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Freundschaft, Verrat und eine große Liebe - vor der atemberaubenden Kulisse Cornwalls.
Oyster Shore in Cornwall, 1904: Nichts scheint die Freundschaft von Ned und Gerald erschüttern zu können. Bis sie sich beide in Madalyn mit ihren flammend roten Haaren verlieben. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus, und ein verhängnisvoller Verrat prägt das Leben der drei für immer.
Fast ein Jahrhundert später sucht die Schriftstellerin Lowenna Trost in Oyster Shore. An der Seite des rätselhaften Noah kommt sie der Wahrheit hinter einer Liebesbeziehung auf die Spur, die die Macht hat, auch die Zukunft zu verändern ...
Eine junge Frau auf den Spuren einer geheimen Liebesgeschichte: dramatisch, herzzerreißend und so romantisch.
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Seitenzahl: 905
Die Schriftstellerin Lowenna kehrt auf der Suche nach Trost zurück nach Cornwall, an den Ort ihrer Kindheit. In dem verlassenen Bootshaus direkt am Fluss stößt sie auf eine Geschichte, die bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückreicht: ein verschollenes Manuskript, eine Kinderfreundschaft, eine große Liebesgeschichte und ein Verrat, der bis in die Gegenwart fortwirkt. Als Lowenna an der Seite des geheimnisvollen Noah die Wahrheit aufdeckt, wird sie vollkommen unerwartet tief in ihre eigene Familiengeschichte hineingezogen. Kann sie das große Zerwürfnis der Vergangenheit aussöhnen, und findet sie in Oyster Shore auch ihr persönliches Glück?
Ruth Saberton wurde in London geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Cornwall. Obwohl sie weit gereist ist, gibt es für sie keinen Ort, der sich mit der rauen Schönheit dieser Küstenlandschaft messen kann. Hier findet sie immer wieder neue Inspiration für ihre Romane. In England gilt sie als absolute Bestsellerautorin.
Im Aufbau Taschenbuch sind von ihr bereits die Romane »Der Liebesbrief« und »Das Versprechen« erschienen.
Marie Rahn studierte an der Universität Düsseldorf Literaturübersetzen. Sie übersetzt aus dem Französischen, Italienischen und Englischen, u. a. Lee Child, Aldo Busi, Kristin Hannah, Silvia Day und Sara Gruen.
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Ruth Saberton
Der Verrat von Oyster Shore
Roman
Aus dem Englischen von Marie Rahn
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Informationen zum Buch
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Widmung
Prolog: Gerald — 1963 London
Kapitel 1: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 2: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 3: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 4: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 5: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 6: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 7: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 8: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 9: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 10: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 11: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 12: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 13: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 14: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 15: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 16: Lowenna — Gegenwart Cornwall
Kapitel 17: Ned — Mai 1904 Schulhaus, Trevellan
Kapitel 18: Gerald — Mai 1904 Vyvyan Court, Trevellan
Kapitel 19: Ned — Juli 1904 Trevellan
Kapitel 20: Madalyn — Ende Juli 1904 Vyvyan Court
Kapitel 21: Ned — August 1904 Oyster Shore
Kapitel 22: Gerald — August 1904 Vyvyan Court
Kapitel 23: Madalyn — Mai 1914 Oyster House
Kapitel 24: Ned — Mai 1914 Oyster Shore
Kapitel 25: Gerald — Mai 1914 Vyvyan Court
Kapitel 26: Madalyn — Juni 1914 Oyster Shore
Kapitel 27: Ned — Juli 1914 Oyster Shore
Kapitel 28: Gerald — Ende August 1914 Oyster Shore
Kapitel 29: Madalyn — April 1915 Oyster Shore
Kapitel 30: Der Patient — September 1917 Allington House, Cotswolds
Kapitel 31: Gerald — Oktober 1917 Vyvyan Court, Cornwall
Kapitel 32: Madalyn — Oktober 1917 Oyster House, Cornwall
Kapitel 33: Lowenna — Gegenwart Oyster Shore
Kapitel 34: Ned — Mai 1918 Mount Jera, Queensland
Kapitel 35: Lowenna — Gegenwart – ein Jahr später Cornwall
Anmerkung der Autorin
Glossar
Aussprache der Namen
Impressum
Wer von diesem Roman begeistert ist, liest auch ...
Für alle Angehörigen systemrelevanter Berufe, die unsere Welt am Laufen halten. Für alle Arbeitskräfte im Gesundheitswesen: Ärzte, Pflegekräfte, Virologen. Für alle Lehrer und Wissenschaftler. Für jeden Einzelnen, der sich unermüdlich dafür einsetzt, alles in Gang zu halten. Danke.
Dieses Buch ist für euch.
Prolog
1963 London
Jede Nacht in den nicht enden wollenden Stunden vor Tagesanbruch war Gerald wieder in Oyster Shore. Im Niemandsland zwischen Schlafen und Wachen schritt er die vertraute Flutlinie ab, wo Träume ans Ufer gespült und Herzen von den spitzen Schnäbeln der Wasservögel zerpickt wurden. Dort sah er Madalyn wieder, eine schmale Gestalt in Weiß, die ein Eimerchen in der Hand schwang, dem unregelmäßigen Muschelsaum folgte und sich hin und wieder bückte, um einen kostbaren Fund aufzuheben. Obwohl sie ihr Gesicht abgewandt hatte, wusste Gerald, dass ihre Augen vor Freude strahlten und ihre Wangen mit Sand gepudert waren, wenn sie die wilden Locken zurückstrich, die sich nicht mit Haarnadeln zähmen ließen.
Wie sehnte er sich danach, sie um Vergebung zu bitten! Im Traum streckte er die Hand nach ihr aus, doch er erreichte sie nicht, er griff ins Leere, und Madalyn entzog sich ihm. Völlig vertieft in ihr Tun hob sie eine leuchtende Glasscherbe auf, hielt sie ins Licht und schaute geradewegs durch ihn hindurch. Dann kam die Flut, und sie war fort, ein weiteres Mal für ihn verloren.
Mit tränenüberströmtem Gesicht wandte sich Gerald zum Bootshaus und sah am Ufer Ned sitzen, mit einem Stift in der Hand und einem Notizbuch auf den Knien. Er wollte ihm sagen, dass es ihm leidtat, dass seit damals nicht ein Tag vergangen war, an dem er nicht die Zeit hätte zurückdrehen wollen, um seine Fehler wiedergutzumachen und ein besserer Freund zu sein. Er wusste, dass seine unsterbliche Seele mit Schuld befleckt war. Eine aus Eifersucht getriebene Entscheidung war der Wendepunkt seines Lebens gewesen und hatte ihn geradewegs in seine ganz persönliche Hölle geschickt.
»Denn was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?«, murmelte er mit weit aufgerissenen Augen und umklammerte seine Decke. »Ich habe meine Seele verloren! Meine Seele!«
Die Krankenschwester, die jede Nacht an seinem Bett wachte, kannte seine Klagen und sein wirres Gemurmel. Bruder Snowe weinte und schluchzte immer im Schlaf. Zuerst hatte sie Mitleid mit ihm gehabt, weil er so schwach und gebrechlich wirkte und so herzerweichend verzweifelt weinte, doch als sie sich nach und nach einen Reim auf sein Gemurmel machen konnte, schwand ihr Mitgefühl. Wenn sie das Geld nicht so dringend gebraucht hätte, dann hätte sie wohl gekündigt. So versuchte sie nun, nicht auf seine Worte zu achten, doch manches ließ sich einfach nicht ignorieren.
Als sie sich um die Stelle bewarb, hatte der Abt ihr erklärt, dass Bruder Snowe schon seit Jahren ziemlich verwirrt sei. Er sei todkrank, und das Morphium verneble seinen Geist. Er wisse nicht immer, was er sage, oder wo er sich befinde. Er wandle im Land seiner Kindheit, und möglicherweise werde sie Worte hören, die nur für einen Beichtvater gedacht seien. Daher müsse sie genau wie ein Priester sein Geheimnis bewahren. Bruder Snowe sei der wichtigste Unterstützer des Priesterseminars, und ihre Diskretion sei von größter Wichtigkeit. Ob sie bereit sei, eine solche Bürde zu tragen? Ob sie bereit sei, ein Dokument zu unterschreiben, das sie zum Stillschweigen verpflichte?
Sie hatte es zugesichert. Sie hätte alles gesagt, um die Stelle zu bekommen, denn ihr Mann war krank, und sie brauchten das Geld. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, was dieser arme alte Mann Schlimmes von sich geben sollte. Ein bisschen Geschrei werde sie nicht schrecken, hatte sie behauptet, sie habe schon in Nervenheilanstalten gearbeitet. Sie sei aus hartem Holz geschnitzt.
Doch schon bald sollte die Krankenschwester entdecken, dass ihr neuer Patient ganz anders war als die verwirrten Seelen, die sie früher gepflegt hatte. Gewiss, die waren verstört gewesen, erbarmungswürdig und zuweilen auch gefährlich, doch wenn Mr. Snowe in die Dunkelheit schrie und Personen anflehte, die sie nicht sehen konnte, die für ihn aber so real waren, als stünden sie an seinem Bett, gefror ihr das Blut in den Adern. Sein glühender Blick war so fanatisch wie bei einem religiösen Eiferer und sein Glaube absolut. Doch je mehr sie von seinen Auslassungen begriff, desto mehr ahnte sie, dass der Grund für seinen religiösen Eifer aus finstersten Tiefen entsprang. Manchmal musste sie sich sogar bekreuzigen. Sie wünschte ihm nichts Schlechtes, aber wie lange sollte dieser alte Mann denn noch durchhalten?
Aus Gerald Snowes Lebensuhr rieselten die letzten Sandkörner. Die Schwester rief sich ins Bewusstsein, dass ihr Patient täglich schwächer wurde, doch ahnte sie, dass sie seine Worte nie vergessen würde – genauso wenig wie er vergessen konnte, was auch immer er getan hatte. So zog sie seine Decke glatt, widmete sich wieder ihrer Strickarbeit und wartete auf die Morgendämmerung, die die Dunkelheit verscheuchen und ihre Schicht beenden würde.
Während die Krankenschwester sich an ihr Strickzeug klammerte, wandelte der alte Mann in seiner Vergangenheit. Er sah ein Buch mit verheißungsvoll leeren Seiten und wusste, dass die Zeit auf der Schwelle zwischen Leben und Tod verharrte. Hier wurden einem Menschen ein zweites Mal all die Entscheidungsmöglichkeiten seines Lebens geboten, und er konnte Wiedergutmachung leisten, wenn man ihn nur anhörte! Irgendjemand würde ihm doch wohl zuhören?
»Madalyn«, rief er. »Komm zurück! Das wollte ich nicht!«
Mit einem Schlag stand er wieder am Ufer, doch das Mädchen, das er suchte, war verschwunden. Über seinem Kopf blitzte der Himmel durch das dichte Laub, doch das Licht war so grell, dass er nur Schattenrisse sah, selbst wenn er die Augen schloss. Das trübe Wasser hatte sich zurückgezogen, so dass Steine, grüne Schlingpflanzen und glitzernde Schlammkanäle zu sehen waren. Der junge Mann auf dem Ponton begann zu schreiben und fing mit dem Stift die verborgenen Schätze einer versunkenen Unterwasserwelt ein. Reiher hüpften über seine Seiten, genauso wie sie die Flutlinie abliefen, hilflose Wesen aus ihren Verstecken zerrten und dabei Pfaden folgten, die nur ihnen bekannt waren. Sie bahnten sich ihren Weg durch die von der Strömung aufgetürmten Tangwälle, balancierten wie Ballerinas über von Grün überzogene Felsen und bildeten einen silbrig glänzenden Kontrast zum leuchtenden Orange der Möwenfüße.
Ned hielt diese Szene für immer in seinem Notizbuch fest, so wie Geralds Schicksal für immer besiegelt war – das Schicksal von ihnen dreien. Wieso konnte er seinen Traum niemals ändern, obwohl er ihm doch einen Ausweg zu bieten schien? Wieso musste er immer gleichbleiben, ganz egal, was er tat? Hatte er sich nicht genug bemüht? Hatte er Bess nicht alles gegeben? Wieso hatte sie ihm keine Absolution erteilt? Wieso fand er keinen Frieden?
»Heilige Mutter Gottes, bitte für uns Sünder«, rief er aus. »Jetzt und in der Stunde unseres Todes!«
Jemand stand neben ihm, eine Frau mit grau meliertem Haar und gestärktem Häubchen. Die Hausmutter? Das Kindermädchen? Seine Mutter? Aber nicht Madalyn.
»Du bist nicht Madalyn!«, schrie er und schlug mit seiner von Gicht gezeichneten Hand nach ihr. Tränen der Verzweiflung strömten über seine eingesunkenen Wangen, nässten sein dünnes Haar und das Kopfkissen. »Wo ist sie? Ist sie im Fluss? Was hast du mit ihr gemacht?«
»Schsch, Bruder Snowe«, sagte die Frau, »Sie träumen nur.« Aber Gerald sah sie schon nicht mehr, denn sein Blick war nach innen gerichtet, aufs Bootshaus, wo er von seinem Versteck im Schatten aus zwei kleine Jungen beobachtete, die ihre geheimen Schätze versteckten. Die Kulissen waren aufgebaut, die Schauspieler auf der Bühne, und der Vorhang konnte sich heben. Noch war nichts geschehen, doch ihm kamen wieder die Tränen, denn er wusste, es würde alles unverändert ablaufen, ganz gleich, was geschah. Nur die, die nach ihm kamen, konnten etwas ändern – wenn er sich verständlich machen konnte!
»Hilfe«, flehte er. »Bitte, ich brauche Hilfe. Ich muss zurück, ich muss es ihnen sagen! Ich muss Madalyn aufhalten!«
Doch Gerald konnte nicht zu seinem einstigen Ich zurück. Denn unser früheres Ich ist eingeschlossen in der Zeit, gestrandet am Ufer der Erinnerungen. Unsere Taten können genauso wenig verändert werden wie der ewige Wechsel der Gezeiten. Die Zeit nährt sich von dem, was früher war, und formt es so, dass alles, was wir einst waren, uns seltsam vertraut und gleichzeitig fremd erscheint, wie eine geliebte heitere Melodie, die nun in Moll erklingt.
Und doch liegt auf der Schwelle zwischen Leben und Tod Erlösung. Als Gerald die drei Kinder am Ufer spielen sah, wusste er: Wenn er Wiedergutmachung leisten könnte, würde doch noch alles glücklich enden. Nun begriff er, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft manchmal nur durch einen dünnen Schleier getrennt waren. Vielleicht konnte jemand einen Blick hindurch werfen? Vielleicht die junge Frau mit den veilchenblauen Augen und dem Spaniel, die er manchmal in seinen Träumen sah? Oder der Mann mit den hellen Locken, dessen Gesicht ihm seltsam vertraut vorkam, obwohl er ihn nicht kannte? Auf der Schwelle zum Tod konnte Gerald die Zeit überwinden, und nun sah er sie beide, diese Menschen aus der Zukunft, und zwar so deutlich wie die Menschen aus der Vergangenheit. Sahen sie ihn auch? Würden sie seine Rettung sein?
Da war auch eine ältere Frau, deren Erinnerungen so verschwommen waren wie seine, und die besuchte ihn manchmal mit einer jungen Frau. Die beiden versprachen ihm, sie würden ihm jemanden schicken, doch Gerald verstand nicht, wer das sein sollte. Vielleicht hatten die Frauen das auch nie gesagt, und er machte sich wieder nur vergebliche Hoffnungen. Dann würde er niemals Wiedergutmachung leisten können und ohne Vergebung sterben.
»Madalyn!«, heulte er auf. »Oh, Madalyn!«
Die Krankenschwester neigte sich zu ihm. »Wer ist Madalyn, mein Lieber? War sie Ihre Frau?«
Er wehrte sie zornig ab. Versteckte sie Madalyn vor ihm? »Wo ist Madalyn? Was hast du mit ihr gemacht? Ist sie noch im Fluss?«, schrie er.
Wieso konnte er den Traum nie ändern? Wieso blieb er immer gleich, was er auch versuchte? Hatte er Bess nicht alles gegeben, was wichtig war? Wieso hatte sie ihm keine Absolution gewährt? Er war doch nur ein dummer, selbstsüchtiger Junge gewesen. Ihm war gar nicht klar gewesen, was er in Gang gesetzt hatte. Damals war er ein anderer Mensch gewesen, einer, der ihm jetzt vollkommen fremd war.
»Alles endete, wie es begann«, flüsterte er und versuchte sich aufzusetzen. Seine Stimme war so dünn wie die Schnur, die ihn noch ans Leben band. »In Oyster Shore. Dort begann alles, und dort wird alles enden. In Oyster Shore.«
»Oyster Shore?« Die Krankenschwester hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Wo ist das denn, mein Lieber? Ist das ein Ferienort?«
Aber ihr Patient verstummte. Sein Kopf sackte auf seine knochige Brust, und als sie nach seinem Puls tastete, erkannte sie, dass er die Antwort mit sich genommen hatte. Sie bekreuzigte sich und schloss ihm die Augen, empfand aber keinerlei Trauer, sondern nur Erleichterung, dass sie sich nun nicht mehr die Ergüsse seiner gequälten Seele anhören musste. Wohin auch immer er gegangen sein mochte, wo auch immer dieses Oyster Shore war, er würde nie mehr wiederkehren, um seine Taten zu beichten oder seine unsichtbaren Zuhörer um Vergebung zu bitten. Nie wieder würde er in die Nacht schreien, denn der Sand in seinem Stundenglas war durchgelaufen.
Gerald Snowe, einst der reichste Mann in England, war fort – und mit ihm seine Last aus Schuld, Reue und uralten Geheimnissen.
Kapitel 1
Gegenwart Cornwall
Das Schild am Tor verbirgt sich hinter Efeuranken und Flechten, der Name darauf – Oyster Shore – klingt wie ein Flüstern aus der Vergangenheit.
Das Tor hängt schief in den Angeln und wird fast von hüfthohen Gräsern überwuchert. Wilder Kerbel schäumt wie Gischt an den dahinterliegenden Weg. Die Maklerin hatte recht: Hier würde man nie ein Haus vermuten. Für mich ist das perfekt, denn was ich jetzt brauche, ist ein vergessener Ort und ein Ort zum Vergessen. Ich bin schon zweimal an dieser zugewucherten Einfahrt vorbeigefahren und wäre es wohl auch ein drittes Mal, wenn ich nicht durch das Laub einen Blick auf glitzerndes Wasser erhascht hätte. Das Glück hat mich hierher geführt.
»Sie haben Ihr Ziel erreicht«, reißt mich das Navi aus meinen Gedanken. »Bitte wenden!«
Erschrocken trete ich auf die Bremse und stemme mich gegen das Lenkrad. Ich bin nicht die weite Strecke gefahren, um kurz vor dem Ziel im Graben zu landen. Meine Wasserflasche rollt in den Fußraum. Breakspear, der auf dem Rücksitz gedöst hat, bellt vorwurfsvoll.
»Tut mir leid, Breaky«, sage ich und bücke mich nach der Flasche. Ich bin schon zu weit vom Tor entfernt, um zurückzusetzen. Die Straßen hier sind so extrem schmal, dass ich lieber nach einer Stelle zum Wenden Ausschau halte. »Es dauert nicht mehr lang, dann können wir einen schönen Spaziergang machen.«
Wenn Hunde sprechen könnten, würde Breakspear wohl sagen: »Jaja«, und zwar in dem resignierten Tonfall, den meine Nichte Ellie immer anschlägt, wenn Erwachsene etwas Langweiliges sagen. Wenn Hunde Smartphones hätten, würde Breaky wohl seinen Freunden Nachrichten mit Klagen über sein verrücktes Frauchen schicken, das ihn von interessant riechenden Bürgersteigen und seinem geliebten Garten mit den sorgfältig vergrabenen Knochen weggezerrt hat. Sieben Stunden Fahrt sind, trotz längerer Gassipausen, ein Fall für den Tierschutz, würde er klagen, und zwar in genau demselben Ton, den Ellie anschlug, als ihre Eltern einen Familienurlaub in Cornwall buchten. »Kein Handyempfang und unterirdisches WLAN«, hatte sie gejammert. »Wie soll das nur werden?«
»Himmlisch. Vielleicht sollten wir unsere Handys und Computer zu Hause lassen? Den Urlaub als Digital Detox nutzen?«, hatte ihre Mutter, meine große Schwester Marina, gekontert.
Ellie war blass geworden. Sie klebte förmlich an ihrem Handy und brauchte die sozialen Medien so dringend wie Sauerstoff.
Marina arbeitet in der Notaufnahme eines Londoner Krankenhauses und muss sich täglich um Wichtigeres kümmern als um jammernde Teenager, die in den Ferien kein Tiktok nutzen können. Ellie, die genau wusste, wann es genug war, hatte sich alles weitere verkniffen. Abgesehen davon genoss sie insgeheim jede einzelne Minute ihrer von Salz und Wind geprägten Ferien in Cornwall – genau wie Marina und ich früher. Wir wuchsen zwar in London auf, lebten aber praktisch für die Sommer im Cottage unserer Großeltern, das nur einen Steinwurf vom Readymoney Cove entfernt lag. Auf den Holzböden knirschte der Sand, weil wir ständig zum Strand liefen, unsere Haare waren von Sonne und Salz gebleicht und unsere Gesichter voller Sommersprossen.
Als ich an diesem Morgen Richtung Westen fuhr, spürte ich, wie es mir mit jeder zurückgelegten Meile leichter ums Herz wurde. Beim Überqueren der Tamar Bridge fiel eine riesige Last von mir ab, stürzte von der Brücke in die Tiefe und versank im Schlamm des Flussbetts. Ich fühlte mich so leicht wie schon lange nicht mehr. Das Leben, in das ich wie eine Schlafwandlerin geraten war, lag hinter mir, und ich war wieder in Cornwall. Ich durfte wieder Lowenna Scott sein. Mein kornischer Name und meine kornischen Wurzeln banden mich an dieses magische Fleckchen Erde. Ich war zu Hause.
Als ich als Kind meine Granny May in Cornwall besuchte und die Geschichten aus ihrer eigenen kornischen Kindheit hörte, verliebte ich mich in die Vorstellung, an einem Ort zu leben, wo die eigene Familie genauso zum Landstrich gehörte wie die kreischenden Möwen und die rauschenden Wellen. In London kannte niemand die Familie Scott. Wir wohnten in unserer Doppelhaushälfte in einer anonymen Straße in Harrow, die von Autos und staubigen Platanen gesäumt war, und wenn wir über Nacht verschwunden wären, hätte es wohl keiner unserer Nachbarn bemerkt. Meiner Mutter gefiel das. Sie meinte, es gäbe nichts Schlimmeres als Nachbarn, die alles von einem wüssten. Aber Granny May widersprach ihr immer. Sie war stolz darauf, dass schon seit Urzeiten Penwurthies in Trevellan lebten, deren Blut auch in meinen Adern floss. Ihre Namen standen auf dem Kriegerdenkmal am Hafen. Im Grunde sei es ein Zeichen ihrer tiefen Liebe zu Grandpa Bill gewesen, dass sie sich zwanzig Meilen weiter nach Fowey habe entführen lassen!
»Hast du Trevellan nicht manchmal besucht?«, hatte Marina einmal gefragt.
»Aber natürlich, Liebes, aber es war eben nicht mehr mein Zuhause, verstehst du? Das war hier bei Grandad, und außerdem hat deine Mum mich auf Trab gehalten.«
»Aber jetzt, wo Mum erwachsen ist, könntest du doch wieder in Trevellan wohnen. Sie hätte bestimmt nichts dagegen«, hatte ich gesagt. Meine Mum war schon richtig alt, mindestens dreißig, deshalb musste Granny May nicht mehr auf sie aufpassen. Im Gegenteil, je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass unsere Mutter Granny überhaupt nicht mehr brauchte. Mummy blieb nie mehr als ein paar Tage, wenn sie uns bei unseren Großeltern absetzte, und abgeholt wurden wir immer von Daddy, weil er es liebte, im Sand zu buddeln, in dem winzigen Cottage zu wohnen und die köstlichen Pasteten zu essen, die laut meiner Mutter dick machten.
Meine Großmutter hatte sehr über meinen Vorschlag lachen müssen, so, als hätte ich einen Witz gemacht. Dabei hatte ich das völlig ernst gemeint.
»Da hast du recht, mein Vögelchen. Ich denke oft, dass der Storch das falsche Baby bei uns abgeworfen hat. Deine Mum ist ein richtiges Stadtkind.«
Marina und ich nickten, obwohl wir nicht an den Storch glaubten. Mummy mochte Geschäfte, belebte Straßen und Restaurants. Daddy war zwar eher ein Landmensch, doch da er immer machte, was Mummy wollte, wohnten wir in der Stadt. So zeigte man wohl seine Liebe, hatte ich gedacht: Man machte, was der andere wollte, und nicht das, was einen selbst glücklich machte. Schließlich hatte Granny May für Grandad den Ort verlassen, den sie liebte, und Daddy war wegen Mum in der Stadt geblieben. Diese Lektion hatte ich mir eingeprägt, was, wie sich herausstellte, für mich nicht gut war.
»Möchtest du eines Tages nach Trevellan zurück?«, hatte Marina gefragt.
Granny May sah immer etwas wehmütig aus, wenn sie sich an das Zuhause ihrer Kindheit erinnerte. Sie erzählte Geschichten von Geistern im Moor und von Schmugglern, die durch die engen Gassen schlichen. Meine Lieblingsgeschichte handelte von dem Mädchen, das vor langer, langer Zeit ertrunken war, und dessen Gegenwart Granny May angeblich immer dann spürte, wenn Nebel aufzog. Wir wollten unbedingt wissen, wer sie war und wo sie ertrunken war, aber Granny May wusste es nicht. Vielleicht war sie gar nicht ertrunken, sondern die Kobolde hatten sie entführt? Vielleicht war sie durch die Zeit gefallen und konnte nicht mehr zurück? Granny warnte uns, dass es in Cornwall viele Orte gab, an denen man, wenn man nicht aufpasste, einfach verschwinden konnte. Zwischen großen Steinen, bei alten Kreuzen oder am Wassersaum beim Wechsel von Ebbe und Flut. Entsprach das der Wahrheit oder war das nur eine ihrer Geschichten? Schwer zu sagen, wenn man unter Dachbalken schlief, die aus den Wracks gesunkener Schiffe stammten, und das Meer leise unter dem Schlafzimmerfenster rauschte. Ob wahr oder nicht, diese Geschichten jagten Marina und mir immer wohlige Schauer über den Rücken, und wir liebten sie!
»Vielleicht gehe ich wieder nach Trevellan zurück, wenn ich alt bin? Also älter als jetzt, meine ich«, erklärte Granny May. »Aber nun ist Fowey mein Zuhause, und Grandad würde nicht umziehen wollen, nicht für alles Geld der Welt. Außerdem lebt in Trevellan niemand mehr aus meiner Familie. Ich bin die letzte der Penwurthies. Nur noch ich und die alte Familienkiste sind übrig geblieben.«
Granny May hielt nicht nur die alten Geschichten lebendig, sondern bewahrte auch Familienandenken in einer alten Holzkiste auf. An verregneten Tagen, wenn die ganze Welt tropfte, durften wir in ihren Schätzen wühlen und erfanden unsere eigenen Geschichten und Spiele.
»Seid vorsichtig mit den Sachen«, warnte sie uns immer, »meine Mutter hat diese Kiste ihr ganzes Leben lang wie einen Augapfel gehütet, und als sie starb, musste ich ihr versprechen, dass ich gut darauf aufpassen würde.«
Als wir nachfragten, warum, zuckte Granny nur die Achseln.
»Wenn ich das wüsste! Die Kiste war immer unter der Treppe versteckt, und meine Mutter ging jedes Mal in die Luft, wenn man sich ihr auch nur näherte!«
»Sind die Sachen viel wert?«, fragte Marina in der Hoffnung, einen Schatz gefunden zu haben.
»Du bist wirklich die Tochter deiner Mutter! Tut mir leid, Vögelchen, aber diese Sachen haben höchstens ideellen Wert«, erwiderte Granny. »Ich erinnere mich nur, dass ein Mann sie bei uns abgab, als ich noch sehr klein war. Ich machte die Tür auf, weil Ma das Baby stillte …«
»War das Baby dein Bruder, der im Krieg gestorben ist?«, unterbrach ich sie.
Wir kannten die Geschichte vom tapferen Onkel, der in seiner Spitfire abgeschossen wurde. Großonkel Eddie war ein Held. Hätte er überlebt, dann würde es noch mehr Penwurthies geben. Granny sagte auch immer, wenn Eddie überlebt hätte, wäre ihr Vater vielleicht nicht so unglücklich gewesen. Marrick Penwurthys düstere Stimmungen waren im ganzen Ort berüchtigt gewesen, und alle hatten sich vor ihm gefürchtet.
»Genau, Wenna, Gott sei seiner Seele gnädig. Jedenfalls war der Besucher damals ein vornehm gekleideter Mann, ein Gentleman, wie wir früher gesagt haben, und so jemanden hatte ich noch nie in unserem Haus gesehen. Er hatte einen Gehstock aus Ebenholz, mit silbernem Knauf, auf den er sich stützen musste, und seine dunklen Haare hatten graue Strähnen, dabei war er gar nicht alt. Wahrscheinlich nicht älter als mein Pa. Ich bemerkte, dass seine Augen sehr traurig aussahen. Ich war noch ganz klein, aber damals dachte ich, dass er der traurigste Mensch auf der ganzen Welt sein musste.«
»Was wollte er denn?« Da ich ein Fan von Fünf Freunde und der Schwarzen Sieben war, gefiel mir das Geheimnisvolle der Geschichte. Hätte ich es doch nur rausfinden können, was dahintersteckte!
»Er wollte meinen Vater sprechen und nannte ihn beim Vornamen, als würde er ihn gut kennen. Ich staunte, schließlich war Pa ein einfacher Fischer. Woher sollte er einen Gentleman kennen? Natürlich hätte ich keinem Fremden die Tür öffnen dürfen«, fügte sie schnell hinzu, »aber damals war das noch was anderes. Da kannte jeder jeden, und es gab noch eine Polizeistation im Dorf.«
»Wer war er denn?«, fragte Marina.
»Das weiß nur Gott«, erwiderte Granny May achselzuckend. »Niemand hat es mir je verraten. Damals hieß es, Kinder sollten nur gesehen, aber nicht gehört werden.«
Marina und ich verstanden den Wink mit dem Zaunpfahl und fragten nicht weiter nach. Granny May fuhr mit ihrer Geschichte fort. Sie blickte in die Ferne, als wäre sie wieder sieben Jahre alt und zurück im Haus ihrer Kindheit.
»Mein Pa war draußen auf dem Meer, und meine Ma wollte die Tür zuknallen, als sie den Besucher sah. Sie war wütend, doch er flehte sie an, die Kiste zu nehmen, die er mitgebracht hatte. Er meinte, damit könnten wir unser Glück machen. Ma fauchte wie eine Katze und wollte ihn nicht ins Haus lassen. Sie hatte ziemlich Temperament, meine Mum. Mit Elizabeth Penwurthy legte sich niemand an!«
»Anscheinend bin ich ihr ähnlich«, bemerkte Marina und warf ihre dunklen Locken zurück. »Mum sagt auch immer, ich hätte Temperament.«
»Das muss nicht unbedingt etwas Gutes sein«, wies Granny sie zurecht. Aber weder Marina noch ich glaubten ihr. Marinas Temperament erfüllte mich mit Ehrfurcht, und ich wünschte, ich hätte auch wenigstens ein bisschen davon. Schon als Kind gab ich viel zu schnell um des lieben Friedens willen nach und stellte meine eigenen Bedürfnisse zurück.
»Jedenfalls schickte Ma den Mann weg, und ich sah ihn nie wieder«, schloss Granny. »Sie schob die Kiste unter die Treppe, und dort blieb sie. Hin und wieder wagten Eddie und ich einen Blick hinein, aber wenn Ma uns dabei erwischte, konnten wir was erleben.«
»Was hat denn dein Dad gesagt? War er auch wütend?«, fragte ich. Urgroßvater Marrick war eine finstere Gestalt, einerseits ein Kriegsheld, andererseits jemand, vor dem man sich fürchtete.
»Ich glaube, sie hat sich nicht getraut, ihm davon zu erzählen. Pa redete nicht gern von der Vergangenheit, und Ma hat wohl gelernt, dass man ihn besser nicht aufregt. Seine Wutanfälle waren schrecklich. Wir schlichen nur auf Zehenspitzen um ihn herum«, erklärte Granny May. »Er war ein sehr zorniger Mann.«
Marina runzelte die Stirn. »Wieso denn?«
»Ach, Schatz, das ist schwer zu sagen. Der Krieg hatte ihn verändert, zumindest hörte ich das immer. Er hat schreckliche Dinge erlebt, über die er nie hinwegkam. Er hat gesehen, wie sein bester Schulfreund getötet wurde – Mums Bruder. Könnt ihr euch vorstellen, wie das für ihn gewesen sein muss? Der Erste Weltkrieg war einfach furchtbar.«
Nein, das konnten wir uns nicht vorstellen. Aus der Schule kannten wir zwar die künstlichen Mohnblumen, die man sich am Gedenktag ansteckte, aber der Erste Weltkrieg war für uns ganz weit weg. Ein seltsamer Gedanke, dass Granny Mays Vater gekämpft hatte! Für meine Schwester und mich war das eine weitere Geschichte, seltsam fern.
»Viele der Männer, die aus dem Krieg zurückkehrten, befanden sich in einem schrecklichen Zustand. Manche hatten einen Arm oder ein Bein verloren, oder sie hatten andere schwere Verletzungen. Aber diese waren vielleicht sogar leichter zu ertragen als die seelischen Wunden, die viele andere, wie mein Vater, davongetragen hatten. Damals nannte man so etwas Trichtertrauma, und bei meinem armen, alten Dad war es ziemlich schlimm. Wenn er einen seiner Anfälle hatte, mussten wir uns alle verstecken. Vermutlich traute Mum sich nicht, von dem Besucher und der Kiste zu erzählen, aus Angst, er würde fuchsteufelswild.«
»Aber du hast doch gesagt, mit der Kiste hättet ihr euer Glück machen können«, bemerkte ich.
»Wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet, Lowenna«, erwiderte Granny lächelnd. »Kinder haben eine lebhafte Phantasie – wie du selbst sehr gut weißt.«
Ich erfand für mein Leben gern Geschichten und notierte sie in meinen Heften, aber noch nie hatte ich mir etwas ausgedacht, das so aufregend war wie Grannys Geschichten. Sie war äußerst einfallsreich und hielt uns oft stundenlang in Bann. Rückblickend kommt mir oft der Gedanke, sie hätte Schriftstellerin werden sollen.
»Vielleicht ist eine Schatzkarte darin versteckt?«, sagte Marina hoffnungsvoll, doch Granny verdrehte nur die Augen.
»Nein, nichts dergleichen. Nur ein paar Zeichnungen und alte Fotos. Mum hat im Laufe der Jahre selbst ein paar Sachen hineingelegt, Fotos und Knöpfe und so weiter, und ihr werdet das wohl auch tun. Obwohl es unsere gesammelten Familienandenken sind, werden sie eines Tages völlig bedeutungslos sein. Wenn ich nicht mehr da bin, wird eure Mum sie vermutlich wegwerfen.«
»Das lassen wir nicht zu«, versicherte Marina.
»Na, dann viel Glück damit«, erwiderte Granny May.
»Aber wer war denn der Mann?«, beharrte ich.
Granny May wuschelte mir durchs Haar. »Keine Ahnung, Liebes. Ich habe ihn nur dieses eine Mal gesehen, und das ganz kurz. Vermutlich war er ein Offizier, der mit Pa in Frankreich gekämpft hat. Denn er war ein feiner Pinkel. Das ist ein altmodisches Wort für ›vornehmer Herr‹. Aber eine Schatzkarte gab es nicht. Dabei hätten wir weiß Gott Geld gebrauchen können. Wir waren ziemlich knapp dran, als Pa nicht mehr fischen konnte.«
Dann folgte unweigerlich der Teil der Geschichte, in dem Granny uns über Schuhe mit Löchern in den Sohlen, über geflickte Kleider und das Fehlen eines Fernsehers erzählte. Damit wollte sie uns die Lehre erteilen, dass Marina und ich dankbar sein konnten für unsere guten Schuhe und unsere schönen Möbel. Doch wir hörten kaum noch zu, weil es nicht das Geringste mit unserer Welt zu tun hatte. Viel interessanter erschien uns die Frage, ob die Kiste uns Glück bringen könnte. Jedenfalls war sie unsere ganz persönliche Schatzkiste geworden. Marina und ich leerten sie immer wieder auf dem Teppich vor dem Kamin aus und begutachteten den Inhalt. Am meisten liebten wir die bunten, vom Meer glatt geschliffenen Glasscherben, die in einem kleinen Samtbeutel aufbewahrt wurden, der einst pechschwarz gewesen, nun aber verschlissen war. Für uns waren die Scherben Edelsteine, die wir ins Licht hielten und auf dem Teppich arrangierten.
Ein ganz besonderer Gegenstand erschien uns aber wirklich wertvoll: ein emaillierter Schmuckkamm in Form eines blauen Vogels, der ein glühend rotes Auge, leuchtend blaue Federn und grausam wirkende, goldene Klauen hatte. Zwar war die Emaille an einigen Stellen abgesprungen und dem Kamm fehlten ein paar Zähne, doch wer auch immer ihn sich ins Haar stecken durfte, fühlte sich wie eine Prinzessin und durfte an diesem Tag über die Spiele bestimmen. Oft fiel Marina diese Rolle zu, und mir blieb nur die Nebenrolle.
Wahre Schätze waren für uns auch die Postkarten und Fotos. Eines zeigte ein Herrenhaus, das wie ein Schloss aussah, und ein anderes ein elegantes weißes Haus, auf dessen Terrasse zwei kleine Jungen und ein Mädchen posierten. Einer der Jungen trug einen Matrosenanzug und blickte finster in die Kamera, während der andere wie ein Schmuddelkind aussah – zumindest behauptete das Granny, die sich über seine nackten Füße mokierte. Das kleine Mädchen trug ein wunderschönes weißes Kleid und einen weißen Hut, doch sie wirkte, als wollte sie sich diesen am liebsten vom Kopf reißen und zertrampeln. Ich stellte mir gerne vor, die drei hätten, kaum dass das Fotos geschossen war, lachend und kreischend die Flucht ergriffen, um irgendwo zu spielen. Marina und ich erfanden Namen für sie und inszenierten detaillierte Szenen, wobei eine von uns dann das kleine Mädchen sein durfte, das wir Prinzessin Clementine nannten, weil Grandad Bill so gerne Clementinenmarmelade mochte. Die Jungen tauften wir Henry und Joe. Sie gerieten ständig in Schwierigkeiten und wurden von Clementine gerettet, die die Klügste der drei war.
Wir fragten uns, wer sie wohl gewesen waren, doch Granny May behauptete, sie wüsste es nicht. Vielleicht Freunde ihrer Mutter? Zur Jahrhundertwende, auf die der Stil der Kleider schließen ließ, war Elizabeth Penwurthy ein kleines Mädchen gewesen, doch auf der Rückseite des Fotos standen keine Namen, nur eine kaum lesbare Kritzelei mit Bleistift, die aussah wie ein Vers. Es gab auch keine Angaben, wer das Foto gemacht hatte, und Granny May kannte das Haus nicht.
»Der Fluss könnte der St. Wyllow in der Nähe von Trevellan sein«, vermutete sie. »Aber ich weiß, dass das Herrenhaus auf der Postkarte Vyvyan Court ist. Viele von uns Penwurthies haben dort gearbeitet, eine Weile auch meine Mutter. Es hat lange Jahre leer gestanden, da die Familie, der es gehörte, starb, und die amerikanischen Soldaten, die es beschlagnahmt hatten, nach dem Krieg nach Hause zurückkehrten.«
Wenn meine Schwester und ich keine Lust mehr auf Prinzessin Clementine und ihre Vasallen hatten, spielten wir mit Murmeln aus der Kiste oder erfanden Geschichten über den gut aussehenden Uniformierten auf dem Foto, bei dem es sich laut Granny um ihren Furcht einflößenden Vater handelte, als er noch jung und fröhlich gewesen war.
»Pa hatte Glück, dass er aus dem Krieg zurückkehrte«, erklärte sie. »Vielen seiner Freunde war das nicht vergönnt. Als sie sich meldeten, waren sie noch halbwüchsige Jungen, und sie hatten keine Ahnung, was sie erwartete. Keiner von Pas Brüdern kehrte zurück, und das brach meiner Großmutter das Herz. Es hieß, sie wäre vor Kummer gestorben.«
Das war eine traurige Erzählung, die in ein Geschichtsbuch gehörte, aber unsere Aufmerksamkeit genauso wenig fesselte wie das Taschenbuch mit den Eselsohren, das nach Schimmel roch und mit Zahlen vollgekritzelt war. Viel lieber war uns das alte Skizzenbuch mit den vergilbten Seiten, das mit Zeichnungen von einem sehr gut aussehenden jungen Mann und von Ansichten eines baumgesäumten Ufers gefüllt war. Der junge Mann hatte dichte, helle Haare, hochgekrempelte Hemdsärmel und schaute in ein Buch oder in die Ferne. Eine Skizze zeigte ihn, wie er auf einem Ponton saß, mit einem Notizbuch auf dem Schoß und einem Stift in der Hand. Auf einer anderen lag er mit nacktem Oberkörper auf einem Bett. Unter der Zeichnung stand in geschwungener Handschrift N. OS. 1914.
N.? War das sein Name? Oder war das die Signatur des Künstlers? Wir hatten Granny May gefragt, aber die wusste es nicht, kannte auch den Künstler nicht, runzelte bei der Skizze mit dem Bett aber missbilligend die Stirn.
»Solche Dinge geraten im Laufe der Zeit in Vergessenheit, und das ist wohl auch gut so«, sagte sie entschieden, klappte das Skizzenbuch zu und legte es zurück in die Kiste. »Diese Zeichnungen haben irgendwann bestimmt etwas bedeutet, obwohl ich mir kaum vorstellen kann, was. Ich habe keine Ahnung, wer dieser schamlose junge Mann war. Aber ich glaube, das dargestellte Ufer könnte ein höher gelegener Abschnitt des Penhayes Estuary sein. Wisst ihr noch, wie wir nach Trevellan gefahren sind, Mädchen? Wir haben den Fluss mit der Autofähre überquert und im Pub zu Mittag gegessen.«
An diesen Tag habe ich glückliche Erinnerungen an Sonnenschein, Krabbensandwichs und heiße Plastikstühle, die an den nackten Beinen klebten. Aber wir besuchten Trevellan nur ein einziges Mal, da Granny May starb, als ich zehn war, und Grandpa Bill, der sie über alles geliebt hatte, nur wenig länger lebte. Ihr Cottage wurde verkauft, und unsere kornischen Sommerferien blieben für immer im Land unserer vergangenen Kindheit zurück.
Die Jahre vergingen, doch in meiner Phantasie blieb Cornwall ein magischer Ort, der mir noch mehr ans Herz wuchs, seit ich jedes Buch von Daphne du Maurier verschlang, das ich in die Finger bekommen konnte. Wann immer es mir möglich war, fuhr ich am Wochenende nach Fowey, um die Stätten meiner Kindheit zu besichtigen, doch von London nach Cornwall ist es weit, und David bevorzugte Stadt- oder Cluburlaube. Zwar sehnte ich mich nach salziger Luft, nach geschwungenen Sandbuchten und dem weiten Himmel, über den Wolken zogen, doch unterdrückte ich diese Sehnsucht und redete mir ein, es wäre wichtiger, mich auf meine Beziehung und meine Karriere zu konzentrieren. Ich hatte es verlernt, meinen Wünschen zu folgen.
Aber nun, als ich auf der Suche nach einem Platz zum Wenden durch die enge Straße mit der hohen Böschung fahre, glaube ich aus tiefstem Herzen, dass mich meine kornischen Wurzeln hierher zurückgeführt haben. Trevellan, der Ort, wo meine Vorfahren über Generationen lebten, ist nur drei Meilen von Oyster Shore entfernt, und ich bin hier umgeben von der Landschaft aus den Geschichten meiner Großmutter. Von außen betrachtet erscheint es unvernünftig, mein ganzes Leben an einen Ort zu verlagern, den ich noch nie gesehen habe, aber in meinem Herzen spüre ich den Sinn. Hier herrscht eine heilsame Stille. Es ist sicher. Ich kann mich erholen, und ich kann wieder schreiben. Es ist richtig, nach Cornwall zu kommen. Davon bin ich überzeugt.
Ein großer Geländewagen kommt auf mich zu. Da er wie ein Panzer wirkt und seine vielen Beulen auf zahlreiche Zusammenstöße mit Gattern und Trockenmauern schließen lassen, fühle ich mich genötigt, ihm so schnell wie möglich auszuweichen.
»Bitte wenden«, wiederholt das Navi beharrlich, während ich verzweifelt versuche, gleichzeitig den Wagen zu lenken und die Wasserflasche in die Hand zu bekommen, die immer noch im Fußraum herumrollt und zu platzen droht. Das ist so schwierig, wie es sich anhört, und bis es mir gelingt, schlingert mein Wagen gefährlich hin und her. Mit heftig klopfendem Herzen richte ich meine Aufmerksamkeit wieder aufs Fahren, und das keine Sekunde zu früh, denn der Geländewagen macht keinerlei Anstalten zu bremsen. Der Fahrer ist hinter seiner spiegelnden Sonnenbrille verborgen und scheint sich darauf zu konzentrieren, geradewegs auf mich zuzufahren. Ich werde noch vor meiner Ankunft zerquetscht werden. Nicht gerade der Neuanfang, auf den ich gehofft hatte.
»Bitte wenden!«, tönt das Navi.
»Ja, ja, ich weiß!«, fauche ich wütend. »Ich brauche einen Wendeplatz! Irgendwelche Vorschläge?«
Versunkene Sträßchen sind hübsch, zum Wenden oder Ausweichen aber ziemlich unpraktisch, wenn sich auf der einen Seite ein Graben und auf der anderen Seite eine Steinmauer befindet. Da ich diese Straße schon zweimal entlanggefahren bin, weiß ich, dass sie in etwa einer halben Meile breiter wird und sich zu einer Lichtung öffnet. Dort steht ein Wohnwagen, der von wunderschönen Holzskulpturen umgeben ist, doch zu meiner Erleichterung ist niemand erschienen, um mir wegen des Wendens Vorhaltungen zu machen.
Die Scheinwerfer des Geländewagens blitzen auf. Will er mir damit freundlich signalisieren, dass er an den Rand fährt, damit ich mich an ihm vorbei quetschen kann? Oder ist das ein aggressives Geheimzeichen der Einheimischen für Aus dem Weg, du blöder Touri!? Bei dem Gedanken werde ich rebellisch. Ich habe das gleiche Recht wie er, diese Straße zu benutzen. Ich lass mich nicht mehr rumschubsen. Das habe ich ein für alle Male hinter mir!
»So, Breaky«, verkünde ich. »Ich werde standhalten, wie Russell Crowe in Gladiator. Und auf mein Zeichen bricht die Hölle los!«
Andererseits … vielleicht lieber doch nicht. Dieser Wagen wirkt ziemlich solide, und mein kleines Auto ist eine Blechkiste. Vielleicht sollte ich doch zurücksetzen. Will er das? Wie ich rasch lerne, herrscht auf kornischen Straßen das ziemlich gefährliche Gesetz des Entschlosseneren: Wer am längsten draufhält, zwingt den anderen, den Rückwärtsgang einzulegen. So ist es sehr einfach, Einheimische zu identifizieren, weil sie atemberaubend schnell zur nächsten Einbuchtung zurücksetzen. Mir hat heute schon ein zornesroter Jaguarfahrer den Finger gezeigt, ein Traktorfahrer fröhlich gewunken und eine alte Dame einen mitleidigen Blick zugeworfen, während sie geschickt eine halbe Meile rückwärtsfuhr, während ich noch panisch die Gangschaltung betätigte.
Touris, denken sie wohl verächtlich. Städter, können nicht mal rückwärtsfahren. Na, dann sollen sie doch mal in der Rushhour den Kreisverkehr an der Hangar Lane bewältigen! Oder sich am Terminal drei in Heathrow in den Zubringer einfädeln! Selbst hartgesottene Londoner Taxifahrer erbleichen angesichts der Verkehrsführung am Flughafen, aber ich schaffe das mit verbundenen Augen, weil ich David unzählige Male von seinen Geschäftsreisen abgeholt habe. Selbst er fand da nichts mehr zu mäkeln.
Piep! Piep! Blitz! Blitz!
Vierspurige Zubringer, Exfreunde mit Jetlag und tieffliegende Flugzeuge verschwinden. Zurück auf der Straße mit dem immer näherkommenden Geländewagen umklammere ich den Schaltknüppel und bemühe mich, den Rückwärtsgang zu finden. Das Getriebe knirscht. Ich gebe die Hoffnung auf, dass mein Lack unbeschädigt bleibt und setze in eine Lücke in der Mauer zurück.
Der Wagen hält neben mir, und der Fahrer kurbelt das Fenster herunter, schiebt sich die Sonnenbrille in die dichten, blonden Haare, lehnt sich heraus und strahlt mich an.
»Tag! Haben Sie sich verfahren?« Ich bin verblüfft über den australischen Akzent.
»Ich habe Sie schon ein paarmal vorbeifahren sehen. Wenn Sie nach Trevellan wollen, das ist in der anderen Richtung«, fügt er hinzu, als ich nicht antworte.
»Nein, alles gut, ich suche nur nach einem Platz zum Wenden«, sage ich, nachdem ich mich von dem Schock erholt habe, Bradley Coopers besser aussehendem Zwilling vor mir zu haben. »Aber trotzdem danke.«
»Leichter gesagt als getan, wie? Da hinten an meinem Wohnwagen ist genug Platz. Da könnten Sie wenden« Sein Grinsen wird noch breiter. »Ein weiteres Mal.«
Also bin ich wohl doch nicht unbemerkt geblieben.
»Tut mir leid«, erwidere ich. »Ich wusste nicht, dass jemand zu Hause ist.«
Er winkt abwehrend mit seiner braun gebrannten Hand. »Kein Problem. Das bin ich schon gewohnt. Sie wären überrascht, wie viele die Abzweigung nach Trevellan verpassen und hier landen. Ich erkläre ihnen immer, wie sie ins Dorf kommen – oder nach Vyvyan Court, wenn es ein schicker Wagen ist.«
»Wollen Sie damit sagen, mein Wagen ist nicht schick?«, frage ich mit ausdrucksloser Miene.
»Ah, britischer Humor, richtig?«
Wir betrachten mein altes Auto. Niemand würde einen zwölf Jahre alten Peugeot 207 als »schick« bezeichnen.
»Nein, nur so eine Vermutung«, entgegne ich. »Jedenfalls habe ich mich nicht verfahren, sondern nur meine Einfahrt verpasst.«
Ich überlege noch, ob ich ihm erzählen soll, dass ich im alten Bootshaus von Oyster Shore wohnen werde, da bricht Breakspear in wildes Bellen aus.
»Halten wir dich auf, Kumpel?«, fragt der Fahrer, worauf Breakspear freudig mit dem Schwanz wedelt und sich in dem Bestreben, den Fremden kennenzulernen, gegen seinen Gurt stemmt. So viel dazu, dass er mich beschützen soll, wenn ich allein in meinem neuen Haus bin. Da könnte ich mich ja noch besser auf das Navi verlassen, das mir vom Armaturenbrett aus Anweisungen erteilt.
»Bei der ersten Gelegenheit bitte wenden!«
»Meine Güte, das lässt aber auch nicht mit sich spaßen! Ich gehorche wohl besser.« Der Fahrer lacht. Die Nachmittagssonne lässt seine erstaunlich grünen Augen leuchten. Auf seiner gebräunten Gesichtshaut schimmert ein goldener Dreitagebart. Hellere Lachfältchen breiten sich um seine Augenwinkel aus und verschwinden in seiner dichten Mähne. »Ich quetsch mich vorbei. Sollte passen.«
»Sollte?«, wiederhole ich nervös, aber es ist zu spät, Bedenken anzumelden. Schon geht es vorwärts, und zwischen der schlammbespritzten Seite seines Wagens und dem glänzend schwarzen Lack meines Wagens sind nur wenige Zentimeter Platz. Beklommen halte ich die Luft an und ziehe sogar den Bauch ein, aber unsere Wagen berühren sich nicht. Erleichtert atme ich auf. Im Rückspiegel sehe ich, wie er fröhlich den Daumen reckt und dann Gas gibt. Ich fahre weiter die Straße entlang, froh, dass es keinen Crash gegeben hat. Von nun an werde ich an meiner Rücksetztechnik arbeiten – oder nur noch zu Fuß laufen. Das wäre vielleicht einfacher.
Als ich am Wohnwagen wende, bemerke ich Blumentöpfe mit Kräutern auf den Stufen und ein kleines Gemüsebeet daneben. Da ich den Bildhauer kennengelernt habe, schaue ich mir auch die Skulpturen genauer an. Da sind keine grob mit der Kettensäge bearbeiteten pilzförmigen Gebilde, sondern raffiniert geschnitzte Waldtiere, abstrakte Formen und sogar ein großes, sich aufbäumendes Pferd. Ein Künstler also? Oder ein Australier auf der Durchreise, der den Sommer über bleibt und so lange Gelegenheitsarbeiten verrichtet? Für einen Backpacker kommt er mir allerdings etwas zu alt vor. Ich würde sagen, dass er ein bisschen älter ist als ich. Anfang vierzig vielleicht? Nicht, dass mich das was anginge. Ich bin nicht hergekommen, um neue Leute kennenzulernen. Ganz im Gegenteil.
Zurück an der Zufahrt von Oyster Shore sehe ich einen holprigen Betonweg, der von halb verwelkten Blauglöckchen gesäumt ist. An vielen Stellen sind Baumwurzeln durch den Weg gebrochen, tiefgrünes Moos überwachst den Beton. Irgendwo zwischen den dichten Rhododendren und Azaleen muss das alte Haus stehen. Schon bald werde ich es zum ersten Mal richtig sehen und mein eher undeutliches Bild von der veralteten Website der Realität anpassen.
Kein Wunder, dass das Anwesen so schwer zu vermitteln war! Die tiefen Rillen und Schlaglöcher in der Auffahrt ermöglichen nur Fahrzeugen mit Allradantrieb den Zugang. Davids Cabrio hätte da keine Chance, selbst wenn er mich hier aufsuchen wollte. Wenn ich die rostige Kette hinter mir wieder über den Torpfosten lege und mein Auto auf dem Grundstück verstecke, wird niemand auch nur ahnen, dass Oyster Shore nun bewohnt ist.
Einfach perfekt. Vor lauter Aufregung läuft mir ein Schauer über den Rücken, denn dieser Ort ist alles, was ich mir erhofft habe – und noch mehr. Er ist ein romantisches Fleckchen Erde. Die in dem dunklen Wäldchen verschwindene Auffahrt erinnert an das geheimnisvolle Cornwall von Daphne du Maurier und das glitzernde Wasser an die endlosen Sommer in den Büchern von Enid Blyton.
Mein Wagen ruckelt über den Weg. Kaum bin ich um eine Kurve gebogen und damit außer Sichtweite der Straße, fahre ich an den Wegesrand, schalte den Motor aus und atme tief durch. Lowenna Scott hat ihr Ziel erreicht.
Ich springe aus dem Wagen, recke die Arme zum Himmel und drehe den Kopf nach links und rechts, um meinen steifen Nacken zu dehnen. Wie gut es sich anfühlt, den salzigen Wind auf meinen Wangen zu spüren und dem Vogelgezwitscher zu lauschen! Ich meine sogar, dass irgendwo Wellen rauschen, also kann das Meer nicht weit weg sein. Einfach perfekt!
»Breakspear«, sage ich und ziehe die hintere Tür auf. »Bist du bereit, unser neues Zuhause zu erkunden?«
Kapitel 2
Gegenwart Cornwall
Auf Oyster Shore bin ich durch Zufall gestoßen, oder sollte ich sagen, es war eine Laune des Schicksals? Denn kaum erschien die Website auf dem Bildschirm meines Laptops, wusste ich, dass ich genau dorthin wollte. Dies war genau der Ort, den ich brauchte. Vielleicht war es sogar mehr als nur ein Ort, vielleicht war es ein Gemütszustand?
Als freischaffende Autorin verbringe ich viel Zeit im Internet, vorgeblich, um Recherche für mögliche Projekte zu betreiben oder als Ghostwriter für erfolgreichere Autoren zu schreiben, in Wahrheit jedoch, um durch Facebook, Twitter und Instagram zu scrollen und irgendwas zusammenzuschustern. Vor ein paar Wochen versuchte ich krampfhaft, mich auf Ideen für einen neuen Auftrag zu konzentrieren und den neuesten Ansturm von Davids vorwurfsvollen Nachrichten zu ignorieren. Da aufgeben keine Option für ihn ist – was David Blake einmal gehört, gibt er nicht mehr her –, flutet er, wie zu erwarten war, meinen Posteingang mit einer beträchtlichen Anzahl von E‑Mails. Offensichtlich ist er wild entschlossen, mich zu zermürben, doch das gelingt ihm nicht. Dieses Mal nicht.
Dieses Mal war alles anders. Alles. Entscheidend jedoch war, dass ich anders war, wusste ich nun doch ganz genau, dass ich weder verrückt noch paranoid war, weder eifersüchtig noch besitzergreifend oder was auch immer er mir in der Vergangenheit vorgeworfen hatte. Es war, als wäre ich durch einen Spiegel getreten, doch die Welt um mich herum war nicht auf den Kopf gestellt, sondern ich sah endlich alles richtig herum. Alles ergab einen Sinn. Alles war genau so, wie es sein sollte.
Wie leicht kann sich alles durch eine zufällige Entscheidung verändern! Oft sind es nicht weltbewegende Ereignisse, die unser Leben in eine ganz andere Richtung lenken, sondern banale Impulse, die wir kaum wahrnehmen. In meinem Fall war ich nur ein bisschen zu faul, den Sender des Radios auf dem Nachttisch zu ändern, während David sich für ein Frühstücksmeeting vorbereitete und ich meine Sachen einsammelte, um seine Wohnung zu verlassen. Wenn ich nicht von einem interessanten Beitrag über Mary Shelley abgelenkt worden wäre, wäre ich nicht so spät dran gewesen, um Breakspear beim Hundesitter abzugeben. Dann hätte ich nicht den Bus verpasst – und wenn ich den nicht verpasst hätte, wäre mir erst einige Meilen später aufgefallen, dass ich mein Handy vergessen hatte. Es wäre viel zu spät gewesen, noch mal umzukehren, angesichts des in der angelehnten Haustür steckenden Ersatzschlüssels die Stirn zu runzeln und die Wohnung zu betreten. Es wäre viel zu spät gewesen, um der Spur der im Flur fallen gelassenen Kleidungsstücke zu folgen. Zu spät, um die Schlafzimmertür aufzustoßen und viel zu spät, um Davids schockierte Miene zu sehen, als er in den Spiegel schaute und meinem Blick begegnete.
All das nur, weil ich ein Seminar über Schauerliteratur in der Uni belegt hatte. Weil ich für den Dozenten schwärmte! Was, wenn er sich auf Linguistik spezialisiert hätte? Oder die Postmoderne? Dann hätte ich mich wahrscheinlich nicht für die Entstehung von Mary Shelleys Meisterwerk interessiert, hätte den Radiosender gewechselt, Davids Wohnung pünktlich verlassen und nie die Wahrheit erfahren. Nie hätte ich genügend Wut aufgebracht, die mich befeuerte, das zu tun, was ich schon beim allerersten Mal hätte tun sollen, als er …
Wie auch immer: Das ist Vergangenheit. Was ich wohl sagen will, ist, dass das Leben vielleicht nur eine Aneinanderreihung von Chancen ist, über die wir kaum Kontrolle haben. Wer weiß, wie viele perfekte Paare sich nie begegnen, wie viele Kinder ungeboren bleiben, wie viele großartige wissenschaftliche Entdeckungen nicht gemacht werden, weil jemand stehenbleibt, um sich die Schuhe zuzubinden, oder mal aufs Klo muss? Man könnte glatt verrückt werden, wenn man zu lange über all die nicht eingeschlagenen Wege und die endlosen Paralleluniversen nachdenkt! Ich glaube lieber, dass das Schicksal uns gern einen Schubs in die richtige Richtung gibt. Wäre ich sonst jetzt hier und schlenderte über diese zugewucherte Einfahrt, nur wenige Meilen entfernt von dem Ort, den meine Familie über Generationen hinweg kannte und liebte?
Seit jenem schrecklich klischeehaften Moment ist mir klar geworden, dass ich meinem Instinkt folgen muss. Ich kann mich auf meine Intuition verlassen. Ich zerrte mir den Ring vom Finger und warf ihn zu Boden, wo er sich kurz um sich selbst drehte, bevor er davon rollte und das Leben mit sich nahm, in das ich fast unwiderruflich gestolpert wäre. Während David nach seinem Bademantel grapschte, drehte ich mich um und ging. Schon da wusste ich, dass ich nie mehr zurückkehren würde, und diese Erkenntnis fühlte sich an, als könnte ich endlich wieder Luft schnappen, nachdem mein Kopf viel zu lange unter Wasser gedrückt worden war.
Mir tat das Herz weh, aber das würde heilen. Ich würde heilen. Ich war frei.
Meine Mutter findet es verrückt, »mir David durch die Lappen gehen zu lassen«. Er hat Geld, ein schönes Auto (ganz oben auf ihrer Liste) und ist erfolgreich. Eine unverheiratete achtunddreißigjährige Tochter ist für sie ein Anlass zu großer Sorge, und sie hat mir sehr zugesetzt, damit ich meinen Entschluss widerrufe.
»Willst du denn gar nicht heiraten, Lowenna?«, hatte sie traurig gefragt. »Möchtest du keine Kinder? Eine Familie? Die Uhr tickt, weißt du?«
Die Antwort auf diese Fragen ist komplex. Sie lautet: Ja und gleichzeitig entschlossen Nein, wenn er nicht der Richtige ist. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich sechzehn war, und mein Vater wohnt jetzt mit seiner zweiten Frau auf einem entlegenen Bauernhof in den Pyrenäen. So weit ich sagen kann, ist er sehr glücklich – aber irgendwann einmal mussten meine Eltern wirklich geglaubt haben, sie liebten sich und würden für immer zusammenbleiben, denn sonst hätten sie nicht geheiratet. Wie soll man das also jemals sicher wissen? Und was ist Liebe überhaupt? Vielleicht nur eine Erfindung von Schriftstellern, die Bücher verkaufen wollen? In meiner Jugend dachte ich immer, ich würde Liebe unfehlbar erkennen, tief in meinem Innern. Cathy und Heathcliff mussten nicht über ihre Gefühle nachdenken, und Romeo und Julia auch nicht. Also würde es bei mir auch so sein, oder?
Doch während die Zeit verging, erlebte ich nie das Feuerwerk, auf das ich gehofft hatte. Meine ernst zu nehmenden Beziehungen kann ich an einer Hand abzählen. Da wäre meine Uniliebschaft mit Jon, dem Rechtsanwalt (der jetzt mit seinem Mann in New York lebt), und danach Drew, ein Englischlehrer. Ich verstehe mich immer noch gut mit ihnen und betrachte sie als gute Freunde. Aber David Blake war der einzige Mann, der mich wirklich umhaute. Er kam als neuer Chef in meinen Verlag Erasmus Publishing House und war der Inbegriff des großen, dunklen, starken Helden. Er hätte geradewegs aus einem Kitschroman entsprungen sein können. Er war Christian Grey ohne Sadomaso. Edward Cullen ohne Vampirzähne. Als David mich zum Essen einlud, war ich zwar geschmeichelt, aber auch verwirrt: Das ganze Büro war doch voll von Zwanzigjährigen mit langen Beinen und wehenden blonden Mähnen. Wieso hatte er sich für mich entschieden?
»Was wissen die schon über Yeats oder Heaney?«, entgegnete David, als ich ihn das fragte. Da saßen wir gerade zu einem späten Essen in einer kleinen Trattoria am Covent Garden, in der es tropfende Kerzen auf Korbflaschen gab und alles durchdringend nach Knoblauch und Tomaten roch. Aber als ich aufblickte, ertappte ich ihn, dass er missbilligend zusah, wie ich mit einem dicken Stück Knoblauchbrot die Reste meiner Carbonara-Sauce aufwischte. Angesichts seines offensichtlichen Unwillens musste ich einen Anflug von Unbehagen unterdrücken. Ich liebe Essen. Ich liebe es, einzukaufen, zu kochen und zu essen. Natürlich kriegt man so keine Size zero, aber mit fünfunddreißig hatte ich akzeptiert, dass für mich die Wahrscheinlichkeit, dünn zu sein, geringer war als die, auf den Mars zu fliegen. Andererseits, wer wollte schon ins Weltall? Das überließ ich gerne Jeff Bezos und Captain Kirk.
»Nicht das Geringste«, räumte ich ein. Die meisten Mädchen, die ein Praktikum bei Erasmus Press machten, hatten Namen wie Poppy oder Binky oder Sophia, und waren nur dort, weil Daddy Kontakte hatte und sie »irgendwas im Verlagswesen« machen wollten, während sie sich nach einem Ehemann umschauten. Ihre Literaturkenntnisse passten auf eine Briefmarke.
»Aber was hat das damit zu tun?«
David griff nach meiner Hand. »Alles, siehst du das nicht, Lowenna? Genau das ist der Punkt. Du bist anders. Erfrischend anders. Und verdammt sexy. Ich muss dich ständig ansehen.«
Mir schwirrte der Kopf. Sicher war ich anders, aber das hatte ich bis jetzt nicht als positiv erachtet. Früher hatte ich mir die Haare geglättet, mir Minimizer-BHs gekauft, um meinen großen Busen zu kaschieren, und mir sogar eine Zeit lang eingeredet, ich könnte ebenfalls mit Skinny Jeans und kniehohen Stiefeln herumlaufen. Als David Blake auf den Plan trat, hatte ich zwar mit meinen krausen Haaren nicht gerade meinen Frieden gemacht, aber kapituliert, und wartete darauf, dass Bootcut Jeans wieder in Mode kamen. Es erforderte einen gewissen Paradigmenwechsel, um mich durch seine Augen zu sehen, doch als mir das gelungen war, mochte ich, was ich sah, und David mochte ich auch. Er war witzig und klug und ohne jeden Zweifel sehr gut in seinem Job. Seit er da war, ging es mit Erasmus bergauf, die Verkaufszahlen schossen durch die Decke, und wir hatten mehrere berühmte Autoren unter Vertrag genommen. David schien einfach perfekt, und solange ich seine volle Aufmerksamkeit hatte, dachte ich, er wäre genau der Mann, den ich mir gewünscht hatte. Später jedoch, als er mich tief verletzte, erkannte ich, dass ich die Warnsignale übersehen hatte. Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, muss ich auch zugeben, dass nicht alles seine Schuld war. Ich hätte auf meinen Instinkt vertrauen und auf mein Herz hören sollen – und zwar schon bei unserem ersten Date. Wir hätten die Sache schon da abbrechen sollen.
»Einen Fehler, er hat einen Fehler gemacht, Lowenna«, beschwor mich meine Mutter, als ich ihr erzählte, dass die Verlobung geplatzt war. »Du darfst nichts überstürzen!«
Ich starrte in den Spiegel und sah einen Elfen mit schlaff herabhängenden Haaren, verschwollenen Augen und einer Nase, die so rot war wie bei Rudolph, dem Rentier – aber in seinem Blick sah man einen Hauch Selbstachtung aufblitzen.
»Es geht nicht darum, dass er mal nicht den Müll rausgebracht hat, Mum, sondern er war mit einer anderen zusammen!«
»Na gut. Das hätte er nicht tun sollen, aber Männer sind anders als wir, Schatz. Sie haben so ihre schwachen Momente. Nimm deinen Vater!«
Mein Vater war seit fast zwanzig Jahren mit seiner zweiten Frau verheiratet, und damit dauerte sein »schwacher Moment« bereits länger als die Ehe mit meiner Mutter, aber das verkniff ich mir. Außerdem hatte ich einen Mann, der nicht treu sein wollte, einfach nicht verdient. Ich verdiente einen Mann, der mich aus ganzem Herzen liebte. Jemanden, der an meiner Seite bleiben würde, bis wir den Winter unseres Lebens erreicht hatten. Einen Mann, der mich im Arm hielt, wenn ich weinte, der mich tröstete, wenn ich krank war, der mich voller Liebe ansah und lächelte, wenn ich morgens die Augen aufschlug, und mit mir lachte, bis ich sie abends wieder schloss. Einen Mann, der unter der Bettdecke mit dem Fuß nach meinem tasten würde, der mit mir Händchen hielt, wenn wir einen Film anschauten, und der Tiere so liebte wie ich. Das war ein Traum, nur ein Klischee aus Lieblingsbüchern oder Filmen, doch mein Herz sagte mir, dass es noch mehr geben musste, und ich war entschlossen, danach Ausschau zu halten.
»Es ist vorbei, Mum«, sagte ich abschließend.
David ruft Mum immer noch an, damit sie ihm hilft, mich zurückzugewinnen. Deshalb habe ich in letzter Zeit kaum mit ihr gesprochen. Letzte Woche rief ich sie an, um ihr mitzuteilen, dass ich nach Cornwall ziehe, stellte das Handy aber laut und packte einfach weiter, als sie mir einen Vortrag hielt. Als sie mal Luft holte, fragte ich sie, ob sie noch Granny Mays Kiste habe und ich sie mitnehmen könne.
»Im Ernst, Lowenna, manchmal glaube ich, du schwebst in anderen Sphären. Hast du auch nur ein Wort von dem gehört, was ich dir gesagt habe?« Mum klang entnervt, aber das war nichts Neues. »Was willst du denn jetzt mit Grannys Kiste?«
Das wusste ich nicht, aber irgendwie kam sie mir wichtig vor. Wenn Prinzessin Clementine, der lockige Mann, der mit solcher Liebe gezeichnet worden war, und die anderen Schätze noch existierten, dann wollte ich sie nach Cornwall zurückbringen. Vielleicht konnte ich herausfinden, was es mit dem Schatz auf sich hatte und wer der traurige Fremde war, der ihn ausgehändigt hatte. Da Mum das nicht verstanden hätte, entschied ich, ihr nur eine halbwahre Begründung zu liefern.
»Es wäre vielleicht nett, ein paar der Orte zu besuchen, die auf den Bildern zu sehen sind.«
»Ganz ehrlich, Lowenna, ich habe keine Ahnung, wo diese Kiste ist. Als dein Großvater starb, wurde etliches weggeworfen. Im Cottage war ziemlich viel altes, unbrauchbares Zeug.«
»Könntest du mal danach suchen? Es wäre schrecklich, wenn sie weg wäre. Schließlich hat Granny gesagt, wir könnten damit unser Glück machen«, fügte ich hinzu.
»Ich guck mal, was sich machen lässt. Eric kann auf dem Speicher nachschauen – ich habe ein paar Sachen, die er dort hochbringen soll –, aber mach dir nicht allzu viele Hoffnungen, wahrscheinlich ist die Kiste mit dem restlichen Kram auf dem Müll gelandet. Und was das ›Glück machen‹ betrifft, so hat Mutter auch ziemlich viel dummes Zeug erzählt. Von Kobolden, Gnomen, Geistern, Schmugglern und dergleichen. Ich musste ständig verhindern, dass sie euch Angst einjagt.«
»Wir haben ihre Geschichten geliebt!«, protestierte ich, doch meine Mutter hatte schon das Thema gewechselt. Ich war dankbar, mir keine weitere Predigt über David anhören zu müssen. Als Mum endlich auflegte, konnte ich nur hoffen, dass sie Granny Mays Kiste nicht vergaß.