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Heinrich von Kleists Der zerbrochne Krug ist ein Meilenstein der deutschen Theatergeschichte. Das Lustspiel revolutionierte mit seiner innovativen Struktur, den schnellen Dialogen und seinem geistreichen Witz die Komödie des frühen 19. Jahrhunderts. Kleists Theaterstück verbindet auf einzigartige Weise tragische Themen wie Machtmissbrauch und Vertrauensbruch mit Sprachwitz und volkstümlichem Humor. Die Uraufführung fand 1808 am Hoftheater in Weimar unter der Leitung von Johann Wolfgang Goethe statt. Sie war zwar ein Misserfolg; doch ab 1820 eroberte Der zerbrochne Krug die Theaterbühnen im Sturm. Heute zählt das Lustspiel um den Dorfrichter Adam, der über seine eigenen Missetaten zu Gericht sitzen muss, zu den am häufigsten aufgeführten Stücken im deutschsprachigen Raum. Der zerbrochne Krug – ein Klassiker der deutschen Literatur • Länderübergreifendes Abi-Thema 2026-28: Der zerbrochne Krug in der Universal-Bibliothek • Täter und Ermittler zugleich: Das aberwitzige Theaterstück um Dorfrichter Adam • Die Komödie in Blankversen im praktischen Format für die Schullektüre • Ein Werk ohne festen Text? Der Literatur-Klassiker mit zwei Schlussvarianten • Ganz in Gelb: Reclams Universal-Bibliothek – Weltliteratur im kleinen Format für Deutsch-Unterricht, Abi- und Matura-Vorbereitung Späte Anerkennung: Kleists Einzug in die Reihen des deutschen Literaturkanons Blieben seine Werke zu Lebzeiten noch unverstanden, hat Heinrich von Kleist heute einen festen Platz in den Reihen berühmter deutscher Autoren. Der zerbrochne Krug zählt zu den länderübergreifenden Abithemen 2026-28 – praktisch also, dass nicht nur der Primärtext in der Universal-Bibliothek zur Verfügung steht! Zusammen mit dem Lektüreschlüssel XL, der Lektürehilfe von Reclam, und Reclam Literaturunterricht, dem Unterrichtsmodell für Lehrerinnen und Lehrer, bleiben keine Fragen offen. Fit für Klausur, Abitur und Matura – mit den Reclam-Ausgaben von Heinrich von Kleists Meisterwerk! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.
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Heinrich von Kleist
Ein Lustspiel
Reclam
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 960007
1983, 2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Durchgesehene Ausgabe 2024
Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2023
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-960007-9
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-000091-5
www.reclam.de
Vorrede
Personen
Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Letzter Auftritt
Zwölfter Auftritt
[Letzter Auftritt]
Anmerkungen
Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Faktum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habe auffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah. Man bemerkte darauf – zuerst einen Richter, der gravitätisch auf dem Richterstuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zerbrochenen Krug hielt, sie schien das Unrecht, das ihm widerfahren war, zu demonstrieren: Beklagter, ein junger Bauerkerl, den der Richter, als überwiesen, andonnerte, verteidigte sich noch, aber schwach: ein Mädchen, das wahrscheinlich in dieser Sache gezeugt hatte (denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit das Deliktum geschehen war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der Schürze; wer ein falsches Zeugnis abgelegt hätte, könnte nicht zerknirschter dastehn: und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter misstrauisch zur Seite an, wie Kreon, bei einer ähnlichen Gelegenheit, den Ödip. Darunter stand: der zerbrochene Krug. – Das Original war, wenn ich nicht irre, von einem niederländischen Meister.
WALTER, Gerichtsrat
ADAM, Dorfrichter
LICHT, Schreiber
FRAU MARTHE RULL
EVE, ihre Tochter
VEIT TÜMPEL, ein Bauer
RUPRECHT, sein Sohn
FRAU BRIGITTE
EIN BEDIENTER, BÜTTEL, MÄGDE usw.
Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht.
[5]Szene: Die Gerichtsstube
Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.
LICHT.
Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!
Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?
ADAM.
Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße.
Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
Den leidgen Stein zum Anstoß in sich selbst.
LICHT.
Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?
ADAM.
Ja, in sich selbst!
LICHT.
Verflucht das!
ADAM.
Was beliebt?
LICHT.
Ihr stammt von einem lockern Ältervater,
10Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
Und wegen seines Falls berühmt geworden;
Ihr seid doch nicht –?
ADAM.
Nun?
LICHT.
Gleichfalls –?
ADAM.
Ob ich –? Ich glaube –!
Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.
LICHT.
Unbildlich hingeschlagen?
ADAM.
Ja, unbildlich.
Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.
LICHT.
Wann trug sich die Begebenheit denn zu?
ADAM.
Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett
Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied
Im Mund, da stolpr’ ich in den Morgen schon,
20Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,
Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.
LICHT.
Und wohl den linken obenein?
ADAM.
Den linken?
LICHT.
[6]Hier, den gesetzten?
ADAM.
Freilich!
LICHT.
Allgerechter!
Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.
ADAM.
Der Fuß! Was! Schwer! Warum?
LICHT.
Der Klumpfuß?
ADAM.
Klumpfuß!
Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.
LICHT.
Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten Unrecht.
Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,
Und wagt sich eh’r aufs Schlüpfrige.
ADAM.
Ach, was!
30Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.
LICHT.
Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?
ADAM.
Mir das Gesicht?
LICHT.
Wie? Davon wisst Ihr nichts?
ADAM.
Ich müsst ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?
LICHT.
Wie’s aussieht?
ADAM.
Ja, Gevatterchen.
LICHT.
Abscheulich!
ADAM.
Erklärt Euch deutlicher.
LICHT.
Geschunden ist’s,
Ein Greu’l zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,
Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen.
ADAM.
Den Teufel auch!
LICHT
(bringt einen Spiegel). Hier! Überzeugt Euch selbst!
Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich
40Durch Dornen drängt, lässt nicht mehr Wolle sitzen,
Als Ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.
ADAM.
Hm! Ja! ’s ist wahr. Unlieblich sieht es aus.
Die Nas hat auch gelitten.
LICHT.
Und das Auge.
ADAM.
Das Auge nicht, Gevatter.
LICHT.
Ei, hier liegt
Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,
Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.
ADAM.
[7]Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,
Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.
LICHT.
Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.
ADAM.
50Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock,
Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ich’s.
Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam
Ertrunken in den Lüften um mich greife,
Fass ich die Hosen, die ich gestern abend
Durchnässt an das Gestell des Ofens hing.
Nun fass ich sie, versteht Ihr, denke mich,
Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt
Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,
Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf
60Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock
Die Nase an der Ecke vorgestreckt.
LICHT
(lacht).Gut, gut.
ADAM.
Verdammt!
LICHT.
Der erste Adamsfall,
Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.
ADAM.
Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibt’s Neues?
LICHT.
Ja, was es Neues gibt! Der Henker hol’s,
Hätt ich’s doch bald vergessen.
ADAM.
Nun?
LICHT.
Macht Euch bereit auf unerwarteten
Besuch aus Utrecht.
ADAM.
So?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat kömmt.
ADAM.
Wer kömmt?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.
70Er ist in Revisionsbereisung auf den Ämtern
Und heut noch trifft er bei uns ein.
ADAM.
Noch heut! Seid Ihr bei Trost?
LICHT.
So wahr ich lebe.
[8]Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,
Hat das Justizamt dort schon revidiert.
Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon
Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.
ADAM.
Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!
Zur Revision, der wackre Mann, der selbst
Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen hasst.
80Nach Huisum kommen, und uns kujonieren!
LICHT.
Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.
Nehmt Euch in Acht.
ADAM.
Ach geht!
LICHT.
Ich sag es Euch.
ADAM.
Geht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.
LICHT.
Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.
ADAM.
Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.
Die Kerle unterscheiden ein Gesicht
Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.
Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,
Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,
90So hält so’n Schubiack ihn für wen Ihr wollt.
LICHT.
Wohlan, so zweifelt fort, ins Teufels Namen,
Bis er zur Tür hier eintritt.
ADAM.
Er, eintreten! –
Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.
LICHT.
Der Unverstand! Als ob’s der vorige
Revisor noch, der Rat Wachholder, wäre!
Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.
ADAM.
Wenngleich Rat Walter! Geht, lasst mich zufrieden.
Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,
Und praktisiert, wie wir, nach den
100Bestehenden Edikten und Gebräuchen.
LICHT.
Nun, ich versichr’ Euch, der Gerichtsrat Walter
Erschien in Holla unvermutet gestern,
Vis’tierte Kassen und Registraturen,
Und suspendierte Richter dort und Schreiber,
Warum? ich weiß nicht, ab officio.
ADAM.
[9]Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?
LICHT.
Dies und noch mehr –
ADAM.
So?
LICHT.
Wenn Ihr’s wissen wollt.
Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,
Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,
110Und findet hinten in der Scheuer ihn
Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.
ADAM.
Was sagt Ihr?
LICHT.
Hülf inzwischen kommt herbei,
Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,
Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.
ADAM.
So? Bringt man ihn?
LICHT.
Doch jetzo wird versiegelt,
In seinem Haus, vereidet und verschlossen,
Es ist, als wär er eine Leiche schon,
Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.
ADAM.
Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war’s –
120Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,
Ein Kerl, mit dem sich’s gut zusammen war;
Doch grausam liederlich, das muss ich sagen.
Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,
So ging’s ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.
LICHT.
Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,
Sei schuld, dass der Gerichtsrat noch nicht hier;
Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.
ADAM.
Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freundschaft.
Ihr wisst, wie sich zwei Hände waschen können.
130Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,
Und Ihr verdient’s, bei Gott, so gut wie einer.
Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,
Heut lasst Ihr noch den Kelch vorübergehn.
LICHT.
Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?
ADAM.
Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,
Und Euren Cicero habt Ihr studiert
[10]Trotz einem auf der Schul in Amsterdam.
Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?
Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,
140Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.
LICHT.
Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.
ADAM.
Zu seiner Zeit, Ihr wisst’s, schwieg auch der große
Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
Und bin ich König nicht von Mazedonien,
Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.
LICHT.
Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.
Hab ich jemals –?
ADAM.
Seht, ich, ich, für mein Teil,
Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe
Von Depositionen sich und Zinsen
150Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:
Wer wollte solche Perioden drehn?
LICHT.
Nun, also!
ADAM.
Von solchem Vorwurf bin ich rein,
Der Henker hol’s! Und alles, was es gilt,
Ein Schwank ist’s etwa, der zur Nacht geboren,
Des Tags vorwitzgen Lichtstrahl scheut.
LICHT.
Ich weiß.
ADAM.
Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,
Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,
Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.
LICHT.
Das sag ich auch.
ADAM.
Nun denn, so kommt Gevatter,
160Folgt mir ein wenig zur Registratur;
Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,
Die liegen wie der Turm zu Babylon.
Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher: Zwei Mägde.
DER BEDIENTE.
Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter
Lässt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.
ADAM.
Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla
Schon fertig?
DER BEDIENTE.
Ja, er ist in Huisum schon.
ADAM.
He! Liese! Grete!
LICHT.
Ruhig, ruhig jetzt.
ADAM.
Gevatterchen!
LICHT.
Lasst Euern Dank vermelden.
DER BEDIENTE.
Und morgen reisen wir nach Hussahe.
ADAM.
Was tu ich jetzt? Was lass ich?
(Er greift nach seinen Kleidern.)
ERSTE MAGD
(tritt auf). Hier bin ich, Herr.
LICHT.
Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?
ZWEITE MAGD
(tritt auf).Hier bin ich, Herr Dorfrichter.
LICHT.
Nehmt den Rock.
ADAM
(sieht sich um).Wer? Der Gerichtsrat?
LICHT.
Ach, die Magd ist es.
ADAM.
Die Bäffchen! Mantel! Kragen!
ERSTE MAGD.
Erst die Weste!
ADAM.
Was? – Rock aus! Hurtig!
LICHT
(zum Bedienten). Der Herr Gerichtsrat werden
Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich
Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.
ADAM.
Den Teufel auch! Der Richter Adam lässt sich
Entschuldigen.
LICHT.
Entschuldigen!
ADAM.
Entschuldgen.
Ist er schon unterwegs etwa?
DER BEDIENTE.
180 Er ist
[12]Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmied bestellt;
Der Wagen ging entzwei.
ADAM.
Gut. Mein Empfehl.
Der Schmied ist faul. Ich ließe mich entschuldgen.
Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,
Schaut selbst, ’s ist ein Spektakel, wie ich ausseh;
Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.
Ich wäre krank.
LICHT.
Seid Ihr bei Sinnen? –
Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.
– Wollt Ihr?
ADAM.
Zum Henker!
LICHT.
Was?
ADAM.
Der Teufel soll mich holen,
190Ist’s nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!
LICHT.
Das fehlt noch, dass Ihr auf den Weg ihm leuchtet.
ADAM.
Margrete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!
DIE BEIDEN MÄGDE.
Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?
ADAM.
Fort! sag ich.
Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen
Aus der Registratur geschafft! Und flink! –
Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du ja!
– Gotts Blitz, Margrete! Liese soll, die Kuhmagd,
In die Registratur!
(Die erste Magd geht ab.)
DIE ZWEITE MAGD.
Sprecht, soll man Euch verstehn!
ADAM.
Halts Maul jetzt, sag ich –! Fort! schaff mir die Perücke!
200Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich!
(Die zweite Magd ab.)
LICHT
(zum Bedienten).Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,
Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?
DER BEDIENTE.
Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.
ADAM.
[13]Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln –
LICHT.
Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?
Doch keinen Schaden weiter –?
DER BEDIENTE.
Nichts von Bedeutung.
Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.
Die Deichsel brach.
ADAM.
Dass er den Hals gebrochen!
LICHT.
Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmied schon?
DER BEDIENTE.
Ja, für die Deichsel.
LICHT.
Was?
ADAM.
210 Ihr meint, der Doktor.
LICHT.
Was?
DER BEDIENTE.
Für die Deichsel?
ADAM.
Ach, was! Für die Hand.
DER BEDIENTE.
Adies, ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll. (Ab.)
LICHT.
Den Schmied meint ich.
ADAM.
Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.
LICHT.
Wieso?
ADAM.
Ihr seid verlegen.
LICHT.
Was!
(Die erste Magd tritt auf.)
ADAM.
He! Liese!
Was hast du da?
ERSTE MAGD.
Braunschweiger Wurst, Herr Richter.
ADAM.
Das sind Pupillenakten.
LICHT.
Ich, verlegen!
ADAM.
Die kommen wieder zur Registratur.
ERSTE MAGD.
Die Würste?
ADAM.
Würste! Was! Der Einschlag hier.
LICHT.
Es war ein Missverständnis.
DIE ZWEITE MAGD
(tritt auf). Im Bücherschrank,
220Herr Richter, find ich die Perücke nicht.
ADAM.
[14]Warum nicht?
ZWEITE MAGD.
Hm! Weil Ihr –
ADAM.
Nun?
ZWEITE MAGD.
Gestern Abend –
Glock eilf –
ADAM.
Nun? Werd ich’s hören?
ZWEITE MAGD.
Ei, Ihr kamt ja,
Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.
ADAM.
Ich, ohne die Perücke?
ZWEITE MAGD.
In der Tat.
Da ist die Liese, die’s bezeugen kann.
Und Eure andr’ ist beim Perückenmacher.
ADAM.
Ich wär –?
ERSTE MAGD.
Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!
Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;
Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wisst Ihr nicht?
230Das Blut musst ich Euch noch vom Kopfe waschen.
ADAM.
Die Unverschämte!
ERSTE MAGD.
Ich will nicht ehrlich sein.
ADAM.
Halt’s Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.
LICHT.
Habt Ihr die Wund seit gestern schon?
ADAM.
Nein, heut.
Die Wunde heut und gestern die Perücke.
Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,
Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,
Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.
Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.
– Scher dich zum Satan, wo du hingehörst!
In die Registratur! (Erste Magd ab.)
240 Geh, Margarete!
Gevatter Küster soll mir seine borgen;
In meine hätt die Katze heute morgen
Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet
Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.
LICHT.
Die Katze? Was? Seid Ihr –?
ADAM.
So wahr ich lebe.
[15]Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.
Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.
Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?
LICHT.
In die Perücke?
ADAM.
Der Teufel soll mich holen!
250Ich hatte die Perücke aufgehängt,
Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,