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Länderübergreifendes Abitur-Thema 2026–28: Heinrich von Kleists Lustspiel Welcher nächtliche Eindringling hat den Krug im Zimmer der jungen Eve zerbrochen – ihr Verlobter, ein heimlicher Geliebter oder gar der Teufel? Dorfrichter Adam, der den Fall klären soll, entlarvt sich in einem ebenso absurden wie komischen Prozess schließlich selbst als Täter. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL – Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: • Der sorgfältig edierte Werktext seiten- und zeilengleich mit der entsprechenden Ausgabe aus Reclams Universal-Bibliothek • Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. • Inkl. Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten für eine leichtere Einordnung des Werks • Reclam XL – Text und Kontext ist kompatibel: Der Lektüreschlüssel XL und die Unterrichtsmaterialien aus der Reihe Reclam Literaturunterricht passen dazu! Textanalyse und Klausurvorbereitung: Reclam XL Text und Kontext hilft! Heinrich von Kleists Lustspiel ist eine der meistgespielten deutschen Komödien. Die Uraufführung durch Goethe 1808 in Weimar war ein Misserfolg, erst lange nach Kleists Tod setzte sich das Stück auf der Bühne endgültig durch. In dem Gerichtsprozess um einen zerbrochenen Krug, den Kleist hier in Szene setzt, ist Dorfrichter Adam auf aberwitzig-komische Weise Täter und Ermittler zugleich. Zusatzmaterialien im Anhang zu Kleists Biografie, zur Entstehung des Stücks und zu verschiedenen unterrichtsrelevanten inhaltlichen Aspekten runden die Textausgabe ab. Unabdingbar für die Vorbereitung eines länderübergreifenden Abi-Themas! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.
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Heinrich von Kleist
Ein LustspielReclam XL | Text und Kontext
Reclam
Durchgesehene und erweiterte Ausgabe 2024
Reclam XL | Nr. 962219
2014, 2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2024
RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-962219-4
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-016166-1
www.reclam.de
Der zerbrochne Krug
Vorrede
Personen
Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Eilfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Letzter Auftritt
Die Erstfassung der Schlussszene (›Variant‹)
Anhang
1 Zur Textgestalt
2 Anmerkungen
3 Leben und Zeit
4 Das Motiv des zerbrochenen Kruges
5 Zentrale Namensmotive: Adam, Eve und Ödipus
6 Recht und Gerechtigkeit
7 Rezeptionsgeschichte
8 Literaturhinweise
Fußnoten
Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Faktum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habe auffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah. Man bemerkte darauf – zuerst einen Richter, der gravitätisch auf dem Richterstuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zerbrochenen Krug hielt, sie schien das Unrecht, das ihm widerfahren war, zu demonstrieren: Beklagter, ein junger Bauerkerl, den der Richter, als überwiesen, andonnerte, verteidigte sich noch, aber schwach: ein Mädchen, das wahrscheinlich in dieser Sache gezeugt hatte (denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit das Deliktum geschehen war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der Schürze; wer ein falsches Zeugnis abgelegt hätte, könnte nicht zerknirschter dastehn: und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter misstrauisch zur Seite an, wie Kreon, bei einer ähnlichen Gelegenheit, den Ödip. Darunter stand: der zerbrochene Krug. – Das Original war, wenn ich nicht irre, von einem niederländischen Meister.
WALTER
, Gerichtsrat
ADAM
, Dorfrichter
LICHT
, Schreiber
FRAU MARTHE RULL
EVE
, ihre Tochter
VEIT TÜMPEL
, ein Bauer
RUPRECHT
, sein Sohn
FRAU BRIGITTE
EIN BEDIENTER,
BÜTTEL
, MÄGDE
usw.
Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht.
[5]Szene: Die Gerichtsstube
Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.
LICHT.
Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!
Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?
ADAM.
Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße.
Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
Den leidgen Stein zum Anstoß in sich selbst.
LICHT.
Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?
ADAM.
Ja, in sich selbst!
LICHT.
Verflucht das!
ADAM.
Was beliebt?
LICHT.
Ihr stammt von einem lockernÄltervater,
10Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
Und wegen seines Falls berühmt geworden;
Ihr seid doch nicht –?
ADAM.
Nun?
LICHT.
Gleichfalls –?
ADAM.
Ob ich –? Ich glaube –!
Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.
LICHT.
Unbildlich hingeschlagen?
ADAM.
Ja, unbildlich.
Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.
LICHT.
Wann trug sich die Begebenheit denn zu?
ADAM.
Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett
Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied
Im Mund, da stolpr’ ich in den Morgen schon,
20Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,
Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.
LICHT.
Und wohl den linken obenein?
ADAM.
Den linken?
[6]LICHT.
Hier, den gesetzten?
ADAM.
Freilich!
LICHT.
Allgerechter!
Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.
ADAM.
Der Fuß! Was! Schwer! Warum?
LICHT.
Der Klumpfuß?
ADAM.
Klumpfuß!
Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.
LICHT.
Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten Unrecht.
Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,
Und wagt sich eh’r aufs Schlüpfrige.
ADAM.
Ach, was!
30Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.
LICHT.
Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?
ADAM.
Mir das Gesicht?
LICHT.
Wie? Davon wisst Ihr nichts?
ADAM.
Ich müsst ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?
LICHT.
Wie’s aussieht?
ADAM.
Ja, Gevatterchen.
LICHT.
Abscheulich!
ADAM.
Erklärt Euch deutlicher.
LICHT.
Geschunden ist’s,
Ein Greu’l zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,
Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen.
ADAM.
Den Teufel auch!
LICHT (bringt einen Spiegel).
Hier! Überzeugt Euch selbst!
Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich
40Durch Dornen drängt, lässt nicht mehr Wolle sitzen,
Als Ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.
ADAM.
Hm! Ja! ’s ist wahr. Unlieblich sieht es aus.
Die Nas hat auch gelitten.
LICHT.
Und das Auge.
ADAM.
Das Auge nicht, Gevatter.
LICHT.
Ei, hier liegt
Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,
Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.
[7]ADAM.
Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,
Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.
LICHT.
Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.
ADAM.
50Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock,
Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ich’s.
Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam
Ertrunken in den Lüften um mich greife,
Fass ich die Hosen, die ich gestern abend
Durchnässt an das Gestell des Ofens hing.
Nun fass ich sie, versteht Ihr, denke mich,
Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt
Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,
Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf
60Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock
Die Nase an der Ecke vorgestreckt.
LICHT (lacht).
Gut, gut.
ADAM.
Verdammt!
LICHT.
Der erste Adamsfall,
Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.
ADAM.
Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibt’s Neues?
LICHT.
Ja, was es Neues gibt! Der Henker hol’s,
Hätt ich’s doch bald vergessen.
ADAM.
Nun?
LICHT.
Macht Euch bereit auf unerwarteten
Besuch aus Utrecht.
ADAM.
So?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat kömmt.
ADAM.
Wer kömmt?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.
70Er ist in Revisionsbereisung auf den Ämtern
Und heut noch trifft er bei uns ein.
ADAM.
Noch heut! Seid Ihr bei Trost?
LICHT.
So wahr ich lebe.
[8]Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,
Hat das Justizamt dort schon revidiert.
Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon
Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.
ADAM.
Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!
Zur Revision, der wackre Mann, der selbst
Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen hasst.
80Nach Huisum kommen, und uns kujonieren!
LICHT.
Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.
Nehmt Euch in Acht.
ADAM.
Ach geht!
LICHT.
Ich sag es Euch.
ADAM.
Geht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.
LICHT.
Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.
ADAM.
Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.
Die Kerle unterscheiden ein Gesicht
Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.
Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,
Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,
90So hält so’n Schubiack ihn für wen Ihr wollt.
LICHT.
Wohlan, so zweifelt fort, ins Teufels Namen,
Bis er zur Tür hier eintritt.
ADAM.
Er, eintreten! –
Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.
LICHT.
Der Unverstand! Als ob’s der vorige
Revisor noch, der Rat Wachholder, wäre!
Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.
ADAM.
Wenngleich Rat Walter! Geht, lasst mich zufrieden.
Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,
Und praktisiert, wie wir, nach den
100Bestehenden Edikten und Gebräuchen.
LICHT.
Nun, ich versichr’ Euch, der Gerichtsrat Walter
Erschien in Holla unvermutet gestern,
Vis’tierte Kassen und Registraturen,
Und suspendierte Richter dort und Schreiber,
Warum? ich weiß nicht, ab officio.
[9]ADAM.
Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?
LICHT.
Dies und noch mehr –
ADAM.
So?
LICHT.
Wenn Ihr’s wissen wollt.
Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,
Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,
110Und findet hinten in der Scheuer ihn
Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.
ADAM.
Was sagt Ihr?
LICHT.
Hülf inzwischen kommt herbei,
Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,
Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.
ADAM.
So? Bringt man ihn?
LICHT.
Doch jetzo wird versiegelt,
In seinem Haus, vereidet und verschlossen,
Es ist, als wär er eine Leiche schon,
Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.
ADAM.
Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war’s –
120Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,
Ein Kerl, mit dem sich’s gut zusammen war;
Doch grausam liederlich, das muss ich sagen.
Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,
So ging’s ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.
LICHT.
Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,
Sei schuld, dass der Gerichtsrat noch nicht hier;
Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.
ADAM.
Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freundschaft.
Ihr wisst, wie sich zwei Hände waschen können.
130Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,
Und Ihr verdient’s, bei Gott, so gut wie einer.
Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,
Heut lasst Ihr noch den Kelch vorübergehn.
LICHT.
Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?
ADAM.
Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,
Und Euren Cicero habt Ihr studiert
[10]Trotz einem auf der Schul in Amsterdam.
Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?
Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,
140Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.
LICHT.
Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.
ADAM.
Zu seiner Zeit, Ihr wisst’s, schwieg auch der große
Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
Und bin ich König nicht von Mazedonien,
Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.
LICHT.
Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.
Hab ich jemals –?
ADAM.
Seht, ich, ich, für mein Teil,
Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe
Von Depositionen sich und Zinsen
150Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:
Wer wollte solche Perioden drehn?
LICHT.
Nun, also!
ADAM.
Von solchem Vorwurf bin ich rein,
Der Henker hol’s! Und alles, was es gilt,
Ein Schwank ist’s etwa, der zur Nacht geboren,
Des Tags vorwitzgen Lichtstrahl scheut.
LICHT.
Ich weiß.
ADAM.
Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,
Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,
Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.
LICHT.
Das sag ich auch.
ADAM.
Nun denn, so kommt Gevatter,
160Folgt mir ein wenig zur Registratur;
Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,
Die liegen wie der Turm zu Babylon.
Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher: Zwei Mägde.
DER BEDIENTE.
Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter
Lässt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.
ADAM.
Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla
Schon fertig?
DER BEDIENTE.
Ja, er ist in Huisum schon.
ADAM.
He! Liese! Grete!
LICHT.
Ruhig, ruhig jetzt.
ADAM.
Gevatterchen!
LICHT.
Lasst Euern Dank vermelden.
DER BEDIENTE.
Und morgen reisen wir nach Hussahe.
ADAM.
Was tu ich jetzt? Was lass ich?
(Er greift nach seinen Kleidern.)
ERSTE MAGD (tritt auf).
170 Hier bin ich, Herr.
LICHT.
Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?
ZWEITE MAGD (tritt auf).
Hier bin ich, Herr Dorfrichter.
LICHT.
Nehmt den Rock.
ADAM (sieht sich um).
Wer? Der Gerichtsrat?
LICHT.
Ach, die Magd ist es.
ADAM.
Die Bäffchen! Mantel! Kragen!
ERSTE MAGD.
Erst die Weste!
ADAM.
Was? – Rock aus! Hurtig!
LICHT (zum Bedienten).
Der Herr Gerichtsrat werden
Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich
Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.
ADAM.
Den Teufel auch! Der Richter Adam lässt sich
Entschuldigen.
LICHT.
Entschuldigen!
ADAM.
Entschuldgen.
Ist er schon unterwegs etwa?
DER BEDIENTE.
180 Er ist
[12]Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmied bestellt;
Der Wagen ging entzwei.
ADAM.
Gut. Mein Empfehl.
Der Schmied ist faul. Ich ließe mich entschuldgen.
Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,
Schaut selbst, ’s ist ein Spektakel, wie ich ausseh;
Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.
Ich wäre krank.
LICHT.
Seid Ihr bei Sinnen? –
Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.
– Wollt Ihr?
ADAM.
Zum Henker!
LICHT.
Was?
ADAM.
Der Teufel soll mich holen,
190Ist’s nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!
LICHT.
Das fehlt noch, dass Ihr auf den Weg ihm leuchtet.
ADAM.
Margrete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!
DIE BEIDEN MÄGDE.
Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?
ADAM.
Fort! sag ich.
Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen
Aus der Registratur geschafft! Und flink! –
Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du ja!
– Gotts Blitz, Margrete! Liese soll, die Kuhmagd,
In die Registratur!
(Die erste Magd geht ab.)
DIE ZWEITE MAGD.
Sprecht, soll man Euch verstehn!
ADAM.
Halts Maul jetzt, sag ich –! Fort! schaff mir die Perücke!
Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack 200dich!
(Die zweite Magd ab.)
LICHT (zum Bedienten).
Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,
Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?
DER BEDIENTE.
Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.
[13]ADAM.
Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln –
LICHT.
Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?
Doch keinen Schaden weiter –?
DER BEDIENTE.
Nichts von Bedeutung.
Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.
Die Deichsel brach.
ADAM.
Dass er den Hals gebrochen!
LICHT.
Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmied schon?
DER BEDIENTE.
Ja, für die Deichsel.
LICHT.
Was?
ADAM.
210 Ihr meint, der Doktor.
LICHT.
Was?
DER BEDIENTE.
Für die Deichsel?
ADAM.
Ach, was! Für die Hand.
DER BEDIENTE.
Adies, ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll. (Ab.)
LICHT.
Den Schmied meint ich.
ADAM.
Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.
LICHT.
Wieso?
ADAM.
Ihr seid verlegen.
LICHT.
Was!
(Die erste Magd tritt auf.)
ADAM.
He! Liese!
Was hast du da?
ERSTE MAGD.
Braunschweiger Wurst, Herr Richter.
ADAM.
Das sind Pupillenakten.
LICHT.
Ich, verlegen!
ADAM.
Die kommen wieder zur Registratur.
ERSTE MAGD.
Die Würste?
ADAM.
Würste! Was! Der Einschlag hier.
LICHT.
Es war ein Missverständnis.
DIE ZWEITE MAGD (tritt auf).
Im Bücherschrank,
220Herr Richter, find ich die Perücke nicht.
[14]ADAM.
Warum nicht?
ZWEITE MAGD.
Hm! Weil Ihr –
ADAM.
Nun?
ZWEITE MAGD.
Gestern Abend –
Glock eilf –
ADAM.
Nun? Werd ich’s hören?
ZWEITE MAGD.
Ei, Ihr kamt ja,
Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.
ADAM.
Ich, ohne die Perücke?
ZWEITE MAGD.
In der Tat.
Da ist die Liese, die’s bezeugen kann.
Und Eure andr’ ist beim Perückenmacher.
ADAM.
Ich wär –?
ERSTE MAGD.
Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!
Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;
Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wisst Ihr nicht?
230Das Blut musst ich Euch noch vom Kopfe waschen.
ADAM.
Die Unverschämte!
ERSTE MAGD.
Ich will nicht ehrlich sein.
ADAM.
Halt’s Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.
LICHT.
Habt Ihr die Wund seit gestern schon?
ADAM.
Nein, heut.
Die Wunde heut und gestern die Perücke.
Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,
Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,
Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.
Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.
– Scher dich zum Satan, wo du hingehörst!
In die Registratur! (Erste Magd ab.)
240 Geh, Margarete!
Gevatter Küster soll mir seine borgen;
In meine hätt die Katze heute morgen
Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet
Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.
LICHT.
Die Katze? Was? Seid Ihr –?
ADAM.
So wahr ich lebe.
[15]Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.
Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.
Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?
LICHT.
In die Perücke?
ADAM.
Der Teufel soll mich holen!
250Ich hatte die Perücke aufgehängt,
Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,
Den Stuhl berühr ich in der Nacht, sie fällt –
LICHT.
Drauf nimmt die Katze sie ins Maul –
ADAM.
Mein Seel –
LICHT.
Und trägt sie unters Bett und jungt darin.
ADAM.
Ins Maul? Nein –
LICHT.
Nicht? Wie sonst?
ADAM.
Die Katz? Ach, was!
LICHT.
Nicht? Oder Ihr vielleicht?
ADAM.
Ins Maul! Ich glaube –!
Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,
Als ich es sah.
LICHT.
Gut, gut.
ADAM.
Kanaillen die!
Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.
ZWEITE MAGD (kichernd).
So soll ich hingehn?
ADAM.
260 Ja, und meinen Gruß
An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.
Ich schickt ihr die Perücke unversehrt
Noch heut zurück – ihm brauchst du nichts zu sagen.
Verstehst du mich?
ZWEITE MAGD.
Ich werd es schon bestellen. (Ab.)
Adam und Licht.
ADAM.
Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.
LICHT.
Warum?
ADAM.
Es geht bunt alles überecke mir.
Ist nicht auch heut Gerichtstag?
LICHT.
Allerdings.
Die Kläger stehen vor der Türe schon.
ADAM.
– Mir träumt’, es hätt ein Kläger mich ergriffen,
270Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,
Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,
Und schält und hunzt und schlingelte mich herunter,
Und judiziert den Hals ins Eisen mir.
LICHT.
Wie? Ihr Euch selbst?
ADAM.
So wahr ich ehrlich bin.
Drauf wurden beide wir zu eins, und flohn,
Und mussten in den Fichten übernachten.
LICHT.
Nun? Und der Traum meint Ihr –?
ADAM.
Der Teufel hol’s.
Wenn’s auch der Traum nicht ist, ein Schabernack,
Sei’s, wie es woll, ist wider mich im Werk!
LICHT.
280Die läppsche Furcht! Gebt Ihr nur vorschriftsmäßig,
Wenn der Gerichtsrat gegenwärtig ist,
Recht den Parteien auf dem Richterstuhle,
Damit der Traum vom ausgehunzten Richter
Auf andre Art nicht in Erfüllung geht.
Der Gerichtsrat Walter tritt auf. Die Vorigen.
WALTER.
Gott grüß Euch, Richter Adam.
ADAM.
Ei, willkommen!
Willkommen, gnädger Herr, in unserm Huisum!
[17]Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte
So freudigen Besuches sich gewärtgen.
Kein Traum, der heute früh Glock achte noch
290Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.
WALTER.
Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muss
Auf dieser Reis, in unsrer Staaten Dienst,
Zufrieden sein, wenn meine Wirte mich
Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen.
Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft,
Ich mein’s von Herzen gut, schon wenn ich komme.
Das Obertribunal in Utrecht will
Die Rechtspfleg auf dem platten Land verbessern,
Die mangelhaft von mancher Seite scheint,
300Und strenge Weisung hat der Missbrauch zu erwarten.
Doch mein Geschäft auf dieser Reis ist noch
Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen,
Und find ich gleich nicht alles, wie es soll,
Ich freue mich, wenn es erträglich ist.
ADAM.
Fürwahr, so edle Denkart muss man loben.
Euer Gnaden werden hie und da, nicht zweifl’ ich,
Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen;
Und wenn er in den Niederlanden gleich
Seit Kaiser Karl dem fünften schon besteht:
310Was lässt sich in Gedanken nicht erfinden?
Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,
Und alles liest, ich weiß, den Puffendorf;
Doch Huisum ist ein kleiner Teil der Welt,
Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Teil nur
Kann von der allgemeinen Klugheit kommen.
Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf,
Und überzeugt Euch, gnädger Herr, Ihr habt
Ihr noch sobald den Rücken nicht gekehrt,
Als sie auch völlig Euch befriedgen wird;
320Doch fändet Ihr sie heut im Amte schon
Wie Ihr sie wünscht, mein Seel, so wär’s ein Wunder,
Da sie nur dunkel weiß noch, was Ihr wollt.
[18]WALTER.
Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr
Es sind zu viel, man wird sie sichten müssen.
ADAM.
Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!
WALTER.
Das ist dort der Herr Schreiber?
LICHT.
Der Schreiber Licht,
Zu Eurer hohen Gnaden Diensten. Pfingsten
Neun Jahre, dass ich im Justizamt bin.
ADAM (bringt einen Stuhl).
Setzt Euch.
WALTER.
Lasst sein.
ADAM.
Ihr kommt von Holla schon.
WALTER.
330Zwei kleine Meilen – Woher wisst Ihr das?
ADAM.
Woher? Euer Gnaden Diener –
LICHT.
Ein Bauer sagt’ es,
Der eben jetzt von Holla eingetroffen.
WALTER.
Ein Bauer?
ADAM.
Aufzuwarten.
WALTER.
– Ja! Es trug sich
Dort ein unangenehmer Vorfall zu,
Der mir die heitre Laune störte,
Die in Geschäften uns begleiten soll. –
Ihr werdet davon unterrichtet sein?
ADAM.
Wär’s wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul,
Weil er Arrest in seinem Haus empfing,
340Verzweiflung hätt den Toren überrascht,
Er hing sich auf?
WALTER.
Und machte Übel ärger.