Dick und Dünn - Alex Gfeller - E-Book

Dick und Dünn E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Sie wollen nichts. Sie wollen einzig die Möglichkeit haben, falls sie sie noch jemals haben möchten, einfach nur noch zu schreiben und zu malen. Was sagen Sie dazu? Diese Türe soll ihnen doch immer offen stehen und bei Bedarf offen bleiben, auch wenn sie damit längst abgeschlossen haben, denn solange sie noch formulieren können, sei es nun sprachlich oder malerisch, leben sie noch, nehmen sie jedenfalls mal an, und solange sie noch einen Pinsel in der Hand halten können, fühlen sie noch etwas, glauben sie zu wissen.

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Die Aufgabe der beiden ist gleichzeitig die Abgabe und die Eingabe der beiden, ganz einfach. Nur erwachsene Personen sollen darin Verwendung finden, die dafür geeignet sind, seien sie nun singular oder plural, seien sie maskulin, feminin oder neutrum, und keine bösen Erinnerungen sollen den durchaus sorgfältig ausgewählten Wortfluss noch stören dürfen, noch persönliche Affinitäten irgendwelcher Art Einfluss nehmen können. Mehr vorgezogene Auflagen als diese drei sind aber nicht vorgesehen. Es gibt zwar ein paar kleinere Einzelheiten, die zu erwähnen hier noch nicht der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt sind, denn sie sind alle eher unwichtig und unbedeutend, wie zum Beispiel das Wörtchen «ja», das laut Korrekturprogramm von «Word» möglichst vermieden werden soll und kann und muss im Endschuss am Schluss im Grauguss, wo es nur darum gehe, wo es stehe und wo es wehe, da es völlig überflüssig sei, nichts als ein lindes Lüftchen, wie mir das Korrekturprogramm von «Word» schlank und rank erklärt, und sei es nur ein geruchloses Fürzchen im Textfluss. Das Ja als Bekräftigung gibt es gar nicht mehr in der klinisch sauberen Welt von Word united; es kommt einfach nirgendwo mehr vor. Dem Aquamariner scheint indes, dass gerade auf diese Weise einer gepflegten Ausdrucksweise ausreichend Genüge getan werden könnte, da auch die stilistischen Schnitzer laufend ausgefeilt werden müssten, und nicht nur die grammatikalischen und die orthografischen. Doch somit sind auch die wichtigsten Vorgaben, die bedeutendsten Vorhaben und sogar die grundlegendsten Vorlagen und vielleicht auch die einzigen Voraussetzungen, Umstände, Einwände und Abgrenzungen bereits ausreichend abgesteckt und gleichsam schon zu Beginn zur Diskussion gestellt und abverreckt, denn es soll nicht der Eindruck entstehen, als verberge gerade dieser Text ein besonderes Geheimnis oder ein ausgeklügeltes Rätsel, denn das tut er bestimmt nicht. Es ist sogar eine grundsätzliche Voraussetzung, dass gerade diese sehr einfache Textlichkeit nichts Wesentliches verbirgt und verhüllt, nichts Bedeutendes verbergen will und kann, nichts Wichtiges verstecken soll, niemals in die Unkenntnis der Unverfänglichkeit abtaucht und auch über nichts Unumgängliches verfügt, noch etwas Ausführliches verbrämt oder gar unwissentlich verheimlicht, geschweige denn verklebt oder verpflastert oder vergewissert und vergewässert, und sie will sich gewiss auch nicht unnötig wichtigmachen und blitzblank gebleechte Zähne zeigen, sobald eine Kamera in der Nähe ist. Es handelt sich hierbei nur um eine leicht surrealistische Textur, um mehr gewiss nicht. Sie wird auch so die Welt erobern, keine Angst, wie alle Surrealismen, Subrealismen, Metarealismen, Datafaktorismen und Protorealismen, versprochen. Es werden somit und hiermit keine Enthüllungen gemacht, keine Erfahrungen aller Art mitgeteilt, keine Erkenntnisse erbracht und keinerlei Erleuchtungen offenbart, die das intellektuelle Vermögen von Koni Dick oder Toni Dünn übersteigen könnten, keine Angst. Wer nicht sehen mag, was die Zeitenwende ergibt, soll sie einfach beiseite lassen, denn eigentlich und ursprünglich schätzen nur die geschätzten, aber vergessene Verfasser und die vermissten Verpasser, wenn nicht gar ihre flüchtigen Verpisser und anständigen Bekacker allein ihre versteckten Quellen oder unoffensichtlichen Qualitäten.

Allein diese Erkenntnis ist selbstredend so selbstverständlich, dass man darüber gar nicht erst zu schreiben bedarf, zumal gerade diese flotte Anmache und flötistische Einstellung ausreichend selbsttragend ist, und die forsche Schreibhaltung bleibt somit annehmbar selbstgerecht und ist auf jeden Fall ausreichend befriedigend voreingenommen und zudem unbestritten einseitig. Somit ist vorauseilend bereits alles Wesentliche gesagt, und alle denkbaren Voraussetzungen sind ausreichend in Erwägung gezogen und zur Erwähnung vorgeschlagen worden, also hinlänglich zur Strecke gebracht und angemessen zur Betrachtung hingeführt oder sogar leidlich in ausreichender Frische vermittelt und zertrampelt worden; mehr gibt es dazu eigentlich gar nicht zu sagen. Um dem neuerlichen Affront, der sich bereits am Horizont abzeichnet, Herr zu werden, muss gewissermaßen didaktisch, faktisch und taktisch klug oder zumindest strategisch sauber vorgegangen werden, wenn nicht gar orthopädisch oder metabolisch, nur um lauter ungeliebte Begriffe aus der Belletristik, aus der Ballistik und aus der Balkonistik zu bemühen, was die geneigten Informatiker durchaus als erneute stilistische Provokation betrachten könnten, wenn sie nicht längst wüssten, dass kaum noch etwas wirklich provokativ und auch noch von Belang sein könnte, was da kreucht und fleucht. In der Tat ist die ganze, vergebliche Mühe eigentlich zum Vornherein umsonst gewesen, und wer beginnt nicht immer wieder mit all der Anstrengung im gesicherten Wissen, dass gerade sie in keiner Weise zielführend sein könne, noch jemals sinnhaftig oder zweckmäßig wäre? Sie ist nicht einmal einträglich, und nur ein Narr würde so etwas tun wie die beiden Protagonisten – Sie haben völlig recht. Doch was soll’s? Die Wartezeit bis zum Abgang muss nun mal herumgebracht werden; sie muss ständig und von Neuem eingegeben, angegeben, ausgegeben, angereichert, aufgegeben, zertrampelt, verrührt, zerhackt und gleich anschließend sicher vernichtet werden, damit sichergegangen werden kann, dass sie nimmer wiederkehren möge, die vertrödelte Zeit, noch als Zombie wiederkäme und niederkomme, die Verruchte, denn es geht hierbei eindeutig um eine reine Zeitverschwendung und Zeitvernichtung in der ganzen Zeitenrechnung, und allein dies ist doch bereits irgendwie sündig oder sogar todsündig, nicht wahr? Frevelhaft zumindest? Verwerflich gar? Unanständig? Unangebracht ist sie auf jeden Fall, denn Zeiten dürfen sich eigentlich nie wiederholen. Nichts fürchtet der moderne, mittelmäßige Mensch mehr als immerzu wiederkehrende Ereignisse gleich welcher Art, denn alle Ereignisse müssen umgehend einmalig und zudem selten bleiben, sonst verlieren sie sofort ihren ursprünglichen Wert und ursächlichen Sinn, und wertlose Zeitzeugnisse gibt es geradezu massenhaft und trotzdem nicht wirklich, nie und nirgendwo. Ist das nicht ergreifend? Die Zeitzeugen wollen hier indes niemals von Phantomen sprechen, ebenso wenig von Phänomenen oder Phantasien, ganz abgesehen von allen Pharisäern, Philharmonikern, Photolysten und Phonematikern. Doch wie dem auch sei; es muss jetzt geschehen, was geschehen muss, und das ist in diesem Falle eindeutig ein weiterer Ermessensspielraum in allem Ekklatismus, zudem eine reine Ansichtssache und eine fiese Vorgabenveranlagungsursache dazu, vielleicht sogar eine Ernennungsurkundenbestätigungsvorsorge, allerdings der ganz besonderen Art, wenn diese Beifügung gestattet ist. Wer jetzt aber der Ansicht sein mag, dies alles sei nichts als ein einziges Rätsel oder sogar nur reiner Mist, vergisst, dass es gar keine Rätsel gibt, keine Denkspiele und keine Enigmen, die nicht immer in all ihrer Banalität, allenfalls in all ihrer Perfidie aufgelöst werden könnten.

Diese Mittelmäßigkeit muss vielleicht sogar in Kauf genommen werden, weil die nachgefragte Qualität so oder so immer darunter leidet. Doch ein Qualitätsverlust muss jederzeit in Betracht gezogen werden können; das ist wahrscheinlich sogar die derzeitige Menschheitsaufgabe in extremis, denn neulich lagen die beiden dickflüssigen Kontrollbeamten wach in ihren breiten Betten in ihren getrennten Schlafzimmern, und zwar eine geschlagene Nacht lang und wachen, offenen Auges, wie schon so oft zuvor in ihren Leben, und währenddessen strömten ganze Texturen in vollständig ausgebildeten Sätzen und von erlesener Eleganz durch ihre Köpfe, allesamt Sätze, die sie gleich auf den ersten Blick gar nicht übel fanden. Ja, sie waren sogar richtig stolz auf sie, wie sie da zügig und ungefragt in voller Länge hereinwebten und flott wieder hinausschwebten, als kämen sie nicht nur ausschließlich aus ihrer Küche, sondern von irgendwo her, vielleicht sogar aus dem All oder aus dem Fundus der widersprüchlichsten und absurdesten Gefühlslagen der Hesperiden, und nur deshalb mussten sie sich ernüchtert sagen, dass es wohl doch noch nicht ganz vorbei sei mit dem Schreiben, denn sie müssen nach wie vor einfach schreiben. Sie müssen immerzu aufschreiben; sie können gar nicht anders, das ist ihnen einfach so gegeben, und vielleicht ist das sogar ihr innerer Auftrag oder aber eine ganz schlimme Erkrankung der übelsten Sorte, unkurierbar und unheilbar. Das Malen indes können sie ohne Weiteres jahrelang unterbrechen, ohne an dieser Pause Schaden zu nehmen, ohne dass ihnen dabei allmählich unwohl würde wie beim Schreibstopp, denn bei den Texten ist das ganz anders. Sie laufen bei ihnen in roter Leuchtfarbe über den inneren Bildschirm, wie die aktuellen Börsenkurse über ein Laufband in Leuchtschrift an der Fassade einer erfolgreichen Bank, an einer sehr modernen Häuserfassade, und zwar beharrlich, ungefragt, also immerfort und ununterbrochen.

Sie geben deutlich und klar Auskunft über Gewinn und Verlust, über Bewegung oder über Stillstand, über Hingang oder Rückgang, ohne dass sie diesen bemerkenswerten Vorgang des inneren Vorgehens und Abgehens jemals steuern, anhalten oder gar beschleunigen und schon gar nicht zum Verschwinden bringen könnten. Wie ein endloser Fluss fließen die leuchtend roten, gelben und grünen Sätze zügig auf ihren inneren Breitbandbildschirmen vorbei und schwimmen endlos dahin in eine weite, dunstige Ferne hinaus, ziehen an ihnen vorüber und über sie hinweg und sinken allmählich weit in der Ferne dahin, und zwar allesamt gute Sätze, brauchbare Sätze zumal und robuste Sätze dazu, so dass sie sich sagen müssen, während sie auf dem Rücken im Bett liegen und darüber nachsinnen, ob sie sich wohl endlich wieder die Mühe machen müssten zu schreiben, dass sie sich somit die Zeit nehmen sollten aufzuschreiben, was in ihnen eigentlich abgeht, und dass sie sich auch dieser Aufgabe zu stellen haben oder hätten, die sie somit wieder einmal gegen besseres Wissen, gegen alle Erkenntnisse und Erfahrungen und gegen jegliche Notwendigkeit unfreiwillig angefangen haben. Es gibt keinen einzigen Grund, dies zu tun oder nicht zu tun, aber es gibt auch keinen Anlass, diesen Drang zu unterdrücken oder aber sich ihm zu ergeben, sich ihm auszuliefern und ihn auszuleben, denn es ist mit dem Schreiben wie mit dem Brunzen: Der Drang ist da, die Pisse läuft, allerdings im Alter nur noch in stark reduzierter Form, denn die Blase leert sich nie mehr vollständig, vor allem nicht im Sitzen, aber auch nicht im Stehen, denn sie fühlen seit langem nichts Konkretes mehr unter-halb ihrer äquatorialen Gürtelzone und somit an den gefühllos gewordenen Schwanzspitzen; sie können also nicht sagen, so wie früher, ob etwas noch nicht läuft, ob etwas schon läuft, ob es immer noch läuft, oder ob es schon nicht mehr läuft. Wenn sie es wissen wollen, müssen sie die Brillen aufsetzen, sich mühsam hinunterbücken und genau hinschauen, und sie müssen zudem ihre Kümmerlinge scharf im Auge behalten und abwarten, was sie sonst noch von sich geben, oder ob sie überhaupt noch etwas von sich geben, einen letzten Piepser vielleicht, einen letzten Seufzer oder ein letztes Stöhnen, was immer es sein mag, oder ob sie überhaupt noch etwas zu sagen haben, kurz gesagt, die dreckigen Lümmel, die beschissenen Wurmfortsätze, die lahmen Lurche, die toten Hechte! Sie machen aus dieser Voraussetzung, was dort unten überhaupt noch möglich ist mit viel schütteln und pressen, allerdings kein Theater, und sie möchten sich nicht sagen lassen müssen, sie hätten etwas verpasst, sie kümmerten sich zu wenig darum oder hätten gar etwas in sich unterdrückt – was auch immer. Behüte! Dieser falsche und völlig unzutreffende Vorwurf wäre ihnen zudem sehr unangenehm, und er wäre auch völlig unangebracht, zumal er zunächst und vor allem ausdrücklich fehl am Platze wäre; sie wissen das seit langem, denn sie sind nun mal Schreibprofis, und sie kennen ihre unterschiedlichen Schreiblaunen längst haargenau und porentief klar wie unsichtbar. Dazu brauchen sie sich nichts mehr vorzumachen, und sie brauchen sich auch nicht mehr von dritter, völlig unberufener oder gar unbefugter Seite beeindrucken zu lassen, zum Beispiel von ärztlicher Seite – dies schon gar nicht. Diese üblen und ätzenden Anfängerzeiten sind zum Glück definitiv vorbei, denn sie lassen sich längst nicht mehr dreinreden, von welcher Seite auch immer, ebenso wenig, wie sie sich überhaupt noch etwas sagen lassen würden, weil sie mittlerweile genau wissen, dass ihnen niemand mehr dreinreden darf und dreinreden kann oder dreinreden soll – auch kein Hausarzt. Es gibt einfach niemanden, der dazu geeignet oder gar befugt wäre. Nun ist es aber so, dass aus blankem Überlegen allein noch kein brauchbarer Text entstehen kann, denn jeder Text entsteht überhaupt erst mal auf dem Papier, bzw. auf dem Bildschirm, und nirgendwo sonst, erstaunlicherweise auch nicht im Kopf, und zwar in oft mühsamer Form – und nur dort und nirgendwo sonst, zumal sie genau wissen, dass vor allem die schriftliche Form rein inhaltlich eine geistig und formal sehr reduzierte sprachliche Kunstform ist, formal zwar mehr oder weniger korrekt, aber eben insgesamt gesehen doch nur ein skizzenhafter Entwurf, flüchtig und gespickt mit vielen Lücken und Löchern und fadenscheinigen Stellen, und sonst nichts, eine dürre, abstrakte Konstruktion, ein entlaufener, verwirrter, verirrter und deutlich unterernährter Faun, ein unadressiertes Konvolut, ein durchaus gut gemeinter, doch eben wiederum nur abstrakter Versuch, einer sehr unbestimmten, aber harten Wirklichkeit Herr zu werden, mehr gewiss nicht, also nichts Konkretes, nichts wirklich Definitives, nichts Vereinzeltes oder Verbandeltes, nichts Detailliertes, nichts Ausgereiftes und vor allem nichts wirklich Endgültiges. Aber auch das Nachdenken allein und an und für sich wird meist völlig überschätzt, denn nachdenken kann jeder Bodenwichser, und jeder Springinsfeld denkt immer genau so viel nach, wie er überhaupt nachdenken kann, wenn er überhaupt nachdenken kann, der Naseweis, das steht längst fest. Nirgendwo wird übrigens so viel nachgedacht wie im Knast, und diese Erkenntnis sagt über das Wesen und die Qualität des Nachdenkens alles aus. Verstehen Sie? Vergessen wir das also, und zwar schnell, denn nachdenken führt zu nichts, und wer dabei auch noch im Knast sitzt, bleibt dazu im Knast sitzen, das steht fest. Am Nachdenken kann es also nicht liegen; da muss schon mehr her, nämlich tätige Beihilfe, sofern das Beiprogramm überhaupt weiterhilft, und zwar auf irgend eine Weise, egal auf welche, oder zumindest auf jede denkbare Weise, sagen wir mal. Es entscheidet über Sein oder Nichtsein, und das hat es in sich, denn es geht auch hier um Leben und Tod. Schnuder oder Choder. Geld oder Blut. Wurstfinger oder Pianistenhände, rasierte Muschi oder unrasierte Möse. Da kann man jahrelang manisch Fussel aufklauben oder abwischen, wegsaugen oder einatmen, und trotzdem entstehen überall immer wieder neue Staubfussel ohne Zahl; man weiß nie, woher die überhaupt alle kommen, denn nichts im Raum besteht grundsätzlich aus Fusseln; der Rohstoff für eine nachhaltige Fusselbildung fehlt völlig, und nichts deutet darauf hin, dass bald einmal der ganze Raum von einer immer gleichbleibenden und gleichartigen, meist mausgrauen Staubschicht bedeckt sein wird, überall schön gleichmäßig verteilt, sanft und unaufhaltsam, stetig und lautlos, und in allen Ecken und Enden werden sich diese blöden Staubfussel bilden, von denen hier ständig die Rede ist, getrieben von den leisesten Luftströmungen im Raum, von Strömungen nota bene, die man gar nicht wahrnehmen kann. Die Fussel kommen aus dem Nichts, sind einfach irgendwann mal da, kleben an Kleidern und Finken, an Spatzen und Mirabellen, an Mardern und Kardanwellen und lassen sich nicht einfach wieder vertreiben oder wegwünschen.

Der informierte Infirmist muss sie gewissermaßen einzeln behandeln, muss sie mühsam gebückt aufnehmen und persönlich zur Abfalltonne tragen, denn sie sind unübersehbar, obwohl nichts darauf hindeutet, dass ihnen ihre unnütze Existenz überhaupt etwas bedeutet. Nichts verleiht ihnen jemals die Wichtigkeit, die sie für sich gar nicht beanspruchen, und es stellt sich ihm unausweichlich die brennende Frage, ob es nicht doch einen Fusselteufel gebe, der irgendwo lauert und laufend Fussel produziert, unsichtbar in irgendeiner Zimmerecke kauernd vielleicht, ohne jegliches menschliche Dazutun, um sie dann heimtükkisch, aber gleichmäßig in alle Räume zu verteilen, nur um die Bewohnerschaft zu ärgern und um ihr unerwünschte Arbeit in Form von lärmigem Staubsaugen aufzuerlegen. So muss dieser Mechanismus endlich funktionieren, zum Leidwesen all seiner Bewohner, die es nicht mögen, im Staub zu leben, und zwar im Wohnungsstaub, im Hausstaub, wie man sagt, in einer ständigen Staubschicht, die zunächst kaum erkennbar ist und die sich kaum nachhaltig entfernen lässt, weil sie immer wiederkommt, weil sie einfach immer da ist und vor entsetzten Augen unaufhaltsam niederkommt. Das Leben, so müssen die tranigen Inkubisten somit annehmen, produziert vor allem Staub, und sonst nichts, und zwar unablässig und überall, und wenn man dies bedenkt, erhält das Leben sofort einen ganz anderen Sinn mit einem deutlichen Geschmack von unausgelebtem Widerwillen und permanent unerlebter Abscheu, und sogar ständig begleitet von einem Gefühl von nachfühlbarer Verachtung, von eindeutiger Geringschätzung und von breit ausgewalzter Kotzigkeit, denn Staub ist nicht nur nicht beachtenswert; Staub ist absolut wertlos und vor allem gänzlich überflüssig wie nichts anderes sonst.

Staubbefall ist somit keine gute Wohnidee, ist keine Bereicherung des Wohlfühlvermögens, um es mal direkt und brutal auszudrücken, und es gibt nur wenige Dinge, die diese Eigenschaft mit dem Staub teilen, wenn mal von widerwärtigen Personen abgesehen wird, die der willige Internist bestimmt nicht mag und die er nimmer sehen möchte. Die Inkubisten und die Infanteristen sprechen in diesem Falle von Virencocktails, aber auch von Totalrevisionen, von Foren, Waren, Beeren, Suren, Mixturen, Bohnensuppen, kirchlichen Gesängen und abgegriffenen Klarsichtfolien, von deutlich minderwertigen Seren für völlig überflüssige Impfungen und Beschimpfungen und von entbehrlichen Schafschuren von bereits geschorenen Schafen in Wattenwil oder Seftigen, Sveden.

Damit ist gewiss nicht alles vollständig aufgezählt, doch man kann sich endlich ein Bild von all den Verheerungen machen, die allein die-se bescheidenen Anmerkungen aufwerfen werden. Immerhin bleibt anzumerken, dass Koni und Toni es hierbei und heute mit einem außergewöhnlich schönen, hellen Morgen zu tun haben, obwohl erst Freitag ist. Als die Sonne schon früh am Morgen am Horizont stand, blendete sie nicht einmal sonderlich; sie ging einfach in aller Klarheit majestätisch auf wie eine aufgeschnittene Orange, und nichts und niemand hätte sie jemals daran hindern können, wie wir alle wissen und wie die Infernalisten immer wieder betonen. Eine glutorange Scheibe, die die ganze Landschaft in ein mildes, warmes Morgenlicht taucht wie weiland die orange Sonnenstoren im bernischen Kinderspital die Krankensäle, die ein warmes, wohltuend gedämpftes Licht verbreiteten, das alles hospitalische Geschehen nachhaltig überströmte und fast gänzlich überflutete, selbst die flanellenen Bettdecken und die blütenweißen Uniformen der äußerst aufmerksamen und naturfreundlichen Krankenschwestern und Krankenpflegerinnen. Die stille Landschaft lag eingebettet in dieses hereinquellende, warme Licht der aufgehenden Sonne, und obwohl sie völlig flach war, besagte Seenlandschaft, lag sie in einem ebenso flachen Sonnenstand perfekt eingerundet da, mit leicht aufwärts gerichteten Rändern, wie in den Beschreibungen von Ludwig Hohl, und war bereits deutlich in sich gefestigt. Es war ganz eindeutig die Zeit, die sich ihnen hiermit persönlich zeigte, denn die Zeit ist grundsätzlich rund, und ihre steifen Ränder sind nicht nur unangebracht aufgerichtet, also erigiert; sie sind auch noch ebenso ausgefranst wie bei einem alten, eingetrockneten Bodenlappen, den man irgendwo vergessen hatte. Zudem riecht sie etwas komisch, die Zeit, um ehrlich zu sein; sie ist zwar leicht und absolut unverwechselbar, wenn man gut hinriecht. Man erfühlt die feinen Verfilzungen und die fein ziselierten Strukturen, die sie laufend produziert, sog. Lichtverfilzungen aus lauter milden Pastelltönen und deren dezenten Abweichungen und Ergänzungen, und sie kann zudem jede gewünschte oder unerwünschte Form annehmen, wenn sie will. Wenn der geneigte Observant genau hinhört, stellt er zudem überrascht fest, dass sie dazu auch noch ganz leise, betörende Musik abspielt; es sind vorwiegend die feinen Klangfarben, wie sie kurz aus den Autoradios vorbeifahrender Automobile fließen, besonders wenn die französische Neoklassik angesagt ist, seine Lieblingsmusik. Oder wie soll man das anders nennen und erklären? Auch die Musik der Zwanziger- und Dreißigerjahre ist heute längst klassisch geworden, auch wenn sie immer noch ausnehmend modern klingt, und besonders in Paris standen die mittellosen Komponisten damals auf dem Montmartre Schlange, um einen verspäteten Anschluss an die vergangene Zeit und damit an die frühe Moderne zu erhaschen, die es zunächst noch nicht einmal in die Salons geschafft hatte. Wer hätte also damals nicht auf dem Montmartre sein wollen, bei all den Verrückten, Verdrängten und Verschrobenen? Man kann daraus nur eine Lehre ziehen: Wer es in eine Talkshow am Fernsehen, zu einem Artikel in einer bedeutenden oder unbedeutenden Zeitung, zu einem Radiointerview in einem abgelegenen Regionalsender oder sonst an ein öffentliches Mikrofon geschafft hat, ist für die Kunst fürderhin unwiederbringlich verloren und gestorben, und zwar für immer, weil sich das nicht reimt, weil sich das auf der Rechnung nicht ergibt, weil das nimmer aufgeht, weil sich das nicht ziemt, weil das nicht passt, weil das niemals zusammengehen kann, weil sich danach die Authentizität heillos angeekelt abwendet und weil der Mensch danach nie mehr derselbe sein wird, der er vielleicht mal hätte gewesen sein können, falls er viel Glück gehabt hätte im Leben, geschehe, was wolle, selbst dann, wenn er längst zum Drogenopfer geworden wäre, wie so viele. Er wäre zum Gewählten geworden, zum Auserwählten, und das ist eindeutig das Schlimmste, was einem Erhörten zustoßen kann. Es ist nämlich wie bei den Pipilotikern: Wenn sie erst einmal gewählt sind, diese unerträglichen, nimmersatten Taugenichtse, diese übelriechenden Selbstdarsteller, diese wandelnden Meineide auf zwei Beinen, werden sie nie mehr das sein, was sie einmal vielleicht für kurze Zeit hätten sein können, wenn sie aufgepasst hätten und nicht so mittelmäßig und mitläuferisch, so devot, devastatorisch und mitochondrisch geblieben wären. Man kann es auch so sehen: Sie werden fortan in ihren grauen, dunkelblauen und schwarzen Anzügen mit einem eingefrorenen Dauerlächeln nur noch bekackt herumstehen wie steif gefrorene Schaufensterpuppen, sie werden in ihren grauen, blauen oder schwarzen Luxusschlitten sinnlos herumgefahren werden, oder aber, ganz im Gegenteil und noch viel schlimmer, wie schreiend bunte, angebrochene Popcorn-Schachteln ohne bleibenden Wert herumtigern und allen Weicheiern und Warmduschern die Hände schütteln, wozu auch immer, und sie werden vor allem nie mehr darauf zurückkommen können, worum es eigentlich geht im Leben und allenfalls in der Pipilotik, wenn überhaupt, falls sie überhaupt jemals an diesem Punkt angelangt sein sollten. Besonders dort nicht. Sie werden fortan von nichts mehr eine Ahnung haben, nie mehr, denn sie müssen fortan denken, was man ihnen vorschreibt, und sie müssen fortan handeln, wie man es von ihnen erwartet und verlangt – mehr ist da nicht. Darum gilt als erste und eiserne Grundregel und als generelle, unumstößliche Verhaltensregel überhaupt, und zwar für ausnahmslos alle Künstler, wo immer sie sich befinden mögen: Meidet die Masse und meidet im selben Maße die Massenmedien, meidet aber auch und insbesondere die Pipilotik und die Pipilotiker, meidet unbedingt alles, was euch von eurer Aufgabe ablenken könnte, was euch ungefragt umschlingen und verschlingen möchte, was euch einnehmen könnte, was euch aufsaugen würde, was euch abschlecken und einsacken möchte, was euch ganz einfach herunterkaufen könnte und würde, und zwar bis auf null, was euch kaltblütig an Ganoven ihresgleichen verschachern würde wie einen bekackten Fußballspieler, was aus euch ein lukratives Geschäft oder wohlfeile Propaganda machen möchte und was aus euch unausweichlich einen weiteren nutzlosen Kulturtrottel machen könnte und machen würde, und zwar mit Leichtigkeit, wie nichts auf der Welt, zusammen mit der Glotze würde können täte, machen wollen würde, sofern es deine unüberwindbare Käuflichkeit überhaupt erst erlaubte, denn nicht ihr entscheidet über eure Käuflichkeit, sondern nur der Käufer selber. Meidet also diese Leute, insbesondere die Journalisten und ihre beschissenen Fotografen; sie sind es generell einfach nicht wert, zur Kenntnis genommen zu werden, und zwar im selben Maße wie die Massenmedien ganz generell, andernfalls werdet ihr es für immer bereuen und bedauern müssen, denn ihr werdet nie mehr zu eurer angeborenen Unschuld, zu eurer unangetasteten Unerfahrenheit, zu eurer existenziellen Unverwundbarkeit und zu eurer wahrhaft unauthentischen Unersetzbarkeit zurückfinden können, denn ihr werdet sehr schnell heruntergekauft sein und heruntergekauft bleiben. Ihr werdet euch zwar angemessen missbraucht und misshandelt fühlen, klar, und dies völlig zu Recht, aber ihr werdet schon bald abgehalftert und ausgemustert dastehen, nur weil man euch in Blitzesschnelle maschinell und industriell zu Staub und Dreck verarbeitet haben wird, denn ihr werdet danach sehr schnell nur noch wertloser Staub und Dreck sein, merkt euch das, bestenfalls ein verdammter Fussel in einer Zimmerecke, mehr gewiss nicht! Und jetzt wissen wir auch, woher all die Fussel kommen: Das sind die verlorenen Seelen all der Dichter und Denker, der Maler und Bildhauer, der Musiker und Sänger, der Schulschwänzer und Seiltänzer, der Wanderschauspieler und Wanderclowns und der ausrangierten Politiker, die verzweifelt, doch vergeblich, weil absolut unhörbar, also fruchtlos um Hilfe rufen und um Nachsicht betteln – als Strafe eine halbe Ewigkeit lang. Soweit der dringende Aufruf an alle Kunst- und Kulturschaffenden, denn eine öffentliche Kultur ist bereits eine tote Kultur. Merkt euch das, ihr Arschgeigen! Man meidet nämlich Totgeburten völlig zu Recht; man weicht ihnen aus, man verschweigt sie, und man gibt ihnen manchmal nicht einmal einen Namen, wohl eher aus Rache, höchstens entstanden aus einer Beleidigung oder aus einer Enttäuschung heraus. Man verweigert ihnen eine geeignete Identität, und das hat mit der Authentizität zu tun, die sie auf Geheiß höherer Mächte nimmerdar erreichen sollen und erreichen können dürfen, denn man weiß instinktiv, dass mit einer brutalen Öffentlichkeit automatisch auch eine brutale Gleichschaltung daherkommt, die überaus bösartige Gleichstellung, die enorm hinterlistige Gleichmachung und die absolut unausweichliche Gleichwerdung und somit unweigerlich auch die definitive Herabstufung der Unverwechselbarkeit und der Originalität bis auf null, die somit augenblicklich verloren und verlustig gehen müssen. Zack! Und weg damit! Wie mit Schwert-hieben wird der Mensch von einer gnadenlosen Öffentlichkeit in happige Fleischstücke zerlegt, wird bei lebendigem Leibe gevierteilt und in einer Kühlvitrine ausgestellt oder den Haien verfüttert. Allein deshalb muss man sich vorsehen; die Öffentlichkeit ist nämlich eine mächtige und gefährliche Bärenfalle; sie schnappt gnadenlos nach allem, was sich ihr nähert, sie verhackt und verknackt, vermanscht und verpanscht, vertreibt und verreibt, vermiest und verbiestert, und sie lässt die Beute danach einfach todwund liegen und allmählich verfaulen und verkommen. So läuft das, das ist Öffentlichkeit. Sie ist nicht heilbringend, wie man meint, sie ist nicht heilsam, wie man sagt, sie ist wahrscheinlich nicht einmal gewinnbringend und sie ist vor allem nicht wohltuend. Sie ist in Tat und Wahrheit richtig mörderisch, denn sie frisst laufend selbst ihre kleinen Kinder, die sie im Übrigen immer und ausschließlich für sich beansprucht. Sie missbraucht sie gnadenlos und behauptet sogar, sie habe damit gar nichts zu tun. So eine ist sie, die so genannte Öffentlichkeit, eine hinterhältige Lügnerin, eine feindselige Ehebrecherin und eine richtig menschenfeindliche Schlampe voller Hass und Bösartigkeit. Doch hier und heute liegen die Dinge ganz anders: Der Fall ist erledigt, das Publikum ist befriedigt nach Hause gegangen, und die leckeren Zimtsterne von Drohobytsch von Bruno Schulz sind längst verputzt. Man kann also wiederum von einer erfolgten Ablage sprechen, zumal auch die Tagebücher expediert sind, so dass die neue Ausgangslage lupenrein und die ganze Präsentation wirklich einwandfrei dasteht. Die Posaunisten unter den Evangelisten spüren die Erleichterung, und sie vergessen allmählich, wie hart die Zeiten vorher gewesen sind; es gibt sogar Leute, denen sie gerne wieder ihre Bücher schicken würden, selbst dann, wenn sie wüssten, dass diese Leute nie bezahlen würden; zumindest ein möglichst vollständiges Bücherverzeichnis möchten sie ihnen geschickt haben mögen, wie es vielleicht schon bald wieder vorliegen wird. Die Rekordhalter haben alles getan, was in ihrer Macht und Möglichkeit gelegen hat; sie haben all die Möglichkeiten vollkommen ausgeschöpft und sind heute tatsächlich getragen von der Vorstellung, derer sie unbedingt bedürfen und die ihrem gewöhnlichen Sitzschnitzer am deutlichsten im Schwitzkasten liegen. Nur im Netz wollen sich die zwei Kontorsionisten nimmermehr aufhalten, und zwar mit der Begründung, dass sie bereits ein halbes Leben lang mit Idioten zu tun gehabt haben in ihrem Brillenlanden, und einer Fortsetzung füglich nicht mehr bedürfen. Es sind nicht einmal mehr wirkliche Wutausbrüche und eindeutige Schmollrückstände vorhanden, noch wesentliche Schmauchspuren oder überflüssige und unnötige Tauchgänge, auch nicht verräterische Fingerabdrücke, und das ist in der Tat etwas ganz Einmaliges und sogar noch nie Dagewesenes, müssen sie gleich anfügen und ausdrücklich betonen. Sie fühlen sich zudem gestärkt in all ihren Vorstellungen, und sie möchten dieses Gefühl der Überlegenheit nie mehr missen müssen, ohne allerdings jegliche Überheblichkeit zuzulassen, auch nicht eine Spur davon. Das setzt indessen voraus, dass die beiden Wortakrobaten keinerlei Kontakte mehr pflegen, und seien es nur oberflächliche, beiläufige, unbedeutende oder unverbindliche Kontakte, denn sie haben inzwischen gelernt, dass vor allem die dauerhaften Kontakte die problematischen sind, die schwierigen, die bedenklichen und zudem auch noch eindeutig die zweifelhaftesten; das liegt in der Natur der Sache. Sie wollen sich keinesfalls jemals wieder in diese vertraulichen Abhängigkeiten begeben, die man reichlich unzutreffend Freundschaften nennt; sie wollen sich nie mehr jemand Unbekanntem in die Arme werfen müssen, weil diese Verbindungen ganz einfach nichts hergeben und, alles in allem, wenig überzeugen. So sind sie, diese beiden Akrobaten der Equilibristik und der Kontorsizionistik. Kein Tisch, kein Bürostuhl und keine Schreibmaschine soll jemals wieder dazwischentreten können, kein Kommentar, kein Ersatz, keine versteckte Fußnote und auch keine Neugier, denn eines ist ihnen mittlerweile klar geworden: Mit der Neugier ist’s endgültig vorbei, denn es gibt nun mal keine Überraschungen mehr, keine Auffälligkeiten, keine Vorzugsbehandlungen und keine Verwunderungen mehr, aber auch keine Betroffenheiten, keine Verwirrungen und keine Erschütterungen mehr.

Das haben sie alles längst hinter sich gelassen, die beiden Ziegenpeter, mitsamt allen falschen Versprechungen, mit allen hohlen Lobhudeleien, mit allen fiesen Verhohnepiepelungen, mit allen schrecklichen Angriffen, zusammen mit allen eidesstattlichen Versicherungen, mit allen herzhaften Beteuerungen, mit allen gloriosen Verheißungen und auch mit allen stillen Totgeburten, um genau zu sein, denn ein jeder ist lediglich das flüchtige Produkt von schnödem Sekundensex, das ist alles, drei Bärensekunden nur, denn alle sind sie das Produkt von billigem Sekundenkleber, wenn man es genau nimmt, gerade die, die ganz selbstverständlich und völlig selbstvergessen voraussetzen, sie seien nun wirklich etwas Besonderes, etwas Außerordentliches, etwas Auserwähltes, etwas, das die Welt bisher noch nie gesehen, worauf die Welt aber schon lange gewartet habe und woran der Welt angeblich seit jeher gelegen sei und so weiter.

Vergessen Sie das! Da ändern keine Hinwendung, keine Zuwendung, keine Aufwendung und keine Abwendung etwas daran, das können Sie gleich vergessen; die Exorzisten können nur noch froh sein, dass sie es endlich hinter sich lassen wollen, wenn sie es überhaupt jemals hinter sich lassen können, wie gesagt und längst ausführlich erläutert. Und dies ist genau das, was ist, nämlich das, was dies ist, genau das, was auch die beiden Rotarier sich immer wieder vorgestellt haben, und das ist in der Tat etwas Vorhandenes, etwas Voraussehbares und etwas Getriebenes.

Aber das bringt einfach nichts mehr; sie haben sich nur noch brüsk umgedreht und sind schnell weggegangen, und zwar für immer. So ist der gemeine Induktionsstrom beschaffen, und daran ändert auch keine noch so präzise Erinnerung etwas, denn sie drehen sich nie mehr um und schauen nie mehr zurück, und sie wenden sich nimmermehr um. Sie zögern nicht einmal kurz; sie halten nie inne und schreiten geradeaus voran. Jegliches Zögern wäre ein Verrat an der eigenen Schandtat, jegliches Zaudern eine Preisgabe aller schweren Fehler, die die Schwerenöter angeblich gar nie begangen haben, und jegliches Innehalten wäre zudem ein arger Verlust der eigenen Unzulänglichkeit und alles vergebliche Abwarten bloß eine Unschlüssigkeit mehr oder eine zusätzliche Unentschlossenheit, also eine Sorge mehr, die zu allem Verderben auch noch zögernd hinzukommt und sich in die lange Liste der Versäumnisse einreiht. Somit bleiben die Nullen friedlich unter sich – und die Nichtsen ebenfalls. Die Nieten bleiben die Nieten, die sie schon immer gewesen sind, und die vermeintlichen Sieger sind eigentlich immer die wahren Verlierer, nur merken sie es nicht oder nicht mehr, und zwar ihr ganzes, beschissenes Leben lang nicht mehr, besonders dann, wenn sie sich außerdem in völliger Verkennung der Tatsachen, der Ursachen und der Folgen und zudem in heilloser Verblendung auch noch als typische Winnertypen sehen möchten und so auch gesehen werden möchten. Das ist die übelste noch vorstellbare menschliche Verwirrung und Verirrung, aber das gibt es alles auch, und zwar in Massen; man kann es nämlich nie verbergen, wenn man innerlich, also geistig, moralisch, ethisch und sozial verkrüppelt ist. Das hat schon John Lennon besungen, und wenn man innerlich verkrüppelt ist, also mental massiv reduziert ist, ohne aber als Invalider aufzufallen, sondern eben als Normalfall gilt, also als ganz gewöhnlicher Durchschnittsfall, dann bleibt man es für immer. Man wird gewissermaßen zum induktiven Sonderfall in aller Normalität, und man sieht es jedem sofort an. Man sieht es übrigens allen Leuten sofort an, meist sogar auf den ersten Blick, wie sie innerlich beschaffen sind oder beschaffen sein müssen. Da gibt es keinerlei Geheimnisse zu vertuschen, noch zu verwischen, noch zu verbergen; das könnte man gar nicht erst machen. Sowas kann man nämlich nicht einfach verhehlen, singt Lennon völlig zu Recht; man kann es nicht verbergen, wenn man innerlich verkrüppelt ist.

Dies wissen allerdings nur diejenigen, die davon nie betroffen sind, und das sind naturgemäß nur sehr wenige. Doch eine solche Einsicht ist nicht einmal fatal, denn das ist der wahre Charakter der Sache und der ewige Lauf der Dinge, wenn man so will. Der Normalfall ist immerzu der Normalfall an sich und als solcher bereits ein Krankheitsfall, ein Pflegefall, ein Todesfall; das muss man erst mal einsehen. Man darf kein Zauberer sein, um darauf zurückkommen zu können; man darf aber auch kein Zauderer sein, denn das Fortschreiten selber besteht ausschließlich aus fortschreiten – und aus nichts anderem sonst. Für den wahren Magier ist außer Fortschreiten in knietiefem Chaos und in hüfthohem Unverstand nichts weiter vorhanden, denn das ist sein einziges und wahres und entsprechendes Umfeld. Entweder nimmt er die Chaoshaftigkeit als Ursächlichkeit der Bösartigkeit wahr, oder er lässt es sein. Das Chaos ist auf jeden Fall da, sei es versteckt oder offen; es umgibt jedes dämliche Arschloch wie ein unsichtbarer Umhang aus dicken, schweren Bleiplatten. Man stellt bestenfalls bloß das Wichtige zum Unwichtigen, setzt es vielleicht sogar vor die Haustüre zum Sperrmüll oder zum Altmetall, und das Wenige, was übrigbleibt, wäre sinngemäß das einzig Wichtige, das einzig Richtige oder das einzig Wahre, allenfalls das einzig Mögliche und das einzig Brauchbare, also dasjenige, worauf die Spatzen alle sehnlichst warten mit den zarten Karten, obschon es längst da ist und sie alle wie dicke Watte oder dichter Nebel umgibt, ohne dass sie es merken oder gar zur Kenntnis nähmen. Aber selbst das ist nicht ganz so und auch nicht ganz so einfach zu erkennen, zumindest hier nicht, muss der Eklektiker ernüchtert annehmen, und er bietet dem Elektriker unter den Eklektikern großzügig eine Zigarette an. Auf die Frage, was wirklich wichtig sei, fällt die Antwort gewiss nicht schwer: Jeder weiß sofort, was wichtig ist, und was nicht; er braucht es dazu nicht einmal erst sonderlich deutlich zu fühlen, zu sehen oder gar zu wissen, denn dies ist keine Gefühlssache, sondern eine ausdruckslose Gewissheit ohne jede Körperhaftigkeit. Außer der monatlichen Kontoabrechnung gibt es nämlich weltweit überhaupt nichts, was jemals von Belang und Bedeutung wäre, denn alles andere ist Kitsch und billiges Beiwerk und Schund und Tand und Schrott, allenfalls Geschichte, sei es nun Gefühlskitsch, Gedankenkitsch, Beifang oder Beilage, und man kann es sich ruhig ans Bein streichen, sagt der Lateiner unter den Nilbarschen, denn er weiß, wovon er spricht. Nil sit amet. Lateinunterricht als solcher ist niemals vergebens, ebenso wenig wie der Altgriechischunterricht. Τίποτα δεν έχει σημασία. Durch ihn müsse man sich angeblich erst hindurchquälen, hört man. So ein Blödsinn! Das ist überhaupt nicht so, und das stimmt gar nicht; auch der ahnungslose Anfänger zieht seinen deutlichen Nutzen daraus, denn man bewegt sich in einer wahrlich wundersamen Welt der grenzenlosen Erweiterung, der umfassenden Erneuerung und der einschließlichen Erfassung einer erhellenden Geistigkeit der Sonderklasse. Hellenisch halt.

Man hat zudem lange Zeit keine Ahnung, was man da alles lernt, und zwar gleich fürs ganze Leben, nota bene, und niemand steht herum und sagt es auch noch auf Deutsch, auf Englisch oder auf Französisch, noch auf Italienisch; das ist ganz einfach die kulturelle Erste Klasse, das ist die klassische Oberschicht, und man kann sogar die Namen aller Medikamente auf den Schachteln verstehen, die auf Lateinisch oder Griechisch ganz banal und prosaisch klingen und en vérité überhaupt nichts von einem Geheimnis an sich haben. Das wahre Geheimnis aller Medikamente sind ihre Profite, und dies besteht ausschließlich darin, dass der banale Profanist, der wichtigtuerische Populist, der eingebildete Kranke und auch der unbedarfte Proletarist nichts von alledem verstehen können soll; er soll einfach nicht wissen sollen und niemals verstehen können müssen, was er an Sauereien alles schlukken muss, wie also seine Leber auf Griechisch heisst (Συκώτι), noch was sein beschissenes Herz bedeutet (Καρδιά), noch was sein überforderter Magen ankündigt (Στομάχι) oder seine dreimal verfickte Niere (Νεφρός) ausdrücken will; er soll es ganz einfach nichts wissen können, und so soll es gefälligst bleiben, auch seiner eigenen Ansicht nach, und vielleicht ist das sogar klug so, wer weiß das schon? Selbst dann, wenn er zufälligerweise tatsächlich etwas Griechisch sprechen sollte, ist es trotzdem auf jeden Fall gut so, denn das Nichtwissen schützt nachgewiesenermaßen vor rundweg allen denkbaren Krankheiten.

Eines schönen Tages werden nämlich alle Altgriechischwörterbücher dieser Welt vom Himmel heruntersteigen und allen Schlaumeiern die nötigen Erklärungen abgeben, und alle Lateinwörterbücher werden auf Knien aus der Hölle gekrochen kommen und endlich die nötigen Voraussetzungen zu einem angemessen brauchbaren Verständnis der Welt schaffen und auch liefern. Versprochen! Und erst dann ist medizinisch ausgezaubert, meine Damen und Herren. Die Quacksalber in ihren hoffnungslos überfüllten Praxen werden als Gauner entlarvt werden, und die Tingeltangelmediziner werden entmündigt werden. Die ehrlichen und aufrechten Mediziner aber werden sich in ihrer ultimativen Verzweiflung in Pamplona scharenweise vor die wilden und unberechenbaren Stiere werfen, die durch die Straßenschluchten marodieren, die Doctores werden sich überhastet vor die Schnellzüge werfen, die Kardiologen, die Hepatologen und die Biologen von den Klippen springen, und die praktisch veranlagten Hausärzte werden sich, zusammen mit den Onkologen und den Dermatologen auf die Brieftaschen der ahnungslosen Opfer, der Passanten und der Patienten stürzen und mit spitzen Fingern die Kreditkarten heraussuchen und herausklauben. Konten werden geplündert werden; ganze Familien werden sich erschrocken dem Elend anheimgestellt wiederfinden, und selbst die Zahnärzte werden nicht einfach aufgeben; sie werden sich ängstlich hinter Bergen von Formularen und Abgründen von Ordnern verbergen und bis an ihr Lebensende fiktive Rechnungen an fiktive Patienten ausstellen; sie werden die unerfahrenen Praxishilfen barsch abkanzeln und brüsk zurechtweisen und die nüchternen Umschläge akkurat frankiert an wahllos alle Nasenbohrer versenden, die sich in ihren Akten finden lassen, ohne jemals mit der Wimper zu zucken, um gleich anschließend nie mehr eine Praxis jedwelcher Art zu betreten, sondern um sich ein sauteures Rennrad zu kaufen, samt allem farblich modischen Zubehör und farbigen Schnickschnack, und nur noch zielgerichtet um die drei hässlichen Seen herumrasen, sich die Seele aus dem Leib kotzen und, die Rennsonnenbrille unter den Rennhelm geklemmt, die Rennsocken korrekt hochgezogen, in ekstatischer Erschöpfung ergehen, denn immer, wenn die beiden Buschbürolisten denken, sie seien endlich am Ende angekommen, stellen sie überrascht fest, dass sie erst am Anfang der Steppenantilopenzählung stehen. Die Anfänge ziehen sich nämlich in der Regel ganz unglaublich lange hin, und sie unterschätzen sie ständig, denn sie haben das Gefühl, immer von Neuem ganz von vorne anfangen zu müssen und kommen gleichzeitig nicht mehr vom Fleck. Das müssen sie jederzeit in ihre schmalbrüstigen Berechenbarkeiten einbauen oder in ihre breithüftigen Unberechenbarkeiten mit einbeziehen. Darauf stellen die beiden Verehrungswürdigen auf einmal hocherfreut fest, dass sie tatsächlich unberechenbar geworden sind und nur noch auf Singhalesisch oder auf Lingala singen werden, vielleicht auch auf Kikongo. Dies hängt damit zusammen, dass sie es in ihrem Brillenladen allzu oft mit arroganten Arschlöchern zu tun gehabt haben, denen sie es aber unwillkürlich gleichtun wollen. So geraten die Buschpieper unfreiwillig in eine Endlosschlaufe von Vorgaben und Eingaben, von Vorhernahmen, von Vorausnahmen und Vorauseinnahmen, von Vorwürfen, Abwürfen, Einwürfen und unlauteren Vorstellungen, von Einstellungen und von Vorkassen, von Einbalsamierungen und Einmarschplänen, die sie gar nicht selber gewählt haben und die sie bestimmt nie selber wählen könnten, falls sie jemals danach gefragt würden. Sie müssen also aufpassen, so wie gerade jetzt, da sie feststellen müssen, dass sie ja am falschen Apparat arbeiten, und hurtig wechseln sie ihre unbequemen Plätze vom unbequemen Hocker zum unbequemen Bürostuhl und vom unbequemen Bürostuhl zum unbequemen Hocker, denn am Apparat des andern können sie nicht richtig arbeiten; das käme einem unbequemen, unvorteilhaften und unfrohen Arbeiten in aller Enge und Beengtheit gleich. Ein weiterer Apparat ist nämlich nur für die Mails und das Banking zuständig, also für die ganze Scheißadministration, und da ist es egal, ob es genügend Platz für alles hat, oder nicht. Doch wenn sie sich beim Schreiben erst mal eingeengt fühlen, läuft gar nichts mehr oder zumindest nichts mehr richtig. Dann stottert der Motor nur noch lustlos vor sich hin, hinkt voller Fehlzündungen, Ruckelbewegungen und Abgaswolken, obschon sie schon viel in dieser räumlichen Enge gearbeitet haben, ohne es im Eifer überhaupt jemals bemerkt oder beachtet zu haben. Sie haben in der Tat schon so oft in der Enge gelebt und gearbeitet, dass sie sich gleich wie in England fühlen möchten, so eng war das dort damals, und sie stellen sich vor, sie säßen in einer dunklen Nische in Cheltenham und müssten sich restlos alles aus den englischen Fingern saugen, in welcher Sprache auch immer, am besten auf Walisisch, weil das außer dem englischen König garantiert niemand versteht. Doch so übel kann es gar nicht sein, und so verstellt darf es auch gar nicht sein, denn direkt am Fenster mit Blick auf den Zingenberg1, wie weiland Robert Walser, der ihn direkt aus seinem Kämmerlein heraus in seiner Miniaturhandschrift auf der Rückseite von Papierfetzen ausführlich beschrieben hat. So ist es schon wesentlich besser, vor allem kontinentaler und deutlich binnenländischer, etwas erleichternder zumindest, als in Cheltenham mit Blick auf das grüngraue Silbermeer mit den endlosen Wogen und Wellen und Weiten, das als solches so abgrundtief abweisend, kalt und wenig versprechend ist, dass man es gar nicht erst sehen möchte, um ehrlich zu sein. Wenn man nämlich erst dieses Meer sieht, merkt man schnell, dass man das Meer nicht wirklich mag oder vermisst; man möchte bloß gerne zügig vorankommen mit der Arbeit – das ist alles. Doch das ist jeweils schneller gesagt, als getan. Der Zingenberg sieht übrigens wie ein riesiger, schlafender Braunbär aus, und vielleicht ist er ja einer? Wer sagt denn, er sei keiner? Ein voreiszeitlicher, titanischer Höhlenbär aus dem Tertiär? Wer weiß? Der Bär wacht erst dann aus dem Winterschlaf auf, wenn ihm drum ist, wenn es ihm aufzuwachen gefällt, wenn es ihm passt, wenn es ihm beliebt, wenn er mag und wenn er überhaupt Lust zum allmählichen Aufwachen verspürt. Doch was macht er dann? Na? Was macht ein riesenhafter Braunbär aus dem Tertiär nach dem Aufwachen? Leckt er die leckeren Passanten von den Straßen und den Plätzen? Zertrampelt er die hässlichen Gebäude? Trottet er gemächlich zum See und säuft sich ordentlich voll? Er hat ja seit Einbruch der Eiszeiten nichts mehr getrunken. Und wohin wendet er sich danach? Geht er ins weite Seeland zu den Spargelfeldern hinaus, oder klettert er den Jura hoch? Sucht er sich die leckersten Bienenstöcke und die fettesten Schafherden aus? Oder wendet er sich gleich den zarten Kälbern, den saftigen Rindern und den gehaltvollen Kühen in den Metterien zu, so wie der Angesprochene, der sich deshalb gleich morgen zwei schöne Kalbshaxen kaufen wird? Lecker Ossobuco mit vielen Pilzen und Zwiebeln? Zwei gelochte Knochen in reichlich Tomatensauce mit Knoblauch und kleinen Kartoffeln? Oder grünen Bohnen? Man weiß es nicht genau; man hat es noch gar nicht ausprobiert. Das Wichtigste für den Mann von heute ist allerdings die richtige Umhängetasche; das ist gewissermaßen matchentscheidend. Sie muss eindeutig und unwiderruflich aus kastanienbraunem Leder sein, keinesfalls aus schwarzem, und sie muss zudem zwei kleine, verschließbare Außentaschen aufweisen, je eine für die Hausschlüssel und eine für die Autoschlüssel, denn das ist elementar und essenziell und für jeden Kenner der Materie eine Selbstverständlichkeit. Zudem muss der Zugang zur Brieftasche sicher und einfach und jederzeit überprüfbar sein. Dann muss auch noch ausreichend Platz für einige andere wichtige Dinge des Lebens vorhanden sein, zum Beispiel für die wichtigen Werkausweiskarten in Postkartenformat, die möglichst komplett Auskunft über sein Gesamtwerk erteilen sollen, sowie für die zwei Taschentelefone und die stets geladene Uzi für alle Fälle. Doch die Tasche darf gleichzeitig nicht zu groß und nicht zu klein sein; sie muss handlich bleiben, und der Trageriemen muss breit genug wirken, damit ihn die Polizei beim flüchtigen Hinsehen als umgelegte Sicherheitsgurte akzeptiert. Allein deshalb soll der Riemen nicht auch aus Leder sein, denn die Sicherheitsgurten im Auto sind aus dunklem Textilmaterial. Seine Aufhängung muss stabil genug sein und dauerhaft intakt bleiben können.

Erst wenn all diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Schultertasche für Herren käuflich erworben werden, vorausgesetzt, die Anmeldeformalitäten sind nicht zu kompliziert. Einige Schultertaschen würde man zwar durchaus gerne kaufen, wenn man nur die viel zu komplizierten Anmeldungsprozeduren für die unsäglich umständlichen Bezahlungs- und Versandformalitäten schaffen würde. Immerzu werden nämlich Passwörter abverlangt, die man gar nicht hat und die man gar nicht kennt. Nicht wenige Male ist ihm dies schon gründlich misslungen; die Probleme beginnen sehr oft bereits bei unbekannten Passwörtern, wie gesagt.

Da werden oftmals Passwörter abgefragt, von denen man keine Ahnung hat, und es führt zu nichts, wenn man irgendwas einfüllt oder ausfüllt. Meist gibt man es sofort auf und bricht den Bezahlvorgang enttäuscht ab, denn wenn man gar nicht erst ins Geschäft kommt, weil allein für die Passwörter ein zweiter Apparat fällig wäre, verzichtet man lieber auf einen Kauf, und zwar sofort, das ist klar, als dass man weiterhin vergeblich alle erdenklichen Versuche unternimmt, zumal man in Erfahrung gebracht hat, dass gerade in diesem Bereich vielerorts ausgefuchste Gauner und listige Betrüger am Werk sind, die es nur auf die Kreditkartennummern abgesehen haben, die man überall eintippen müsste. Man sollte also gut aufpassen und lieber ein Geschäft sofort abbrechen, als sich in reichlich komische und sehr befremdliche Verhalte einwickeln zu lassen, denn man hat in seinem Leben insgesamt vielleicht schon zehnmal solche Umhängetaschen bestellt. Davon sind allerdings nur etwa sechs angekommen, und von diesen sechs waren mindestens fünf ziemlich oder gleich völlig unbrauchbar.

Daraus ist ersichtlich, dass die Erfolgsquote äußerst gering ist, und deshalb sollte man auf einen Kauf lieber verzichten, vor allem dann, wenn man seiner Sache doch nicht ganz sicher ist oder wenn der Verkäufer auch nur entfernt unseriös wirkt, denn auch hier gilt: Lieber keinen Kauf tätigen, als einem angeblichen oder offensichtlichen Betrug zu unterliegen. Es besteht zudem bereits jetzt, wenn auch nur ansatzweise, die Möglichkeit, dass allein durch diese eher notizenhafte Schreibweise jeglicher Zusammenhang und aller Zusammenhalt gänzlich verloren gegangen sind. Eine üble Sache zeichnet sich nämlich allmählich ab, und wenn das wirklich so ist, dann hat das Schreiben sofort keinen Sinn mehr. Verstehen Sie? Das Konzept besteht nicht darin, dass beliebige Notizen aller Art einfach aneinandergefügt werden dürfen oder aneinandergereiht werden können, denn auch hier unterliegt der ursprüngliche und effektive Sinn des Ganzen ausschließlich dem Surrealismus des Strukturalismus oder des Absurdismus – und nicht dem beliebigen Beliebigkeitsschreibismus der Allerweltsklasse. Man muss sich allerdings erst allmählich wieder auffangen und abtasten und angleichen, und man muss darauf erneut ansetzen können und von vorne beginnen dürfen, denn sonst geht aller Sinn endgültig verloren, und dann wäre der literarische Wert gleich null. Capito? Von null kommt nichts, und von Mull gibt’s auch nichts Bemerkenswertes. Doch vom Mull kommen alle, und zum Mull gehen alle.

Der Mull ist überall und in überhaupt allem und bedeutet nicht einfach nur Müll, Kehricht, sondern «sehr weich». Diese Bezeichnung für ein feinfädiges, weitmaschiges Baumwollgewebe wurde aus dem Englischen mull übernommen, das seinerseits aus Hindi mul oder Persisch malmal entlehnt ist. Der Begriff kann auch für lockeren, weichen Humusboden verwendet werden, und zudem ist der Mull auch noch ein maulwurfähnliches Tier ohne Pelz. Doch davon ist hier nicht die Rede, denn stark verhangene und äußerlich gesehen langweilige, graue Tage verleiten eindeutig zum Schreiben, das ist bekannt, denn das ist einfach so; das kann man nicht ändern. Das Schreiben ist zudem eine weitere, extrem belebende Form von atmen. Eine schriftliche Tiefenatmung erleichtert einem jeden Extremisten den lebenswichtigen Sauerstoffzufluss, denn die Atmung an sich ist ja bereits eine wichtige Form von Leben. Einige andere Faktoren kommen noch hinzu: Der Herzschlag, die Pulsfrequenz, der Fahrstil, die Kreditkartennutzung und das Nussbedürfnis. Der Verzehr von Nüssen bewirkt nämlich schnell mal eine Nussinterdependenz; Nüsse benötigen Nüsse, um als Nüsse gegessen werden zu können, aber auch die Nüsse selber bedürfen der Nüsse und – was weniger bekannt sein dürfte – auch die Nussknacker bedürfen der Nüsser und der Nussnässer. Man ist doch Tag und Nacht daran und dabei und ist somit als Literat ausschließlich mit Literatur beschäftigt, mit seiner eigenen Literatur, nota bene, wenn man nicht eben in der Kneipe sitzt und der hässlichen Serviertochter lüstern nachstarrt, wie seinerzeit Herr Walser, der sie mit den Augen gevögelt hat. Man verschickt doch ständig unzählige Bettelbriefe, alle einzeln und persönlich und von Hand geschrieben, ohne aber jemals eine Antwort zu erhalten? Man zerbricht sich andauernd den Kopf über komische Geschichten, direkt aus dem Leben gegriffen, wie von Karl Valentin oder wie von Italo Svevo, dem italienischen Schwaben, Geschichten, die noch gar nie geschrieben worden sind, und man wiegelt andauernd ab, ob sie sich literarisch überhaupt eignen würden und ob man einen Käufer dafür finden könnte oder nicht. Wo liegt also der verdammte Denkfehler? Doch wohl nicht bei Robert Walser selber? Doch wohl eher bei der Kleinheit der Geister, also bei der Unterdurchschnittlichkeit des faden, bedeutungslosen und öden Landesgeistes selber, der nichts von Literatur hält, der nichts als ein debiles Gebilde von lauter debilen Elementen darstellt, bestenfalls kopiert bei den Amerikanern oder ausgedacht von Debilen für Debile und andere Idioten, genau wie der Sport? Ist es nur die Enge des Raumes? Ist es die Beschränktheit der Massen? Ist es deren angeborene Imbezillität bei aller Inzucht und bei allem inzestuösen Inzest? Oder ist es der inhärente Schwachsinn einer längst abgehobenen Führungsschicht, der es längst zu wohl geworden ist? Man kann sich wirklich andauernd den Kopf über diese Fragen zerbrechen, und man kommt doch nie auf einen grünen Zweig, denn der Debile an sich stellt sich diese Fragen eigentlich nicht. Er stellt sie sich nie, um ehrlich zu sein; er stellt sich keinerlei Fragen, ist einfach nur debil und sagt: «Je suis de Biel!» Das ist alles, und das reicht ihm in der Regel in aller Debilität und in aller natürlichen Genügsamkeit. Der Gesunde hütet sich instinktiv vor nahen und fernen Blutsverwandten, am meisten vor allzu nahen, und meistens schämt er sich auch noch für sie und grämt sich ihrer, und das wäre durchaus normal. Er denkt instinktiv, dass er doch noch nicht so tief gesunken sein könne wie all seine Bekannten und Verwandten und vor allem Blutsverwandten, dass er doch noch gar nicht so bekackt, noch gar nicht so behackt, noch gar nicht so beschissen und auch noch gar nicht so beschränkt und bescheuert sein könne wie sie, seine Anverwandten, so dass es eigentlich nur ein genealogisches Missverständnis sein müsste, dass er mit ihnen überhaupt verwandt sei, denn er denkt fortan über sie nur noch im Komplemetär, allenfalls im Depressiv oder gar im Suizidiv – wenn es hoch kommt.

Er denkt: Wäre ich wie sie, dann wäre ich ja ebenso dämlich wie sie, ebenso doof, ebenso bescheuert, ebenso beknackt und vor allem ebenso beschränkt wie sie? Ist es nicht so? Denken wir nicht alle automatisch so? Dann wäre nämlich plötzlich alles in Butter, dann wäre endlich alles gut, denn dann würde es schließlich auch für Toni und Koni flutschen. Darum bewunderte Robert Walser seinen älteren Bruder Karl so sehr, weil er dachte, Karl sei als Künstler wirklich erfolgreich und überall bekannt, ja, weltbekannt gar, selbst in Deutschland, also im Reich draussen – und er, Robert, halt nicht. Sogar seine Schwester Fanny sei der bessere Mensch als er, fand er immer nach langem Nachdenken, obwohl sie nur eine Frau ist. Sie sei als Käsebrötin selbständig, habe eine feste und vor allem festbezahlte Arbeit und helfe ihm immer wieder aus der Patsche, nur weil er ihr mittelloser, jüngerer Bruder ist – sonst wegen nichts, jedenfalls nicht wegen seiner Literatur. Sonst würde sie ihn gar nicht erst kennen, denn sonst wäre er nur ein weiterer Penner in Biel. Deshalb seien Fanny und auch Karl viel bessere Menschen als er, Robert. Karl, mit dem er seinerzeit im Berlin zur Belustigung der literarischen Gesellschaft im Salon den Hosenlupf vorgeführt hat, sei allein deshalb der bessere Bruder, weil er erfolgreich sei; er sei nicht nur der bessere Künstler, er sei zudem verdienterweise auch der bessere Mensch, denn nur ein erfolgreicher Mensch sei ein guter Mensch – ganz eindeutig, denn ein erfolgloser Mensch könne gar nicht ein guter Mensch sein. Karl sei in Deutschland erfolgreich, also im Ausland, und das sei eine richtig wichtige Auszeichnung für einen Künstler, der hier in Schweden kaum Entwicklungsmöglichkeiten habe.

Das sei somit eine deutliche Ehrung und eine unmissverständliche Anerkennung, die ihm, Robert, indessen seit jeher versagt gewesen sei und fürderhin verwehrt bleiben werde und die ihm somit leider völlig entgehe. Ihn ehre niemand und nichts; er vermisse also jegliche Ehrenhaftigkeit und Ehrbarkeit und folglich jegliche gesellschaftliche Anerkennung, doch auch Karl helfe ihm immer wieder aus der Patsche, könne zwischendurch sogar nach Japan reisen, in dieses ferne, fremde und so fremdartige Land, nur wegen der schönen Grafiken der japanischen Künstler, die man in Paris teuer verkaufen könne. Er aber, Robert, werde nirgendwo hinreisen, höchstens zu Fuss auf den Gurnigel und wieder zurück, oder auf den steilen Niesen und wieder zurück, und nicht nur seine Schuhe sähen immer ganz danach aus, auch er selber sei gezeichnet von seinem sozialen Elend. Ein Penner halt, doch er habe es nicht besser verdient; er habe nicht mehr verdient als das, was er hat, nicht mehr als dieses mickerige Poetenleben in dieser seiner immerzu eiskalten Holzkammer unter dem Dach für die untersten Schichten von Bediensteten, und schließlich und endlich werde er im herisauer Heim für alte, ausgemusterte Bekloppte nur noch die gebrauchten, völlig verknoteten Paketschnüre aufdröseln und sortieren und die zerlesenen Zeitungen bündeln dürfen – das sei alles. Dafür sei er gerade noch zu gebrauchen, und sonst für nichts. Aber die forsche Fahrt durch den frostigfrischen, dunkelgrauen Forst gestaltet sich forstig frisch, frisch forstig und frostig forstig, und es befinden sich die immergleichen, herbstlich gekleideten Spaziergänger am Rande des schmalen Sträßchens, das von Bümpliz aus über Oberbottigen, Chäs und Brot und Matzenried durch den großen, dunklen Wald, der «Forst» genannt wird, in die kalte Süri und gleich danach nach Laupen führt. Sie schauen den beiden vereinzelten Töfffahrern auf ihren antiquierten Knattertöffen immer lange und nachdenklich nach, wenn sie an ihnen vorbeifahren, als ob sie herausfinden möchten, wer sich darauf befinde, wie sie heißen, woher sie kommen und was sie vorhaben, damit sie, sobald sie nach Hause gekommen sein werden, ihren Lieben etwas zu erzählen hätten, wen sie z.B. unterwegs gesehen hätten und wieviele Schulden er immer noch habe, der arme Siech. Sicher ein Säufer. Oder ein Stündeler. Oder ein Webstübeler. In der hohen und luftig weiten, hellen Landschaft von Allenlüften und Rosshäusern bis zur Süri und zum Bärfischenhaus weiden jetzt zottelig die Schafe, und die Schäfer kauen einen Rand Brot und blicken versonnen in die Ferne, als sei dort drüben bereits Amerika. Aber das Wetter ist mild und lädt die beiden aus Kehrsatz zum Motorradfahren ein. Die ländliche Gegend ist leer und richtig wuchtig, und die beiden Motorradwanderer finden in Allenlüften diesen wohltuenden Weitblick in alle vier Himmelsrichtungen wieder, den sie ansonsten fast im ganzen Land so schmerzlich vermissen. Es gibt nicht viele Orte mit dieser wohltuenden Offenheit und mit diesem erlösenden Weitblick; meistens fühlt sich hierzulande der Reisende von beschissenen Gebirgszügen verfolgt und ständig von ihnen bedroht, denn sie nehmen ihm ungefragt die Sicht und verdecken den Blick auf neue, noch unbekannte Regionen dieses riesigen Landes und der übrigen Welt. Es ist halt so: Immerzu wird einem unschuldigen Neandertaler hierzulande die freie Sicht genommen; irgend jemand hat immer etwas dagegen, dass sich der geneigte Zubringer das Land überhaupt richtig ansehen kann, denn kaum hebt er den Blick vom Armaturenbrett, vom Lenker oder vom grauen Straßenband, sieht er nur eine weitere Scheißwand vor sich, einen anderen Scheißberg, eine weitere Bergkette oder die nächste Scheißfluh, von der sich die armen Mägdelein verzweifelt stürzen, wenn sie in Schande geraten sind und keinen Ausweg mehr sehen. Wie kann man nur so leben? Immer die dicke Wand vor dem Kopf, immer den unvermeidlichen Balken im Auge, immer die faulen Tomaten auf den Lüeschern, immer das ellenlange Verzeichnis der anstehenden Aufgaben voller Unsinn vor sich und vor seinem inneren Auge? Ist das noch normal? Oder ist das schon wieder spezifisch einheimisch oder einfach weiterhin nur debil? Wahrscheinlich liegt die Besonderheit Schwedens gerade in seiner Kleinheit und in seiner Enge, aber auch in seiner Eingeschränktheit bis hin zur geistigen Beschränktheit, muss der Exeget allmählich in aller Exegese annehmen, und wer nur einmal schüchtern seinen Kopf hebt und über die dröge Menge von Schweden hinwegblickt, der wird von derselben Menge gleich brüsk heruntergezogen oder gar heruntergerissen, und im wiederholten Falle wird ihm einfach der Kopf abgehackt. Zack! Rübe ab! So geht der Volkskörper hier mit den Leuten um, die nicht so recht zum Volksganzen passen wollen, und so macht er sie subito zu geneigten Kriechtieren, zu unterwürfigen Maulwürfen, zu blinden Schleichern und schleimigen Schneckern, wie der gesunde Volkskörper zudem höhnisch sagt, zu abgesägten Jasagern und angeklebten Wackeldackeln, zu Nickmännchen und Winkehändchen, zu Wackelfigürchen von Elvis Presley oder Josephine Baker an Rückspiegeln und auf Armaturenbrettern, zu dienstbaren Zweckdienern, zu Duftbäumchen und, wenn immer möglich, auch noch zu unterwürfigen Speichelleckern. So sind sie beschaffen, die Vorgesetzten, aber auch die feinen Herren und Damen und ihre zahllosen Zudiener, so muss man sie sehen in ihrem barocken Glanze, und so haben auch die vielen Zudiener und die Wackel puddings sie leibhaftig erlebt, sowahr ihnen die Glotze helfe. Aber nimmer wollen sie sich in üblen Erinnerungen ergehen, ganz besonders dann nicht, wenn es schlechte Erinnerungen sind, und es sind in Wahrheit nur schlechte Erfahrungen, nur schlechte Erlebnisse, ganz schlechte Erkenntnisse sogar, ganz eindeutig, üble Erinnerungen, auf die sie, Koni, der Brillenmacher, und Toni, der Brillenverkäufer, gerne verzichtet hätten, denn solche Erinnerungen sind nicht einmal ein Gewinn an Erfahrung und Erkenntnis. Gute Erinnerungen sind zwar erfreulich, aber sie haben sie meist schnell wieder vergessen, um ehrlich zu sein, denn nur die schlechten Erfahrungen bleiben hartnäckig haften, denn immer wieder tauchen sie als nackte Bedrohungen in ihren Tagträumen auf, als gemeine Angriffe auf ihr Wohlbefinden und als bösartige und unmissverständliche Drohgebärden von dritter, von meist auch noch unbekannter Seite. In Tat und Wahrheit stellen sie einen gewaltigen Verlust an Vertrauen dar, und die verwunderten Verwundeten können sich fragen, was ein solcher Vertrauensverlust an riesigen Löchern im Selbstbefinden und im Selbstbewusstsein hinterlässt. Ihr Innerstes sieht folglich wie ein Emmentaler aus, also wie ein Außentaler im Innentaler, oder wie ein Innentaler im Emmentaler, was durchaus zutrifft und passend ist, denn schließlich sind die Ganzjahresinstrumentalisten ja auch irgendwie Emmentaler, insofern alle Schweden eigentlich Emmentaler sind, und zwar Außenemmentaler, allerdings nur von innen. Sie gehören zu den Abkömmlingen von Scharen von einfachen Landleuten, deren Vorfahren einst wegen reiner Armut einfach fortgejagt worden sind, zum Teufel gejagt worden sind, wie man damals sagte, also aus dem Emmental geflüchtet oder vertrieben worden sind, immer in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den verstreuten Höfen der Großbauern des Mittellandes oder gleich direkt in den reichen Städten, bzw. in den armseligen Vorstädten und Nachstätten der reichen Städte außerhalb der Stadtmauern. Und die Stadt der Städte, das war damals die Stadt an der Aareschlaufe, das war die machtvolle Stadt Bern in all ihrer unsäglichen und unerträglichen Überheblichkeit und Gier, denn weiter dachten Wanderarbeiter damals noch nicht, weil sie gar nicht wei-terdenken konnten, ebenso wenig wie die Herren im Rathaus selber. Noch lange nicht. Sie dachten nur bis dort, wo die bekannte Welt endete, wo sich das ganze schwedische Lumpenproletariat wie Müll und Dreck und Schlamm ansammelte, all die Nobodys, die Namenlosen, die Bedeutungslosen und das ganze Pack, die Schamlosen, das Gesindel, das Proletariat, die Besitzlosen, der Bodensatz der Gesellschaft, also die dämlichen Eierkneter, die tranigen Tschirrggihüng, die blödsinnigen Cheiben und die ewigen Blutspucker. Das waren die westlichen Vororte, das waren sie, und nur sie. Es gab keine Alternative für die Herumgejagten, die Bettelhorden, die Vaganten. Es gab aber auch viele Auswanderer, zum Beispiel die Vorfahren von Koni, die damals sogar bis nach Australien gelangt waren, lange ist’s her.

Heute will sich niemand mehr an die kargen Anfänge eines zaghaften Aufstiegs zurückbesinnen müssen, nicht, weil man nicht will, sondern weil man nicht mehr muss, denn heute fährt man Mercedes wie die