er sich in den letzten Jahren nur Luxusurlaub geleistet hatte. Jedenfalls nervte er unglaublich, weil er inzwischen jeden in seiner pseudolustigen Art – »Du verstehst einfach keinen Spaß« – auf die Palme gebracht, wenn nicht sogar gerade heraus beleidigt hatte.
»Horst?«, fragte ich. »Was hat er jetzt schon wieder angestellt?«
»Er erhebt Anspruch auf das Café«, erzählte Evelyn dumpf. »Er behauptet, deine Nonna habe ihm seinerzeit versprochen, dass das Bootshaus ihm gehören würde.«
Mein Herz fing an zu rasen.
»Horst will das Café?«, fragte ich wütend. »So ein Unsinn! Nonna hat ihm niemals versprochen …«
Den Rest des Satzes verschluckte ich, vielleicht, weil ich das so genau gar nicht wusste. Horst hatte immer das Boot meines Großvaters gepflegt, daher war es durchaus im Bereich des Möglichen, dass meine Nonna gesagt hatte, das ist alles deins …
»Pass auf, das kann er sich abschminken. Das Bootshaus ist doch im Testament überhaupt nicht erwähnt«, erklärte ich sehr bestimmt. »Ich habe den Campingplatz geerbt. Komplett. Und das Bootshaus gehört dazu.«
»Angeblich nicht«, wandte Evelyn ein. »Weil es im See ist. Und der See gehört dir nicht.«
Ich schwieg wütend. Diese Haarspalterei machte mich wirklich ärgerlich!
»Vielleicht hätte er ja Anspruch auf das Bootshaus gehabt, ein altes, baufälliges Bootshaus, das – nur ganz nebenbei – vor der Instandsetzung eine Gefährdung für die Campinggäste dargestellt hatte. Und wenn er meint, dass er nun Anspruch auf ein nagelneues schickes Café hat …« Ich unterbrach mich, weil ich Evelyns düstere Miene sah. »Er meint also wirklich, dass ihm das Café gehört?«, vergewisserte ich mich.
»Er will, dass ich ihm Pacht zahle.«
Ich verdrehte die Augen.
»Er hat mir schon seine Preisvorstellung gesagt«, informierte Evelyn mich. »Und ich kann dir sagen: Das kann ich mir nicht leisten. Ich habe all mein Geld in die Renovierung gesteckt. Was ich nicht getan hätte, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, dass ich nicht noch zusätzlich Pacht zahlen muss.«
Ich schenkte mir nun auch einen Ramazzotti ein. Dieses geldgierige A… dachte ich mir. Dabei war Horst Millionär. Er war auf die Pacht überhaupt nicht angewiesen!
»Pass auf, nichts von dem, was er sagt, hat eine juristische Grundlage. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich die Erbin bin, von all dem hier, und er nichts davon anfechten kann. Das ist außerdem schon längst verjährt!«, erklärte ich Evelyn und kippte meinen Ramazzotti ebenfalls auf ex.
»Ich weiß nicht«, murmelte Evelyn mit dumpfer Stimme.
»Morgen gehe ich zum Rechtsanwalt«, versprach ich.
Evelyn wirkte nicht überzeugt. Denn obwohl ich ihre Hand immer noch festhielt, schenkte sie unsere beiden Gläser mit der anderen wieder randvoll ein.
»Das Erbe ist doch schon längst geregelt, er kann nicht Jahre später antanzen und behaupten, da wäre was nicht richtig«, stellte ich klar.
So genau wusste ich das zwar nicht, schließlich hatte ich von juristischen Dingen keine Ahnung, aber es erschien mir nur logisch, dass jetzt alles geklärt war und nicht mehr geändert werden konnte.
Evelyn seufzte nur.
Ich griff mit meiner freien Hand nach dem Ramazzotti-Glas.
»Jetzt verstehst du wenigstens, warum heute einfach der volle Ramazzotti Tag ist«, sagte Evelyn und schniefte ein bisschen.
Ich musste lächeln und nahm erneut einen großen Schluck.
Natürlich nur, weil ich Evelyn aufmuntern musste.
»Ist ja quasi Hustensaft«, behauptete sie und lächelte mich etwas schief an.
Jemand stieß sacht die Tür zum Café auf. Es war Milo, der zu mir schlurfte und sich mit einem gewaltigen Stöhnen neben mich fallen ließ.
»So fühle ich mich auch gerade«, sagte Evelyn mit einem Blick auf Milo und entzog mir ihre Hand.
Sie griff nach ihrem Handy. »Ausgerechnet jetzt, wo ich so viel auf meinem Instagram-Account vorhabe.«
Sie schenke mir Ramazzotti nach. »Sieh dir das an! Die Face ID meines Handys erkennt mich nicht mehr!«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. So verquollen und verheult wie sie gerade aussah, war das nur eine logische Konsequenz.
»Ist Elias auch mal passiert«, beruhigte ich sie. »Da hatte er einen riesigen Pickel im Gesicht, hier so seitlich …« Ich zeigte auf meine Wangenknochen. »Und das war echt blöd, weil er seinen Code zum Entsperren nicht mehr wusste.«
Ich betrachtete Evelyns geschwollene Augenlider.
»Vielleicht schminken«, schlug ich vor.
»Cheers«, sagte Katmandu und machte das Geräusch von zwei zusammenklirrenden Gläsern nach.
Mit einem großen Seufzen stand Evelyn auf und holte sich aus dem Kühlschrank eines der vielen Kühlpads, die sie für mich gekauft hatte, damit ich in Zukunft meine Verletzungen nicht mehr mit Tiefkühlerbsen kühlen musste. Eine Weile saßen wir vor unseren Ramazzotti-Gläsern, Evelyn presste sich zwei Kühlpads abwechselnd unter die Augen und auf die Nase, und wir hingen einträchtig schweigend unseren Gedanken nach.
Schließlich sagte Evelyn: »Mein Leben ist ein Desaster.«
Als ich den Kopf hob, wusste ich auch warum, denn gerade kam am Seeweg Anton Vollath anmarschiert. Seit ein paar Wochen tauchte er immer wieder im Café auf, fein herausgeputzt, mit einem feschen Trachtenjanker, einem Hütchen und gewienerten Trachtenschuhen. Er war Mitte fünfzig, hatte schon komplett graue Haare, ziemliche Geheimratsecken und einen kugeligen Bauch.
»Oha«, sagte ich.
»Fanny hat mir erzählt, seine Mutter habe ihm empfohlen, sich eine Frau zu suchen«, klärte mich Evelyn über den Wissensstand unserer 80-jährigen Putzfrau auf. »Sie ist der Meinung, er bräuchte jetzt eine, die ihm den Haushalt führt.« Sie senkte vertraulich die Stimme. »Schließlich ist sie schon achtzig und kann das nicht ewig machen.«
Ich grinste.
»Und Anton Vollath meint nun, dass du die Auserwählte bist?«, wollte ich erstaunt wissen.
»Ja«, antwortete Evelyn knapp und stand auf.
Ruckizucki hatte sie plötzlich alle Löffel aufgehoben, ins Spülbecken geworfen und lief auf die Terrasse, um die Tische abzuräumen.
»Hast du Angst, dass er dich in Haushaltsdingen für unfähig hält?«, rief ich ihr nach.
»Ich habe Angst, dass ich ihm etwas antue, wenn ich mich nicht mit Arbeit ablenke«, verriet sie mir, als sie wieder hereinwirbelte.
Ich grinste.
»Dann kann ich ja gehen.«
»Untersteh dich!«, erwiderte sie und hob drohend einen Finger.
Im nächsten Moment ging schon die Tür auf, und Anton kam herein. Er putzte sich brav die Schuhe ab und ließ seinen Blick herumschweifen, als würde er einen Sitzplatz suchen.
»Hallo«, sagte ich.
»Hallo, Schnucki«, mischte sich Katmandu mit einem übertrieben freundlichen Tonfall ins Gespräch ein.
»Grüß Gott«, antwortete Anton.
Er bekam ein rotes Gesicht und stellte sich an den Tresen, wo er erst einmal ausgiebig ignoriert wurde. Ich blieb artig bei meinem Ramazzotti sitzen.
Mit großem Getöse räumte Evelyn den Geschirrspüler ein. Erst danach wandte sie sich Anton zu und fragte kurz angebunden: »Ja?«
»Ein Kännchen Kaffee bitte«, sagte Anton eingeschüchtert.
»Kännchen Kaffee gibt’s nicht«, antwortete Evelyn in ruppigem Tonfall, obwohl das nicht stimmte.
»Dann bitte … eine Tasse Kaffee. Mit Kaffeeweißer.«
»Kaffeeweißer gibt’s auch nicht«, erwiderte Evelyn und sah ihn so streng an, dass er sich wahrscheinlich nicht mehr zu atmen traute.
»Dann mit etwas Kondensmilch«, sagte er.
Evelyn wirkte, als würde sie ihm auch das gerne verwehren, dann drehte sie sich aber um und begann den Kaffee zu brühen. Anton schien mit sich zu kämpfen.
»Cappuccino bitte«, mischte sich Katmandu ein und wurde ignoriert.
»Was ich schon immer fragen wollte …«, sagte Anton und räusperte sich umständlich.
Evelyn schepperte mit Kännchen herum und tat so, als hätte sie nichts gehört.
»Also, wir zwei kennen uns ja jetzt schon eine ganze Weile«, sagte er und wurde immer röter.
Evelyn fielen ein paar Kaffeelöffel zu Boden, aber versehentlich und nicht als Loslass-Übung. Sie stellte ihm dann den Kaffee vor die Nase und sagte ziemlich ruppig: »Na ja. Ein paar Wochen.«
»Und da bin ich heute Morgen auf die Idee gekommen …«
Als hätte er nichts gesagt, nahm Evelyn ihr Handy und drehte sich von ihm weg.
»Ja, hallo«, schnurrte sie ins Telefon.
Ich hatte es nicht klingeln gehört, aber ihrer Miene nach zu schließen rief gerade jemand an, auf den sie sich schon lange gefreut hatte. »Schön, dass du anrufst. Nein, kein Problem …«
Sie zwinkerte mir zu, was mir seltsam vorkam, weil sie eben noch derart betrübt gewesen war, als würde sie geradezu in eine mittlere Depression rauschen. Und jetzt flirtete sie am Telefon!
»Du weißt ja, was ich mag«, zwitscherte sie ins Handy. »Ja, heute Abend habe ich Zeit, sag einfach wann und wo.«
Sie strich mit den Fingern lasziv über den Tresen, als würde sie einen Mann streicheln. Dann raunte sie noch etwas in den Hörer, was ich nicht verstand. »Ich freu mich auf dich, mein Süßer!«, fügte sie schließlich noch hinzu. »Bussi bussi, mein Schatzi«, kicherte sie und wischte das Gespräch weg.
Wer war denn das? Bussi bussi, mein Schatzi sagte sie zumindest zum Rechtsmediziner Stein nie, und außer mit ihm hatte sie meines Wissens gerade mit keinem etwas laufen. So konnte man sich irren!
»Du gehst heute Abend aus?«, wollte ich erstaunt wissen.
»Ja«, antwortete sie. »Endlich mal wieder ein richtig heißer Typ. Wenn ich da nur an diesen Steve denke …« Sie stöhnte auf. »Der hat doch allen Ernstes gedacht, ich mach ihm den Haushalt.«
Anton riss die Augen auf, als könnte er das auch nicht glauben.
»Den Haushalt?«, echote ich, weil ich niemanden kannte, der von Evelyn ernsthaft erwartete, dass sie ihm den Haushalt machte. Und von einem Steve hatte ich auch noch nie etwas gehört.
»Ja, unglaublich, oder?«, sagte Evelyn. »Schade, ehrlich, der war echt so ein Träumchen, 35, gut aussehend, du weißt schon, so ein Surfer Boy, ausgeprägte Brustmuskeln, gut trainierte Oberarme und mindestens einen Kopf größer. Und was für ein Six-Pack! Das kann man null vergleichen mit dem Durchschnitts-Bierbauch-Typen.«
Ich warf einen kurzen Blick auf Anton, der ein bisschen so aussah, als könnte er nicht glauben, dass eine Frau mehr auf ausgeprägte Brustmuskeln stand als auf einen schicken Trachtenjanker.
»Na egal, jetzt bin ich ihn ja los und kann mich mit Frank treffen. Und Sex haben«, fügte sie unnötigerweise hinzu.
Frank? Welcher Frank? Der einzige Frank, den ich kannte, war im Winter gestorben.
»Noch einen Kaffee?«, fragte sie Anton Vollath und riss ihm die Tasse weg, die er vor sich stehen hatte.
»Ähm«, sagte er und schien mit sich zu ringen. »Ich glaube …«
»Ja«, antwortete Evelyn, obwohl er noch gar nicht gesagt hatte, was er glaubte oder nicht, und rauschte mit einem Tablett auf die Terrasse hinaus, wo sie mit dem Abräumen der Tische weitermachte.
»Sag mal«, sagte ich, als ich mit einem zweiten Tablett kam, um ihr zu helfen.
»Ich werde den nicht ermutigen«, zischte sie ärgerlich.
»Und wer ist der Bussi-bussi-Schatzi-Surfer-Boy?«, fragte ich neugierig.
»Niemand«, antwortete sie mit zornigem Blick. »Das war natürlich ein fingiertes Gespräch.«
Das erklärte meine Ahnungslosigkeit.
»Vielleicht solltest du diesem Anton lieber ehrlich sagen, dass du kein Interesse hast«, schlug ich vor. »Das führt doch zu nichts, wenn du ihm eine Beziehung mit einem Surfer-Boy vorspielst, und in Wirklichkeit …«
»Meinst du, das habe ich nicht versucht?«, fragte Evelyn, die ja grundsätzlich mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg hielt. »Aber bei dem geht’s ja zum einen Ohr rein und zum anderen raus …«
Das hatte meine Nonna über mich auch oft gesagt, wenn sie mir irgendwelche Arbeitsaufträge gegeben hatte.
Evelyn wirbelte wieder ins Innere des Cafés und ich folgte ihr.
»Hallo, ihr Lieben!«, rief uns dort die Vroni entgegen. Sie war gerade ins Café gekommen, mit einem Wäschekorb unterm Arm, und begann die Geschirrtücher von Evelyn einzusammeln. »Ich hab noch Platz in der Waschmaschine, da wasch ich dir jetzt gleich mal die Geschirrtücher durch.«
»Danke«, antwortete Evelyn und sah mit grimmiger Miene auf Anton.
»Und dann bin ich fertig für heute«, strahlte uns Vroni an, die schlechte Stimmung komplett ignorierend. »Ich habe jetzt sämtliche Bettwäsche gewaschen und alles, was wir übern Winter im Wohnwagen hatten, Handtücher, Geschirrtücher und die Decken … So wie gerade das Wetter ist, ist bis heute Abend alles trocken. Notfalls werfe ich den Rest einfach in den Trockner, damit die Restfeuchte draußen ist.«
Sie sah begeistert in die Runde. »Dem Franzl hab ich angeschafft, er soll die Matratzen in die Sonne legen und drunter schön saugen, aber er ist ja nur am Maulen. Schlimmer als der Elias.«
Ihr Enkelsohn konnte auch ordentlich maulen, wenn es um die Beteiligung im Haushalt ging.
»Aber ich hab ihm schon gesagt, danach gibt es eine schöne Belohnung, da soll er uns eine Pizza holen.«
»Ich bin auch bald fertig, und dann belohne ich mich ebenfalls«, sagte Evelyn, noch immer mit grimmiger Miene, als hätte sie nicht wirklich vor, sich zu belohnen.
»Der Franzl kann dir auch eine Pizza mit holen«, schlug die Vroni vor. »Was willst du haben? Thunfisch? Artischocken?«
»Ich belohne mich anders. Ich treffe mich mit Mike für heißen Sex«, sagte Evelyn.
Mike? Ob dem Anton nicht auffiel, dass sie gerade alle möglichen Namen durcheinanderwarf? Aber bestimmt hatte er auch so kapiert, dass den Haushalt eines Mannes zu stemmen nicht die Kernkompetenz von Evelyn war.
»Okay«, erwiderte die Vroni mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. »Wer ist Mike?«
»Der Surferboy mit dem heißen Body«, erklärte ich ihr, ganz als würde ich ihn kennen, und zwinkerte, um Vroni zu bedeuten, dass sie nicht nachzuhaken brauchte.
»Dann viel Spaß«, antwortete die Vroni und klang noch immer etwas ratlos.
Anton Vollath sagte: »Zahlen bitte«, Katmandu sagte: »Zehn fuchzig«, was gar nicht stimmte, und Evelyn kassierte ab. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sagte Evelyn: »Puh« und Katmandu schloss sich mit einem »geschüttelt oder gerührt« an.
»Wahrscheinlich sucht er eine Hausfrau, die gleichzeitig eine Domina ist«, überlegte ich.
»Da wäre ich die Richtige«, grinste Evelyn, dann trank sie ihr Glas Ramazzotti auf einen Zug aus und begann sich vor einem kleinen Spiegel auf dem Tresen zu schminken. »Zumindest in den Domina-Part könnte ich mich total einfühlen.«
Eine Weile sah ich ihr beim Schminken zu – das war unglaublich beruhigend. Bevor ich mich zu Jonas gesellen konnte, ging die Tür schon wieder auf, und Horst, mein werter Cousin, kam herein.
Horst war schon sechzig Jahre alt, und ich erschrak jedes Mal ein bisschen, wie er inzwischen aussah. Als junger Mann war er sportlich und schlank gewesen, inzwischen hatte er komplett ergraute Haare und ein faltiges Gesicht sowie einen ziemlich festen, kugeligen Bauch, den er vor sich herschob. Er war ein wenig buckelig – das kam von seiner Arbeit als Zahnarzt, hatte mir meine Nonna mal gesagt. Sein Gesicht war nicht gebräunt, sondern wirkte immer ein klein wenig grau. Er sah aus wie sein eigener Vater, mein Onkel Werner, der schon sehr früh verstorben war. Ich kannte ihn nur von Bildern. Von Horsts Ehefrau Anna hatte ich nur noch ein vages Bild vor Augen. Ein bisschen erinnerte ich mich an ihren schnippischen Tonfall und ihre Obsession für ihre schlanke Figur. Seit wann er von ihr wohl schon geschieden war?
»Da bist du ja«, tat Horst so, als würde er sich freuen, mich zu sehen. »Dann können wir ja schön alles besprechen.«
»Ja, ich wollte dir schon längst gesagt haben, dass das Gruber-Häusl, in dem du momentan wohnst, in drei Tagen wieder belegt sein wird«, eröffnete ich ihm sofort. »Dann musst du dir was anderes suchen«, sagte ich einfach mal so, weil ich nicht direkt sagen wollte, dass er genauso gut die Biege machen konnte.
»Was heißt hier, was anderes suchen. Da mir das Haus zumindest in Teilen gehört, kann ich dort auch bleiben«, sagte er mit gönnerhaftem Unterton. Ja, genau genommen war die Belegungssituation auch kein Grund ihn rauszuwerfen. Es gab ja nicht nur das Haus, sondern auch noch die Jurte oben am Zeltplatz direkt neben der Scheune.
»Das Haus gehört mir«, antwortete ich freundlich, obwohl ich gerade innerlich kochte. »Und das Gästezimmer ist gerade belegt.«
Und zwar mit diversen Schachteln, in denen ich alles Mögliche aufhob, was eigentlich entrümpelt gehörte.
»Ich habe die letzten Tage ein wenig recherchiert, und du weißt genau, wie das Testament gemeint ist. Du bekommst den Platz, wir anderen das Geld auf die Konten«, sagte er übertrieben freundlich.
»Ja«, nickte ich, und mir wurde sofort schlecht. Ich hatte den starken Eindruck, dass er jetzt endlich damit herausrücken würde, was der eigentliche Grund für sein Kommen gewesen war. Ein kleiner Verwandten-Besuch war es auf jeden Fall nicht! »Und so haben wir es ja auch aufgeteilt.«
Deswegen gehörte das Haus ja auch mir. Und nicht ihm. Auch nicht in Teilen.
»Nein«, antwortete er mit einem Lächeln, das genauso gut hinterhältig gemeint sein konnte. »Du hast vorher das Geld in Sicherheit gebracht, und dann …« Er machte eine bedeutsame Pause.
»Ich habe kein Geld in Sicherheit gebracht«, sagte ich scharf.
»Wir haben einen Sparvertrag geerbt«, erinnerte er mich an das Testament. »Weißt du noch, wie viel Geld das war?«
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