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Die Stimmung unter den Campern am Hirschgrund könnte kaum besser sein: In Evelyns Café findet eine große Hochzeitsfeier statt, und Sofia sprüht vor neuen Ideen für ihren Campingplatz. Aber die zwei monströsen mongolischen Jurten, die plötzlich mitten auf dem Platz stehen, gehörten definitiv nicht dazu! Noch bevor der selbsternannten Camping-Experte Julian Niedermeyer Sofia von diesem neuen Trend überzeugen kann, liegt er tot hinter der Scheune: ermordet mit einem Pfeil aus einer Armbrust! Hat einer der Hochzeitsgäste ihn auf dem Gewissen? Sofia sucht nach dem Mörder - doch ausgerechnet als es brenzlig wird, ist ihr fescher Kommissar auf einer Fortbildung ...
"Der Tod taugt nicht als Bräutigam " ist der zwölfte Teil der erfolgreichen Bayern-Krimi-Reihe "Sofia und die Hirschgrund-Morde" von Susanne Hanika. Krimi trifft auf Humor, Nordlicht auf bayerische Dickschädel, Wieder-Single-Frau auf Jugendliebe und feschen Kommissar - dazu jede Menge Leichen, Mörder und Ganoven. Und all dies vor herrlich bayerischer Kulisse!
eBooks von be Thrilled - mörderisch gute Unterhaltung!
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Seitenzahl: 238
Blaues Wasser, klare Luft, in der Ferne bei schönem Wetter die Alpen – das ist der Hirschgrund, ein idyllischer See mitten in Bayern. Nebenan der gleichnamige Campingplatz. Doch die Idylle trügt – denn diese Saison wird mörderisch.
Kaum ist die neue Besitzerin Sofia auf dem Platz angekommen, stolpert sie über den ersten Toten. Sofia ist entsetzt! Und dann neugierig. Bald schon entdeckt sie ihr Talent fürs Ermitteln und fängt an, in der bayerischen Idylle so einiges umzukrempeln …
Die Stimmung unter den Campern am Hirschgrund könnte kaum besser sein: In Evelyns Café findet eine große Hochzeitsfeier statt, und Sofia sprüht vor neuen Ideen für ihren Campingplatz. Aber die zwei monströsen mongolischen Jurten, die plötzlich mitten auf dem Platz stehen, gehörten definitiv nicht dazu! Noch bevor der selbsternannten Camping-Experte Julian Niedermeyer Sofia von diesem neuen Trend überzeugen kann, liegt er tot hinter der Scheune: ermordet mit einem Pfeil aus einer Armbrust! Hat einer der Hochzeitsgäste ihn auf dem Gewissen? Sofia sucht nach dem Mörder - doch ausgerechnet als es brenzlig wird, ist ihr fescher Kommissar auf einer Fortbildung …
Susanne Hanika, geboren 1969 in Regensburg, lebt noch heute mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in ihrer Heimatstadt. Nach dem Studium der Biologie und Chemie promovierte sie in Verhaltensphysiologie und arbeitete als Wissenschaftlerin im Zoologischen Institut der Universität Regensburg. Die Autorin ist selbst begeisterte Camperin und hat bereits zahlreiche Regiokrimis veröffentlicht.
SUSANNE HANIKA
Der Tod taugt nicht alsBräutigam
Ein Bayernkrimi
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Dieses Werk wurde vermittelt durch die agentur literatur Gudrun Hebel.
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Meike Frese
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: U1berlin/Dunja Berndorff unter Verwendung von Motiven © muha04/depositphotos; VikaSuh/Shutterstock; ppart/Shutterstock; prapann/Shutterstock; nnattalli/Shutterstock; Zerbor/Shutterstock
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-8565-6
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erscheinenden Werkes »Der Tod hat eine Anhängerkupplung« von Bernd Stelter.
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lesejury.de
Der Himmel spannte sich im typisch bayerischen Weiß-Blau über meinen Campingplatz am Hirschgrund, die Pappeln und Birken rauschten im leichten Wind, und ein Buchfink schmetterte sein Lied. Es war einer dieser ruhigen Tage während der Schulzeit, an denen meine Anwesenheit auf dem Platz nicht nötig war und ich in aller Ruhe frühstücken konnte. Die Semmelchen waren schon längst von den Campern abgeholt worden, abreisende Gäste gab es nicht, und Neuankömmlinge waren selten vor drei Uhr zu erwarten.
Gerade saß ich bei angenehmen zwanzig Grad im Schatten hinterm Haus – das einzige Fleckchen hier am Campingplatz, das für den Durchschnittscamper tabu war und derart abgeschirmt lag, dass ich nicht mitbekam, was auf dem Campingplatz passierte. Hier konnte ich mich zurückziehen, wenn ich meine Ruhe haben wollte. Das Einzige, was noch zu mir durchdrang, war das Jauchzen von kleinen Kindern, die anscheinend gerade schaukelten.
Gerade saß neben mir mein Freund Jonas und schob sich den letzten Bissen Croissant in den Mund. Das hatten wir uns heute vom Meierbeck gegönnt, dem örtlichen Bäcker. Dazu noch einen Filterkaffee in den großen Blümchentassen meiner Nonna, der Großmutter, die mir den Campingplatz vererbt hatte. Zufrieden rutschte ich auf der Bank näher zu Jonas, und er legte mir den Arm um die Schulter.
»Hast du inzwischen Martin erreicht?«, fragte er, während er mir mein Ohr kraulte.
Martin war mein Ex-Mann. Seit ich hier in Bayern war, hatte ich komplett verdrängt, dass ich noch mit ihm verheiratet war. Jonas nicht.
»Nein. Ich wollte es nicht per WhatsApp machen«, sagte ich. Und das eine Mal, als ich angerufen hatte, war gleich die Mailbox angesprungen. Ich angelte nach meinem Handy, tippte auf das Bild von Martin, und das Handy wählte diesmal seine Festnetznummer.
Jonas’ Gesicht verfinsterte sich, als er das Profilbild meines Ex sah, und ich tätschelte ihm beruhigend den Oberschenkel.
»Auf was für Männer du stehst«, stellte er finster fest.
»Gestanden hast«, korrigierte ich. »Da kannte ich dich ja noch gar nicht.« In dem Moment hörte ich ein glasklares »Moin« an meinem Ohr und hätte vor Schreck beinahe das Gespräch weggedrückt.
»Hi«, sagte ich etwas irritiert, denn bereits an dem kurzen Moin erkannte ich, dass es nicht Martins Stimme war. »Martin?«
Sein Lachen verriet den Typen am anderen Ende. Mein Herzschlag wurde für einen kurzen Moment ungleichmäßig, als hätte das mein Herz bei dieser Stimme gelernt. Peter hatte nämlich sehr oft gekifft, und der Duft von Marihuana hatte bei mir immer so ein komisches, unregelmäßiges Herzklopfen ausgelöst.
»Dich gibt’s auch noch«, stellte er fest.
»Ja«, antwortete ich, weil mir keine bessere Antwort einfiel. »Ist der Martin da?«
War er nicht. Und auf eine Unterhaltung mit Martins Bruder hatte ich wahrlich keine Lust. Er war die Kategorie Mensch, die immer Ärger machte, nur auftauchte, wenn er Geld brauchte, und sofort wieder verschwand, wenn er erreicht hatte, was er wollte.
»Kannst du Martin ausrichten, dass er mich demnächst mal anrufen soll?«
»Willst du dich scheiden lassen?«, fragte Peter ziemlich hellsichtig.
»Sag ihm einfach, er soll mich anrufen«, antwortete ich und beeilte mich, das Gespräch wegzudrücken. Schließlich ging ihn das, was ich vorhatte, überhaupt nichts an.
»Puh«, schüttelte ich mich. »Bin ich froh, dass ich den Kerl nicht mehr sehen muss.«
Jonas lächelte plötzlich entspannt, anscheinend dachte er, dass ich von Martin redete. Auf dessen Anwesenheit war ich auch nicht unbedingt scharf, aber die war nicht zu vergleichen mit der seines unsäglichen Bruders.
»Ich muss jetzt los«, bedauerte Jonas.
»Ach«, machte ich.
»Mach keinen Unsinn!«, flüsterte mir Jonas ins Ohr und drückte mich noch einmal fest an sich.
Mache ich doch nie, lag mir auf der Zunge. Doch die letzten Jahre hatten bewiesen, dass das nicht ganz stimmte.
»Ich geb mir Mühe«, versprach ich und schloss beim Küssen die Augen. »Mach auch du keinen Unsinn.«
»Ich wüsste nicht, was ich bei einer Fortbildung für Unsinn machen könnte«, überlegte Jonas. »Besonders wenn du nicht dabei bist.«
»Du hast doch gar keine Fortbildung nötig«, erwiderte ich und strahlte ihn an. »Bleib doch einfach hier bei mir!«
»Vielleicht lerne ich ja dort, wie ich renitente Zeugen unter Kontrolle bringe«, überlegte er nachdenklich. »Die immer selbst ermitteln. Und sich nicht einmal von der Staatsgewalt davon abhalten lassen …«
Etwas empört über seine Anschuldigung drückte ich mich von meinem Freund weg und schlug ihm mit der flachen Hand auf seinen durchtrainierten Bauch.
»Ich gebe mir immer größte Mühe, bei Ermittlungen nicht zu stören«, erklärte ich würdevoll. »Aber ihr macht es mir auch nicht leicht, ihr von der Polizei.«
»Aha«, machte Jonas und grinste, während er gespielt zusammenzuckte, als hätte ich ihn mit meinem sanften Schlag verletzt.
Ich schlenderte mit ihm zurück ins Haus, durch den Campingladen in die Rezeption, wo er seine Reisetasche stehen hatte, und trat mit ihm vor die Tür.
»Himmel, was macht denn der hier?«, stieß ich im nächsten Moment fassungslos aus und sah auf den riesigen Truck, der auf meinem Campingplatz stand, und auf das ganze Geraffel, das schon ausgeladen auf der Wiese lagerte. Das hatte man davon, wenn man sich für kurze Zeit in den Garten setzte und nicht aufpasste!
»Siehst du, es fängt schon wieder an«, behauptete Jonas, wirkte aber überhaupt nicht beunruhigt.
»Nix fängt an!«, empörte ich mich. »Der Typ, dieser Konstantin Meier, wollte mir gestern mongolische Jurten andrehen, um meinen Campingplatz aufzupeppen. Ich habe ganz klar abgelehnt. Der wird jetzt doch wohl nicht trotzdem seine Jurten hier aufstellen!«
Jonas grinste von einem Ohr zum anderen. Seit ich ihm versprochen hatte, Martin zu sagen, dass wir uns dringend scheiden lassen mussten, hatte Jonas permanent gute Laune. Und da störten ihn so ein paar mongolische Jurten überhaupt nicht. Dabei war das eine neue Form von Terror! Früher waren es die Staubsaugerverkäufer gewesen, die einen so lange belaberten, bis man zu viele Staubsauger besaß. Und jetzt die Jurtenhändler!
»Schmeiß ihn raus«, riet er mir. »Nicht, dass wir ihn hier noch tot herumliegen haben.«
Ich verdrehte die Augen. Manchmal konnten Männer echt anstrengend sein.
»Ich bin ein paar Tage weg, ich kann jetzt nicht ermitteln«, verdeutlichte er mir das Problem und küsste mich noch einmal. »Vergiss das nicht!«
»Tschüss«, sagte ich und schob ihn Richtung Auto.
»Sonst kommt Kommissar Unausstehlich vorbei«, warnte Jonas mich und machte die Autotür auf.
»Ich dachte, das bist du«, grübelte ich und fing mir noch einen Klaps auf den Hintern ein.
»Josef Birner. Der geht in ein paar Monaten in Rente, und du willst nicht wissen, wie der ermittelt …«
»Mal den Teufel nicht an die Wand!«, beklagte ich mich.
Als Jonas endlich rückwärts auf die Landstraße rangiert hatte, ging ich eiligen Schrittes zum Jurtentruck. Wie erwartet, hatte der Herr Verkäufer tatsächlich schon eine ganze Menge Material ausgeladen – und zwei meiner Dauercamper, der Hetzenegger und der Schmidkunz, hatten ihm dabei auch noch geholfen! Auch Evelyn hatte sich zu der Gruppe gesellt. Sie würde zwar keinen Finger rühren, wie ich sie kannte, aber alle durch ihre Anwesenheit bei Laune halten. Sehr passend zum Thema »Jurte« war sie in ein Lederröckchen und eine kurze Tunika gekleidet und trug eine bunt bestickte Kopfbedeckung auf ihren knallroten Haaren. Dabei stemmte sie eine Hand in die Seite und ließ ihr Becken lasziv zur Seite kippen.
»Das geht nicht!«, wollte ich dem ganzen Treiben ein Ende bereiten. »Ich habe einen bayerischen Campingplatz und keinen mongolischen, und ich will auch nicht testen, wie so eine Jurte aussieht, wenn sie steht, ich habe schließlich die Bilder gesehen. Ich habe genügend Fantasie, dass ich mir das alles lebhaft vorstellen kann!«
Schließlich hatte Konstantin Meier einen wunderbaren Katalog dagelassen, den ich mir ganztags ansehen konnte.
»Er will nur übernachten«, sagte Evelyn mit einem feinen Lächeln, da sie sich anscheinend für das Thema »Zelt« gerade sehr erwärmen konnte. Sie wirkte geradezu beschwingt. Vielleicht fiel Konstantin in ihr Beuteschema. Bestimmt hatte sie noch nie so einen drahtigen Kerl gehabt, der die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, und war deswegen nicht abgeneigt, das mal in einer Jurte auszuprobieren.
Evelyn war meine flippigste Dauercamperin und für alles Neue zu haben. Insofern gefiel ihr natürlich die Idee, dass wir einen Glamping-Platz haben könnten, also einen Glamour-Campingplatz.
Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. Wenn es um Männer ging, war sie zu allen möglichen Kompromissen bereit, und meine Hoffnung, dass ich den Jurtenverkäufer bald los sein würde, schwand.
»Der Lastwagen kann da nicht stehen bleiben«, maulte ich weiter. »Sie belegen drei Plätze! Da müssen Sie dann auch für drei Plätze zahlen!«
Sonst war ich nicht so pingelig. Aber der Typ kam mir vor, als wollte er mich über den Tisch ziehen, und das würde ich diesmal auf gar keinen Fall zulassen.
»Den stell ich auf den Besucherparkplatz«, versprach mir Konstantin mit einem beschwichtigenden Lächeln.
Er war relativ groß und ziemlich braun gebrannt. Vielleicht, weil er ständig in seinen mongolischen Zelten hauste und sich selten in Innenräumen aufhielt.
»Ist nur zum Ausladen!«, erklärte mir der Hetzenegger, der auch auf der Seite von Konstantin war. Um weitere Proteste von mir zu unterbinden, krempelte er die Hemdsärmel nach oben und sagte: »Okay, packen wir’s an! Eine Jurte habe ich noch nie aufgebaut!«
Der Hetzenegger war einer meiner Dauercamper und für jede Camping-Innovation zu haben. Besonders das Aufstellen von Zelten, Grills und Wohnwägen war sein Spezialgebiet. Meistens war er davon nicht abzuhalten, das für die ankommenden Camper zu erledigen, während diese nur sprachlos danebenstehen konnten. Nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Neuankömmling das gerne selbst gemacht hätte.
»Wenn ich hinterher Schäden in der Grasnarbe habe, muss ich das auch in Rechnung stellen!«, stellte ich Konstantin in Aussicht.
»Da wird nichts zu sehen sein«, versprach mir Konstantin etwas erschrocken über mein energisches Auftreten.
In düsterer Stimmung hörte ich zu, wie die Männer zu fachsimpeln begannen und Konstantin die geniale und einfache Konstruktion der Jurte pries.
»Das sind die Scherengitter. Es wird nicht mit Nägeln, sondern mit Lederstreifen zusammengehalten.«
»Total biegsam«, lobte der Hetzenegger.
»Für den Transport echt bestens geeignet«, prahlte Konstantin. »Die Jurtenwände lassen sich so zusammendrücken … scherenartig … und nehmen deswegen wenig Platz ein.«
Dann blieb ja wohl zu hoffen, dass er die Jurten nicht nur schnell auf-, sondern auch schnell abgebaut hatte. Nicht, dass der Kerl dachte, dass er da eine Jurte hinstellte, sie dort ließ und mir nur eine praktische, leicht zu faltende Rechnung schickte!
»Das ist der Dachkranz«, hörte ich ihn sagen, und ich merkte, wie gerade mein Blutdruck stieg. Evelyn nahm mich am Arm und zog mich von den Männern weg.
»Lass ihn, der fährt morgen eh ab«, sagte sie, und wir schlenderten gemeinsam Richtung See.
»Wer weiß«, antwortete ich in düsterer Vorahnung, denn Konstantin erklärte gerade, was man machen musste, wenn die Jurte bei Sturm einzustürzen drohte.
»Es gibt ja unterschiedliche Jurten. Wir haben hier die flachen Jurten der Mongolen, denn die Spitzdachjurten trotzen dem Wind wesentlich schlechter. Je größer so eine Jurte, desto geringer ist die Stabilität. Je nachdem, wo man sie aufbaut, ist das ein Problem. Hier in Bayern, und so windgeschützt wie hier, könnte man natürlich die ganz große aufbauen …«
»Nein!«, rief ich ihm über die Schulter zu. »Für eine Nacht reicht Ihnen ja wohl die kleinste, die Sie haben!«
»Lass die Jungs, das ist doch jetzt genau das, was die brauchen, ein paar Jurten aufbauen und …«
Tatsächlich hatten sich schon andere Camper um den Jurtenlaster versammelt und wirkten ausgesprochen neugierig.
»Was meinst du mit ›ein paar‹?«, fragte ich misstrauisch.
»Eine Jurte«, verbesserte sich Evelyn, und ich versuchte mich zu entspannen.
Was ganz leicht war, wenn man gerade die Treppe zum See hinunterlief. Mit jedem Schritt vergaß ich ein bisschen mehr das Thema übergriffige Camper. Ein Hauch von Sommer lag schon in der Luft, und der glitzernde See am Hirschgrund spiegelte den weiß-blauen Himmel. Ein Schwan schwamm gerade sehr imposant am Strand vorbei, und am anderen Ufer entdeckte ich eine Familie, die sich mein Ruderboot für eine Entdeckungstour ausgeliehen hatte.
»Ich muss dir was zeigen!«, verriet mir Evelyn. Sie hob die Hand und winkte der Vroni zu, die alleine auf der Terrasse des Cafés saß, die aufgeschlagene Zeitung vor sich. »Komme gleich!«, rief sie ihr zu.
Meine Hunde, die Vroni beim Verzehr ihres Frühstücks unter die Arme greifen wollten, sprangen nun auf. Nun gut, zumindest meine weiße Maremannohündin Clärchen sprang auf und düste uns entgegen. Als wir die Tür zum Café öffneten, schlug mir der Duft von frisch gerösteten Bohnen entgegen, und ich entdeckte in der neuen Glas-Kühlvitrine einen saftigen Käsekuchen, der auf die Gäste wartete.
»Mmh«, machte ich, und auch Clärchen sah aus, als könnte sie ein Stück vertragen.
»Sieh dir das an«, sagte Evelyn und reichte mir ihr Handy.
Es dauerte eine Weile, bis ich alles gelesen hatte. Es war eine persönliche Nachricht eines weiblichen Fans von Evelyn. Sie hieß Carmen, nannte sich auf Instagram aber Bow-Queen90. Auf ihrem Profilbild erkannte ich eine sportliche junge Frau mit einem dunklen Pferdeschwanz und einem Bogen in der Hand.
»Sie will bei uns Hirschgrundis heiraten!«, sagte Evelyn mit leuchtenden Augen. »Sie folgt mir schon seit Langem, und sie kann sich nichts Schöneres vorstellen, als hier bei uns auf dem Campingplatz Hochzeit zu feiern!«
Ich lächelte ein wenig. Evelyn hatte mit ihrem Instagram-Kanal »Sexy Hirschin« tatsächlich eine Menge Follower, von denen viele auch sehr begeistert von unserem Campingplatz am Hirschgrund waren.
»Sie hatten schon seit Monaten eine andere Location, aber jetzt, ein paar Tage vor der Hochzeit, war da ein großer Wasserschaden. Auf die Schnelle was anderes zu finden, war total schwierig, sie ist superfroh, dass wir da so flexibel sind! Und sie findet es hier auch viel schöner als in der alten Location.«
Kein Wunder!
Mein Campingplatz lag nämlich sehr idyllisch an einem See, so weit von der Zivilisation entfernt, dass man das Gefühl hatte, auf einem einsamen Planeten zu sein. Viele meiner Camper kamen jedes Jahr bei uns vorbei, um einfach die Seele baumeln zu lassen. Auf ihren Liegestühlen zu liegen, das Gesicht in die Sonne zu recken und an gar nichts zu denken. Die Beine auf dem kleinen Steg ins Wasser hängen zu lassen. Oder im Café zu sitzen und bei einem Tässchen Kaffee in den Tag hineinzuleben.
»Mein Café ist die ideale Location für eine mittelgroße Hochzeit«, sah ich Evelyn in ihr Handy tippen, und ich beobachtete interessiert, wie sie ein Bild von ihrer Terrasse mit leicht bräunlichem Nostalgie-Filter hochlud. Im Hintergrund konnte man verschwommen den Gröning sehen, das war mein dienstältester Camper, der mit weit über achtzig noch immer so fit war, dass er die meiste Zeit im Wald herumstreunte. Mit ihm kam die Schmidkunz, Gymnasiallehrerin a.D., verheiratet mit dem Apotheker, gerade die Treppe zum See herunter. Wir winkten uns zu.
»Und wie willst du das alles so schnell hinkriegen?«, fragte ich, denn ich bekam von der Vorstellung, in so kurzer Zeit eine Hochzeit zu organisieren, richtig Herzrasen!
»Ach, die haben das meiste ja schon komplett durchgeplant! Die ganzen Dinge wie Florist, Caterer, Stylist und Dekorateur sind schon in trockenen Tüchern«, erklärte mir Evelyn. »Das erinnert mich daran, dass ich mich um Unterkünfte für die Hochzeitsgäste kümmern muss!«
Die nächsten zwei Tage waren wohl die Ruhe vor dem Sturm. Vielleicht hätte ich sie noch mehr genießen sollen. Denn kaum war die Braut Carmen mit ihren sieben Brautjungfern eingetroffen, war der Stress perfekt. Sie wollte sich schon ein paar Tage vorher mit der neuen Location vertraut machen und noch alles organisieren, was noch zu organisieren war. Sie bekamen für die Übernachtung das Gruber-Häusl und die angrenzenden Stellplätze, die sie schnell in Beschlag nahmen. Die Brautjungfern wuselten um die Braut herum, filmten alles und zwitscherten ständig in die Kamera, wie wunderbar sich alles für eine Hochzeit eigne. Dabei waren sie wirklich unglaublich professionell: In der einen Minute saßen noch alle mit Cappuccino im Café, feine Notizblöcke in dezenten Pastelltönen mit schön gestalteten To-do-Listen vor sich, im nächsten Moment war schon ein Bogenschießstand auf der Wiese bei meiner Scheune aufgebaut, und diverse Aktionen wurden geplant. Währenddessen war eine der Frauen immer mit Stativ und Kamera unterwegs und hielt die gesamten Vorbereitungen fest. Vermutlich für einen Hochzeitsfilm.
Natürlich war Konstantin auch nach weiteren drei Tagen nicht abgereist. Vielleicht war das auch etwas viel verlangt nach einem sonnigen Wochenende auf einem der schönsten Campingplätze der Welt (meine ganz objektive Meinung) und einer Wagenladung von ausgesprochen gut aussehenden jungen Brautjungfern. Und einer Campingplatzbesitzerin, die noch immer nicht bereit war, ihm drei mongolische Jurten abzukaufen, aber garantiert schwach werden würde, wenn man ihr nur genügend Zeit gab, um alles zu überdenken.
Aber die eigentliche Katastrophe kam mit einem alten Mercedes der S-Klasse. Ich verkaufte gerade gut gelaunt die Semmelchen und Brezen, die Evelyn vom Meierbeck geholt hatte. In den letzten Tagen hatte sie kaum Zeit gehabt, sich um den Laden zu kümmern. Und weil es mir momentan selbst ziemlich Spaß machte, hier herumzuräumen und zu verkaufen, war ich ihr nicht böse. Gerade suchten zwei der Brautjungfern, Alina und Jennifer, noch Joghurt, Butter und Milch aus, während ich an der Kasse stand und meine WhatsApp-Nachrichten las. Jonas hatte schon sein Frühstück zu sich genommen, das in keiner Weise mit dem Frühstück bei uns auf dem Campingplatz zu vergleichen war, wie er mir berichtete. Meine Freundin Klara aus Hamburg hatte mir das Bild eines nackten, braun gebrannten Mannes geschickt, der sich eine Sonnenblume vors Gemächt hielt, und Sabrina, eine befreundete Architektin, kündigte eben in diesem Moment an, vorbeizukommen, um mit mir unser neuestes Projekt in Angriff zu nehmen: ein Brotbackhaus!
Letzteres war nicht wirklich meine Idee gewesen, sondern hauptsächlich die von Sabrina, die sich angeblich schon seit Jahren wünschte, so etwas zu bauen und nur keinen Platz dafür in ihrem kleinen Garten hatte. Platz hatte ich auf meiner Wiese bei der Scheune natürlich massig, und auch wenn es nicht mein persönlicher Traum gewesen war, stellte ich es mir lustig vor, in diesem Sommer mit meiner Freundin ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen. Ich sah mich schon meine Zeit mit Sabrina plaudernd auf der Wiese verbringen und hin und wieder zusammen mit ihr in den See springen. Und so hin und wieder vielleicht auch an dem Brotbackhaus zu arbeiten.
»Bringst du deine Kinder mit?«, fragte ich nach.
»Die sind bei meiner Mama, bin schon unterwegs zu dir!«, kam sofort eine Sprachnachricht zurück und danach noch eine ganze Menge Emoticons mit Funken sprühenden, Herzchen schleudernden und Konfetti spuckenden Einhörnern und Badeenten. Sabrina freute sich sehr, dass ihre Kinder nicht mit von der Partie waren.
Ich grinste. Dann kam Evelyn in den Campingladen. Sie hatte eine bronzefarbene Schale in der Hand und suchte nach einem Streichholz.
»Was wird das?«, wollte ich wissen.
»Ich arbeite mich gerade ins Clearing ein«, sagte sie abgelenkt, während sie auf die Knie ging und in einem Schränkchen herumkruschte. »Das brauchen wir unbedingt für die Hochzeit, hat sich Carmen gewünscht.«
»Clearing?«, fragte ich nach.
»Sie will mit gereinigtem Geist in den neuen Lebensabschnitt tanzen«, sagte Evelyn, als würde sie sich da total auskennen. »Dazu werde ich alle schlechten Schwingungen vertreiben, die das verhindern könnten.« Sie tauchte wieder auf und sah sich im Raum um. »Hier könnte das auch mal nicht schaden. Jeder Raum speichert Schwingungen und Informationen. Jede Emotion hängt da drin und beeinflusst deine Gäste.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Wenn ich mich mal eingearbeitet habe, kann ich dir da auch helfen und dir in jedem Raum eine energetisch harmonische Atmosphäre erzeugen.«
Ich nickte nur. Harmonische Atmosphären waren genau das, was ich brauchte! Ich widmete mich wieder meinem Handy, und Evelyn kruschte weiter herum. Gerade kam Alina an die Kasse. Sie war eine große, breitschultrige Frau, die sehr zupackend wirkte. Sie trug ihre rötlich blonden Haare als praktischen Kurzhaarschnitt, in dem eine verspiegelte Sonnenbrille mit kleinen runden Gläsern steckte.
»Kann man bei euch Grillkohlen kaufen?«, wollte sie wissen.
»Klar«, sagte ich. »Stehen direkt neben dem Regal da links hinten.«
»Als Erstes dachten wir ja, wir drehen durch, weil das mit der alten Location nicht geklappt hat«, erzählte mir Alina und grinste schief. »Aber hier ist es viel besser, allein das mit der Jurte ist der Wahnsinn!«
»Die können wir super in Szene setzen!«, begeisterte sich die andere junge Frau. Sie hatte eine unglaublich piepsige Stimme.
Immerhin irgendjemand, der das Teil brauchen konnte!
»Freut mich«, lächelte ich, obwohl ich innerlich die Zähne zusammenbeißen musste.
»Siehst du. Es hat doch alles seinen kosmischen Sinn«, behauptete Evelyn, als sie hinter dem Tresen auftauchte. »Wenn ich jetzt noch den gesamten Campingplatz feinstofflich säubere, bringen wir dir hier neue, harmonische Energie hinein!«
Damit verschwand sie mit ihrem Schälchen. Eigentlich fand ich es momentan sehr harmonisch auf meinem Platz. Wie das feinstofflich aussah, wusste ich natürlich nicht.
Und dann tuckerte der besagte rostfleckige Mercedes bis vor meine Schranke und stellte sich so unmöglich davor, dass niemand hinaus- und hineinfahren konnte.
Der Mann, der nun ausstieg, war mir wohlbekannt, aber ich hätte niemals hier auf dem Campingplatz mit ihm gerechnet. Er löste bei mir eine ganze Menge an Emotionen aus, die er bei mir schon immer ausgelöst hatte, und jedes dieser Gefühle war negativ. Von Ärger bis hin zu ein bisschen Angst war alles mit dabei, vor allem natürlich dieses grässliche Herzklopfen!
Peter!
Der Bruder meines Ex-Martins, der eigentlich prinzipiell nach Ärger roch! Mir war sofort klar, dass der Besuch mit unserem Telefonat vor drei Tagen zusammenhing, aber wie, konnte ich mir im Moment nicht vorstellen. Denn unsere Gemeinsamkeiten waren gleich null. Wir hatten schon in guten Zeiten, in denen ich mit meinem Ex-Martin ein Paar gewesen war, praktisch nichts miteinander zu tun gehabt. Martin hatte sich immer nur beklagt, dass Peter schon wieder etwas wollte, meist Geld, hin und wieder auch ein Auto oder eine Übernachtungsmöglichkeit, wenn er wieder mal von seinem Vermieter rausgeworfen worden war oder wahlweise von einer Freundin. Wenn er nicht das bekam, was er wollte, blieb er meistens auf unserer Wohnzimmercouch liegen und glotzte in den Fernseher, bis Martin endlich die gewünschte Summe herausrückte. Ich bekam von seinem Anblick wieder Herzrasen, obwohl er eindeutig nicht bekifft war, und beschloss, ihn hinauszuwerfen, ihm kein Geld zu geben und auch keine Übernachtungsmöglichkeit! Plötzlich fand ich es doppelt schade, dass Jonas nicht da war. Mit ihm im Rücken hätte ich mich definitiv besser gefühlt!
Eine Weile sah ich nur zu, wie er seinen Blick über meinen Campingplatz gleiten ließ, und allein das machte mich wütend. Er hatte hier einfach nichts verloren! Schließlich waren sein Bruder und ich schon länger kein Paar mehr. Aber es brachte jetzt auch nichts, ihn zu ignorieren.
»Peter ist hier bei mir!«, whatsappte ich meinem Noch-Mann, aber die Nachricht bekam nur ein Häkchen und wurde also nicht übermittelt. Hatte er das Handy ausgeschaltet?
»Dürfen wir die Wiese bei der Scheune für die eigentliche Trauung nutzen?«, fragte Alina, die die Säcke mit den Grillkohlen neben die Kasse getragen hatte.
»Klar. Ich kann da auch noch einmal mähen lassen«, schlug ich vor.
»Das wäre super.« Während Alina noch kurz eine Checkliste kontrollierte, kam die piepsige Brautjungfer mit Joghurt Natur und fettarmer Milch zur Kasse, und ich legte das Handy nun ganz weg.
»Gibt es hier im Ort einen Holzhandel? Wir bräuchten noch Birkenstämme, um einen geschmückten Bogen zu bauen, unter dem dann die Trauung stattfindet«, fragte sie mich.
»Im Nachbarort. Evelyn fährt da bestimmt mit euch hin«, erzählte ich ihr, während ich schon wieder aus dem Fenster schielte und sah, dass Peter über den Campingplatz ging und nicht in die Rezeption kam.
»Evelyn bietet jetzt auch Clearing und Räuchern an«, wandte sie sich an Alina, die inzwischen hinter ihr stand. »Das müssen wir unbedingt auch in unserem Bus machen lassen. Wisst ihr, das ist ein gebrauchtes Fahrzeug. Und die ganzen Schwingungen, die da drinhängen, lassen mich nicht gut schlafen. Evelyn hat gemeint, das könne sie ganz leicht lösen!«
Ich nickte und unterdrückte ein Seufzen. Anscheinend war das eine neue Geschäftsidee von Evelyn.
Danach zahlte Alina ihre Grillkohlen und schleppte drei Säcke auf einmal hinaus. Die Frau hatte echt Kraft!
Sobald sie raus war, sperrte ich die Kasse, zog den Schlüssel ab – was ich sonst meist vergaß – und ging durch die Rezeption hinaus. Es hatte schließlich überhaupt keinen Sinn, jetzt so zu tun, als wäre Peter nicht da. Und je schneller ich ihn los war, desto besser!
Ich sah noch einmal nach, ob neben der Tür der Hinweis hing, dass man sich im Café anmelden musste, wenn man einen Stellplatz suchte. Während ich meinen Blick über den Campingplatz gleiten ließ, blieb ich neben Alina stehen. Sie hatte die Grillkohlen neben sich abgestellt, als wären sie ihr doch zu schwer geworden. Peter sah ich nicht, aber seine Rostlaube stand noch dort, wo er sie abgestellt hatte.
»Dieser Idiot«, murmelte Alina neben mir, und zuerst dachte ich, dass sich das auch auf Peter bezog, aber als ich ihrem Blick folgte, entdeckte ich Konstantin Meier, der sich Carmen in den Weg gestellt hatte und ihr ein Gespräch aufs Auge drückte. Alina sah nicht besonders begeistert aus, sondern wirkte, als würde ihr Blutdruck gerade ins Unermessliche steigen. Besonders als Herr Meier Carmen noch den Arm um die Schulter legte.
Während ich noch immer meinen Blick schweifen ließ, um Peter zu finden, konnte ich aus den Augenwinkeln sehen, wie Alina auf Carmen lossteuerte und sie aus den Fängen von Herrn Meier befreite. Auch ich schlappte nun in Nonnas alten Flipflops los, um meinen hoffentlich baldigen Ex-Schwager zu suchen. Als ich bei der mongolischen Jurte vorbeikam, grinste mich Konstantin Meier breit an. Carmen und Alina waren schon wieder auf dem Weg zum See. Alina schleppte die drei Säcke Grillkohlen, während Carmen beschwingt neben ihr ging.
»Sie sind ja immer noch da«, sagte ich, um ihn daran zu erinnern, dass er schon vor zwei Tagen hatte abfahren wollen.
»Ja. Das Wochenende war fantastisch«, sagte er, während er seinen Blick über meinen Campingplatz schweifen ließ.
»Und heute ist Montag«, erinnerte ich ihn, als kleinen Hinweis, dass das Wochenende vorbei war und er durchaus einmal damit anfangen könnte, seinen riesigen Kaventsmann von Zelt abzubauen.
»Das mit der Abreise mache ich spontan«, erklärte er mir. »Als Nomade ist man ja doch ein eher impulsiver Mensch, der sich nicht von Uhrzeiten gängeln lässt.«
»Abreise ist bis zwölf Uhr möglich«, erklärte ich ihm, um allzu großer Spontanität und Impulsivität vorzubeugen. »Auch für Nomaden.«
Er sah mich an, als wäre ich ziemlich spießig.
»Und bis dahin muss das Zelt abgebaut sein und der Platz geräumt«, erklärte ich sehr spießig weiter. »Damit gemäht werden kann, bevor neue Gäste kommen.«