Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Satire ist, schrieb der Philosoph Manfred Hinrich, wenn dem Humor der Kragen platzt und er sich ein Stachelkleid anzieht. Und J. G. Seume notierte schon im 18. Jahrhundert: Man darf die meisten Dinge nur sagen, wie sie sind, um eine treffliche Satire zu machen. Fünf Themenbereiche knöpft sich das Buch in seinen 24 Geschichten satirisch - ironisch vor: Lach- und Krachgeschichten vom Lande: Eine schöne Leich wird aufs Korn genommen, ein eitler Bürgermeister, ein absurder Kleinkrieg um einen Ortsheiligen, eine Liebe, der die PS den Garaus machen, eine sonderbare Betriebsversammlung, die deutsche Italiensehnsucht und ihre Perversion, und zuletzt die Vision einer entschlackten Weihnachtszeit. Automobilmachung: Wie ein Navi eine Liebe ins Wanken bringt, wie ein Rechthaber zum Autodidakten wird, wie Goethe auf seiner Italienreise zum BMW-Fan hätte werden können. Schulzuweisung: Verzweifelter Versuch, Schüler Schillers Wilhelm Tell spielen zu lassen, eine Sprechstunden-Komödie, der Ein-Kind-Optimierungswahn. Auf Fall und Knall: Das Krimi-Genre wird in verschiedenen Versionen zerlegt. Poetereien: Die Literatur und das Schreiben selbst werden augenzwinkernd zum Thema. Der Autor als souveräner Schöpfer in seiner Lust und Unlust, seine Figuren mal dahin, mal dorthin zu schicken, und am Ende dann plötzlich einen unerwarteten Haken schlagend.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 168
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Fünf Themenbereiche knöpft sich das Buch in seinen 24 Geschichten satirischironisch vor: Lach- und Krachgeschichten vom Lande: Eine schöne Leich wird aufs Korn genommen, ein eitler Bürgermeister, ein absurder Kleinkrieg um einen »Ortsheiligen«, eine Liebe, der die PS den Garaus machen, eine sonderbare Betriebsversammlung, die deutsche Italiensehnsucht und zuletzt die Vision einer entschlackten Weihnachtszeit. Automobilmachung: Wie ein Navi eine Liebe ins Wanken bringt; wie ein Rechthaber zum »Autodidakten« wird; wie Goethe zum BMW-Fan hätte werden können. Schulzuweisung: Verzweifelter Versuch, Schüler Schillers »Wilhelm Tell« spielen zu lassen; eine Sprechstunden-Komödie, der Ein-Kind-Optimierungswahn. Auf Fall und Knall: Das Krimi-Genre wird zerlegt. Poetereien: Die Literatur und das Schreiben werden augenzwinkernd zum Thema. Der Autor als Souverän in seiner Lust und Unlust, seine Figuren mal dahin, mal dorthin zu schicken, und am Ende plötzlich einen unerwarteten Haken schlagend.
Max Ballerstaller ist im niederbayerischen Rottal-Inn-Kreis aufgewachsen. Nach dem Studium in München und Regensburg war er Lehrer in Straubing und Altötting für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. Er lebt in Burghausen, wo er 30 Jahre lang als Kulturreferent arbeitete und das KIK, das Kabarett im Keller mitbegründete und leitete. In die Zeit der Neuentdeckung der kritischen Mundartliteratur fallen die ersten Buchveröffentlichungen: »Die Passion auf Boarisch«, Pannonia-Verlag 1982; »zwoaraloa.respektlose gschichten & verserl «, Morsak-Verlag 1985. 1986 publizierte er das Theaterstück: »Deutschstund’ – eine Nabelschau « im Buchner-Theaterverlag. Hinzu kommen verschiedene Beiträge in Anthologien. Zahlreiche Texte wurden im Bayerischen Rundfunk gesendet. 1986 wurde er mit dem Förderpreis für Kinder-und Jugendtheaterstücke in München ausgezeichnet. 2019 erhielt er den Sonderpreis für den witzigsten Krimi des renommierten Ralf-Bender-Krimiwettbewerbs.
LACH- UND KRACHGESCHICHTEN VOM LANDE
EINE SCHÖNE LEICH-VIERGETEILT
GUNSTAUSSTELLUNG
WENN ZWEI SICH STREITEN, KOMMT SCHON MAL EIN DICHTER AUFS LAND.
YAMAHAMORE
DIE STUNDE, DA OSKAR VOR SEINER RUHE STAND
SPAGHETTI SIND AUCH NUR MENSCHEN
BRAUCHDUMM
AUTOMOBILMACHUNG
WENN MÖGLICH BITTE WENDEN!
AUTODIDAKT
ODE AN EINEN ZWÖLFZYLINDER
SCHULZUWEISUNG
SCHÜLERSCHILLER
WEN DIE STUNDE SCHLÄGT
ÜBEROBERSUPERSPITZENKIND
AUF FALL UND KNALL
DER KOMMISSAR UND DIE GRANATE
EIN FALL FÜR ZWEI
Kürzestkrimi
KRIMIKRIMI
VOLKSTHEATER
POETEREIEN
#FAUST 4.0
HEUTE LAURA
HEUTE ADAM & EVA
GIBS AUF 2.0 KAFKA RELOADED
DICHTERS LUST & HENKERS FRUST
TALLMAN UND DIE AUFERSTEHUNG
DIESES MAL KEIN GEMETZEL
Irgendwo, sagen wir mal in Zwirglheim, irgendwann, ohne irgendeinen besonderen Grund saßen dereinst sechs Männer an einem Stammtisch, dem Nabel des bayerischen Mikrokosmos.
Sie mochten Franz oder Gustl oder Sepp oder Otto oder Max heißen, einer aber sicher Sven Carsten.
Mit bereits kräftig geröteten Gesichtern rätselte das Kollegium schon mehrere Maß und Halbe lang mit zunehmender Hitze und Lautstärke: Ist er es oder ist er es nicht, der Dingsda, den es heut’ früh in der Zwirglheimer Leiten mit seinem Auto derbatzt hätte, oder wie sagt man anständig: der bei dem furchtbaren Unfall ums Leben gekommen ist?
Mit promillegestützter Dickköpfigkeit wurden die Anwärter, alles Männer, durchs Sieb der Verdächtigen gefiltert, denen man einen finalen Crash zutraute, oder von denen man es schon immer gewusst hatte, dass sie eines Tages so enden würden:
»Nein, der doch nicht!«
»Doch, der schon!«
»Grad der!,« schallte es viele Male durch die Gaststube.
»Ich sage euch eines, meine Herrn,« wollte der Franz den Diskurs beenden, »das war der Wimmer Michl, weil dem haben sie schon dreimal den Führerschein gezwickt wegen dieser Geschwindigkeit und dem Rausch und so!«
»Da tut er sich aber gewaltig täuschen, tut er sich da,« meinte der Sepp, des Sieges sicher, »weil mit dem bin ich gestern noch beim Schafkopf zusammen g’sessn!«
»Ach du grüne Neune, was ist das denn für eine Logik,« fuhr man ihm in die Parade, »das Unglück ist doch heute passiert!«
Wir ahnen, das war Sven Carsten.
Gelächter kam auf.
Das konnte der Sepp sich von einem Sven Carsten nicht bieten lassen. Um seinen logischen Unfall vergessen zu machen, kam er ihm heimatlich:
»Sie, leb’ du erst einmal so lang wie ich da, gell, nachert kannst mitreden! Tät er von Bielenfeld, oder von wo ist er gleich wieder herunterkommen, und möchte unsere Toten kennen! Ja da hört sich doch alles auf, gell!«
»Wo habt ihr denn euer Hirn, ha?,« schaltete sich der Gustl jetzt ein. »Wo schaut man denn nach, wenn man sowas wissen will, ha?«
Es folgte ein allgemeines Sich-an-den-Kopf-fassen. Ländliches Philosophen-Stillleben.
In diesem Moment kam der Wirt mit einer neuen Runde Weißbier. So nebenbei, ganz die Ruhe selbst, sagte er:
»Ja glaubt’s ihr Zipfeln denn, dass da heut’ schon was drinsteht in der Zeitung!«
Betretenes Schweigen, da half nur ein kräftiger Schluck Bier.
»Ja und was dann jetzt?,« brach der Otto das Schweigen der Männer.
Der Wirt stemmte seine kräftigen Arme in die Hüften:
»Könnte schon sein, dass ich was wüsst’, aber mich fragt ja keiner!«
Die Männer schauten sich gegenseitig an, als erster fing sich Sven Carsten wieder: »Und? Jetzt lassen se man die Sau raus!«
»Ihr kennt ihn alle,« ließ der Wirt sie zappeln, »Schützenkönig war er!«
»Heiliges Jerusalem, der Daxenberger,« entfuhr es dem Alois.
»Na, na,« der Wirt sofort, »der es vor zwei Jahren war, der Schallmoser Anderl!«
Im Durcheinander jetzt einige Bemerkungen, die in ihren Verästelungen gar ins Metaphysische hinübergerieten:
»Jessas na, Jessas na!«
»Dass er schon so bald sterben musste und sich auch noch darennt, das hätt’ auch keiner g’laubt!«
»Voller Leben ist er gestern noch g’wesn! «
»Meingottobera!«
»Wenn er das gestern schon geahnt hätt’, dann wär’ des heut vielleicht gar nicht passiert!«
»Ja Herrgott noch einmal, Bedienung! Wo bleiben denn unsere Weißwürscht!«
Nicht irgendwo, nicht irgendwann und schon gar nicht ohne Grund saßen sich Tags darauf in der Polizeistation der Verwaltungsgemeinschaft Zwirglheim der Baggerführer Florian Kreitmayr und der Polizeiobermeister Schlögl, Vorname Hermann, gegenüber.
In des jungen Schlögl Brust pochte nach einem eben in der Landeshauptstadt absolvierten Lehrgang stärker denn je das unerschütterliche Verlangen, Recht und Ordnung zum verdienten Sieg und sich zur Beförderung zu verhelfen.
So wörtlich wie es gegangen war, hatte sich Schlögl während des Lehrgangs die Ausführungen Dr. Haberseders, des Polizeilinguisten für das Obere und Niedere Bayern, aufgeschrieben, die jener über die Relevanz des Hochdeutschen für die aufstiegsorientierte Kollegenschaft Altbayerns von sich gegeben hatte.
Und so wollte POM Schlögl gleich die erste Gelegenheit beim Schopfe packen, unter Ausmerzung seiner bayerischen Primärsprache, seinem Aufstieg und einer hochdeutschen Vernehmungskultur die Bahn zu ebnen.
Kreitmayr allerdings, der Lehrgangserkenntnisse nicht teilhaftig, verhielt sich dem Ansinnen Schlögls gegenüber kontraproduktiv. Denn, einmal der Einsamkeit seiner Baggerkabine entkommen, ließ er eine wahre Wortflut über dem armen Ordnungshüter zusammenbrechen. Wie oft im Leben hat man schon Gelegenheit, so dachte er, ohne schlechtes Gewissen bei den Gendarmen zu sitzen und gar als Zeuge sein eigenes Steinchen ins Mosaik des Staatskörpers zu fügen.
Lassen wir nun den hochmotivierten Schlögl die Befragung des Zeugen Kreitmayr beginnen.
»Sie haben also praktisch genau gesehen, wie der verunfallte Herr Schallmoser seinen Unfall herbeigeführt hat?«
»Jawoll, Herr Inschpektor, ich hab es vor meinem Auge, wie wenn es grad g’wesn wär, weil ich bin praktisch mit meinem Fahrzeug, das ist ein grüner Opel-Corsa ist das mit einem Schiebedach, aber das tut jetzt nix zur Sache, möcht’ ich sagen, da …«
Es erfolgte ein erster Versuch der Ordnungsmacht, die hemmungslose Wortflut des Kreitmayr durch einen Damm polizeilicher Rationalität aufzuhalten:
»Herr Kreitmayr! Erstens heißt das: Polizeiobermeister und Zweitens: Der Zeuge hat die Hintanstellung von Fakten, deren Anführung einer Erschwerung des Verständnisses des Tatherganges gleichkommt, tunlichst einer Berücksichtigung zuzuführen! Also!«
»Also kurz und gut Herr Inschpektor, ah, Herr Obermeister oder wie haben Sie g’sagt, ich hab mir grad eine Zigarette, die hab ich mir anzündt, eine Marlboro, weil die rauch’ ich praktisch seit ich rauch’, der Vater hat die auch schon g’raucht, nein halt, dass ich Ihnen jetzt keinen Schmarrn erzähl, der hat auch mal HB hat der geraucht, weil das ist auf dieser Packung ist das droben g’standn, ja also, da seh’ ich vor mir diesen blauen Japaner, der wo da, ich möcht mich jetzt nicht verplappern, aber der wo da schon, also so wahr mir Gott helfe, wie eine Schlang’, also schlangenmäßig ist der durchaus, wenn ich das so sagen darf, ist der dahing’fahrn!
Sie, mir wär’ das ja gar nicht so aufg’stoßen, wenn nicht grad im Radio der Dings oder wie der heißt, ist ja wurscht, g’sagt hätt’, dass es wieder g’scheppert hätt’ zwischen Adelshausen und Odelzhausen …«
Ein kurzes gedankenloses Nachsinnieren Kreitmayrs gab Schlögl die Gelegenheit wenigstens zu einem kurzen Einwurf: »BAB 8«
»Was meinen’s?«
»Bundesautobahn acht«
»Ach so! Jaja! Ich frag mich ja allerweil, ob da auch so viel passieren tät’, wenn die nicht so komische Namen hätten! Adl und Odl, gell, da muss es ja direkt krachen!
Schau, schau, der ist aber blau!, hab’ ich grad ein kleines Verserl gemacht, weil ich nämlich im Schützenverein auch immer diese Spassettln bring’, da hat’s auch schon kracht und den Japaner hat’s aufg’stellt, sag’ ich Ihnen, hinaber über die Böschung ist der und dann rummsdibumms an den Baum! Heiliger Florian …«
POM Schlögl, der die Hoffnung, Kreitmayr müsste einmal Luft holen, inzwischen gänzlich verloren hatte, crashte nun einfach verzweifelt dazwischen:
»Ist er da selber, ähm, hat der Zeuge eine hinreichende Wahrnehmung gemacht, ob die Hinunterbegebung des Unfallfahrzeugs, beinhaltend den Fahrzeughalter, durch …«
»Heiliger Florian, hab’ ich mir denkt, wie ich da ins Auto hineing’schaut hab’, der kann nicht mehr ganz sein, der wo da drinhockt, also der Schallmoser, obwohl damals hab ich ja noch gar nicht g’wusst, dass das der Schallmoser ist.«
Das kleine Malheur Kreitmayrs mit der consecutio temporum verlangte, ja schrie geradezu nach der Schlögelschen Korrektur: »Gewesen ist!«
»Was? Ach so! Jaja, genau! So ist das Leben: Grad waren deine Wangen noch rot, da bist du auch schon tot!
Ja aber Sie, Herr Inschpektor, am schlimmsten war das mit seinem Hirn! Also ich speib’ sonst nicht so leicht, aber da hat’s mich direkt g’hobn! «
Instinktiv erkannte Schlögl, dass mit diesem Zeugen der Musterfall eines unnützen Bürgers ohne Uniform gegeben war, und so hämmerte er entschlossen einen Punkt unter das Protokoll, und darauf, den ganzen Lehrgang vergessend:
»Da lies des und hau dein Servus drunter!«
Langsam fuhr der Finger Kreitmayrs die Zeilen entlang:
»Mh, mh, mh! Rummsdi an den Baum, ja das is’ gut! Haben’s das mit dem Hirn auch? Genau, da steht’s ja!
Sehr anschaulich haben’s das g’schriebn! Reschpekt, Herr Inschpektor!
Da hättn’s mich ja gar nicht braucht!«
Und es verging der Tag und es ward Abend, und wie es sich gehört, gingen die Männer und Frauen Zwirglheims in die Kirche zum Leichenrosenkranz.
Um genau zu sein, es gingen die, denen Verwandtschaft oder Geschäft keine andere Wahl ließen, die, bei denen die Schallmosers auch gegangen waren, die, die wollten, dass man bei ihnen auch gehen würde und die, die immer hingingen, die alten Weiblein.
Nein, seien wir nicht ungnädig, gestehen wir dem Dahingeschiedenen auch den einen oder die andere zu, der oder die gern hinging.
Längst gab es die Tradition nicht mehr, nach der Männer und Frauen getrennt in den Kirchstühlen Platz zu nehmen hatten, und dennoch taten sie es.
Monsignore Gerauer zog es vor, wie immer, sich nach Eröffnung des Rosenkranzes in den bequemeren Beichtstuhl zu begeben, sicher, dass dieses Angebot von niemandem wahrgenommen würde, und er also ohne schmerzende Knie, sagen wir einmal, sein Brevier lesen konnte.
Die Führung des Rosenkranzes überließ er den nach Geschlechtern wohlgeordneten Stuhlreihen, deren dumpfer beziehungsweise hellerer Singsang alsbald die Kirche erfüllte.
Da doch weit sicherer in der Architektur des Schmerzhaften Rosenkranzes als die Männer, durften stets die Frauen anfangen.
»Gegrüßt seist du Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat.
Heilige Maria Mutter Gottes bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes, Amen.
Gegrüßt seist du Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen …«
Es dauerte nicht sehr lange, dann verloren die Wörter immer mehr Vokale, wurden kürzer und kürzer, Silben verbanden sich miteinander und verschoben sich ineinander, verschiedene Sätze verschmolzen so zu einem. Nur der Eingeweihte konnte jetzt noch erahnen, was da gen Himmel stieg.
Die so vom Sinn der Worte entlasteten Köpfe hatten nun Zeit und Raum, die Gedanken von der Leine zu lassen.
Was wird jetzt die Elfriede machen, seine Frau, schaut ja noch gar nicht wie eine Witwe aus?
»derfürunsBlutgeschwitzthat…
»HeiligeMariaMutterGottesbittfürunsSünder …«
B’soffn vor seinem Herrgott hintreten, dass er sich nicht schamt!
Ob er da überhaupt ein vernünftiges Wort vor dem himmlischen Gericht herausbracht hat?
»unsresTodesAmen …
GegrüßtseistduMariavollder Gnadn, derHerrismitdir, dubist gebenedeitunterdenFrauenund gebendeitis …«
Ob’s ihm nicht doch einen Reifen zerrissen haben muss, weil freiwillig fahrt doch keiner so an einen Baum!
»derfürunsgekreizigtwordnis … HeiligeMariaMutterGottes …«
Ob’s ihm da drüben in der Ewigkeit seinen Kopf wieder ganz machen werden?
»JetzundinderStundunseresTodesAmen.
DerHerrgibihmdieewigeRuh.
UnddasewigeLichtleichteihm.«
Und über allem thronte das wohlige Gefühl: Gut, dass es mich nicht erwischt hat!
Amen!
Der Höhepunkt im Erdenleben eines Bayern sei, so sagt man, eine schöne Leich.
Aber halt, da stimmt doch irgendetwas nicht! Anspruchsberechtigt auf eine solche ist ja per definitionem nur, wer zeitlich unbefristet sein irdisches Dasein aufgegeben hat!
Also von wegen Höhepunkt des Erdenlebens.
Abschluss vielleicht?
Nein, siehe oben.
Also dann in Gottes Namen ein erster Höhepunkt im ewigen Leben des Verblichenen.
Nix da, nach dem Tod ist es aus mit der Zeit, da gibt’s kein Früher und kein Später mehr.
Man könnte schon zum Philosophen werden über so eine Leich.
Aber wie auch immer: Eine schöne Leich ist einfach was Schönes!
Ein letztes Mal erklimmt, wer muss, die rhetorischen Höhen des Lügengebirgs nach dem Motto: Er hört es eh nimmer und den andern schadet es nicht!
Allen voran der himmlische Schlüsseldienst, der Pfarrer.
Mischen wir uns also unter die Trauernden auf dem Gottesacker zu Zwirglheim, wo Monsignore Gerauer gerade seine Grabpredigt begonnen hat.
»Verehrte Trauergemeinde! Liebe Hinterbliebene!
In dieser Stunde der Trauer, wo Schmerz und Gram übermächtig in unseren Herzen gleichsam wie hungernde Wölfe wüten« …
Ja, ja, nichts Neues: The same procedere as last time, nein, as every time!
»da sollen die klaffenden Wunden nicht noch mehr aufgerissen werden, sondern soll der Balsam der Kirche sich gleichsam wie ein kühlendes Pflaster über die Wunden legen!«
Seelischer Hansaplast!
»Wie gerne hätte der Dahingeschiedene noch die Vollendung seines neuen Heimes erlebt!«
Oh dieser Trampel! 150 000 Euro Schulden hat er noch drauf!
»Wie stolz ist er auf sein neues Auto gewesen!«
Jetzt muss man sich auf das Schlimmste gefasst machen!
»Und gerade mit diesem seinem neuen Auto, das sein ganzer Stolz war, hat der Herr in der Blüte seines Lebens über ihn das große Amen gesprochen. Über ihn, der mit so festen Schritten in den Fußstapfen des christlichen Hausvaters wandelte.«
Nananana! Die Kirchensteuer als christliche Nabelschnur, aber sonst war nix!
»Stets war er seiner Gattin ein liebender Gatte, seinen Kindern ein guter Vater, seinem Schwiegersohn ein guter Schwiegervater, seinem Bruder ein guter Bruder, seinem Patenkind ein guter Pate, seinem Onkel ein guter Onkel!«
Ob er’s spannt?
»Ähm äh, ja, ein guter Onkel, auch das war der Dahingeschiedene! So dürfen wir hoffen, in Christo Trauernde, dass er dereinst die Freuden des Paradieses …«
Und so weiter und so weiter
»Amen!«
Es folgen nun, die Leichomanen wissen es, die Grabreden der verschiedenen Vereine und Verbände.
Wir beschränken uns hier exemplarisch auf drei von zehn, die Bundeswehr, die Freiwillige Feuerwehr und den Trachtenerhaltungsverein Edelweiß.
In dieser Reihenfolge sprechen auch deren Vertreter.
Die Struktur einer Grabrede gliedert sich in mindestens fünf Teile.
Teil 1: die Anreden
»Kamerad Schallmoser! «
Und noch einmal:
»Kamerad Schallmoser! «
Und:
»Lieber Anderl! «
Nun folgt die unmissverständliche Einschätzung der Lage.
»Der himmlische General hat unseren Kameraden Schallmoser nun auf einen anderen Exerzierplatz befohlen …«
»Kamerad Schallmoser, lieber Anderl, dein Herrgott hat das Feuer von deinem Leben jetzt gelöscht, des wo gerade noch so schön brennt hat …«
»Viel zu schnell und ohne dass du was g’sagt hast, lieber Anderl, hast du dein irdisches Trachteng’wand auszogn …«
Teil 3: Allgemeine und heftige Bescheinigung der Verdienste
»Stets und jederzeit …
In den vordersten Reihen …
Unermüdlich …
Stets einer der ersten …
Keiner wie er …
Scheute sich nicht …
Einer für alle …
Unermüdlich, unermüdlich, unermüdlich!«
Unvermeidlich ist viertens ein kurzer philosophischer Ausflug ins Jenseits.
»Schon die Parole von den himmlischen Heerscharen beweist uns, dass das Soldatische auch im Himmel seinen Platz hat. Sei auch dort auf deinem Posten, Kamerad Schallmoser, im Kampf gegen die Mächte der Finsternis!«
»Möge dich, lieber Kamerad Schallmoser, der himmlische Spritzenkommandant wie im Himmel so auf Erden, ja also quasi umkehrt jetzt, gell, möge er dich hinstellen an den himmlischen Brandherd, der wo für den Feuerwehrmann geradezu eine Lebensaufgabe darstellt, der Brand der Hölle, der wo ewig dahinbrennt, dass du den bekämpfst.
In diesem Sinne rufe ich hinauf zu dir in die Ewigkeit: Wasser marsch! «
»Schade, lieber Anderl, dass du jetzt nicht herab reden kannst zu uns, du, der wo jetzt vielleicht im weißblauen Himmelszelt sitzt und sein geliebtes Weißbier trinkt.
Und so möchte ich hier einfügen, ist es schon ein Trost, dass es, wir wissen es ja nicht, doch nicht so schlimm ist, zu sterben, zumindest für einen Bayern, weil dieser doch auch im Himmel droben wahrscheinlich was B’sonderes ist!
Lieber Anderl, du weißt ja schon was über den Himmel, aber wir nicht, und also können wir vielleicht nur gnädig hoffen, dass unser Herrgott sogar auch vielleicht eventuell ein Trachtler ist!«
Und dann noch, fünftens, die Kranzniederlegung mit dem Schwur, man werde dem Verblichenen ein ehrendes Andenken bewahren, stets und immerdar.
»Stillgestanden! Die Fahnen senkt!«
Der letzte Teil spielt sich dann im Wirtshaus ab, aber das ist ein zu weites Feld.
Amen!
Und es nahte sich die Stunde.
Wem sie noch nicht nahe war, dem wurde sie es bald. Waren doch die Plakatwände voll, die Briefkästen auch, sogar das Feuilleton der örtlichen Zeitung, vormals Unterhaltungsseite, und die lokale Radiostation kündigten sie täglich an zwischen Heino, Hinterseer und Fischer:
Am Sonntag sollte Zwirglheims City-Art-Gallery eröffnet werden.
Eigentlich war es die alte Rathausgalerie, doch nachdem die umliegenden Städte eine kleine Galerienepidemie ausgelöst hatten, hatte sich Bürgermeister Schallmoser entschlossen, die Seinige zu anglifizieren.
Nicht nur das.
Ein für alle Mal sollte die Exklusivität seiner Stadt demonstriert werden. Ein großer Fisch musste deshalb an Land gezogen werden.
Und er wurde.
Während die anderen, frotzelte Schallmoser gerne, in ihren Ausstellungen vorwiegend unterbeschäftige Hausfrauen, frustrierte Bankfilialleiter, nach Höherem strebende Zeichenlehrer, Maltherapeuten etc. vorzuweisen hätten, habe er, er wage es kaum zu sagen, Professor Giselher van Goch, den Direktor der Privat-Academy-of-Modern-Art aus der Landeshauptstadt gewonnen.
Ja, genau den, der durch das Fernsehen bekannt geworden war mit seinem flammenden Appell: »Wer Koch-Show sagt, muss auch Mal-Show sagen«, worauf ihm auch prompt eine solche in RTL 2 eingerichtet worden war.
»Wie, Herr Bürgermeister, erklären Sie sich das Wunder von Zwirglheim?,« fragte der Redakteur des Lokalen.
Verschmitztes Lächeln.
»Ach, wissen’s, Wir«…
Er sprach seit seiner Wahl gerne in der 1. Person Plural mit großem, hörbarem W.
»Wir sind ja in Sachen Kunst keine Unbekannten mehr, doch ich will Uns da gar nicht quasi überbewerten. Aber man kennt Uns, Wir sind da voll dabei! Da ist die Kunst und da sind Wir dahoam! «
Wieder ein Lächeln.
Aber da waren noch die gewöhnlich gut unterrichteten Kreise: Eine, munkelten sie, mit an Sicherheit grenzende Unwahrscheinlichkeit, dass ein van Goch ohne Gegenleistung nach Zwirglheim kommen würde! Wahrscheinlich sei, und jetzt lächelten die gut unterrichteten Kreise, dass Ankäufe im Spiel waren! Ja, und abermals lächelten sie, man habe läuten hören, es handle sich um ein Gemälde des Titels:
Zeus 2.0, nackt eine Treppe herabsteigend
(Sorry Monsieur Duchamp)
Doch davon, vielleicht, später nochmal.
Jetzt aber ist die Stunde da.
Das Personal, ungeordnet, in Kurzform: die üblichen Verdächtigen.