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Märchen vermitteln Spannung und Moral zugleich. Wer ihren Sinn erfasst und seinen Traum verfolgt, wird glücklich und an Erfahrung reich. In diesem Büchlein wird thematisiert, was durch Faulheit ist passiert, dass man Rat sich holen kann, von so manchem weisen Mann und dass durch den, der klein und schwach, doch mit Verstand, der Dumme, Starke oftmals seinen Bezwinger fand! Und noch viel mehr und noch viel mehr! Hier alles aufzuführen, das fällt schwer ...! Lest diese Märchen, dann werdet Ihr verstehn: Gereimt sind sie besonders schön!
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Seitenzahl: 191
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Freut Euch auf ...
Der verkaufte Traum
Schiwar und die Schlange
Die wundersamen Münzen
Die Spinne und die Fliege
Der verbotene Knoten
Wie der Bär das Teilen lehrte
Der faule Scheidulla
Der Löwe und der Hase
Vaters verborgener Schatz
Die goldene Schale
Wie das Salz ins Meer kam
Väterchen Frost und sein Sohn
Das kluge Großmütterchen
Die bittere Not
Das Märchen vom Witzenspitzel
Der Prinz und die Tochter des Biesen
David und Goliath
Freya und das Halsband der Brisinger
Die Hochzeit des Donnergottes
König Midas
Die Autoren
Bisher erschienen sind:
Aserbaidschanisches Märchen
Ein alter Mann träumte
eines Nachts so wunderschön.
Er wünschte, sein Traum
könnte in Erfüllung gehn.
Drum machte er sich auf,
war ganz verwegen
und lief dem Traum,
den er geträumt, entgegen.
Was er geträumt, erlebt, gesehn
werdet Ihr, wenn Ihr weiterlest, verstehn ...!
Armenisches Märchen
Der böse Traum eines Schahs
war einst zu deuten.
Sehr viele Weise sich davor scheuten!
Weil der, der den Sinn nicht erkennen kann,
wird mit dem Tod bestraft sodann.
Schiwars Frau überredet ihn mit Hinterlist,
dass er als Traumdeuter zu gebrauchen ist!
Was nun passiert, stellt Euch darauf ein,
wird interessant und spannend sein ...!
Tadschikisches Märchen
Ein Geizhals seine Münzen versteckt,
dass niemand sie jemals entdeckt.
Vergräbt sie, gräbt sie wieder aus,
wählt neue Verstecke für sie aus,
so wird eine Manie daraus!
Zum Schluss versteckt er sie am Fluss,
der sie wohl forttragen muss.
Durch wessen Hände sie gegangen
und wer am End’ sie hat empfangen
und wer sie dann behalten kann,
das ist gewiss der rechte Mann ...!
Lettisches Märchen
Die Spinne und die Fliege,
die sind sich spinnefeind,
weil nichts auf dieser Erde
die beiden je vereint!
Die Spinne holte einst das Feuer
aus dem Höllengrund.
Vor Hitze und vor Schwäche,
schlief sie dann ein, zur selben Stund’.
Die Fliege hat ihr das Feuer gestohlen
und heimste alle Ehren ein,
dies war des Hasses Grund allein ...!
EstnischesMärchen
Weil die Fischer eines Tages
keinen Fisch mehr fingen,
sie zum alten Karel gingen,
der mit der Meereskönigin
war gut bekannt
und darum stets wusste,
wo man im Meere Fische fand!
Irgendein Zauber war dabei!
Die Fischer ahnten es,
doch es war ihnen leider einerlei ...!
Georgisches Märchen
Bär, Wolf und Fuchs bilden eine Bruderschaft,
um gemeinsam zu jagen,
haben sie gedacht.
Doch wie soll das Erbeutete geteilet werden?
Dazu wurde nichts festgelegt
und das brachte Beschwerden!
Zum Schluss bleibt die Frage:
Wer wird satt und wer
leidet an der Hungerplage ...?
Aserbaidanisches Märchen
Scheidulla war ein Faulpelz sondergleichen.
Auch durch Schelte konnte niemand erreichen,
dass er seine Hände zur Arbeit regt!
Ohne Schwielen bleiben sie stets gepflegt.
Er wünschte sich Reichtum,
durch Glück allein!
Und das Gold, wovon er träumte,
sollte nicht an Arbeit gebunden sein!
Damit gelingt, was er erdacht,
hat er sich auf eine Wanderschaft gemacht ...!
Georgisches Märchen
Damit man die Gier des Löwen
besänftigen kann,
bot die Versammlung der Tiere ihm,
einmal im Jahre nur,
ein, durch das Los bestimmtes. Tier
zum Fraße an.
Als der Hase wurde ausgewählt,
war er sehr traurig, hat sich gequält.
Doch auf die Schlachtbank
führen ließ er sich nicht!
Seine List für alle Tiere Hoffnung verspricht ...!
Moldawisches Märchen
Es war einmal ein alter Bauer
und dazu ein ganz schön schlauer!
Von früh bis spät bestellte er sein Feld.
Stete Arbeit, das war seine Welt.
Um seine Söhne war es schlechter bestellt.
Sie waren schön von Angesicht,
nur arbeiten mochte sie leider nicht!
Vor seinem Tode sprach der Vater dann:
»Hab’ einen Goldschatz vergraben,
auf dem Felde irgendwo und irgendwann!
Wann fangt ihr mit der Suche an ...?
Burjätisches Märchen
Einstmals kam eines bösen Khans
Reitervolk wegen der Dürre und des Hungers in große Not.
Umzuziehen auf fruchtbares Land
war des Khans Gebot.
Weil die Alten für ihn nur eine Last,
hat er den Beschluss gefasst,
sie zurückzulassen, lebendig oder tot ...!
KarelischesMärchen
Ein reicher Bruder redet aus Übermut
seinem armen Bruder ein,
dass ein Kuhhuf als Geschenk an einen Waldgeist,
die Lösung seiner Probleme könnte sein.
Tatsächlich hat er den Huf zum Geist gebracht.
Der hat ihm dafür eine Mühle
zum Geschenk gemacht.
Was diese mahlt
und wie am End’ des Reichen Übermut wird bezahlt,
das soll hier berichtet sein,
darum lasst Euch auf dieses Märchen ein ...!
Russisches Märchen
Der Jungfrost will stärker als sein Vater,
das Väterchen Frost, stets sein.
Darum erprobt er seine Stärke
an einem fleißigen Bäuerlein.
Er möchte ihn erfrieren.
Seine ganze Kunst wird er dafür probieren.
Wird der Jungfrost am Ende
gar der Sieger sein
oder blamiert er sich?
Das würde den Vater wohl erfreun ...!
Russisches Märchen
Ein Großmütterchen mit klugem Verstand,
lebte einst im russischen Land.
Vom Zaren wurde es in den Palast gerufen,
um verschwundenen Schmuck zu suchen.
Auch sollte sie erraten, welcher Vogel
in einer bedeckten Schüssel liegt.
Vor Angst sie feuchte Hände kriegt.
Was in der Kutsche unter dem Sitz versteckt,
der Herrscher will wissen, ob sie es wohl entdeckt?
Wie all’ das kam und konnt’ geschehn,
werdet Ihr in diesem Märchen sehn ...!
Russisches Märchen
Die bittere Not hängt sich
an einen armen Mann.
Ob er ihr wohl entkommen kann?
Mit List und Tücke
hätte er es fast geschafft,
doch sein reicher, gieriger Bruder
hat sie wieder in die Welt gebracht ...!
Nach Clemens Brentanos italienischen Märchen
Witzenspitzel, das ist wohlbekannt,
ist der beste Diener, den der König je fand.
Er wird belobigt und prämiert,
was zu großem Frust, bei allen anderen Dienern führt!
Darum versuchen sie ihm zu schaden,
weil sie dem König suggerieren,
ihn zu nicht lösbaren Aufgaben einzuladen,
damit des Königs Gunst er wird verlieren ...!
Russisches Märchen
Ein Schloss zu bauen
auf eines fremden Riesen Grund und Boden,
dafür wird der den Prinzen sicherlich nicht loben.
Um der Strafe zu entgehn,
verspricht der Prinz etwas,
was niemals sollt’ geschehn!
Der Riese fordert das Versprochene prompt ein.
Nun wird es spannend und verwirrend,
lass’ Dich darauf ein ...!
Ausdem alten Testament
König Saul kämpft gegen die Philister an,
weil er so nur Gottes Lehre verteidigen kann.
Davids Brüder treten in Sauls Heere ein,
er selbst war dafür noch zu jung und auch zu klein!
Als der Riese Goliath forderte Sauls Recken
zum Zweikampf heraus
und machte einem nach dem anderen den Garaus,
ist in David der Gedanke geboren,
er selbst wollte den Riesen vom Sockel holen ...!
Nordische Sage
In dieser Sage haben wir es
mit nordischen Göttern zu tun.
Die Göttin Freya mochte einst nicht ruhn,
bis sie das von den Brisingern
geschmiedete Halsband bekommen.
Einen schlimmen Verrat hat sie
dafür sogar auf sich genommen ...!
Nordische Sage
Der Donnergott Thor tobte vor Wut!
Sein Hammer ward ihm gestohlen,
das fand er gar nicht gut.
Dieser war der Götter stärkste Waffe
gegen die Riesen, die ihre Feinde waren.
Er bot ihnen Schutz seit tausend Jahren!
An Geist waren die Götter den Riesen überlegen.
Darum erdachten sie einen Plan
voll Schläue und verwegen.
Was er beinhaltet und wie er umgesetzt,
wird an dieser Stelle noch nicht verpetzt ...!
Griechische Legende
Ein König, der verliebt war in das Gold,
mehr und mehr davon haben wollt’.
Einst hatte er bei einem Gotte
einen einzigen Wunsch nur frei.
Da bat er darum,
dass alles was er berührte,
aus purem Golde sei!
Was nun passiert
und wie es enden kann,
zeigt Euch dieses Märchen an ...!
Es war einmal ein alter Mann.
Sein Name war Bachtijar.
Er lebte schon an die siebzig Jahr’.
Er war sehr arm, so fängt dieses Märchen an.
Eines Morgens sprach er zu seiner Frau:
»Packe meinen Rucksack, und verstau’
darin Hirsebrot, Quark und Kuchen.
Ich wandere in die Welt hinaus,
will meinen Traum der letzten Nacht dort suchen!«
»Träume finden, kann man nicht!«,
so die Frau zu ihrem Manne spricht.
»Wirst die Sohlen nur durchlaufen,
den Kopf verlieren, oder im Fluss ersaufen!«
Der Alte ließ sich nicht abbringen.
So packte sie den Sack mit den genannten Dingen.
Und er ging fort, vielleicht auf Nimmerwiedersehn,
die Alte konnt’ das nicht verstehn.
So wanderte er in die Welt hinaus.
Sein Weg führte ihn geradeaus.
Er lief tage- und nächtelang.
Traf einen Schäfer, Gott sie Dank!
»Schäfer, gib mir etwas Essen!
Sonst kann ich es wohl vergessen,
dass ich weiterlaufen kann,
so bin ich gleich ein toter Mann!«
Der Schäfer gab ihm Milch und Brot,
er half ihm so aus seiner Not,
und fragte ihn dann ganz zum Schluss,
wohin der Alte wandern muss.
»Ich habe in meinem langen Leben
wenig Gutes je gesehn.
Darum entschloss ich mich,
einem schönen Traum,
den unlängst ich geträumt,
nun einfach nachzugehn.«
Der Schäfer fragte sogleich:
»Kann man denn Träume finden?«
»Der Traum, den ich geträumt,
war wunderschön, er macht mich reich!
Ich finde ihn sicher irgendwann,
doch vielleicht nicht gleich!
Drum wünschte ich, er würde wahr.
Ich möcht’ so gern ihn an mich binden!
Natürlich muss ich ihn erst finden!
An das Ende der Welt würde ich dafür gehn,
ich hoffe, du kannst das verstehn!«
»Höre, Alter, würdest du mir deinen Traum verkaufen?
An deiner Stelle könnt’ ich dann,
um ihn zu finden, so weit laufen!
Ich zahle dir dafür einen hohen Preis,
wenn ich erst den Sinn des Traumes weiß!«
Der Alte dachte nach und antwortete:
»So soll es sein, will dir den Traum verkaufen!
Du bist ein guter Mensch,
kannst besser noch als ich, und länger laufen!
Dass du ihn findest, ist gewiss,
wahrscheinlicher, als es für mich wohl ist!«
Der Alte Bachtijar erzählte dem Schäfer seinen Traum.
Der war so schön, der Schäfer wollt’ gleich danach schaun,
ob er für ihn sich könnt erfüllen,
und alle Sehnsucht ihm dann stillen!
Der Schäfer überlies dem Alten
all’ sein Hab und Gut,
das er doch einstmals wollt’ behalten.
Die Schafe, den Esel, den Hund,
und auch seinen Schäferhut.
Er nahm den Namen des Alten an,
als Bachtijar war er ein hoffnungsfroher Mann!
Der Alte hat von Stund an des Schäfers Namen, Melik, getragen.
So fand er sein Glück, das kann man sagen!
Der Schäfer war nun frei und ohne Geld,
schulterte seinen Rucksack,
und ging in die weite Welt.
Läuft dem schönen Traum entgegen,
ist glücklich sehr und auch verwegen.
Der alte Melik trieb die Herde heim.
Er wird schon bald zu Hause sein.
Als seine Alte ihn gesehn,
blieb sie staunend stehn, und rief:
»Hast du dich nun als Schäfer verdingt,
dies dir keine Ehre bringt!
Mit Fingern wird man auf dich zeigen,
vor dir wird niemand sich verneigen!«
»Ich habe mich nicht als Schäfer verdingt,
sondern meinen Traum gegen die Herde vertauscht.
Bin reich nun, was mir große Ehre einbringt
und vor Freude mich berauscht!
Den Namen Melik habe ich angenommen,
hab’ vom Schäfer ihn bekommen,
und gab den meinen ihm dafür.
Als Bachtijar sucht er nun meinen Traum,
bin dankbar ihm, das sag ich dir!«
Wir verlassen nun den alten Melik und sein Weib sofort.
Wenden uns hin zu einem anderen Ort.
Dorthin, wohin der junge Bachtijar ist gegangen,
wollen sehen, was er mit seinem neuen Leben wird anfangen.
Er wanderte durchs Gebirge, durch den Wald,
und kam an eine Stadt recht bald.
Von Festungsmauern hoch, war sie umgeben.
Es war Nacht, das Tor war zu,
er musste auf dem Feld sich schlafen legen.
Als Schäfer hat er das oft getan,
drum hatt’ er nichts dagegen.
Er schlief sehr tief und fest,
trotzdem er hart gelegen.
»Am Morgen hörte er eine Stimme:
Bachtijar, Bachtijar, wache auf,
weil ich deine Hilfe brauch’!«
Nach links, nach rechts, hat er geschaut,
und seinen Ohren kaum getraut.
Doch er hat niemand entdeckt,
der nach ihm rief.
Wo hatte der sich nur versteckt,
und ihn geweckt, als er noch schlief?
»Wer kennt mich denn in dieser Stadt?«,
fragt Bachtijar, der einen neuen Namen angenommen hat.
»Vielleicht wird auch ein fremdes Schicksal mein?
Wenn es so wär’, dann soll es auch so sein!«
Da tat sich das Stadttor auf,
eine vermummte Person kam in schnellem Lauf,
führte zwei stolze Pferde an der Hand:
»Mach schnell und komm’, sonst werden wir erkannt!
Die Palastwachen haben Befehl,
uns zu fangen und zu töten!
Darum sind wir in großen Nöten!
So lass’ uns reiten, schnell wie der Wind,
dass wir schon bald fern von diesem Lande sind!«
Bachtijar hat nicht begriffen,
mit wem und warum er flüchten muss.
Deshalb hatt’ er beinah gekniffen, ganz zum Schluss!
Doch dann vertraute er seinem Geschick,
und ritt mit seinem Begleiter, ein langes Wegesstück.
Am hellen Tage wurde Bachtijar dann klar,
dass der, der mit ihm geritten,
kein Mann, sondern ein Mädchen war!
Und das Mädchen war sehr schön,
ein schöneres hatte er noch nie gesehn.
»Wer bist du, Jüngling, und wie heißt du?«,
hat sie ihn sogleich gefragt.
»Hast du meinen Namen denn vergessen?
Du hast ihn am Morgen doch gesagt!«
»So heißt du Bachtijar?«
»Wenn du so fragst, dann wird mir klar,
dass der, den du gerufen, ein anderer Bachtijar war!«
»Ja, das hast du gut erkannt,
einem anderen wollte ich reichen meine Hand!«
»Ich bin Zamijar-chanum, die Tochter des Sultans,
dem dieses Land zu eigen.
Mein Vater wollte mit Sturheit dazu neigen,
dass ich den Sohn des Wesirs heiraten muss!
Darum gab ich dem Vater, der nichts ahnte,
einen letzten Abschiedskuss.
Denn ich liebe Bachtijar, einen anderen Mann,
darum kämpfe ich gegen den Willen meines Vaters an!«
»Doch dieser Bachtijar hat sich zur Flucht nicht eingestellt.
Wie sonderbar ist doch die Welt?
Ist ihm wohl etwas zugestoßen?
Oder rutschte ihm das Herz in seine Hosen?
An seiner Stelle bin ich
mit dir den Weg gegangen.
Unser Schicksal will vielleicht,
dass wir ein gemeinsames Leben anfangen?«
Eilig ritten sie die ganze Nacht,
an Schlaf haben beide nicht gedacht!
So kamen sie in der Hauptstadt
des Nachbarlandes an, in der man auch gut leben kann.
Sie kauften sich ein schönes Haus mit einem Garten,
mehr kann man wirklich nicht erwarten.
Dafür hatte Zamijar-chanum ihr erspartes Gold gegeben.
Das war die Basis für ein gemeinsames Leben.
Sie lernten sich zu lieben und zu verstehen,
und wollten alle Wege gemeinsam gehen.
Drum ließen sie sich vom Kadi trauen,
und konnten hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.
Bachtijar war glücklich und zufrieden!
Doch den gekauften Traum zu finden,
war ihm trotz des Glückes bisher nicht beschieden!
Sollte er darum des Traumes Suche aufgeben?
Er entschied, sie sich für später aufzuheben!
Aus lauter Übermut, und Übermut tut selten gut,
ließ Bachtijar einst den Barbier des Sultans rufen.
Der sollte sich an seinem Bart versuchen
und ihn so schneiden, wie ihn der Herrscher trug.
Sein eigener Bart war ihm wohl nicht gut genug!
Der Barbier kam prompt, und macht’ die falsche Türe auf,
da nahm das Unglück seinen Lauf.
Er hatte die schöne Zamijar-chanum erblickt,
und war von ihr gar sehr entzückt!
Sofort erstattet’ er dem Sultan seinen Bericht:
»Wenn du wüsstest,
wie lieblich die Frau des Bachtijars ist,
dann wüsstest du auch,
wieso du mit deinen Haremsdamen
leider gar nicht glücklich bist!«
Der Barbier beschrieb sie in allen Einzelheiten.
Ohne sie zu sehen, verliebte sich der Sultan in sie,
das ist wirklich nicht zu bestreiten:
»Ich muss zu ihr, ich kann nicht länger warten.
Was soll ich tun, Barbier, du musst mir raten!«
»Nichts fällt leichter mir als das!
Lass’ Bachtijar mitteilen,
du würdest gern bei ihm zum Essen verweilen,
um ihn zu ehren, als neuen Bürger deiner Stadt.
Dafür er sicherlich Verständnis hat.
Dann wirst du dort nicht nur Mittag essen,
sondern auch seine Frau anschaun,
und kannst sie dann nicht mehr vergessen!
Das sag’ ich dir jetzt schon, im Vertraun.«
Und genau so ward’s gemacht:
Ein Diener hat Bachtijar die Botschaft überbracht.
Das machte ihn traurig, er hat nicht gelacht!
»Was will der Sultan in meinem Haus?
Ich werde gar nicht schlau daraus!«
Bachtijar vermutet eine Hinterlist,
weil das bei jedem Sultan üblich ist!
Auch Zamijar-chanum war sehr erschreckt,
sie hatt’ den tiefen Sinn sogleich entdeckt!
Doch sie tröstete ihren Mann,
denn sie sah ihm seine Sorgen an:
»Sicher will der Sultan uns nur ehren,
wir sollten uns nicht dagegen wehren!
Lieber Mann, gehe schnell auf den Basar,
und kaufe, was für den Anlass üblich war:
Reis, Hühner, Fasane und auch Hummer,
und vergiss schnell deinen Kummer!«
Am nächsten Tag ward gebacken und gekocht,
all das, was der Sultan gern gemocht.
Der betrat Bachtijar Haus viel früher als gedacht.
Sah Zamijar-chanum, und hat eine besondere Erfahrung gemacht:
Ihre Schönheit hat ihn wie ein Pfeil getroffen.
Sie war schöner noch, als er konnte hoffen!
Er sank bewusstlos zu Boden, in tiefer Seele ergriffen,
dass er sie nie besitzen würd’, das hat er nun begriffen!
Der Wesir hat ihn wieder auf die Beine gebracht.
Bachtijar sich darauf seinen Reim gemacht.
Der Sultan kostete die schönen Speisen nicht.
Zu dem Wesir er heimlich spricht:
»Rate mir, was kann ich tun?
Ich will nicht rasten und nicht ruhn.
Will sie erringen, sie muss die Meine werden,
denn sie ist die schönste Frau auf Erden!«
»Bachtijar einfach die Frau wegzunehmen,
das geht leider nicht!
Die Ehe ist heilig!
So entscheidet jedes Gericht!
Nur wenn er nicht mehr am Leben ist,
gelingt dir vielleicht, was du so sehr vermisst!
Stelle ihm eine Aufgabe, die ihn niederzwingt,
damit dein Plan alsbald gelingt!«
So ließ der Sultan Bachtijar rufen,
begrüßte ihn mit Kaffee und Kuchen:
»Du siehst, ich bin erkrankt,
mir geht es leider nicht gut!
Nur wenn ich Äpfel aus dem Paradiesgarten esse,
bekomme ich neuen Lebensmut!
Hole mir die Äpfel, und sei in vierzig Tagen wieder hier.
Sonst verlierst du deinen Kopf, so lautet die Regel,
und sie ist mein Pläsier!«
Zu seiner Frau sprach Bachtijar:
»Der Sultan schickt mich in weite Ferne.
Mich tot zu sehen, das möchte er gerne!
Aus dem Paradiesgarten soll ich ihm Äpfel bringen,
sonst wird er mich auf den Richtblock zwingen!»
Zamijar-chanum gab Bachtijar ein goldenes Ringlein:
»Stecke es auf dein kleines Fingerlein!
Geh’ nach Süden in das Land der schrecklichen Dews1 hinein.
Sehen sie den Ring, werden sie dir behilflich sein!«
Nach Süden ist er lange gelaufen.
Die Dews zu finden, nicht zu verschnaufen.
Als er ankam in deren Land,
er beinah sein Ende fand.
Die Dews stürzten sich auf ihn,
und er konnte gar nicht fliehn!
Doch als das Ringlein sie gesehn,
blieben sie voll Ehrfurcht stehn:
»Herr, befiehl, was sollen wir tun?
Wir führen es aus, ohne zu ruhn!«
Ȁpfel aus dem Paradiesgarten soll ich holen,
das hat der Sultan mir befohlen.«
»Steig sofort auf meinen Rücken,
ich bringe dich ins Land der schönen Peri.
Sie werden dir die Äpfel pflücken!
Drei Mädchen sind es, sie kommen in Taubengestalt,
legen ihr Federkleid ab, und baden im Bach, mitten im Wald.
Stehle einer ihr Kleid,dann kann sie nicht mehr zur Taubewerden,
und erfüllt dir jeden Wunsch auf Erden!
Wie der Dew es empfohlen,
ward es von Bachtijar auch gemacht.
Er hat ihr Federkleid gestohlen!
So hat er Ungemach der jüngsten Peri gebracht:
»Wer hat mir mein Kleid genommen?
Gib es mir zurück, sofort!
Dann wirst du jeden Wunsch erfüllt bekommen!
Und ich fliege als Taube wieder fort.»
Bachtijar trat aus seinem Versteck hervor,
und flüsterte der schönen Peri in ihr Ohr:
»Du kriegst dein Kleid,
bist du zum Äpfelholen
aus dem Paradiesgarten bereit!«
Im selben Augenblick flog sie als Taube himmelwärts.
Das ist die Wahrheit und kein Scherz!
Als eine Stunde vergangen war,
war die Taube wieder da.
Einen Zweigmit Äpfelnhat sie aus demParadiesgarten mitgebracht,
und Bachtijar damit glücklich gemacht.
Kaum hatte er die Äpfel in der Hand,
flog der Dew mit ihm in sein Heimatland.
Dort angekommen, hat er die Äpfel dem Sultan gebracht.
Der sagte: »Du hast mir eine große Freude gemacht!«
Doch in Wahrheit hat er gedacht:
Verflucht noch mal, wie hat er das vollbracht?
Bachtijar wurde belohnt,
und durfte nach Hause gehen.
Doch wie lange das währt,
werden wir alsbald sehen!
Derweil sich Bachtijar und Zamijar-chanum gefreut,
war der Sultan zur nächsten Schandtat bereit.
Der Wesir hatte sich einen Rat ausgedacht,
der Bachtijar für immer unglücklich macht:
»Lass’ ihn zu dir kommen und befehle ihm,
er soll in den Garten des Giulistan Iram2 ziehn,
und von dort dir eine Rose bringen,
so kannst du ihn perfekt bezwingen.
Noch nie kam ein Mensch von dort zurück!
Dieser Auftrag beendet Bachtijars tödliches Geschick!«
Der Sultan sprach:
»Dieser Plan gefällt mir wunderbar.
Mir ist’s, als ob es mein eigener war!«
Und dann an Bachtijar gewandt:
»Du bist so stark, und voller Mut!
Die Paradiesäpfel, die du mir gebracht,
taten mir wirklich gut!
Ich glaube, du bist der größte Held im Land!
Nur zu dir habe ich Vertrauen,
darum schicke ich dich aus,
nach einer Rose sollst du schauen!
Und sie mir bringen, aus Giulistan Irams Garten!
Mach dich gleich auf, ich kann nicht warten,
ich gebe dir vierzig Tage Zeit,
und hoffe sehr, du bist zu dieser Tat bereit!
Bist du in dieser Frist jedoch nicht zurück,
dann bricht der Henker dein Genick!«
Wortlos hat Bachtijar die Rede des Sultans angehört,
und war darüber sehr empört!
Er hat all’ das berichtet seiner Frau,
und die sagte: »Liebster, schau!
Ich kenne ein Verslein ganz genau.
Schließt du die Augen, und sagst es fein,
wirst du schon in besagtem Garten sein!
Bist du erst dort,
wirst du die schönsten Mädchen sehn.
Doch eines wird alle anderen übertreffen,
es ist ganz besonders schön.
Wenn es lacht, fällt von seinen Lippen
eine Rose feuerrot.
Sie verheißt dir das Leben,
oder auch den Tod.
Ihr Name ist Giuli-gach-gach-chanum,
drehe dich niemals nach ihr um!
Hebe die Rose auf, und schaue nicht
zu der Schönheit zurück!
Wenn du das tust, vergeht dein Glück.
Dann kehrst du nie mehr heim,
wirst für alle Zeit im Garten gefangen sein!«
Nachdem seine Frau ihn informiert
und er alles hat kapiert,
sagt sie ihm noch das geheimnisvolle Sprüchlein vor,
und sie flüstert es ihm in sein Ohr:
»Zauberwinde fasst mich an,
damit ich schnell fliegen kann,
durch der Sonne strahlend’ Licht,
vorbei an des Mondes kaltem Gesicht,
durch den Regen und den Schnee,
über Wolken, Fluss und See,
durch die Täler und die Höhen.
Giulistan Irams Garten möcht’ ich sehen!«
Bachtijar hat gut aufgepasst,
dass er kein einziges Wort verpasst.
Merkt’ sich alles ganz genau,
denn er ist unheimlich schlau!
Schließt die Augen, sagt das Verslein auf,
da nahm das Schicksal erneut seinen Lauf.
Ein Wirbelwind erfasste ihn,
konnt’ ihn in die Lüfte ziehn.
Als er die Augen aufgemacht,
da war alles schon vollbracht!