Der zerbrochene Krug - Heinrich von Kleist - E-Book + Hörbuch

Der zerbrochene Krug E-Book

Heinrich Von Kleist

0,0

Beschreibung

"Der zerbrochene Krug" ist ein Lustspiel von Heinrich von Kleist. Es gilt als eines seiner bekanntesten Werke. Die Komödie ist in Blankversen verfasst. Der zerbrochne Krug gehört zum Kanon der deutschen Literatur, ist weit verbreitete Schullektüre und diente mehrfach als Vorlage zu Opern und Filmen. Dorfrichter Adam muss über eine Tat zu Gericht sitzen, die er selbst begangen hat. Die Handlung besteht in der Hauptsache aus einer Gerichtsverhandlung, die vollständig und in natürlichem Zeitverlauf wiedergegeben wird. Was verhandelt wird, hat sich jedoch in der Vergangenheit abgespielt und wird erst allmählich enthüllt. Das Stück gilt daher wie Sophokles' König Ödipus als Musterbeispiel eines analytischen Dramas. Wie die Komödien Shakespeares und Molières hat "Der zerbrochene Krug" einen ernsten Kern und streift an manchen Stellen das Tragische.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 73

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der zerbrochene Krug

Titel SeitePersonenErster AuftrittZweiter AuftrittDritter AuftrittVierter AuftrittFünfter AuftrittSechster AuftrittSiebenter AuftrittAchter AuftrittNeunter AuftrittZehnter AuftrittElfter AuftrittZwölfter AuftrittLetzter Auftritt

Heinrich von Kleist

Der zerbrochene Krug

Ein Lustspiel

Berlin 1811

Personen

Walter , Gerichtsrat Adam , Dorfrichter Licht , Schreiber Frau Marthe RullEve , ihre Tochter Veit Tümpel , ein Bauer Ruprecht , sein Sohn Frau Brigitte Ein Bedienter, Büttel, Mägde usw.

Die Handlung spielt in einem niederländischenDorf bei Utrecht

Erster Auftritt

Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.

LichtEi, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?

AdamJa, seht. Zum Straucheln brauchts doch nichts als Füße.Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägtDen leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

LichtNein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?

AdamJa, in sich selbst!

LichtVerflucht das!

AdamWas beliebt?

LichtIhr stammt von einem lockern Ältervater,Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,Und wegen seines Falls berühmt geworden;Ihr seid doch nicht –?

AdamNun?

LichtGleichfalls –?

AdamOb ich –? Ich glaube –!Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.

LichtUnbildlich hingeschlagen?

AdamJa, unbildlich.Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

LichtWann trug sich die Begebenheit denn zu?

AdamJetzt, in dem Augenblick, da ich dem BettEntsteig. Ich hatte noch das MorgenliedIm Mund, da stolpr ich in den Morgen schon,Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

LichtUnd wohl den linken obenein?

AdamDen linken?

LichtHier, den gesetzten?

AdamFreilich!

LichtAllgerechter!Der ohnehin schwer den Weg der Sünde wandelt?

AdamDer Fuß! Was? Schwer! Warum?

LichtDer Klumpfuß?

AdamKlumpfuß!Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

LichtErlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten unrecht.Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,Und wagt sich ehr aufs Schlüpfrige.

AdamAch, was!Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.

LichtUnd was hat das Gesicht Euch so verrenkt?

AdamMir das Gesicht?

LichtWie? Davon wißt Ihr nichts?

AdamIch müßt ein Lügner sein – wie siehts denn aus?

LichtWie's aussieht?

AdamJa, Gevatterchen.

LichtAbscheulich!

AdamErklärt Euch deutlicher.

LichtGeschunden ists,Ein Greul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,Wie groß? Nicht ohne Waage kann ichs schätzen.

AdamDen Teufel auch!

Lichtbringt einen Spiegel.Hier! Überzeugt Euch selbst!Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sichDurch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen,Als Ihr – Gott weiß wo? – Fleisch habt sitzen lassen.

AdamHm! Ja! 's ist wahr. Unlieblich sieht es aus.Die Nas hat auch gelitten.

LichtUnd das Auge.

AdamDas Auge nicht, Gevatter.

LichtEi, hier liegtQuerfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.

AdamDas ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.

LichtJa, ja! So gehts im Feuer des Gefechts.

AdamGefecht! Was? – Mit dem verfluchten ZiegenbockAm Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ichs.Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsamErtrunken in den Lüften um mich greife,Fass' ich die Hosen, die ich gestern abendDurchnäßt an das Gestell des Ofens hing.Nun fass' ich sie, versteht Ihr, denke mich,Ich Tor, daran zu halten, und nun reißtDer Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr ich aufDen Ofen hin, just wo ein ZiegenbockDie Nase an der Ecke vorgestreckt.

Lichtlacht.Gut, gut.

AdamVerdammt!

LichtDer erste Adamsfall,Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.

AdamMein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibtsNeues?

LichtJa, was es Neues gibt! Der Henker hols,Hätt ichs doch bald vergessen.

AdamNun?

LichtMacht Euch bereit auf unerwartetenBesuch aus Utrecht.

AdamSo?

LichtDer Herr Gerichtsrat kömmt.

AdamWer kömmt?

LichtDer Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.Er ist in Revisions-Bereisung auf den Ämtern,Und heut noch trifft er bei uns ein.

AdamNoch heut! Seid Ihr bei Trost?

LichtSo wahr ich lebe.Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,Hat das Justizamt dort schon revidiert.Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schonDie Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

AdamHeut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!Zur Revision, der wackre Mann, der selbstSein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt.Nach Huisum kommen und uns kujonieren!

LichtKam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.Nehmt Euch in acht.

AdamAch, geht!

LichtIch sag es Euch.

AdamGeht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.

LichtDer Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

AdamWer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.Die Kerle unterscheiden ein GesichtVon einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,So hält so'n Schubjak ihn, für wen Ihr wollt.

LichtWohlan, so zweifelt fort, ins Teufels Namen,Bis er zur Tür hier eintritt.

AdamEr, eintreten! –Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

LichtDer Unverstand! Als obs der vorigeRevisor noch, der Rat Wacholder, wäre!Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.

AdamWenn gleich Rat Walter! Geht, laßt mich zufrieden.Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,Und praktisiert, wie wir, nach denBestehenden Edikten und Gebräuchen.

LichtNun, ich versichr Euch, der Gerichtsrat WalterErschien in Holla unvermutet gestern,Vis'tierte Kassen und Registraturen,Und suspendierte Richter dort und Schreiber,Warum? ich weiß nicht, ab officio.

AdamDen Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

LichtDies und noch mehr –

AdamSo?

LichtWenn Ihrs wissen wollt.Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,Und findet hinten in der Scheuer ihnAm Sparren hoch des Daches aufgehangen.

AdamWas sagt Ihr?

LichtHilf inzwischen kommt herbei,Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

AdamSo? Bringt man ihn?

LichtDoch jetzo wird versiegeltIn seinem Haus, vereidet und verschlossen,Es ist, als wär er eine Leiche schon,Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

AdamEi, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund wars –Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,Ein Kerl, mit dem sichs gut zusammen war;Doch grausam liederlich, das muß ich sagen.Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,So gings ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.

LichtUnd dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,Sei schuld, daß der Gerichtsrat noch nicht hier;Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.

AdamZu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilts Freundschaft.Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können.Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,Und Ihr verdients, bei Gott, so gut wie einer.Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,Heut laßt Ihr noch den Kelch vorübergehn.

LichtDorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?

AdamIhr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,Und Euren Cicero habt Ihr studiertTrotz Einem auf der Schul in Amsterdam.Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.

LichtWir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

AdamZu seiner Zeit, Ihr wißts, schwieg auch der großeDemosthenes. Folgt hierin seinem Muster.Und bin ich König nicht von Mazedonien,Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

LichtGeht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.Hab ich jemals –?

AdamSeht, ich, ich, für mein Teil,Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließeVon Depositionen sich und ZinsenZuletzt auch eine Rede ausarbeiten:Wer wollte solche Perioden drehn?

LichtNun, also!

AdamVon solchem Vorwurf bin ich rein,Der Henker hols! Und alles, was es gilt,Ein Schwank ists etwa, der, zur Nacht geboren,Des Tags vorwitz'gen Lichtstrahl scheut.

LichtIch weiß.

AdamMein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,Soll gravitätisch wie ein Eisbär sein.

LichtDas sag ich auch.

AdamNun denn, so kommt, Gevatter,Folgt mir ein wenig zur Registratur;Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,Die liegen wie der Turm zu Babylon.

Zweiter Auftritt

Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher zwei Mägde.

Der BedienteGott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat WalterLäßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

AdamEi, du gerechter Himmel! Ist er mit HollaSchon fertig?

Der BedienteJa, er ist in Huisum schon.

AdamHe! Liese! Grete!

LichtRuhig, ruhig jetzt.

AdamGevatterchen!

LichtLaßt Euern Dank vermelden.

Der BedienteUnd morgen reisen wir nach Hussahe.

AdamWas tu ich jetzt? Was laß ich?Er greift nach seinen Kleidern.

Erste Magdtritt auf.Hier bin ich, Herr.

LichtWollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?

Zweite Magdtritt auf.Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

LichtNehmt den Rock.

Adamsieht sich um.Wer? Der Gerichtsrat?

LichtAch, die Magd ist es.

AdamDie Bäffchen! Mantel! Kragen!

Erste MagdErst die Weste!

AdamWas? – Rock aus? Hurtig!

Lichtzum Bedienten.Der Herr Gerichtsrat werdenHier sehr willkommen sein. Wir sind sogleichBereit, ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

AdamDen Teufel auch! Der Richter Adam läßt sichEntschuldigen.

LichtEntschuldigen!

AdamEntschuld'gen.Ist er schon unterwegs etwa?

Der BedienteEr istIm Wirtshaus noch. Er hat den Schmied bestellt;Der Wagen ging entzwei.

AdamGut. Mein Empfehl!Der Schmied ist faul. Ich ließe mich entschuldigen.Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,Schaut selbst, 's ist ein Spektakel, wie ich ausseh;Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.Ich wäre krank.

Licht