Der Tod spricht auch mit Geistern gern - Susanne Hanika - E-Book

Der Tod spricht auch mit Geistern gern E-Book

Susanne Hanika

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Beschreibung

Geister auf dem Campingplatz! Mit Hilfe des berühmten Mediums Oliver Harris versuchen die Hirschgrundis, mit Sofias verstorbener Nonna Kontakt aufzunehmen. Der Grund: Evelyn hat eine Art Schatzkarte von Nonna entdeckt und diese soll ihnen jetzt aus dem Jenseits helfen, den Schatz zu finden. Doch dann wird bei der Schatzsuche in Sofias Garten ein junger Mann tot aufgefunden! Oliver Harris kann dank seiner Gabe hilfreiche Details zum Opfer beisteuern und unterstützt die Hirschgrundis bei den Ermittlungen. Doch haben hier wirklich übersinnliche Kräfte ihre Finger im Spiel oder ist der Täter nicht vielleicht doch aus Fleisch und Blut? Evelyn und Sofia sind bereit, es mit dem Täter - egal ob Mensch oder Geist - aufzunehmen und Nonnas Schatz zu finden!

"Der Tod spricht auch mit Geistern gern" ist der zwanzigste Teil der erfolgreichen Bayern-Krimi-Reihe "Sofia und die Hirschgrund-Morde" von Susanne Hanika. Krimi trifft auf Humor, Nordlicht auf bayerische Dickschädel, Wieder-Single-Frau auf Jugendliebe und feschen Kommissar - dazu jede Menge Leichen, Mörder und Ganoven. Und all dies vor herrlich bayerischer Kulisse!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeSofia und die Hirschgrund-Morde – Die SerieTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Über die AutorinLeseprobeImpressum

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Über diese Folge

Geister auf dem Campingplatz! Mit Hilfe des berühmten Mediums Oliver Harris versuchen die Hirschgrundis, mit Sophias verstorbener Nonna Kontakt aufzunehmen. Der Grund: Evelyn hat eine Art Schatzkarte von Nonna entdeckt und diese soll ihnen jetzt aus dem Jenseits helfen, den Schatz zu finden. Doch dann wird bei der Schatzsuche in Sofias Garten ein junger Mann tot aufgefunden! Oliver Harris kann dank seiner Gabe hilfreiche Details zum Opfer beisteuern und unterstützt die Hirschgrundis bei den Ermittlungen. Doch haben hier wirklich übersinnliche Kräfte ihre Finger im Spiel oder ist der Täter nicht vielleicht doch aus Fleisch und Blut? Evelyn und Sophia sind bereit, es mit dem Täter – egal ob Mensch oder Geist – aufzunehmen und Nonnas Schatz zu finden!

Sofia und die Hirschgrund-Morde –Die Serie

Blaues Wasser, klare Luft, in der Ferne bei schönem Wetter die Alpen – das ist der Hirschgrund, ein idyllischer See mitten in Bayern. Nebenan der gleichnamige Campingplatz. Doch die Idylle trügt – denn diese Saison wird mörderisch.

Kaum ist die neue Besitzerin Sofia auf dem Platz angekommen, stolpert sie über den ersten Toten. Sofia ist entsetzt! Und dann neugierig. Bald schon entdeckt sie ihr Talent fürs Ermitteln und fängt an, in der bayerischen Idylle so einiges umzukrempeln …

SUSANNE HANIKA

Der Tod spricht auch mit Geistern gern

Ein Bayernkrimi

Kapitel 1

Die Nacht hatte sich über den Hirschgrunder See gesenkt. Ich saß im Ruderboot und ließ meine Hand ins Wasser hängen, während Jonas, mein Freund und Kriminalkommissar, mit gleichmäßigen Ruderschlägen hinaus auf den See steuerte. Bei der Brücke, die an einer Engstelle beide Ufer des Sees verband, hielt er inne, und das Boot trieb ein bisschen vor sich hin. Man hörte fast nichts, nur ein leises Plätschern, wenn ich meine Hand ins Wasser tauchte oder Jonas eines der Ruder.

Gerade als Jonas sich entschied, zu mir aufs Bänkchen zu rutschen und eine Runde zu knutschen, hörten wir einen Schwimmer näher kommen. Und schon tauchte der Kopf eines Mannes neben unserem Boot auf.

»Ups!«, sagte ich, als das Boot wild schaukelte.

Mein Jugendfreund Alex!

»Stör ich?«, wollte er grinsend wissen und hielt sich am Ruderboot fest.

»So ähnlich«, antwortete Jonas, klang aber ganz entspannt und friedlich.

Langsam trieben wir im Dunkeln auf den Campingplatz zu. Der einzige große Lichtpunkt war das Café von Evelyn, das »Fräulein Schmitts«. Es war von Dutzenden Boho-Häkellaternen erleuchtet, die unsere Dauercamperin Vroni unter Anleitung ihrer Schwiegertochter herstellte. Die Laternen waren bunt und lang, mit Troddeln und Blumen besetzt, und ich wusste, dass sie fantastisch mit den zahlreichen Sitzkissen harmonierten, die auf der Terrasse des Cafés verstreut lagen. Diese waren nämlich auch in bunten Farben gestrickt oder gehäkelt und mit Troddeln besetzt.

Selbst von hier aus sah man Evelyn herumwirbeln. Ihre Haare waren extrem auftoupiert und strotzten vor Haarfestiger. So passte sie jedenfalls optimal zu dem etwa 55-jährigen Mann, der gerade mit eiligen Schritten auf die Terrasse kam.

Oliver Harris!

»Wake me up before you go go, take me dancing tonight … I wanna hit that high, yeah yeah!«, begann Alex mich anzusingen, nachdem auch er Oliver entdeckt hatte, und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Ich habe mich die ganze Zeit schon gefragt, an wen mich dieser Oliver erinnert«, sagte Jonas erstaunt. »Aber klar, es ist dieser Sänger von …«

Er runzelte die Stirn, während Alex mich augenzwinkernd ansang: »You make the sun shine brighter than Doris Day …«

»… Wham«, vervollständigte ich den Satz, weil es Jonas nicht einfiel. »George Michael. Habe ich das nicht schon mehrfach erwähnt?«

Offensichtlich hatte ich nur mit meinen Dauercampern, den Hetzeneggers und den Schmidkunzens, besprochen, dass die Frisur von Oliver Harris genauso geföhnt war wie die von George Michael. Wenn Oliver lächelte, blitzten seine Zähne weiß und makellos wie in den Musikvideos von Wham, die wir uns in den letzten Tagen zur Kontrolle so einige Male angesehen hatten. Wir warteten quasi nur darauf, dass Oliver endlich »Last Christmas« zu singen anfing. Das wäre zwar nicht besonders passend, weil es Anfang August war und wir noch ein paar schöne warme Tage und Nächte vor uns hatten, aber trotzdem.

»Und, ist er Sänger?«, wollte Alex wissen.

»Nein, er ist ein Medium«, berichtete ich, und Jonas stöhnte genervt auf.

»Was ist?«, fragte ich ihn. »Ich war anfangs auch total skeptisch, aber gestern hat er die Vroni und die Schmidkunz geheilt.«

Die Männer schwiegen beeindruckt.

»Und wovon geheilt?«, fragte Alex.

»Die Schmidkunz hatte Nasennebenhöhlen. Und die Vroni Ischias«, berichtete ich. »Oliver hat ihnen die Hand aufgelegt und einen entrückten Blick bekommen, und nachdem er tief eingeatmet hatte …«

»… waren alle Beschwerden weg«, vervollständigte Alex meinen Satz.

»Na ja. Nicht gleich. Aber heute in der Früh«, erzählte ich. »Evelyn macht doch gerade eine Ausbildung zur Geister-Sexualtherapeutin.« Ich kicherte, weil ich den Namen gerade erfunden hatte. »Also, sie will mit übersinnlichen Kräften die Sexualität ihrer Kunden positiv beeinflussen.«

Jonas lächelte mich an. In meinem Bauch begann es zu kribbeln. Evelyns Sexualbehandlung hatten wir beide jedenfalls nicht nötig!

Bei ihrer »Ausbildung« waren wir Hirschgrundis trotzdem alle mit mehr oder weniger Eifer eingebunden, denn Evelyn brauchte Versuchsobjekte. Und auch wenn die Männer stöhnten und meckerten, sie wurden von ihren Frauen auf Spur gehalten! Selbst der Gröning machte mit. Wobei ich nicht genau wusste, was er sich dabei dachte. Wahrscheinlich hatte er wegen seines schlechten Gehörs nicht verstanden, worum es ging.

»Was noch fehlt, sind die Séancen mit dem Kontakt zu einem Verstorbenen«, wusste ich zu berichten. »Darin ist Oliver angeblich großartig. Das Problem ist, dass wir jemanden brauchen, der wirklich ernsthaft Kontakt mit einem Verstorbenen aufnehmen will. Einfach so eine Unterhaltung zum Spaß, das funktioniert anscheinend nicht. Hättest du vielleicht ein paar Fragen an deine Ahnen?«, wollte ich von Alex wissen.

»Nur weil du Angst vor den Kommentaren deiner Nonna hast?«, zog mich Alex auf.

»Ist doch sowieso alles Quatsch«, mischte sich Jonas ein.

»Nein, Oliver hat eine phänomenale Gabe, er hat darüber sogar schon zehn Bücher geschrieben«, erzählte ich begeistert. Seit der Heilung von der Vroni und der Schmidkunz war ich, die selbst skeptisch gewesen war, nicht abgeneigt, an Olivers Gabe zu glauben. »Und in Großbritannien füllt er riesige Konzertsäle mit Zuhörern.«

Schon vor Wochen hatte Evelyn Oliver Harris angeschrieben und ihn gefragt, ob sie bei ihm eine Ausbildung machen könnte. Sie hatte nie geglaubt, dass er zusagen würde, schließlich war er sehr berühmt. Aber, das war immer ihre Devise, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und wie es der Zufall wollte, hatte es Oliver gerade dringend nötig, sich von seiner ganzen Bekanntheit zu erholen – schließlich versetzte er sein vornehmlich weibliches Publikum regelmäßig in einen Begeisterungsrausch. Also war er inkognito zu uns an den Hirschgrunder See gereist und nahm Evelyn hier vor Ort ausbildungstechnisch unter seine Fittiche. Und genoss es nebenbei ungemein, sich frei und unerkannt auf dem Campingplatz bewegen zu können. Allerdings hatte es sich bei uns Hirschgrundis sehr schnell herumgesprochen, wer er war, und dank Google verfügten mittlerweile alle Dauercamper über fundiertes Hintergrundwissen bezüglich seiner Person.

»Er ist der erste Mann auf unserem Campingplatz mit Manschettenknöpfen«, sagte ich im schaukelnden Boot. »So was habe ich nicht alle Tage.«

»Mein Vater trägt auch Manschettenknöpfe«, verriet mir Alex. »Und ich werde sie erben.« Er warf mir einen treuherzigen Blick zu.

»Bestimmt sind deine nicht so toll wie die von Oliver Harris«, wandte ich ein und fuhr mit geheimnisvoller Stimme fort. »Die sind nämlich rubinrot und haben so seltsam helle Runen auf der Oberfläche. Und wäre ich mir nicht sicher, dass es keine Zauberer gibt, würde ich sagen, dass diese Manschettenknöpfe seit Jahrhunderten in seiner Familie sind und immer an denjenigen vererbt werden, der die Gabe hat.«

Jonas seufzte ein bisschen verzweifelt.

»Die Gabe, du verstehst?«, hakte ich nach. »Mit Toten Kontakt aufnehmen.«

Natürlich hatte das jeder kapiert.

Alex lachte, tauchte kurz unter und hielt sich wieder am Bootsrand fest.

»Und die Leute am Strand? Nehmen die auch Kontakt mit Verstorbenen auf?«, wollte er wissen.

Mein Blick schweifte zum Strand, wo kleine Feuerchen flackerten.

»Nein, die haben mit Oliver gar nichts zu tun. Das ist das Foto-Team«, erklärte ich.

Die Fotografin gestikulierte gerade lebhaft, und die Models der »Campingfamilie« setzten sich vor einen Feuerkorb. Immerhin kein Lagerfeuer in meinem neuen, teuren Sand! Zu der »Campingfamilie« gehörten ein dreijähriges Mädchen und ein fünfjähriger Junge, die beide schon längst die Lust verloren hatten. Ihre Mutter stand immer wieder auf und verhinderte, dass der Junge Steine in die Feuerschale warf oder eine der Fackeln, deren Flammen so malerisch in den Nachthimmel flackerten, umtrat. Das sah auf den Bildern bestimmt sehr idyllisch aus, jedenfalls, wenn man von den Aktivitäten des kleinen Jungen nichts sah. Der gehörte nämlich ins Bett, meiner Meinung nach.

»Leon!«, hörte ich sie energisch rufen, dann war es wieder still.

»Die fotografieren für den Scheuermann-Katalog«, erklärte ich Alex. »Die bleiben eine Woche.«

»Doch wohl nicht DER berühmte Scheuermann-Katalog, den der Hetzenegger rauf- und runterbeten kann?«, fragte Alex grinsend, während er vom Wasser aus unser Boot so drehte, dass er einen optimalen Blick auf das Geschehen am Strand hatte. Der Hetzenegger war einer meiner Dauercamper und stand mit dem Schmidkunz, ebenfalls Dauercamper, gerade so weit vom Geschehen entfernt, dass er zwar nicht im Bild war, aber optimalen Blick auf die Camper-Utensilien hatte.

»Natürlich DER Scheuermann-Katalog. Der Hetzenegger ist im siebten Himmel und hofft, dass er von den Campingartikeln, die sie zum Shooten dabeihaben, etwas abstauben kann«, wusste ich. Besonders auf ein faltbares Sofa mit Polyestergewebe, 3D-Mesh-Einlagen und komfortablen Armlehnen samt Getränkehaltern hatte er es abgesehen.

»Und die Familie, sind das Campinggäste?«, fragte Alex.

»Nein. Die Frau heißt Natalie Fabricio und ist sowohl Model als auch die Mutter der beiden Kleinen. Sie und der Mann sind auch kein Paar. Viktor ist ein Unterwäschemodell und hat nichts übrig für Kinder.«

Und so wie sich die Kinder gerade benahmen, konnte Natalie mit ihren auch nicht viel anfangen.

Wir Frauen fanden das mit dem schönen Viktor grundsätzlich eine feine Sache. Wir standen oft ganz zufällig herum und ergötzten uns an den in Szene gesetzten Bauchmuskeln. Sehr zum Ärger unserer Männer, die fanden, wir sollten uns lieber auf innere Werte konzentrieren.

»Das ist jetzt aber nicht der Mann, der Evelyn zu ihrer ›Er ist eine 10/10, aber-‹ Hashtag-Challenge animiert hat«, fragte Alex mit einem Grinsen.

Seit der schöne Viktor am Campingplatz war, hatte Evelyn natürlich regelmäßig Sex mit ihm – eine Zehn von Zehn konnte sie sich nicht entgehen lassen. Und fast täglich gab es einen Beitrag in ihrer Story zum Thema, was man für einen sehr gut aussehenden Mann alles in Kauf nahm. Inzwischen machten eine ganze Horde von Frauen mit. Gestern waren wir bei: Er ist eine 10/10, aber … er scrollt selbst beim Sex auf dem Handy herum. Oder er sieht sich beim Sex die ganze Zeit im Spiegel an. Und er furzt absichtlich beim Essen.

»Doch, das ist genau der Mann«, kicherte ich.

»Liest er nie ihre Beiträge bei Insta?«, fragte Alex.

Ich zuckte mit den Schultern. »Er denkt bestimmt nur über sein Aussehen nach.«

Eine Weile schwiegen wir. Wir hörten einen Fisch springen, der mit einem Platschen zurück ins Wasser fiel.

»Evelyn überlegt die ganze Zeit, mit welchen Toten sie Kontakt aufnehmen könnte. Vielleicht mit ihren Großeltern«, wechselte ich abrupt das Thema, als mein Blick vom Strand wieder zur Terrasse unseres Cafés wanderte. »Besser gesagt, sie muss sich eigentlich nur einen stimmigen Grund einfallen lassen.«

»Quatsch«, widersprach Jonas. »Sie will mit deiner Nonna Kontakt aufnehmen.«

»Was?«, fragte ich erstaunt. »Wieso das denn? Du musst dich verhört haben.«

»Ich bin mir sehr sicher«, widersprach Jonas.

Wütend kniff ich die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was auf der Terrasse vor sich ging. »Machen die etwa jetzt ihre Séance?«

»Nein, nein«, beeilte sich Alex zu versichern, weil ich aufgesprungen war und das Ruderboot heftig schwankte.

»Sie haben sich im Kreis aufgestellt!«, stellte ich ärgerlich fest. Nicht nur, dass Evelyn mir nicht von dem Plan mit meiner Nonna erzählt hatte! Jetzt fing sie auch noch ohne mich an!

»Setz dich wieder hin«, merkte Jonas mit seiner ruhigen Stimme an, die immer dann besonders ruhig war, wenn ich besonders aufgeregt wurde.

»Und das Medium hat sich in die Mitte gestellt und …«, bemerkte ich.

Weiter kam ich nicht, denn das Ruderboot schwankte jetzt so stark, dass ich das Gleichgewicht verlor.

Es gab einen großen Platsch und das Wasser schlug über meinen Kopf zusammen.

»Du bist wirklich verrückt«, sagte Evelyn kopfschüttelnd, als ich tropfnass ins Café stürmte. Sie reichte mir ein Handtuch, mit dem ich mir das Gesicht abtrocknete. »Wir haben eben nur überlegt, an welcher Stelle auf der Terrasse wir die Kontaktaufnahme starten. Die Platzwahl ist äußerst wichtig, hat Oliver gesagt. Wir müssen auch noch einiges vorbereiten. Zum Beispiel habe ich mir gedacht, wir brauchen unbedingt noch einen Tisch, der für deine Nonna eine Bedeutung hatte.«

Sie nahm ihr neues Notizbuch in die Hand, das mit dem schillernden Drachen vorne drauf, in dem sie alles notierte, was sie sich als Geister-Sexualtherapeutin merken wollte.

»Wieso hast du das nicht mit mir abgesprochen?«, fragte ich beleidigt. »Dass du deine Séance mit Nonna abhalten willst.«

Ich warf einen Blick auf Oliver, der gerade an der Tür des Cafés stand, angehimmelt von der Vroni und der Schmidkunz, als wäre er der Held der Stunde. Gut, er sah nicht schlecht aus, gerade wenn er einen auf Medium machte, und ich wusste, dass er es gewohnt war, dass die Frauen dahinschmolzen.

»Zieh dich einfach um, wir bereiten inzwischen den Rest vor. Und dann fangen wir an. Natürlich mit dir. Es ist schließlich deine Großmutter.«

Eigentlich gab es keinen ernsthaften Grund, beleidigt zu sein, aber irgendwie war ich es doch. Schließlich war es meine Nonna.

»Warum hast du mich denn nicht eingeweiht?«, fragte ich nochmals etwas verschnupft. »Hast du keine eigenen Großeltern, mit denen du Kontakt aufnehmen kannst?«

»Meine Großeltern haben keine Schatzkarte geschrieben. Ich weiß nicht, wieso sie mir in der jetzigen Situation eine Hilfe sein sollten.«

»Schatzkarte?«, bohrte ich mit ungläubiger Stimme nach. »Zeig her!«

Prompt legte Evelyn ein Papierchen vor mich, das tatsächlich wie eine Schatzkarte aussah und auf alt getrimmt war.

»Hast du die selbst gebastelt?«, flüsterte ich ihr zu.

»Natürlich nicht!«, antwortete sie – jetzt ebenfalls empört. »Ich habe die Schatzkarte auf deinem Dachboden gefunden. Gestern, als ich nach Utensilien für unsere Séance gesucht habe. Da hat mir deine liebe Nonna dies in die Hand gelegt.«

»Aha«, machte ich, wieder gut gelaunt. »Sehr praktisch, dass Nonna auch aus dem Jenseits so mitdenkt.«

»Sie hatte Mitleid mit mir und hat mir die Schatzkarte in die Hand flattern lassen. Beinahe hätte ich sie weggeworfen, aber irgendein Gefühl in mir hat mich nach dem Papier greifen lassen, und zack, hatte ich eine Schatzkarte gefunden. Und schon habe ich einen triftigen Grund, mit einem Toten in Kontakt zu treten.«

Ich betrachtete die Karte mit einem inneren Grinsen. Anscheinend hatte Evelyn mit wenigen Strichen das Haus und den Garten skizziert, zumindest stand in dem Viereck in schlampigen Buchstaben »Haus« geschrieben. Und im Garten war ein seltsamer vierstöckiger Turm gescribbelt, in dem eine seltsame knollige Schlange lag, daneben ein kryptischer Schriftzug.

»Das ist der Schatz«, fügte Evelyn erklärend hinzu. Wahrscheinlich hatte sie die Stelle deswegen mit sonnenartigen Strahlen umrahmt. Um ihre künstlerischen Fähigkeiten stand es schlechter als vermutet. Aber ihre Begeisterung schwappte trotzdem auch auf mich über: Hauptsache, sie konnte ihre Ausbildung bei Oliver fertig machen!

»Sehr interessant«, stellte dieser sogleich auch fest. Oliver war neben uns stehen geblieben, lächelte sein blendend weißes Tausend-Watt-Lächeln und schüttelte seine George-Michael-Frisur zurecht. Aber noch immer war er nicht in der Stimmung, Last Christmas zu singen.

»Zieh dich um«, schlug Evelyn vor, als hätte sie bemerkt, dass ich gleich würde lachen müssen. »Sonst wirst du noch krank. Das wäre doch schrecklich bei dem schönen Wetter.«

Da hatte sie recht!

Hand in Hand mit Jonas ging ich aus dem Café. Beim Strand standen einige Campinggäste und beobachteten die Werbeaufnahmen. Gerade war Pause. Das kleine Mädchen weinte und warf sich in den Sand, und ihre Mutter zog sie wieder hoch.

»Die muss jetzt ins Bett«, hörte ich sie sagen, und bevor die Fotografin Svenja Einwände anmelden konnte, hatte sie ihre Kinder schon an der Hand gepackt und zog sie Richtung Treppe zum Campingplatz.

Die Fotografin sah genervt aus. Die Camper zerstreuten sich, nicht ohne mir wegen meiner patschnassen Kleidung und der nassen Haare schräge Blicke zuzuwerfen.

Auf der Treppe holten wir Natalie ein. Sie hielt ihr Handy am Ohr, die Tochter hatte sich schon wieder auf den Boden geworfen.

»Nein, ich werde ihm nicht sagen, wo ich bin«, sagte sie eben in scharfem Tonfall. »Das ist jetzt endgültig!«

Wir überholten sie, als sie gerade nach kurzem Zuhören weitersprach: »Vielleicht über meinen Anwalt? Er soll uns einfach in Ruhe lassen! Ich will nichts mehr von ihm hören und sehen! Es gibt kein Wir mehr, es ist aus! Das ist mein allerletztes Wort!«

Danach begann ihre Tochter so laut zu schreien, dass es wirklich ihr letztes Wort war.

Jonas drückte meine Hand.

In der Rezeption wurden wir von meiner Hundeschar freudig begrüßt. Schließlich war jederzeit damit zu rechnen, dass ich nicht zurückkommen und sie dem Hungertod ausliefern könnte. Nun gut, nur die übermütige Lola und ihre Mutter Clärchen kamen auf mich zu gewirbelt. Mein uralter geerbter Riesenhund Milo zeigte seine Freude meist nicht mehr besonders überschwänglich, er musste sich seine Kräfte gut einteilen.

»Aber macht schnell«, sagte Jonas. »Ich hatte heute eigentlich etwas anderes mit dir vor, als dich mit einem Medium zu teilen.«

Ich kicherte. Ich liebte es, wenn Jonas etwas mit mir vorhatte und mich mit niemandem teilen wollte. Er drückte mir einen Kuss auf die Lippen und murmelte etwas davon, dass nasse Klamotten eine feine Sache waren. Ich schlug ihm mit der flachen Hand auf die Brust und kicherte weiter.

»Du kannst inzwischen noch eine Runde mit den Hunden gehen«, schlug ich vor.

»Damit ich das mit dem Medium verpasse?«, fragte Jonas grinsend. Sein T-Shirt war vorne jetzt auch nass, so eng hatte er mich an sich gedrückt. »Kommt nicht infrage!«

Während ich duschte und mich umzog, hörte ich im Nachbarraum Gerumpel, als würden Möbel verschoben. Als ich aus der Dusche stieg, kam Evelyn ins Badezimmer.

»Weißt du, wo diese geklöppelte runde Tischdecke ist, für das kleine Tischchen deiner Nonna?«, fragte sie. »Die kann ich doch nehmen, oder?«

»Klar«, antwortete ich, während ich mich abrubbelte. Evelyn düste davon.

Als ich fertig war, war Jonas schon weg. Bestimmt hatte er Evelyn helfen müssen. Ich hatte mir ein luftiges Sommerkleid angezogen und trug Sandalen. Wenn wir schon Kontakt mit Nonna aufnahmen, dann wollte ich nicht wirken, als würde ich nur in ihren alten Flipflops und kurzen Hosen herumlaufen, dachte ich grinsend. Als ich die Treppe hinunter zum See erreichte, sah ich, dass die Vorbereitungen für die Séance bereits abgeschlossen waren. Die Terrasse vom Café war sehr stimmungsvoll geschmückt, all die bunten, gehäkelten Boho-Laternen leuchteten und sahen wirklich sehr romantisch aus.

Am Strand werkelten inzwischen nur noch die Fotografin und die junge Frau, die ihr bei der Beleuchtung half. Sie knieten beide im Sand und fotografierten noch die Feuerschale und die Fackeln. Viktor, das Unterwäschemodell, stand auf dem Seeweg, telefonierte und machte genau das, was Evelyn bei ihrer »10/10«-Geschichte beschrieben hatte: sich an einer Stelle kratzen, an der man sich in der Öffentlichkeit nicht kratzt. Ich verkniff mir das Lachen. Im nächsten Moment kam Natalie zum Strand gelaufen. Sie wirkte unglaublich gestresst. Noch nie hatte ich miterlebt, dass sie sich mit irgendjemandem unterhielt – es gab anscheinend nur die Arbeit oder die Beschäftigung mit ihren beiden Kindern. Ich fand es erschreckend, wie erschöpft sie oft wirkte, wenn sie nicht gerade vor der Kamera stand und sich zusammenriss. Ich hörte, wie die Fotografin irgendetwas Ätzendes über Natalies Aussehen sagte – ihre schönen Locken fielen tatsächlich nicht mehr in makellosen Wellen. Auch war ihre Wimperntusche verschmiert und nur notdürftig weggewischt, was sie ein wenig hoffnungslos aussehen ließ. Ich hörte noch, dass Natalie sagte: »Ich kann jetzt auch nicht mehr. Die Kinder sind …«

Was die Kinder waren, hörte ich nicht mehr, da ich bereits Richtung Café unterwegs war, um nichts zu verpassen.

Kapitel 2

Als ich auf die Terrasse trat, sah ich den Grund für das Gerumpel oben in meinem Zimmer: Jonas und Evelyn hatten das kleine runde Tischchen aus meinem Gästezimmer geholt. Alle anderen Tische waren zur Seite geschoben worden, und dieses Tischchen stand nun zentral auf der Terrasse. Es hatte meiner Großmutter gehört, wie vieles hier, sie hatte an dem Tischchen gerne Briefe geschrieben, ihre Rechnungen bearbeitet und Telefonate geführt. Evelyn hatte tatsächlich auch die alte Tischdecke gefunden. Der untere Teil war ein feiner Stoff in altrosa, bedeckt von einem handgeklöppelten Deckchen. Vroni Hetzenegger strich gerade die Tischdecke noch einmal glatt, dann lief sie eilig zurück ins Café. Sie strahlte, genauso wie die Schmidkunz. Da alle Frauen so Feuer und Flamme waren, freute ich mich mittlerweile auch auf dieses Event. Ob das alles der reinste Quatsch war, würde sich ja noch zeigen.

Etwas abseits stand »unser« Medium. Oliver sprach ziemlich gut Deutsch, er hatte nämlich eine deutsche Mutter und einen britischen Vater. Er war in Deutschland aufgewachsen, dann aber mit zehn Jahren mit seinen Eltern nach Großbritannien ausgewandert, und das merkte man seiner Sprache an. Er hatte einen leichten britischen Akzent, der immer dann stärker wurde, wenn er aufgeregt war. Bis auf den einen oder anderen falschen Artikel war seine Grammatik aber exzellent.

Der Hetzenegger stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor Oliver Harris und strahlte viel Ungläubigkeit aus. Während Vroni hin und her wuselte, gab sie ihm ab und zu einen kleinen Rempler, damit er sich daran erinnerte, sich gut zu benehmen. Der »Kern« der Hirschgrundis würde an der Séance teilnehmen, das waren die Hetzeneggers, die Schmidkunzens und Evelyn, und natürlich Jonas und ich. Der Gröning machte doch nicht mit, wahrscheinlich, weil es erst mal nichts zu essen gab.

»Es geht nie um der Tote«, sagte Oliver eben mit einem milden Lächeln. »Es geht die Toten in die allermeiste Fälle nicht schlecht. Meist wollen sie sich nur zurückmelden, ihren Angehörigen sagen, dass sie sind gut angekommen …«

»Auf ihrer Wolke?«, fragte der Hetzenegger mit neutraler Stimme, obwohl man ihm anmerkte, dass er nichts davon glaubte, was Oliver sagte.

»Sozusagen«, lächelte Oliver höflich. »Aber von Wolken war noch nie die Rede.«

»Ich kann mir das gar nicht vorstellen«, seufzte Vroni, und ihre Augen leuchteten begeistert bei der Vorstellung, was jetzt alles passieren würde. »Wann haben Sie Ihre Gabe denn entdeckt?«

Die Lippen vom Hetzenegger bewegten sich stumm. Als hätte er einiges zu sagen, was er sich aus Rücksicht der Vroni gegenüber verkniff.

»Imaginäre Freunde haben meine Eltern immer gesagt. Aber im Alter von 15 Jahren, als ich ihnen beschrieben habe, mit wem ich gerade in Kontakt war, haben sie ihre Eltern erkannt. Und ihre Großeltern. Ich konnte nicht nur genau beschreiben, wie sie ausgesehen, sondern auch, was sie gerne gemacht haben, früher. Karten spielen. Grog trinken. Pfeife rauchen.«

Vroni seufzte wieder wohlig.

»Für mich, das war nicht immer schön. Ich musste Kurse machen, um damit klarzukommen. Die Seelen kommen nicht nur dann, wenn ich es will, sie nehmen immer Kontakt auf. Sie kennen, wie sagt man auf Deutsch, kein Tag und Nacht. Das hat mich belastet, ich musste lernen, die Sinne ausschalten. Das war meine großes Ziel. Dass ich nicht in die Nacht davon geweckt werde.«

Der Hetzenegger stöhnte neben mir auf, und ich hörte ihn murmeln, dass die Vroni im Schlaf spreche und er davon auch geweckt werde.

»Viel später ich habe entschieden, das auch zu nutzen. Anfangs ich wusste nicht wie. Aber nun weiß ich es. Mein Job ist Trösten von Menschen, die starke Emotionen und Trauer fühlen. Die wollen Frieden. Das hat therapeutische Effekt. Ich bin der, der dazwischen ist. Und Mut schenkt und Hoffnung …«

Die Vroni seufzte schon wieder. Sie liebte diese Geschichten. Ich hatte gesehen, dass sie sich sofort ein Buch von Oliver Harris gekauft hatte, in dem sie seit Tagen fleißig schmökerte.

»Jetzt kommt schon, alles ist bereit!«, rief Evelyn noch einmal ins Café hinein, weil die Schmidkunz dort noch ein paar Tellerchen mit Häppchen vorbereitete.

Evelyn hatte ihr neuestes Boho-Style-Kleid an, das wunderbar zu der ganzen Deko passte. In ihrer Story hatte sie sich vor den Boho-Häkellaternen gefilmt und gesagt: »Der Boho Style vereint Weiblichkeit und Leichtigkeit, ihr werdet euch wie befreit fühlen!«

Sie sah wirklich toll aus. Das dunkle Kleid mit den roten, blauen und orangen Blumenranken schmiegte sich vor allen Dingen an ihre Brüste, die durch den Push-up sehr betont wurden.

»Er hat gesagt, dass es ein Fluch ist, mit dieser Gabe gesegnet zu sein«, erklärte mir die Schmidkunz leise, die eben auf einem Tablett ein paar Schälchen Erdnüsse und Chips sowie ein paar belegte Brote auf die Terrasse trug und auf ein Tischchen am Geländer stellte.

»Für hinterher, wenn wir total entkräftet sind«, freute sich die Vroni.

Von dem Channeln mit all den Toten nämlich, die mit uns Kontakt aufnehmen würden.

»Ich weiß nicht, ob ich wirklich mit den Seelen von Verstorbenen in Kontakt treten will«, wandte die Schmidkunz ein.

»Aber die Seelen wollen ja nichts Böses«, sagte die Vroni kauend. »Die wollen nur heim ins Licht, hat Oliver jedenfalls gesagt. Die Seelen klopfen bei ihm an, und dann gehen sie auch wieder.«

Evelyn stellte gerade eine große Kerze in die Mitte von Nonnas Tischlein. Die Kerze war mir ebenfalls wohlbekannt, sie hatte jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang im Wohnzimmerschrank gestanden und war dort eingestaubt. Sie war weiß und außen herum mit gepressten Veilchen, Gänseblümchen und Akeleien bedruckt. Die Kerze war vor langer Zeit schon einmal angezündet worden, aber nicht allzu lang.

»Und Nonna ist uns ja wohlgesonnen«, behauptete Evelyn.

Ich nahm mir ein paar Erdnüsse. »Aber was, wenn sie es bescheuert findet, dass wir jetzt ein Café in ihrem alten Bootshaus haben?«, fragte ich mit ernster Stimme.

Evelyn verdrehte die Augen. »Im Jenseits hat das doch alles keine Bedeutung mehr, Bootshäuser, Geld, Autos …«

»Und woher weißt du das?«, fragte ich. »Vielleicht sitzt Nonna oben und flucht den ganzen Tag vor sich hin, wenn sie mich hier drunten dabei beobachtet, was ich tue.«

»Ach Sofia«, lachte die Vroni auf. »Was du dir wieder vorstellst.«

Ja. Das war mein Hauptproblem, meine unglaubliche Fantasie!

Da kamen endlich auch Jonas und der Schmidkunz auf die Terrasse. Sie trugen noch die vier alten, geschwungenen Stühle mit altrosa Sitzkissenbezug heraus, die zu dem Tischlein gehörten. Der Hetzenegger warf noch eine Handvoll Erdnüsse zur Stärkung ein. Und Oliver Harris warf ein paar Frauen, die sich am Seeweg die Köpfe nach ihm verdrehten, ein bombastisches Lächeln zu.

»Well, lasst uns starten«, sagte er und klatschte in die Hände.

»Wer soll sich denn wohin setzen?«, fragte die Vroni wissbegierig.

»Die Person, die die Frage stellt, muss die Platz aussuchen. Ich wende meinen Rücken gen Osten«, erklärte er uns.

»Die fragende Person entzündet die Flamme und wählt den Platz jedes Teilnehmers aus!«

Evelyn legte die Fingerspitzen an ihre Schläfen und machte sich mit geschlossenen Augen darüber Gedanken, wer wo zu sitzen hatte. Sie kam ziemlich schnell zu einem Ergebnis. Als wir endlich alle saßen, zündete sie die Kerze auf dem Tischchen an. Ich konnte mir gut vorstellen, was sich Nonna gerade dachte, sollte sie uns beobachten. Nämlich, dass wir alle komplett verrückt waren, insbesondere Oliver Harris.

»Die fragende Person überlegt sich jetzt schon die Frage. Nur eine, am besten für die Anfang. Wir wissen nicht, wie geduldig die Verstorbene.«

Das zumindest hätte ich beantworten können. Schon zu Lebzeiten war meine Nonna die ungeduldigste Person gewesen, die ich kannte. Wenn sich da im Jenseits nicht etwas Grundlegendes geändert hatte, sollte sich Evelyn eine sehr, sehr kurze Frage ausdenken!

Oliver sah in die Runde. »Gut, dass wir sind so viele, die unsere Verstorbene kannten und schätzten. Je mehr teilnehmen bei einer Séance, desto mehr Energie.«

»Umso wahrscheinlicher ist es, dass sie uns wirklich erscheint?«, fragte die Vroni.

Oliver nickte. »Jedenfalls, wenn alle für diese Erfahrung offen sind. Kann aber auch sein, dass wir anziehen andere umherwandernde Geister.«

»Aber doch wohl nur nette Geister?«, fragte die Schmidkunz, die sich ständig vor allem fürchtete.

»Well«, sagte Oliver zögernd.

»Natürlich nur nette«, trompetete Evelyn dazwischen, die die Schmidkunz nicht ängstigen wollte.

»Das ist nicht so einfach«, warnte uns Oliver nun doch. »Aber meist trifft man nicht auf bösartige Geist.«

Um uns herum war es dunkel und ruhig geworden. Weiter entfernt hörten wir ein Käuzchen rufen. Die Kerze flackerte, und wir sahen alle gespannt zu Oliver Harris, der auf seinem Stuhl saß, kerzengerade, und die Augen geschlossen hielt.

»Nun machen wir alle die Augen zu und sprechen innerlich eine Einladung«, sagte er mit seiner sanften Stimme und dem leicht britischen Akzent. »Wir sind leise, um nicht zu erschrecken die Geister, wir legen die Hände auf die Oberschenkel, mit die Handfläche nach oben. Dies soll geistige Energie zu uns ziehen und es die Verstorbene möglich machen, mit uns Kontakt aufzunehmen.«

Ich sah, dass sich alle brav an die Anweisungen hielten. Selbst der Hetzenegger, der die ganze Zeit gemeckert hatte, dass er nicht mitmachen wollte, tat sein Bestes.

»Die Fragen bitte nicht zu laut stellen. Sobald die Geister hier unter uns sind, muss man achten darauf, dass sie sich nicht zurückziehen. Sie sollen sich wohlfühlen. Sich nicht beobachtet fühlen, sondern nur spüren eine große innere Wärme.«

In meinem Bauch bildete sich ein warmer Knoten, und meine Handflächen begannen seltsamerweise auch warm zu werden.

»Komm herein«, flüsterte er.

Ich öffnete die Augen einen kleinen Schlitz und sah durch meine Wimpern helle Linien von der Kerzenflamme abstrahlen.

»Tritt in unsere Mitte«, murmelte er. »Wir wollen dich empfangen mit offene Arme.«

Gespenstischerweise begann im selben Moment die Kerze wild zu flackern, als wäre tatsächlich jemand an den Tisch getreten und hätte einen Windzug erzeugt.

»Ich sehe eine Frau …«, erzählte er mit sanfter Stimme. »Sie ist schon älter. Sie hat graue Haare.«

Aufgeregt öffnete ich die Augen komplett. Um mich herum saßen alle mit geschlossenen Augen, und so schloss ich meine auch schnell wieder ganz. Natürlich wusste ich, dass das alles Humbug war. Aber für einen Moment hatte ich wirklich gedacht, Nonna wäre hier, mitten unter uns. Vor meinem inneren Auge sah ich sie ganz deutlich vor mir stehen. Sie sah sich um und fluchte auf Italienisch.

»Mädl«, sagte sie. »Das ist doch alles Unsinn.«

Ich musste lächeln. Genau so hätte sie reagiert, wenn sie noch leben würde.

»Schmeiß den Kerl raus«, sagte sie sehr deutlich in meinem Kopf. »Der macht doch nichts als Ärger.«

»Evelyn hat sich doch so viel Mühe gegeben«, erklärte ich ihr innerlich.

Nonna kniff den Mund zusammen und schüttelte den Kopf.

»Sie sieht sich gerade um. Sie betrachtet uns … sie scheint ärgerlich zu sein …«

Ärgerlich? Das war ein sehr milder Ausdruck für Nonnas legendären Zorn!

»Ich darf sie nicht ansprechen, bevor sie nicht selbst anfängt. Bitte jetzt keine Fragen …«, erklärte er im Flüsterton.

Der Knoten in meinem Bauch wurde noch wärmer und kribbelte wie verrückt.

»Sprich etwas lauter«, flüsterte Oliver. »Ich verstehe nicht, was du wünschst.«

Ich öffnete erneut die Augen und warf Jonas einen kurzen Blick zu. Er hatte seine jetzt auch offen und sah Oliver Harris an, als wäre er ein seltenes Insekt. Meine Handflächen schienen zu brennen, und ich musste daran denken, wie mich meine Nonna immer an der Hand gepackt hatte, wenn sie nicht wollte, dass ich etwas mitbekam. Dann hatte sie mich einfach weggezogen und lautstark darüber geklagt, dass das alles nichts für Kinder sei.

»Ihr dürft nun die Frage stellen«, flüsterte Oliver. »Leise und behutsam, sie will nicht bleiben. Will sich umdrehen. Sie sagt, …« Er schien zu lauschen. Ich hörte das Plätschern des Wassers, sonst nichts. »Sie sagt, ihre Zeit hier auf die Erde ist vorbei. Sie hat alles übergeben, was zu übergeben war. Und es wäre nicht mehr ihre Angelegenheit.«

Ihre Worte waren das garantiert nicht. Nonna neigte zu spontanen Gefühlsausbrüchen, und wenn sie keine Lust auf ein Gespräch hatte, hätte sie sich nicht einfach nur umgedreht. Sie hätte gescholten und geschrien und auf Italienisch geflucht.