Die Akkumulation des Kapitals - Rosa Luxemburg - E-Book

Die Akkumulation des Kapitals E-Book

Rosa Luxemburg

0,0

Beschreibung

In ihrem Buch 'Die Akkumulation des Kapitals' untersucht Rosa Luxemburg die globale Ausbreitung des Kapitalismus. Die Autorin verdeutlicht darin die Mechanismen, mit denen das Kapital in bis dato nicht von ihm dominierte Areale der Welt eindringt. Dabei sind Rosa Luxemburgs wirtschaftshistorischen Betrachtungen nicht nur ein literarischer Genuss; der heutige Leser erhält durch sie die Werkzeuge zur Beurteilung neuerer ökonomischer Entwicklungen, wie die Ökonomisierung der Pflege und des Gesundheitswesens. Das E-Book enthält außerdem die posthum veröffentlichte 'Antikritik', in der die Autorin auf ihre Kritiker eingeht. Referenzwerk ist die von Paul Frölich bearbeitete und von Clara Zetkin und Adolf Warski herausgegebene Ausgabe aus dem Jahr 1923.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 943

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals Herausgegeben von Günter Regneri Veröffentlicht im heptagon Verlag Berlin 2013 ISBN: 978-3-934616-88-2 www.heptagon.de

Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus (zuerst erschienen 1913). Enthält die posthum publizierte Schrift: Die Akkumulation des Kapitals oder Was die Epigonen aus der Marxschen Theorie gemacht haben. Eine Antikritik (erschienen 1921). Dem Text liegt folgendes Referenzwerke zu Grunde: Rosa Luxemburg: Gesammelte Werke, herausgegeben von Clara Zetkin und Adolf Warski. Band VI. Die Akkumulation des Kapitals, Berlin 1923.

Die Akkumulation des Kapitals (1913)

Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus

Vorwort.

Den Anstoß zur vorliegenden Arbeit hat mir eine populäre Einführung in die Nationalökonomie gegeben, die ich seit längerer Zeit für denselben Verlag vorbereite, an deren Fertigstellung ich aber immer wieder durch meine Tätigkeit an der Parteischule oder durch Agitation verhindert wurde. Als ich im Januar dieses Jahres, nach der Reichstagswahl, wieder einmal daran ging, jene Popularisation der Marxschen ökonomischen Lehre wenigstens im Grundriß zum Abschluß zu bringen, bin ich auf eine unerwartete Schwierigkeit gestoßen. Es wollte mir nicht gelingen, den Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion in ihren konkreten Beziehungen sowie ihre objektive geschichtliche Schranke mit genügender Klarheit darzustellen. Bei näherem Zusehen kam ich zu der Ansicht, daß hier nicht bloß eine Frage der Darstellung, sondern auch ein Problem vorliegt, das theoretisch mit dem Inhalt des II. Bandes des Marxschen »Kapital« im Zusammenhang steht und zugleich in die Praxis der heutigen imperialistischen Politik wie deren ökonomische Wurzeln eingreift. Sollte mir der Versuch gelungen sein, dieses Problem wissenschaftlich exakt zu fassen, dann dürfte die Arbeit außer einem rein theoretischen Interesse, wie mir scheint, auch einige Bedeutung für unseren praktischen Kampf mit dem Imperialismus haben.

Dezember 1912. R.L.

Erster Abschnitt. Das Problem der Reproduktion.

Erstes Kapitel.

Gegenstand der Untersuchung.

Zu den unvergänglichen Verdiensten Marxens um die theoretische Nationalökonomie gehört seine Stellung des Problems der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Bezeichnenderweise begegnen wir in der Geschichte der Nationalökonomie nur zwei Versuchen einer exakten Darstellung des Problems: an ihrer Schwelle, bei dem Vater der Physiokratenschule, Quesnay, und an ihrem Ausgang, bei Karl Marx. In der Zwischenzeit hört das Problem nicht auf, die bürgerliche Nationalökonomie zu quälen, doch hat sie es nie bewußt und nie in seiner reinen Form, losgelöst von verwandten und durchkreuzenden Nebenproblemen, auch nur zu stellen, geschweige zu lösen gewußt. Bei der fundamentalen Bedeutung dieses Problems jedoch kann man bis zu einem gewissen Grad – an der Hand dieser Versuche die Schicksale der wissenschaftlichen Ökonomie überhaupt verfolgen.

Worin besteht das Problem der Reproduktion des Gesamtkapitals?

Reproduktion ist wörtlich genommen einfach Wiederproduktion, Wiederholung, Erneuerung des Produktionsprozesses, und es mag auf den ersten Blick nicht abzusehen sein, worin sich der Begriff der Reproduktion von dem allgemeinverständlichen der Produktion eigentlich unterscheiden und wozu hierfür ein neuer befremdender Ausdruck nötig sein soll. Allein gerade in der Wiederholung, in der ständigen Wiederkehr des Produktionsprozesses liegt ein wichtiges Moment für sich. Zunächst ist die regelmäßige Wiederholung der Produktion die allgemeine Voraussetzung und Grundlage der regelmäßigen Konsumtion und damit die Vorbedingung der Kulturexistenz der menschlichen Gesellschaft unter allen ihren geschichtlichen Formen. In diesem Sinne enthält der Begriff der Reproduktion ein kulturgeschichtliches Moment. Die Produktion kann nicht wiederaufgenommen werden, die Reproduktion kann nicht stattfinden, wenn nicht bestimmte Vorbedingungen: Werkzeuge, Rohstoffe, Arbeitskräfte als Ergebnis der vorhergegangenen Produktionsperiode gegeben sind. Auf den primitivsten Stufen der Kulturentwicklung aber, bei den Anfängen in der Beherrschung der äußeren Natur, ist diese Möglichkeit der Wiederaufnahme der Produktion jedesmal noch mehr oder weniger vom Zufall abhängig. Solange hauptsächlich Jagd oder Fischfang die Grundlage der Existenz der Gesellschaft bilden, ist die Regelmäßigkeit in der Wiederholung der Produktion häufig unterbrochen durch Perioden des allgemeinen Hungerns. Bei manchen primitiven Völkern haben die Erfordernisse der Reproduktion als eines regelmäßig wiederkehrenden Prozesses schon sehr früh einen traditionellen und gesellschaftlich bindenden Ausdruck in bestimmten Zeremonien religiösen Charakters gefunden. So ist nach den gründlichen Forschungen von Spencer und Gillen der Totemkult der Australneger im Grunde genommen nichts anderes, als die zur religiösen Zeremonie erstarrte Überlieferung gewisser seit undenklichen Zeiten regelmäßig wiederholter Maßnahmen der gesellschaftlichen Gruppen zur Beschaffung und Erhaltung ihrer tierischen und pflanzlichen Nahrung. Doch erst der Hackbau, die Zähmung der Haustiere und die Viehzucht zu Ernährungszwecken ermöglichen den regelmäßigen Kreislauf von Konsumtion und Produktion, der das Merkmal der Reproduktion bildet. Insofern erscheint also der Begriff der Reproduktion selbst als etwas mehr denn bloße Wiederholung: er umschließt bereits eine gewisse Höhe in der Beherrschung der äußeren Natur durch die Gesellschaft, oder ökonomisch ausgedrückt, eine gewisse Höhe der Produktivität der Arbeit.

Andererseits ist der Produktionsprozeß selbst auf allen gesellschaftlichen Entwicklungsstufen eine Einheit von zwei verschiedenen, wenn auch eng mit einander verknüpften Momenten: der technischen und der gesellschaftlichen Bedingungen, d.h. der bestimmten Gestaltung des Verhältnisses der Menschen zur Natur und der Verhältnisse der Menschen untereinander. Die Reproduktion hängt gleichermaßen von beiden ab. Inwiefern sie an die Bedingungen der menschlichen Arbeitstechnik gebunden und selbst erst das Ergebnis einer gewissen Höhe in der Produktivität der Arbeit ist, haben wir soeben angedeutet. Aber nicht minder bestimmend sind die jeweiligen gesellschaftlichen Formen der Produktion. In einer primitiven kommunistischen Agrargemeinde wird die Reproduktion, wie der ganze Plan des Wirtschaftslebens, von der Gesamtheit der Arbeitenden und ihren demokratischen Organen bestimmt: der Entschluß zur Wiederaufnahme der Arbeit, ihre Organisation, die Sorge für nötige Vorbedingungen: Rohstoffe, Werkzeuge, Arbeitskräfte, endlich die Bestimmung des Umfangs und der Einteilung der Reproduktion sind das Ergebnis des planmäßigen Zusammenwirkens der Gesamtheit in den Grenzen der Gemeinde. In einer Sklavenwirtschaft oder auf einem Fronhof wird die Reproduktion auf Grund persönlicher Herrschaftsverhältnisse erzwungen und in allen Details geregelt, wobei die Schranke für ihren Umfang jeweilig das Verfügungsrecht des herrschenden Zentrums über einen größeren oder geringeren Kreis fremder Arbeitskräfte bildet. In der kapitalistisch produzierenden Gesellschaft gestaltet sich die Reproduktion ganz eigentümlich, was schon der Augenschein in gewissen auffälligen Momenten lehrt. In jeder anderen geschichtlich bekannten Gesellschaft wird die Reproduktion regelmäßig aufgenommen, sofern nur die Vorbedingungen: vorhandene Produktionsmittel und Arbeitskräfte dies ermöglichen. Nur äußere Einwirkungen: ein verheerender Krieg oder eine große Pest, die eine Entvölkerung und damit massenhafte Vernichtung der Arbeitskräfte und der vorrätigen Produktionsmittel herbeiführen, pflegen zu verursachen, daß auf ganzen großen Strecken früheren Kulturlebens die Reproduktion für längere oder kürzere Perioden nicht aufgenommen oder nur zum geringen Teil aufgenommen wird. Ähnliche Erscheinungen können teilweise bei despotischer Bestimmung über den Plan der Produktion hervorgerufen werden. Wenn der Wille eines Pharao im alten Ägypten Tausende von Fellahs für Jahrzehnte an den Bau von Pyramiden fesselte, oder wenn im neuen Ägypten Ismael Pascha 20.000 Fellahs für den Bau des Suez-Kanals als Fronknechte abkommandierte, oder wenn der Kaiser Schi-hoang-ti, der Begründer der Dynastie Tsin, 200 Jahre vor der christlichen Ära Vierhunderttausend Menschen vor Hunger und Erschöpfung umkommen ließ und eine ganze Generation aufrieb, um die »Große Mauer« an der Nordgrenze Chinas auszubauen, – so war in allen solchen Fällen die Folge, daß gewaltige Strecken Bauernlandes unbestellt blieben, das regelmäßige Wirtschaftsleben hier für lange Perioden unterbrochen wurde. Aber diese Unterbrechungen der Reproduktion hatten in jedem solchen Falle ganz sichtbare, klare Ursachen in der einseitigen Bestimmung über den Reproduktionsplan im ganzen durch das Herrschaftsverhältnis. In den kapitalistisch produzierenden Gesellschaften sehen wir anderes. In gewissen Perioden sehen wir, daß sowohl alle erforderlichen materiellen Produktionsmittel wie Arbeitskräfte zur Aufnahme der Reproduktion vorhanden sind, daß andererseits die Konsumtionsbedürfnisse der Gesellschaft unbefriedigt bleiben, und daß trotzdem die Reproduktion teils ganz unterbrochen ist, teils nur in verkümmertem Umfange vonstatten geht. Hier sind aber keine despotischen Eingriffe in den Wirtschaftsplan für die Schwierigkeiten des Reproduktionsprozesses verantwortlich. Die Aufnahme der Reproduktion ist hier vielmehr, außer von allen technischen Bedingungen, noch von der rein gesellschaftlichen Bedingung abhängig, daß nur diejenigen Produkte hergestellt werden, die sichere Aussicht haben, realisiert, gegen Geld ausgetauscht zu werden, und nicht nur überhaupt realisiert, sondern mit einem Profit von bestimmter landesüblicher Höhe. Profit als Endzweck und bestimmendes Moment beherrscht hier also nicht bloß die Produktion, sondern auch die Reproduktion, d.h. nicht bloß das Wie und Was des jeweiligen Arbeitsprozesses und der Verteilung der Produkte, sondern auch die Frage, ob, in welchem Umfange und in welcher Richtung der Arbeitsprozeß immer wieder von neuem aufgenommen wird, nachdem eine Arbeitsperiode ihren Abschluß gefunden hat. »Hat die Produktion kapitalistische Form, so die Reproduktion.«1

Infolge solcher rein historisch-gesellschaftlicher Momente also gestaltet sich der Reproduktionsprozeß der kapitalistischen Gesellschaft im ganzen zu einem eigenartigen, sehr verwickelten Problem. Schon das äußere Charakteristikum des kapitalischen Reproduktionsprozesses zeigt seine spezifische geschichtliche Eigentümlichkeit: er umfaßt nicht nur die Produktion, sondern auch die Zirkulation (Austauschprozeß), er ist die Einheit beider.

Vor allem ist die kapitalistische Produktion eine solche zahlloser Privatproduzenten ohne jede planmäßige Regelung, und der Austausch der einzige gesellschaftliche Zusammenhang zwischen ihnen. Die Reproduktion findet hier als Anhaltspunkt für die Bestimmung der gesellschaftlichen Bedürfnisse immer nur die Erfahrungen der vorhergehenden Arbeitsperiode vor. Allein, diese Erfahrungen sind Privaterfahrungen einzelner Produzenten, die nicht einen zusammenfassenden gesellschaftlichen Ausdruck finden. Ferner sind es immer nicht positive und direkte Erfahrungen über die Bedürfnisse der Gesellschaft, sondern indirekte und negative, die aus der jeweiligen Bewegung der Preise einen Rückschluß über das Zuviel oder Zuwenig der hergestellten Produktenmasse im Verhältnis zur zahlungsfähigen Nachfrage erlauben. Die Reproduktion wird aber immer wieder unter Benutzung dieser Erfahrungen über die vergangene Produktionsperiode von einzelnen Privatproduzenten in Angriff genommen. Daraus kann sich in der folgenden Periode ebenfalls nur wiederum ein Zuviel oder Zuwenig ergeben, wobei einzelne Produktionszweige ihre eigenen Wege gehen, und in dem einen sich ein Zuviel herausstellen kann, dagegen in einem anderen ein Zuwenig. Bei der gegenseitigen technischen Abhängigkeit jedoch fast aller einzelnen Produktionszweige zieht ein Zuviel oder Zuwenig einiger größerer führender Produktionszweige auch die gleiche Erscheinung in den meisten übrigen Produktionszweigen nach sich. So ergibt sich von Zeit zu Zeit abwechselnd ein allgemeiner Überfluß und ein allgemeiner Mangel an Produkten im Verhältnis zur Nachfrage der Gesellschaft. Daraus folgt schon, daß die Reproduktion in der kapitalistischen Gesellschaft eine eigentümliche, von allen anderen geschichtlichen Produktionsformen verschiedene Gestalt annimmt. Erstens macht jeder Produktionszweig eine in gewissen Grenzen unabhängige Bewegung durch, die von Zeit zu Zeit zu kürzeren oder längeren Unterbrechungen in der Reproduktion führt. Zweitens summieren sich die Abweichungen der Reproduktion in den einzelnen Zweigen von dem gesellschaftlichen Bedürfnis periodisch zu einer allgemeinen Inkongruenz, worauf eine allgemeine Unterbrechung der Reproduktion folgt. Die kapitalistische Reproduktion bietet somit eine ganz eigentümliche Figur. Während die Reproduktion unter jeder anderen Wirtschaftsform – abgesehen von äußeren gewaltsamen Eingriffen – als ein ununterbrochener gleichmäßiger Kreislauf verläuft, kann die kapitalistische Reproduktion – um einen bekannten Ausdruck Sismondis anzuwenden – nur als eine fortlaufende Reihe einzelner Spiralen dargestellt werden, deren Windungen anfänglich klein, dann immer größer, zum Schluß ganz groß sind, worauf ein Zusammenschrumpfen folgt und die nächste Spirale wieder mit kleinen Windungen beginnt, um dieselbe Figur bis zur Unterbrechung durchzumachen.

Der periodische Wechsel der größten Ausdehnung der Reproduktion und ihres Zusammenschrumpfens bis zur teilweisen Unterbrechung, d.h. das, was man als den periodischen Zyklus der matten Konjunktur, Hochkonjunktur und Krise bezeichnet, ist die auffälligste Eigentümlichkeit der kapitalistischen Reproduktion.

Es ist jedoch sehr wichtig, von vornherein festzustellen, daß der periodische Wechsel der Konjunkturen und die Krise zwar wesentliche Momente der Reproduktion, aber nicht das Problem der kapitalistischen Reproduktion an sich, nicht das eigentliche Problem darstellen. Periodischer Konjunkturwechsel und Krise sind die spezifische Form der Bewegung bei der kapitalistischen Wirtschaftsweise, sie sind aber nicht die Bewegung selbst. Um das Problem der kapitalistischen Reproduktion in reiner Gestalt darzustellen, müssen wir vielmehr gerade von jenem periodischen Konjunkturwechsel und von Krisen absehen. So befremdend dies erscheinen mag, so ist es eine ganz rationelle Methode, ja, die einzige wissenschaftlich gangbare Methode der Untersuchung. Um das Problem des Wertes rein darzustellen und zu lösen, müssen wir von den Schwankungen der Preise absehen. Die vulgärökonomische Auffassung sucht stets das Wertproblem durch Hinweise auf die Schwankungen der Nachfrage und des Angebots zu lösen. Die klassische Ökonomie von Smith bis Marx hat die Sache umgekehrt angefaßt, indem sie erklärte: Schwankungen im gegenseitigen Verhältnis der Nachfrage und des Angebots können nur Abweichungen des Preises vom Wert, nicht aber den Wert selbst erklären. Um herauszufinden, was der Wert der Waren ist, müssen wir das Problem unter der Voraussetzung packen, daß sich Nachfrage und Angebot die Wage halten, d.h. der Preis und der Wert der Waren decken. Das wissenschaftliche Wertproblem beginnt also gerade dort, wo die Wirkung der Nachfrage und des Angebots aufhört. Genau dasselbe gilt für das Problem der Reproduktion des kapitalistischen Gesamtkapitals. Der periodische Wechsel der Konjunkturen und die Krisen bewirken, daß die kapitalistische Reproduktion als Regel um die zahlungsfähigen Gesamtbedürfnisse der Gesellschaft schwankt, sich bald von ihnen nach oben entfernt, bald unter sie bis zur nahezu völligen Unterbrechung sinkt. Nimmt man jedoch eine längere Periode, einen ganzen Zyklus mit wechselnden Konjunkturen, so wiegen sich Hochkonjunktur und Krise, d.h. die höchste Überspannung der Reproduktion mit ihrem Tiefstand und ihrer Unterbrechung auf, und im Durchschnitt des ganzen Zyklus bekommen wir eine gewisse mittlere Größe der Reproduktion. Dieser Durchschnitt ist nicht bloß ein theoretisches Gedankenbild, sondern auch ein realer, objektiver Tatbestand. Denn trotz des scharfen Auf und Ab der Konjunkturen, trotz Krisen werden die Bedürfnisse der Gesellschaft schlecht oder recht befriedigt, die Reproduktion geht weiter ihren verschlungenen Gang und die Produktivkräfte entwickeln sich immer mehr. Wie kommt dies nun zustande, wenn wir von Krise und Konjunkturwechsel absehen? – Hier beginnt die eigentliche Frage, und der Versuch, das Reproduktionsproblem durch den Hinweis auf die Periodizität der Krisen zu lösen, ist im Grunde genommen ebenso vulgärökonomisch, wie der Versuch, das Wertproblem durch Schwankungen von Nachfrage und Angebot zu lösen. Trotzdem werden wir weiter sehen, daß die Nationalökonomie beständig diese Neigung verriet, das Problem der Reproduktion, kaum daß sie es halbwegs bewußt aufgestellt oder wenigstens geahnt hatte, unversehens in das Krisenproblem zu verwandeln und sich so die Lösung selbst zu versperren. Wenn wir im folgenden von kapitalistischer Reproduktion sprechen, so ist darunter stets jener Durchschnitt zu verstehen, der sich als die mittlere Resultante des Konjunkturwechsels innerhalb eines Zyklus ergibt.

Die kapitalistische Gesamtproduktion wird durch eine schrankenlose und beständig schwankende Anzahl von Privatproduzenten bewerkstelligt, die unabhängig voneinander, ohne jede gesellschaftliche Kontrolle außer der Beobachtung der Preisschwankungen, und ohne jeden gesellschaftlichen Zusammenhang außer dem Warenaustausch produzieren. Wie kommt aus diesen zahllosen, unzusammenhängenden Bewegungen die tatsächliche Gesamtproduktion heraus? Wird die Frage so gestellt – und dies ist die erste allgemeine Form, unter der sich das Problem unmittelbar bietet –, so wird dabei übersehen, daß die Privatproduzenten in diesem Fall keine einfachen Warenproduzenten, sondern kapitalistische Produzenten sind, und daß auch die Gesamtproduktion der Gesellschaft keine Produktion zur Befriedigung der Konsumbedürfnisse schlechthin, auch keine einfache Warenproduktion, sondern kapitalistische Produktion ist. Sehen wir zu, welche Veränderungen im Problem dies mit sich bringt.

Der Produzent, der nicht bloß Waren, sondern Kapital produziert, muß vor allem Mehrwert erzeugen. Mehrwert ist das Endziel und das bewegende Motiv des kapitalistischen Produzenten. Die hergestellten Waren müssen ihm, nachdem sie realisiert werden, nicht nur alle seine Auslagen, sondern darüber hinaus eine Wertgröße eintragen, der keine Auslage auf seiner Seite entspricht, die reiner Überschuß ist. Vom Standpunkte dieser Mehrwerterzeugung zerfällt das vom Kapitalisten vorgeschossene Kapital, ohne daß er es weiß und entgegen den Flausen, die er sich und der Welt über stehendes und umlaufendes Kapital vormacht, in einen Teil, der seine Auslagen für Produktionsmittel: Arbeitsräume, Roh- und Hilfsstoffe, Instrumente, darstellt, und einen anderen Teil, der in Arbeitslöhnen verausgabt wird. Den ersteren, der seine Wertgröße durch Gebrauch im Arbeitsprozeß unverändert auf das Produkt überträgt, nennt Marx den konstanten, den letzteren, der durch Aneignung unbezahlter Lohnarbeit zum Wertzuwachs, zur Erzeugung von Mehrwert führt, den variablen Kapitalteil. Von diesem Standpunkt entspricht die Wertzusammensetzung jeder kapitalistisch hergestellten Ware normalerweise der Formel c+v+m, wobei c den ausgelegten konstanten Kapitalwert, d.h. den auf die Ware übertragenen Wertteil der gebrauchten toten Produktionsmittel darstellt, v den ausgelegten variablen, d.h. in Löhnen verausgabten Kapitalteil bedeutet, endlich m den Mehrwert, d.h. den aus dem unbezahlten Teil der Lohnarbeit herrührenden Wertzuwachs repräsentiert. Alle drei Wertteile stecken zusammen in der konkreten Gestalt der hergestellten Ware – jedes einzelnen Exemplars wie der gesamten Warenmasse als Einheit betrachtet, ob es sich um Baumwollgewebe oder Ballettdarbietungen, gußeiserne Röhren oder liberale Zeitungen handelt. Die Herstellung der Waren ist nicht Zweck für den kapitalistischen Produzenten, sondern bloß Mittel zur Aneignung des Mehrwerts. Solange aber der Mehrwert in der Warengestalt steckt, ist er für den Kapitalisten unbrauchbar. Er muß, nachdem er hergestellt, realisiert, in seine reine Wertgestalt, d.h. in Geld verwandelt werden. Damit dies geschieht und der Mehrwert in Geldgestalt vom Kapitalisten angeeignet wird, müssen auch seine gesamten Kapitalauslagen die Warenform abstreifen und in Geldform zu ihm zurückkehren. Erst, wenn dies gelungen, wenn die gesamte Warenmasse also nach ihrem Wert gegen Geld veräußert ist, ist der Zweck der Produktion erreicht. Die Formel c+v+m bezieht sich dann genau so, wie früher auf die Wertzusammensetzung der Waren, jetzt auf die quantitative Zusammensetzung des aus dem Warenverkauf gelösten Geldes: ein Teil davon (c) erstattet dem Kapitalisten seine Auslagen an verbrauchten Produktionsmitteln, ein anderer (v) seine Auslagen an Arbeitslöhnen, der letzte (m) bildet den erwarteten Überschuß, den »Reingewinn« des Kapitalisten in bar.2 Diese Verwandlung des Kapitals aus ursprünglicher Gestalt, die den Ausgangspunkt jeder kapitalistischen Produktion darstellt, in tote und lebendige Produktionsmittel (d.h. Rohstoffe, Instrumente und Arbeitskraft), aus diesen durch lebendigen Arbeitsprozeß in Waren und endlich aus Waren durch den Austauschprozeß wieder in Geld, und zwar in mehr Geld als im Anfangsstadium, dieser Umschlag des Kapitals ist jedoch nicht nur zur Produktion und Aneignung von Mehrwert nötig. Zweck und treibendes Motiv der kapitalistischen Produktion ist nicht Mehrwert schlechthin, in beliebiger Menge, in einmaliger Aneignung, sondern Mehrwert schrankenlos, in unaufhörlichem Wachstum, in einer immer größeren Menge. Dies kann aber immer wieder nur durch dasselbe Zaubermittel: durch kapitalistische Produktion, d.h. durch Aneignung unbezahlter Lohnarbeit im Prozeß der Warenherstellung und durch Realisierung der so hergestellten Waren erreicht werden. Produktion immer von neuem, Reproduktion als regelmäßige Erscheinung erhält damit in der kapitalistischen Gesellschaft ein ganz neues Motiv, das unter jeder anderen Produktionsform unbekannt ist. Unter jeder historisch bekannten Wirtschaftsweise sonst ist das bestimmende Moment der Reproduktion – die unaufhörlichen Konsumtionsbedürfnisse der Gesellschaft, – mögen dies demokratisch bestimmte Konsumtionsbedürfnisse der Gesamtheit der Arbeitenden in einer agrarkommunistischen Markgenossenschaft sein, oder despotisch bestimmte Bedürfnisse einer antagonistischen Klassengesellschaft, einer Sklavenwirtschaft, eines Fronhofs u. dgl. Bei der kapitalistischen Produktionsweise existiert für den einzelnen Privatproduzenten – und nur solche kommen hier in Betracht – die Rücksicht auf Konsumtionsbedürfnisse der Gesellschaft als Motiv zur Produktion gar nicht. Für ihn existiert nur die zahlungsfähige Nachfrage, und diese auch nur als ein unumgängliches Mittel zur Realisierung des Mehrwerts. Die Herstellung von Produkten für den Konsum, die das zahlungsfähige Bedürfnis der Gesellschaft befriedigen, ist deshalb zwar ein Gebot der Notwendigkeit für den Einzelkapitalisten, aber ebenso sehr ein Umweg vom Standpunkte des eigentlichen Beweggrunds: der Aneignung des Mehrwerts. Und dieses Motiv ist es auch, das dazu treibt, immer wieder die Reproduktion aufzunehmen. Die Mehrwertproduktion ist es, die in der kapitalistischen Gesellschaft die Reproduktion der Lebensbedürfnisse im ganzen zum perpetuum mobile macht. Die Reproduktion ihrerseits, deren Ausgangspunkt kapitalistisch immer wieder das Kapital, und zwar in seiner reinen Wertform, in Geldform, bildet, kann offenbar nur dann in Angriff genommen werden, wenn die Produkte der vorhergegangenen Periode, die Waren, in ihre Geldform verwandelt, realisiert worden sind. Als erste Bedingung der Reproduktion erscheint also für den kapitalistischen Produzenten die gelungene Realisierung der in der vorhergegangenen Produktionsperiode hergestellten Waren.

Jetzt gelangen wir zu einem zweiten wichtigen Umstand. Die Bestimmung des Umfangs der Reproduktion liegt – bei der privaten Wirtschaftsweise – im Belieben und Gutdünken des Einzelkapitalisten. Sein treibendes Motiv ist aber Mehrwertaneignung, und zwar möglichst rasch progressierende Mehrwertaneignung. Eine Beschleunigung in der Mehrwertaneignung ist jedoch nur möglich durch Erweiterung der kapitalistischen Produktion, die den Mehrwert schafft. Der Großbetrieb hat bei der Mehrwerterzeugung in jeder Hinsicht Vorteile gegenüber dem Kleinbetrieb. Die kapitalistische Produktionsweise erzeugt also nicht bloß ein ständiges Motiv zur Reproduktion überhaupt, sondern auch ein Motiv zur ständigen Erweiterung der Reproduktion, zur Wiederaufnahme der Produktion in größerem Umfang als bisher.

Nicht genug. Die kapitalistische Produktionsweise schafft nicht bloß im Mehrwerthunger des Kapitalisten die treibende Kraft zur rastlosen Erweiterung der Reproduktion, sondern sie verwandelt diese Erweiterung geradezu in ein Zwangsgesetz, in eine wirtschaftliche Existenzbedingung für den Einzelkapitalisten. Unter der Herrschaft der Konkurrenz besteht die wichtigste Waffe des Einzelkapitalisten im Kampfe um den Platz auf dem Absatzmärkte in der Billigkeit der Waren. Alle dauernden Methoden zur Herabsetzung der Herstellungskosten der Waren – die nicht durch Herabdrückung der Löhne oder Verlängerung der Arbeitszeit eine Extrasteigerung des Mehrwerts erzielen und selbst auf mancherlei Hindernisse stoßen können – laufen aber auf eine Erweiterung der Produktion hinaus. Ob es sich um Ersparnisse an Baulichkeiten und Werkzeugen handelt oder um Anwendung leistungsfähigerer Produktionsmittel oder um weitgehende Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen oder um rapide Ausnutzung einer günstigen Marktkonjunktur zur Anschaffung billiger Rohstoffe – in allen Fällen hat der Großbetrieb Vorteile vor dem Klein- und Mittelbetrieb.

Diese Vorteile wachsen in sehr weiten Grenzen zusammen mit der Ausdehnung des Betriebes. Die Konkurrenz selbst zwingt deshalb jede Vergrößerung eines Teils der kapitalistischen Betriebe den anderen als Existenzbedingung auf. So ergibt sich eine unaufhörliche Tendenz zur Ausdehnung der Reproduktion, die sich unaufhörlich mechanisch, wellenartig über die ganze Oberfläche der Privatproduktion verbreitet.

Für den Einzelkapitalisten äußert sich die Erweiterung der Reproduktion darin, daß er einen Teil des angeeigneten Mehrwerts zum Kapital schlägt, akkumuliert. Akkumulation, Verwandlung des Mehrwerts in tätiges Kapital, ist der kapitalistische Ausdruck der erweiterten Reproduktion.

Die erweiterte Reproduktion ist keine Erfindung des Kapitals. Sie bildet vielmehr seit jeher die Regel in jeder historischen Gesellschaftsform, die wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt aufweist. Die einfache Reproduktion – die bloße ständige Wiederholung des Produktionsprozesses im früheren Umfang – ist zwar möglich und kann auf langen Zeitstrecken der gesellschaftlichen Entwicklung beobachtet werden. So z.B. in den uraltertümlichen agrarkommunistischen Dorfgemeinden, in denen der Zuwachs der Bevölkerung nicht durch eine allmähliche Erweiterung der Produktion, sondern durch periodische Ausscheidung des Nachwuchses und Gründung von ebenso winzigen, sich selbst genügenden Filialgemeinden berücksichtigt wird. Ebenso bieten die alten kleinen Handwerksbetriebe in Indien oder China das Beispiel einer von Generation auf Generation vererbten traditionellen Wiederholung der Produktion in denselben Formen und demselben Umfang. Doch ist in allen solchen Fällen die einfache Reproduktion Grundlage und sicheres Zeichen des allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Stillstands. Alle entscheidenden Produktionsfortschritte und Kulturdenkmäler, wie die großen Wasserwerke des Orients, die ägyptischen Pyramiden, die römischen Heerstraßen, die griechischen Künste und Wissenschaften, die Entwicklung des Handwerks und der Städte im Mittelalter, wären unmöglich ohne erweiterte Reproduktion, denn nur eine stufenweise Ausdehnung der Produktion über die unmittelbaren Bedürfnisse hinaus und das ständige Wachstum der Bevölkerung wie ihrer Bedürfnisse bilden zugleich die wirtschaftliche Grundlage und den sozialen Antrieb zu entscheidenden Kulturfortschritten. Namentlich der Austausch und mit ihm die Entstehung der Klassengesellschaft und ihre historischen Fortschritte bis zur kapitalistischen Wirtschaftsform wären undenkbar ohne erweiterte Reproduktion. In der kapitalistischen Gesellschaft jedoch kommen der erweiterten Reproduktion einige neue Charaktere zu. Zunächst wird sie hier, wie bereits angeführt, zum Zwangsgesetz für den Einzelkapitalisten. Einfache Reproduktion, selbst Rückgang in der Reproduktion sind zwar auch bei der kapitalistischen Produktionsweise nicht ausgeschlossen, sie bilden vielmehr periodische Erscheinungen der Krisen nach der ebenso periodischen Überspannung der erweiterten Reproduktion in der Hochkonjunktur. Doch geht die allgemeine Bewegung der Reproduktion – über die periodischen Schwankungen des zyklischen Konjunkturwechsels hinweg – in der Richtung einer unaufhörlichen Erweiterung. Für den Einzelkapitalisten bedeutet die Unmöglichkeit, mit dieser allgemeinen Bewegung Schritt zu halten, das Ausscheiden aus dem Konkurrenzkampf, den wirtschaftlichen Tod. –

Ferner kommt noch anderes hinzu. Bei jeder rein oder vorwiegend naturalwirtschaftlichen Produktionsweise – in einer agrarkommunistischen Dorfgemeinde Indiens oder in einer römischen Villa mit Sklavenarbeit oder im feudalen Fronhof des Mittelalters – bezieht sich Begriff und Zweck der erweiterten Reproduktion nur auf die Produktenmenge, auf die Masse der hergestellten Konsumgegenstände. Die Konsumtion als Zweck beherrscht den Umfang und Charakter sowohl des Arbeitsprozesses im einzelnen wie der Reproduktion im allgemeinen. Anders unter der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Die kapitalistische Produktion ist nicht eine solche zu Konsumtionszwecken, sondern eine Wertproduktion. Die Wertverhältnisse beherrschen den gesamten Produktions- wie Reproduktionsprozeß. Kapitalistische Produktion ist nicht Produktion von Konsumgegenständen, auch nicht von Waren schlechthin, sondern von Mehrwert. Erweiterte Reproduktion bedeutet also kapitalistisch: Ausdehnung der Mehrwertproduktion. Die Mehrwertproduktion geht zwar in der Form der Warenproduktion, in letzter Linie also Produktion von Konsumgegenständen vor sich. Allein in der Reproduktion werden diese zwei Gesichtspunkte durch Verschiebungen in der Produktivität der Arbeit immer wieder getrennt. Dieselbe Kapitalgröße und Mehrwertgröße wird sich, durch Steigerung der Produktivität fortschreitend, in einer größeren Menge Konsumgegenstände darstellen. Die Produktionserweiterung im Sinne der Herstellung einer größeren Masse von Gebrauchswerten braucht also an sich noch nicht erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne zu sein. Umgekehrt kann das Kapital ohne Änderung in der Produktivität der Arbeit in gewissen Schranken durch Steigerung der Ausbeutungsstufe – zum Beispiel durch Herabdrückung der Löhne – einen größeren Mehrwert herausschlagen, ohne eine größere Produktenmenge herzustellen. Aber in diesem wie in jenem Fall werden gleichermaßen die Elemente der erweiterten Reproduktion im kapitalistischen Sinne hergestellt. Denn diese Elemente sind: Mehrwert sowohl als Wertgröße wie als Summe von sachlichen Produktionsmitteln. Die Erweiterung der Mehrwertproduktion wird als Regel betrachtet durch Vergrößerung des Kapitals bewirkt, diese aber durch Hinzuschlagen eines Teils des angeeigneten Mehrwerts zum Kapital. Dabei ist es gleichgültig, ob der kapitalistische Mehrwert zur Erweiterung der alten Unternehmung oder als selbständiger Ableger zu Neugründungen verwendet wird. Die erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne bekommt also den spezifischen Ausdruck des Kapitalwachstums durch progressive Kapitalisierung des Mehrwerts oder, wie Marx dies nennt, Kapitalakkumulation. Die allgemeine Formel der erweiterten Reproduktion unter der Herrschaft des Kapitals stellt sich also folgendermaßen dar: (c+v) + m/x + m', wobei m/x den kapitalisierten Teil des in der früheren Produktionsperiode angeeigneten Mehrwerts darstellt, m' den neuen, aus dem gewachsenen Kapital erzeugten Mehrwert. Dieser neue Mehrwert wird zu einem Teil wieder kapitalisiert. Der ständige Fluß dieser abwechselnden Mehrwertaneignung und Mehrwertkapitalisierung, die sich wechselseitig bedingen, bildet den Prozeß der erweiterten Reproduktion im kapitalistischen Sinne.

Allein hier sind wir erst bei der allgemeinen abstrakten Formel der Reproduktion. Betrachten wir näher die konkreten Bedingungen, die zur Verwirklichung dieser Formel erforderlich sind.

Der angeeignete Mehrwert stellt sich, nachdem er auf dem Markte glücklich die Warenform abgestreift hat, als eine bestimmte Geldsumme dar. In dieser Form hat er die absolute Wertgestalt, in der er seine Laufbahn als Kapital beginnen kann. Aber in dieser Gestalt steht er zugleich erst an der Schwelle seiner Laufbahn. Mit Geld kann man keinen Mehrwert schaffen.

Damit der zur Akkumulation bestimmte Teil des Mehrwerts auch wirklich kapitalisiert wird, muß er die konkrete Gestalt annehmen, die ihn erst befähigt, als produktives, d.h. neuen Mehrwert heckendes Kapital zu wirken. Dazu ist es notwendig, daß er, genau wie das Originalkapital, in zwei Teile zerfällt, in einen konstanten, in toten Produktionsmitteln, und einen variablen, in Arbeitslöhnen dargestellten Teil. Erst dann wird er, nach dem Vorbild des alten Kapitals, in die Formel c+v+m gebracht werden können.

Dazu genügt aber nicht der gute Wille des Kapitalisten, zu akkumulieren, auch nicht seine »Sparsamkeit« und »Enthaltsamkeit«, womit er den größeren Teil seines Mehrwerts zur Produktion verwendet, statt ihn in persönlichem Luxus ganz zu verjubeln. Dazu ist vielmehr erforderlich, daß er auf dem Warenmärkte die konkreten Gestalten vorfindet, die er seinem neuen Kapitalzuwachs zu geben gedenkt, also erstens gerade die sachlichen Produktionsmittel – Rohstoffe, Maschinen usw. –, deren er zu der von ihm geplanten und gewählten Produktionsart bedarf, um dem konstanten Kapitalteil die produktive Form zu geben. Zweitens aber muß auch die als variabler Teil bestimmte Kapitalportion die Verwandlung vornehmen können, und hierfür ist zweierlei notwendig: vor allem, daß sich auf dem Arbeitsmarkt die zuschüssigen Arbeitskräfte in genügender Anzahl vorfinden, deren es gerade bedarf, um den neuen Kapitalzuwachs in Bewegung zu setzen, und ferner, daß – da die Arbeiter nicht von Geld leben können – auf dem Warenmarkte auch die zuschüssigen Lebensmittel sich vorfinden, gegen die die neuzubeschäftigenden Arbeiter den vom Kapitalisten erhaltenen variablen Kapitalanteil auszutauschen in der Lage sind.

Sind alle diese Vorbedingungen vorhanden, dann kann der Kapitalist seinen kapitalisierten Mehrwert in Bewegung setzen, ihn als prozessierendes Kapital neuen Mehrwert erzeugen lassen. Damit ist die Aufgabe noch nicht endgültig gelöst. Das neue Kapital mitsamt dem erzeugten Mehrwert steckt vorerst noch in Gestalt einer neuen zuschüssigen Warenmasse irgendeiner Gattung. In dieser Gestalt ist das neue Kapital nur noch erst vorgeschossen, und der von ihm erzeugte Mehrwert erst in seiner für den Kapitalisten unbrauchbaren Form. Damit das neue Kapital seinen Lebenszweck erfüllt, muß es seine Warengestalt abstreifen und mitsamt dem von ihm erzeugten Mehrwert in reiner Wertform, als Geld, in die Hand des Kapitalisten zurückkehren. Gelingt das nicht, dann sind neues Kapital und Mehrwert ganz oder teilweise verloren, die Kapitalisierung des Mehrwerts ist fehlgeschlagen, die Akkumulation hat nicht stattgefunden. Damit die Akkumulation tatsächlich vollzogen wird, ist also unbedingt erforderlich, daß die von dem neuen Kapital erzeugte zuschüssige Warenmenge auf dem Markte einen Platz für sich erobert, um realisiert werden zu können.

So sehen wir, daß die erweiterte Reproduktion unter kapitalistischen Bedingungen, d.h. als Kapitalakkumulation, an eine ganze Reihe eigentümlicher Bedingungen geknüpft ist. Fassen wir sie genau ins Auge. Erste Bedingung: Die Produktion muß Mehrwert erzeugen, denn der Mehrwert ist die elementare Form, unter der der Produktionszuwachs kapitalistisch allein möglich ist. Diese Bedingung muß im Produktionsprozeß selbst, im Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter, in der Warenproduktion eingehalten werden. Zweite Bedingung: Damit der Mehrwert, der zur Erweiterung der Reproduktion bestimmt ist, angeeignet wird, muß er, nachdem die erste Bedingung eingehalten, erst realisiert, in Geldform gebracht werden. Diese Bedingung führt uns auf den Warenmarkt, wo die Chancen des Austausches über die weiteren Schicksale des Mehrwerts, also auch der künftigen Reproduktion, entscheiden. Dritte Bedingung: Vorausgesetzt, daß die Realisierung des Mehrwerts gelungen und ein Teil des realisierten Mehrwerts zum Kapital zwecks Akkumulation geschlagen worden ist, muß das neue Kapital erst die produktive Gestalt, d.h. die Gestalt von toten Produktionsmitteln und Arbeitskräften annehmen, ferner muß der gegen Arbeitskräfte ausgetauschte Kapitalteil die Gestalt von Lebensmitteln für die Arbeiter annehmen. Diese Bedingung führt uns wieder auf den Warenmarkt und auf den Arbeitsmarkt. Ist hier das Nötige gefunden, hat erweiterte Reproduktion der Waren stattgefunden, dann tritt die vierte Bedingung hinzu: Die zuschüssige Warenmenge, die das neue Kapital samt neuem Mehrwert darstellt, muß realisiert, in Geld umgewandelt werden. Erst wenn dies gelungen, hat die erweiterte Reproduktion im kapitalistischen Sinne stattgefunden. Diese letzte Bedingung führt uns wieder auf den Warenmarkt.

So spielt die kapitalistische Reproduktion, wie die Produktion, fortwährend zwischen der Produktionsstätte und dem Warenmarkt, zwischen dem Privatkontor und Fabrikraum, zu denen »Unbefugten der Zutritt streng verboten« und wo des Einzelkapitalisten souveräner Wille höchstes Gesetz ist, und dem Warenmarkt, dem niemand Gesetze vorschreibt und Wo kein Wille und keine Vernunft sich geltend machen. Aber gerade in der Willkür und Anarchie, die auf dem Warenmarkt herrschen, macht sich dem Einzelkapitalisten seine Abhängigkeit von der Gesellschaft, von der Gesamtheit der produzierenden und konsumierenden Einzelglieder fühlbar. Zur Erweiterung seiner Reproduktion braucht er zuschüssige Produktionsmittel und Arbeitskräfte nebst Lebensmitteln für diese, aber das Vorhandensein solcher hängt von Momenten, Umständen, Vorgängen ab, die hinter seinem Rücken, ganz unabhängig von ihm sich vollziehen. Um seine vergrößerte Produktenmasse realisieren zu können, braucht er einen erweiterten Absatzmarkt, aber die tatsächliche Erweiterung der Nachfrage im allgemeinen wie insbesondere nach seiner Warengattung ist eine Sache, der gegenüber er völlig machtlos ist.

Die aufgezählten Bedingungen, die alle den immanenten Widerspruch zwischen privater Produktion und Konsumtion und gesellschaftlichem Zusammenhang beider zum Ausdruck bringen, sind keine neuen Momente, die erst bei der Reproduktion auftreten. Es sind die allgemeinen Widersprüche der kapitalistischen Produktion. Sie bieten sich jedoch als besondere Schwierigkeiten des Reproduktionsprozesses dar, und zwar aus folgenden Gründen: Unter dem Gesichtswinkel der Reproduktion, namentlich der erweiterten Reproduktion, erscheint die kapitalistische Produktionsweise nicht bloß in ihren allgemeinen Grundcharakteren, sondern auch in einem bestimmten Bewegungsrhythmus als ein Prozeß in seinem Fortgang, wobei das spezifische Ineinandergreifen der einzelnen Zahnräder seiner Produktionsperioden zum Vorschein kommt. Unter diesem Gesichtswinkel lautet also die Frage nicht in ihrer Allgemeinheit: wie vermag jeder Einzelkapitalist die Produktionsmittel und Arbeitskräfte vorzufinden, die er braucht, und die Waren auf dem Markte abzusetzen, die er hat produzieren lassen, trotzdem es gar keine gesellschaftliche Kontrolle und Planmäßigkeit gibt, die Produktion und Nachfrage miteinander in Einklang bringen würde? Die Antwort auf diese Frage lautet: einerseits sorgen der Drang der Einzelkapitale nach Mehrwert und die Konkurrenz unter ihnen, wie auch die automatischen Wirkungen der kapitalistischen Ausbeutung und der kapitalistischen Konkurrenz dafür, daß sowohl jegliche Waren, also auch Produktionsmittel hergestellt werden, wie daß eine wachsende Klasse proletarisierter Arbeiter im allgemeinen zur Verfügung des Kapitals stehen. Andererseits äußert sich die Planlosigkeit dieser Zusammenhänge darin, daß das Klappen von Nachfrage und Angebot auf allen Gebieten nur durch ständige Abweichungen von ihrer Übereinstimmung, durch Preisschwankungen stündlich und durch Konjunkturschwankungen und Krisen periodisch, durchgesetzt wird.

Unter dem Gesichtswinkel der Reproduktion lautet die Frage anders: wie ist es möglich, daß die planlos vor sich gehende Versorgung des Marktes mit Produktionsmitteln und Arbeitskräften, wie die planlos und unberechenbar sich verändernden Absatzbedingungen dem Einzelkapitalisten die jeweilig seinen Akkumulationsbedürfnissen entsprechenden, also in einem bestimmten Quantitätsverhältnis wachsenden Mengen und Gattungen Produktionsmittel, Arbeitskräfte und Absatzmöglichkeiten sichern? Fassen wir die Sache präziser. Der Kapitalist produziere nach der uns bekannten Formel in folgendem Verhältnis: 40c+10v+10m, wobei das konstante Kapital viermal so groß wie das variable, die Ausbeutungsrate 100 Proz. sei. Die Warenmasse wird alsdann einen Wert von 60 darstellen. Nehmen wir an, der Kapitalist sei in der Lage, die Hälfte seines Mehrwertes zu kapitalisieren und schlage sie zum alten Kapital nach derselben Zusammensetzung des Kapitals. Die nächste Produktionsperiode würde dann in der Formel zum Ausdruck kommen 44c+11v+11m=66. Nehmen wir an, daß der Kapitalist auch weiter in der Lage ist, die Hälfte seines Mehrwertes zu kapitalisieren und so jedes Jahr. Damit er dies bewerkstelligen kann, ist erforderlich, daß er nicht bloß überhaupt, sondern in der bestimmten Progression Produktionsmittel, Arbeitskräfte und Absatzgebiet vorfindet, die seinem Akkumulationsfortschritt entsprechen.

1

K. Marx, Das Kapital I, vierte Auflage 1890, S. 529.

2

In dieser Darstellung nehmen wir Mehrwert als identisch mit Profit an, was ja für die Gesamtproduktion, auf die es weiter allein ankommt, zutrifft. Auch sehen wir von der Spaltung des Mehrwerts in seine Einzelteile: Unternehmergewinn, Kapitalzins, Rente ab, da sie für das Problem der Reproduktion zunächst belanglos ist.

Zweites Kapitel.

Die Analyse des Reproduktionsprozesses bei Quesnay und bei Ad. Smith.

Bis jetzt haben wir die Reproduktion vom Standpunkte des Einzelkapitalisten betrachtet, der typischer Vertreter, Agent der Reproduktion ist, die ja durch lauter einzelne privatkapitalistische Unternehmungen ins Werk gesetzt wird. Diese Betrachtung hat uns schon genug Schwierigkeiten des Problems gezeigt. Die Schwierigkeiten wachsen aber und verwickeln sich außerordentlich, sobald wir uns von der Betrachtung des Einzelkapitalisten zur Gesamtheit der Kapitalisten wenden.

Schon ein oberflächlicher Blick zeigt, daß die kapitalistische Reproduktion als gesellschaftliches Ganzes nicht einfach als die mechanische Summe der einzelnen privatkapitalistischen Reproduktionen aufgefaßt werden darf. Wir haben z.B. gesehen, daß eine der Grundvoraussetzungen für die erweiterte Reproduktion des Einzelkapitalisten eine entsprechende Erweiterung seiner Absatzmöglichkeit auf dem Warenmarkte ist. Nun mag diese Erweiterung dem einzelnen Kapitalisten nicht durch absolute Ausdehnung der Absatzschranken im ganzen, sondern durch Konkurrenzkampf auf Kosten anderer Einzelkapitalisten gelingen, so daß dem einen zugute kommt, was ein anderer oder mehrere andere, vom Markte verdrängte Kapitalisten als Verlust buchen. Dieser Vorgang wird dem einen Kapitalisten an erweiterter Reproduktion einbringen, was er anderen als Defizit in der Reproduktion aufzwingt. Der eine Kapitalist wird erweiterte Reproduktion, andere werden nicht einmal die einfache bewerkstelligen können, und die kapitalistische Gesellschaft im ganzen wird nur eine lokale Verschiebung, nicht aber eine quantitative Veränderung in der Reproduktion verzeichnen. Ebenso kann die erweiterte Reproduktion des einen Kapitalisten mit Produktionsmitteln und Arbeitskräften ins Werk gesetzt werden, die durch den Bankrott, also gänzliches oder teilweises Aufgeben der Reproduktion bei anderen Kapitalisten freigesetzt worden sind.

Diese alltäglichen Vorgänge beweisen, daß die Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals etwas anderes ist, als die ins Unermeßliche gesteigerte Reproduktion des Einzelkapitalisten, daß sich die Reproduktionsvorgänge der einzelnen Kapitale vielmehr unaufhörlich kreuzen und in ihrer Wirkung jeden Moment gegenseitig in größerem oder geringerem Grade aufheben können. Bevor wir also den Mechanismus und die Gesetze der kapitalistischen Gesamtproduktion untersuchen, ist es notwendig, die Frage zu stellen, was wir uns denn unter der Reproduktion des Gesamtkapitals vorstellen sollen und ob es überhaupt möglich ist, aus dem Wust der zahllosen Bewegungen der Einzelkapitale, die sich alle Augenblicke nach unkontrollierbaren und unberechenbaren Regeln verändern und teils parallel nebeneinander verlaufen, sich teils kreuzen und aufheben, so etwas wie eine Gesamtreproduktion zu konstruieren. Gibt es denn überhaupt ein Gesamtkapital der Gesellschaft, und was stellt dieser Begriff allenfalls in der realen Wirklichkeit dar? Das ist die erste Frage, die sich die wissenschaftliche Erforschung der Reproduktionsgesetze stellen muß. Der Vater der Physiokratenschule, Quesnay, der mit der klassischen Unerschrockenheit und Einfachheit in der ersten Morgenröte der Nationalökonomie wie der bürgerlichen Wirtschaftsordnung an das Problem herantrat, nahm die Existenz des Gesamtkapitals als einer realen, agierenden Größe ohne weiteres als selbstverständlich an. Sein berühmtes und von niemand bis Marx enträtseltes Tableau économique stellt in wenigen Zahlen die Reproduktionsbewegung des Gesamtkapitals dar, bei der Quesnay zugleich berücksichtigt, daß sie unter der Form des Warenaustausches, d.h. zugleich als Zirkulationsprozeß aufgefaßt werden muß. »Das Tableau zeigt, wie das Jahresergebnis der nationalen Produktion, das als bestimmte Wertgröße dargestellt ist, sich durch Austausch so verteilt, daß die Produktion von neuem einsetzen kann. Die zahllosen individuellen Austauschakte sind sofort zusammengefaßt in ihrer charakteristisch-gesellschaftlichen Massenbewegung – der Zirkulation zwischen großen, funktionell bestimmten Gesellschaftsklassen.«1

Bei Quesnay besteht die Gesellschaft aus drei Klassen: der produktiven, d.h. aus Landwirten, der sterilen, die alle außerhalb der Landwirtschaft Tätigen umfaßt: Industrie, Handel, liberale Berufe, und der Klasse der Grundbesitzer, einschließlich des Souveräns und der Einnehmer des Zehnten. Das nationale Gesamtprodukt kommt in der Hand der Produktiven als eine Menge von Nahrungsmitteln und Rohstoffen im Werte von 5 Milliarden Livres zum Vorschein. Davon stellen zwei Milliarden das jährliche Betriebskapital der Landwirtschaft dar, eine Milliarde den jährlichen Verschleiß des fixen Kapitals, zwei Milliarden sind das Reineinkommen, das an die Grundeigentümer geht. Außer diesem Gesamtprodukt haben die Landwirte – die hier rein kapitalistisch als Pächter gedacht sind – zwei Milliarden Livres an Geld in der Hand. Die Zirkulation geht nun in der Weise vonstatten, daß die Pächterklasse den Grundbesitzern zwei Milliarden in Geld (das Resultat der vorherigen Zirkulationsperiode) als Pachtzins zahlt. Damit kauft die Grundbesitzerklasse für eine Milliarde von den Pächtern Lebensmittel und für die andere Milliarde von den Sterilen Industrieprodukte. Die Pächter ihrerseits kaufen für die zu ihnen zurückgekehrte Milliarde Industrieprodukte, worauf die sterile Klasse für die in ihren Händen befindlichen zwei Milliarden landwirtschaftliche Produkte: für eine Milliarde Rohstoffe usw. als Ersatz für das jährliche Betriebskapital, und für eine Milliarde Lebensmittel kauft. So ist zum Schluß das Geld zu seinem Ausgangspunkt: der Pächterklasse, zurückgekehrt, das Produkt ist unter alle Klassen verteilt, so daß die Konsumtion aller gesichert und zugleich sowohl die produktive wie die sterile Klasse ihre Produktionsmittel erneuert, wie die Klasse der Grundbesitzer ihre Revenue erhalten hat. Die Voraussetzungen der Reproduktion sind alle vorhanden, die Bedingungen der Zirkulation alle eingehalten worden, und die Reproduktion kann ihren regelmäßigen Lauf beginnen.2 – Wie mangelhaft und primitiv diese Darstellung bei aller Genialität des Gedankens ist, werden wir im weiteren Verlaufe der Untersuchung sehen. Hier ist jedenfalls hervorzuheben, daß Quesnay an der Schwelle der wissenschaftlichen Nationalökonomie nicht den geringsten Zweifel an der Möglichkeit der Darstellung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und seiner Reproduktion hegte. Allein schon bei Adam Smith beginnt zugleich mit der tieferen Analyse der Kapitalverhältnisse auch die Verwirrung in den klaren und großen Zügen der physiokratischen Vorstellung. Smith warf die ganze Grundlage der wissenschaftlichen Darstellung des kapitalistischen Gesamtprozesses um, indem er jene falsche Preisanalyse aufgestellt hat, die seit ihm die bürgerliche Ökonomie lange Zeit beherrschte, nämlich die Theorie, wonach der Wert der Waren zwar die Menge der auf sie verausgabten Arbeit darstelle, zugleich aber der Preis sich nur aus den drei Komponenten: Arbeitslohn, Kapitalprofit und Grundrente zusammensetze. Da dies offenbar sich auch auf die Gesamtheit der Waren, auf das nationale Produkt beziehen muß, so bekommen wir die verblüffende Entdeckung, daß der Wert der kapitalistisch hergestellten Waren in seiner Gesamtheit zwar alle bezahlten Löhne und Kapitalprofite liebst Rente, d.h. den gesamten Mehrwert repräsentiert, also auch ersetzen kann, daß aber dabei dem auf die Herstellung dieser Waren verwendeten konstanten Kapital gar kein Wertteil der Warenmasse entspricht. v+m, das ist nach Smith die Wertformel des kapitalistischen Gesamtprodukts. »Diese drei Teile – sagt Smith, seine Ansicht an dem Beispiel des Korns erläuternd – (Arbeitslohn, Profit und Grundrente) scheinen entweder unmittelbar oder in letzter Linie den ganzen Getreidepreis auszumachen. Man könnte vielleicht noch einen vierten Teil für notwendig halten, um die Abnutzung des Arbeitsviehs und der Wirtschaftsutensilien auszugleichen. Aber es muß beachtet werden, daß der Preis aller Wirtschaftsutensilien sich wieder aus denselben drei Teilen zusammensetzt; so wird der Preis eines Arbeitspferdes z.B. gebildet durch: 1. die Rente des Bodens, welcher es ernährt hat, 2. die auf seine Zucht verwendete Arbeit, und 3. den Kapitalgewinn des Pächters, welcher sowohl die Bodenrente als die Arbeitslöhne vorgestreckt hat. Wenn also auch der Getreidepreis den Wert des Pferdes sowohl als dessen Ernährung enthält, so löst er sich doch mittelbar oder unmittelbar in die genannten drei Bestandteile: Bodenrente, Arbeit und Kapitalgewinn, auf.«3 Indem uns Smith, wie Marx sagt, auf diese Weise von Pontius zu Pilatus herumschickt, löst er das konstante Kapital immer wieder in v+m auf. Freilich hatte Smith gelegentliche Zweifel und Rückfälle in die entgegengesetzte Meinung. Im 2. Buch sagt er: »Es ist im ersten Buche dargelegt worden, daß der Preis der meisten Waren in drei Teile zerfällt, von denen einer den Arbeitslohn, ein anderer den Kapitalgewinn, und ein dritter die Bodenrente bezahlt, welche auf die Erzeugung der Ware und ihr Zumarktebringen verwendet wurden. – Da dies bei jeder einzelnen Ware, besonders genommen, der Fall ist, so muß dasselbe, wie ebenfalls bereits bemerkt, für sämtliche, den ganzen Jahresertrag von Boden und Arbeit eines jeden Landes darstellenden Waren, im ganzen genommen, ebenfalls gelten. Der gesamte Preis oder Tauschwert dieses Jahresertrages muß sich in dieselben drei Teile auflösen und unter die verschiedenen Einwohner des Landes entweder als Lohn ihrer Arbeit, oder als Gewinn ihres Kapitals, oder als Rente ihres Bodens verteilen.« Hier stutzt nun Smith und erklärt unmittelbar weiter:

»Obgleich aber der Gesamtwert des genannten Jahresertrages derart unter die verschiedenen Landesbewohner sich verteilt und ein Einkommen für sie darstellt, müssen wir doch bei letzterem, ebenso wie bei der Rente eines Privatgutes, zwischen Brutto- und Nettorente unterscheiden.«

»Die Bruttorente eines Privatgutes besteht aus dem, was der Pächter bezahlt, und die Nettorente aus dem, was dem Grundbesitzer nach Abzug der Verwaltungs-, Reparatur- und anderen Kosten übrig bleibt; oder aus dem, was er ohne Schädigung seines Gutes seinem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zuwenden, für Tafel, Haushalt, Zieraten an Wohnung und Hausgerät, Privatgenüsse und Zerstreuungen ausgeben kann. Sein wirklicher Reichtum steht im Verhältnis nicht zu seiner Brutto-, sondern zu seiner Nettorente.«

»Das Bruttoeinkommen aller Bewohner eines großen Landes umfaßt den gesamten Jahresertrag ihres Bodens und ihrer Arbeit; und ihr Nettoeinkommen das, was hiervon nach Abzug der Unterhaltungskosten zuerst ihres festliegenden und dann ihres umlaufenden Kapitals übrig bleibt, oder das, was sie ohne Beeinträchtigung ihres Kapitals ihrem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zuwenden, auf ihren Unterhalt, ihre Annehmlichkeiten und Genüsse ausgeben können. Ihr wirklicher Reichtum steht ebenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Brutto-, sondern zu ihrem Nettoeinkommen.«4

Aber Smith führt hier einen dem konstanten Kapital entsprechenden Wertteil des Gesamtprodukts nur ein, um ihn im nächsten Augenblick wieder durch Auflösung in Löhne, Profite und Renten hinauszuführen. Und schließlich bleibt es bei seiner Erklärung:

»... Ebenso wie Maschinen, Gewerbsgeräte usw., die das festliegende Kapital des einzelnen oder der Gemeinschaft ausmachen, weder einen Teil des Brutto- noch des Nettoeinkommens darstellen, ebenso bildet Geld, vermittels dessen das gesamte Gesellschaftseinkommen regelmäßig unter alle Gesellschaftsmitglieder verteilt wird, an sich keinen Bestandteil dieses Einkommens.«5

Das konstante Kapital (das Smith fixes – in der schwerfälligen Loewenthalschen Übersetzung: festliegendes – nennt) wird also mit dem Geld auf eine Stufe gestellt und geht überhaupt in das Gesamtprodukt der Gesellschaft (ihr »Bruttoeinkommen«) nicht ein, es existiert nicht als Wertteil des Gesamtprodukts!

Da selbst der König sein Recht verliert, wo nichts da ist, so kann offenbar aus der Zirkulation, aus dem gegenseitigen Austausch des so zusammengesetzten Gesamtprodukts auch nur die Realisierung der Löhne (v) und des Mehrwerts (m) erreicht, keineswegs aber das konstante Kapital ersetzt werden, und der Fortgang der Reproduktion erweist sich als unmöglich. Zwar wußte Smith ganz genau, und es fiel ihm nicht ein zu leugnen, daß jeder einzelne Kapitalist außer einem Lohnfonds, d.h. variablen Kapital, zum Betrieb auch noch konstanten Kapitals bedarf. Allein für die Gesamtheit der kapitalistischen Produktion verschwand bei der obigen Preisanalyse der Waren das konstante Kapital auf rätselhafte Weise spurlos, und damit war das Problem der Reproduktion des Gesamtkapitals von Grund aus verfahren. Es ist klar, daß, wenn die elementarste Voraussetzung des Problems: die Darstellung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals Schiffbruch gelitten hatte, daran auch die ganze Analyse scheitern mußte. Die irrtümliche Theorie von Ad. Smith übernahmen Ricardo, Say, Sismondi und andere und sie stolperten alle bei der Betrachtung des Reproduktionsproblems über diese elementare Schwierigkeit: die Darstellung des Gesamtkapitals.

Eine andere Schwierigkeit vermengte sich mit der obigen gleich zu Beginn der wissenschaftlichen Analyse. Was ist Gesamtkapital der Gesellschaft? Bei dem einzelnen ist die Sache klar: seine Betriebsauslagen sind sein Kapital. Der Wert seines Produkts bringt ihm – vorausgesetzt die kapitalistische Produktionsweise, also Lohnarbeit – außer seinen gesamten Auslagen noch einen Überschuß, den Mehrwert ein, der nicht sein Kapital ersetzt, sondern sein Reineinkommen ist, das er ganz verzehren kann, ohne sein Kapital zu beeinträchtigen, also seinen Konsumtionsfonds. Der Kapitalist kann freilich einen Teil dieses Reineinkommens »sparen«, ihn nicht selbst verzehren, sondern zum Kapital schlagen. Aber das ist eine andere Sache, ein neuer Vorgang, Bildung eines neuen Kapitals, das auch wieder nebst Überschuß aus der folgenden Reproduktion ersetzt wird. Jedenfalls und stets ist aber das Kapital des einzelnen das, was er zur Produktion als Betriebsvorschuß brauchte, Einkommen – das, was er für sich als Konsumtionsfonds verzehrt oder verzehren kann. Nehmen wir nun einen Kapitalisten und fragen: was sind die Löhne, die er seinen Arbeitern zahlt, so wird die Antwort lauten: sie sind offenbar ein Teil seines Betriebskapitals. Fragen wir aber: was sind diese Löhne für die Arbeiter, die sie empfangen, so kann die Antwort unmöglich lauten: sie sind Kapital; für die Arbeiter sind die empfangenen Löhne nicht Kapital, sondern Einkommen, Konsumtionsfonds. Nehmen wir ein anderes Beispiel. Ein Maschinenfabrikant läßt in seiner Fabrik Maschinen herstellen; sein Produkt ist jährlich eine gewisse Anzahl Maschinen. In diesem jährlichen Produkt, in seinem Wert steckt aber sowohl das vom Fabrikanten vorgestreckte Kapital als auch das erzielte Reineinkommen. Ein Teil der bei ihm hergestellten Maschinen repräsentiert somit sein Einkommen und ist bestimmt, im Zirkulationsprozeß, im Austausch dieses Einkommen zu bilden. Wer aber von unserem Fabrikanten seine Maschinen kauft, kauft sie offenbar nicht als Einkommen, nicht, um sie zu konsumieren, sondern, um sie als Produktionsmittel zu verwenden; für ihn sind diese Maschinen Kapital.

Wir gelangen durch diese Beispiele zu dem Resultat: was für den einen Kapital, ist für den anderen Einkommen und umgekehrt. Wie kann unter diesen Umständen so etwas wie Gesamtkapital der Gesellschaft konstruiert werden? In der Tat folgerte fast die gesamte wissenschaftliche Ökonomie bis Marx, daß es kein gesellschaftliches Kapital gäbe.6 Bei Smith sehen wir noch Schwankungen und Widersprüche in dieser Frage, ebenso bei Ricardo. Ein Say erklärt schon kategorisch:

»Auf diese Weise verteilt sich der gesamte Wert der Produkte in der Gesellschaft. Ich sage der gesamte Wert; denn wenn mein Profit nur einen Teil des Wertes des Produktes darstellt, an dessen Herstellung ich mitgewirkt habe, so bildet der übrige Teil den Profit meiner Mitproduzenten. Ein Tuchfabrikant kauft einem Pächter Wolle ab; er entlohnt verschiedene Arten Arbeiter, und verkauft das Tuch, das so entstanden ist, zu einem Preis, der ihm seine Auslagen zurückerstattet und ihm einen Profit läßt. Er betrachtet als Profit, als Fonds für sein Einkommen in seiner Industrie nur das, was ihm als Reineinkommen bleibt, nach Abzug seiner Kosten. Aber diese Kosten waren nichts anderes als Vorschüsse, die er an andere Produzenten der verschiedenen Teile des Einkommens macht, und für die er sich aus dem Bruttowert des Tuchs schadlos hält. Das, was er dem Pächter für Wolle bezahlt hat, war Einkommen des Landwirts, seiner Hirten, des Gutsbesitzers des Pachthofs. Der Pächter betrachtet als sein Nettoprodukt nur das, was ihm verbleibt, nach der Abfindung seiner Arbeiter und seines Grundherrn; aber das, was er ihnen bezahlt hat, bildete einen Teil der Einkommen dieser letzteren: es war der Lohn für die Arbeiter, es war der Pachtzins für den Grundherrn, also für den einen das Einkommen aus der Arbeit, für den anderen das Einkommen aus seinem Boden. Und es ist der Wert des Tuches, der das alles ersetzt hat. Man kann sich keinen Teil des Wertes dieses Tuches vorstellen, der nicht dazu gedient hätte, ein Einkommen zu zahlen. Sein ganzer Wert ist so draufgegangen.

Man ersieht daraus, daß der Ausdruck Reinprodukt nur auf einzelne Unternehmer Anwendung finden kann, daß aber die Einkommen aller einzelnen zusammengenommen oder der Gesellschaft dem nationalen Rohprodukt der Erde, der Kapitale und der Industrie (Say nennt so die Arbeit) gleich ist. Das vernichtet (ruine) das System der Ökonomen des achtzehnten Jahrhunderts (Physiokraten), die als Einkommen der Gesellschaft nur das Reinprodukt des Bodens betrachteten und folgerten, daß die Gesellschaft nur einen diesem Reinprodukt entsprechenden Wert konsumieren könne, als ob die Gesellschaft nicht den ganzen Wert, den sie geschaffen, konsumieren könnte!«7

Say belegt diese Theorie in einer ihm eigenen Weise. Während Ad. Smith den Beweis dadurch zu erbringen suchte, daß er jedes private Kapital auf seine Produktionsstätte verwies, um es in bloßes Arbeitsprodukt aufzulösen, jedes Arbeitsprodukt aber, streng kapitalistisch, als eine Summe bezahlter und unbezahlter Arbeit, als v+m auffaßte, und so dazu kam, schließlich das Gesamtprodukt der Gesellschaft in v+m aufzulösen, beeilt sich Say natürlich, mit sicherer Hand diese klassischen Irrtümer m ordinäre Vulgarismen zu verballhornen. Says Beweisführung beruht darauf, daß der Unternehmer in jedem Stadium der Produktion die Produktionsmittel (die für ihn Kapital bilden) anderen Leuten, den Vertretern früherer Produktionsstadien, bezahlt und daß jene Leute diese Bezahlung ihrerseits teils als eigenes Einkommen in die Tasche stecken, teils als Zurückerstattung der Auslagen gebrauchen, die sie selbst vorgestreckt hatten, um noch anderen Leuten ihr Einkommen zu bezahlen. Die Smithsche endlose Kette von Arbeitsprozessen verwandelt sich bei Say in eine endlose Kette von gegenseitigen Vorschüssen auf Einkommen und Zurückerstattungen aus dem Verkauf; auch der Arbeiter erscheint hier als ganz gleichgestellt dem Unternehmer: er bekommt im Lohn sein Einkommen »vorgestreckt« und bezahlt es seinerseits mit geleisteter Arbeit. So stellt sich der schließliche Wert des gesellschaftlichen Geamtprodukts als Summe von lauter »vorgeschossenen« Einkommen dar und geht im Austauschprozeß darauf, sämtliche Vorschüsse zu ersetzen. Bezeichnend für die Flachheit Says ist, daß er die gesellschaftlichen Zusammenhänge der kapitalistischen Reproduktion an dem Beispiel der Uhrenproduktion demonstriert, – einem damals (und zum Teil heute noch) rein manufakturmäßigen Zweig, in dem die »Arbeiter« auch als kleine Unternehmer figurieren und der Produktionsprozeß des Mehrwerts durch lauter sukzessive Austauschakte der einfachen Warenproduktion maskiert ist.

Auf diese Weise bringt Say die von Smith angerichtete Verwirrung zum gröbsten Ausdruck: die ganze von der Gesellschaft jährlich hergestellte Produktenmasse geht in ihrem Wert in lauter Einkommen auf; sie wird also jährlich auch ganz konsumiert. Der Wiederbeginn der Produktion ohne Kapital, ohne Produktionsmittel, erscheint als ein Rätsel, die kapitalistische Reproduktion als ein unlösbares Problem.

Vergleicht man die Verschiebung, die das Problem der Reproduktion seit den Physiokraten bis Ad. Smith erfahren hat, so ist sowohl ein teilweiser Fortschritt, wie ein teilweiser Rückschritt nicht zu verkennen. Das Charakteristische an dem ökonomischen System der Physiokraten war ihre Annahme, daß die Landwirtschaft allein Überschuß, d.h. Mehrwert schaffe, die agrikole Arbeit somit die einzige produktive – im kapitalistischen Sinne – sei. Dementsprechend sehen wir im Tableau économique, daß die »sterile« Klasse der Manufakturarbeiter nur für dieselben 2 Milliarden Wert schafft, die sie an Rohstoffen und Lebensmitteln verzehrt. Dementsprechend gehen auch im Austausch die gesamten Manufakturwaren je zur Hälfte an die Klasse der Pächter und der Grundbesitzer, während die Manufakturklasse selbst ihre eigenen Produkte gar nicht konsumiert. So reproduziert die Manufakturklasse in ihrem Warenwert eigentlich nur das verbrauchte zirkulierende Kapital, ein Einkommen der Unternehmerklasse wird hier gar nicht geschaffen. Das einzige Einkommen der Gesellschaft über alle Kapitalauslagen hinaus, das in Zirkulation kommt, wird in der Landwirtschaft geschaffen und von der Grundbesitzerklasse in Gestalt der Grundrente verzehrt, während die Pächterklasse auch nur ihr Kapital wieder ersetzt: 1 Milliarde Zinsen vom fixen Kapital und 2 Milliarden zirkulierendes Betriebskapital, was zusammen sachlich zu zwei Dritteln in Rohstoffen und Lebensmitteln, zu einem Drittel in Manufakturprodukten besteht. Ferner fällt auf, daß Quesnay die Existenz des fixen Kapitals, das er avances primitives im Unterschied von avances annuelles nennt, überhaupt nur bei der Landwirtschaft annimmt. Die Manufaktur arbeitet bei ihm anscheinend ohne jedes fixe Kapital, nur mit dem jährlich umlaufenden Betriebskapital, schafft dementsprechend in ihrer jährlichen Warenmasse auch keinen Wertteil zum Ersatz des Verschleißes an fixem Kapital (wie Baulichkeiten, Werkzeuge usw.)8

Diesen augenscheinlichen Mängeln gegenüber bringt die englische klassische Schule vor allem den entscheidenden Fortschritt, daß sie jede Art Arbeit als produktiv erklärt, d.h. die Schaffung des Mehrwerts sowohl in der Manufaktur wie in der Landwirtschaft aufdeckt. Wir sagen: die englische klassische Schule, weil Ad. Smith auch in dieser Hinsicht neben klaren und entschiedenen Äußerungen im angegebenen Sinne gelegentlich ruhig selbst in die physiokratische Anschauung zurückfällt; erst bei Ricardo bekommt die Arbeitswerttheorie die höchste und konsequenteste Ausbildung, die sie in den Schranken der bürgerlichen Auffassung erreichen konnte. Daraus ergab sich, daß wir in der Manufakturabteilung der gesellschaftlichen Gesamtproduktion ebenso die jährliche Hervorbringung eines Überschusses über sämtliche Kapitalanlagen, eines Reineinkommens, d.h. Mehrwerts annehmen müssen wie in der Landwirtschaft.9 Auf der anderen Seite ist Smith durch die Entdeckung der produktiven mehrwertschaffenden Eigenschaft jeder Art Arbeit, ganz gleich, ob in der Manufaktur oder in der Landwirtschaft, darauf geführt worden, daß auch die landwirtschaftliche Arbeit außer der Grundrente für die Grundbesitzerklasse noch Überschuß für die Pächterklasse über ihre sämtlichen Kapitalausgaben hervorbringen muß. So entstand auch neben Kapitalersatz jährliches Einkommen der Pächterklasse.10 Endlich hat Smith durch systematische Ausarbeitung der von Quesnay aufgebrachten Begriffe der avances primitives und avances annuelles unter der Rubrik von fixem und zirkulierendem Kapital u.a. klar gemacht, daß die Manufakturabteilung der gesellschaftlichen Produktion genau so eines fixen Kapitals, außer dem zirkulierenden, bedarf, wie die Landwirtschaft, folglich auch eines entsprechenden Wertteils zum Ersatz des Verschleißes jenes Kapitals. So war Smith auf dem besten Wege, in die Begriffe vom Kapital und Einkommen der Gesellschaft Ordnung zu bringen und sie exakt darzustellen. Den Höhepunkt der Klarheit, zu der er sich in dieser Beziehung durchgerungen hat, drückt die folgende Formulierung aus:

»Obgleich der gesamte Jahresertrag von Boden und Arbeit eines jeden Landes in letzter Linie zweifellos für den Verbrauch seiner Bewohner und dafür bestimmt ist, denselben ein Einkommen zu verschaffen, so teilt er sich doch bei seinem ersten Hervortreten aus dem Boden oder den Händen der produktiven Arbeiter naturgemäß in zwei Teile. Der eine derselben, und oft der größte, ist vor allem zur Wiedererstattung eines Kapitals oder zur Erneuerung der einem Kapital entzogenen Nahrungsmittel, Rohstoffe und angefertigten Waren bestimmt, und der andere zur Herstellung eines Einkommens entweder für den Eigner dieses Kapitals als dessen Gewinn oder für irgendeinen anderen als dessen Bodenrente.«11

»Das Bruttoeinkommen aller Bewohner eines großen Landes umfaßt den gesamten Jahresertrag ihres Bodens und ihrer Arbeit und ihr Nettoeinkommen das, was hiervon nach Abzug der Unterhaltungskosten zuerst ihres festliegenden (fixen) und dann ihres umlaufenden Kapitals übrig bleibt, oder das, was sie ohne Beeinträchtigung ihres Kapitals ihrem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zuwenden, auf ihren Unterhalt, ihre Annehmlichkeiten und Genüsse ausgeben können. Ihr wirklicher Reichtum steht ebenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Brutto-, sondern zu ihrem Nettoeinkommen.«12

Hier erscheinen die Begriffe des Gesamtkapitals und Einkommens in einer allgemeinen und strengeren Fassung als im Tableau économique: das gesellschaftliche Einkommen losgelöst von der einseitigen Verknüpfung mit der Landwirtschaft, das Kapital in seinen beiden Formen des fixen und zirkulierenden verbreitert zur Grundlage der gesamten gesellschaftlichen Produktion. Statt der irreführenden Unterscheidung der beiden Produktionsabteilungen, der Landwirtschaft und der Manufaktur, sind hier in den Vordergrund geschoben andere Kategorien von funktioneller Bedeutung: die Unterscheidung von Kapital und Einkommen, ferner die Unterscheidung von fixem und zirkulierendem Kapital. Von hier aus schreitet Smith fort zur Analyse des gegenseitigen Verhältnisses und der Verwandlungen dieser Kategorien in ihrer gesellschaftlichen Bewegung: in der Produktion und Zirkulation, d.h. im Reproduktionsprozeß der Gesellschaft. Er hebt hier einen radikalen Unterschied zwischen dem fixen und dem zirkulierenden Kapital vom gesellschaftlichen Standpunkt hervor: »Die ganzen Unterhaltungskosten des festliegenden (soll heißen: fixen) Kapitals müssen augenscheinlich von dem Nettoeinkommen der Gesellschaft ausgeschieden werden. Weder die zur Erhaltung ihrer nutzbringenden Maschinen, Gewerbegeräte, Gebäude usw. notwendigen Rohstoffe, noch das Produkt der auf deren Formung verwendeten Arbeit, kann jemals einen Teil desselben ausmachen. Der Preis dieser Arbeit wird allerdings einen Teil des gesamten Nettoeinkommens bilden, da die dabei beschäftigten Arbeiter ihre Löhne ihrem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zuwenden können; aber bei anderen Arten von Arbeit fällt sowohl deren Preis als deren Produkt diesem Vermögensteile zu: ihr Preis dem der Arbeiter und ihr Produkt dem anderer Leute, deren Subsistenzmittel, Annehmlichkeiten und Zerstreuungen durch die Arbeit jener Werkleute vermehrt werden.«13

Hier stößt Smith auf die wichtige Unterscheidung zwischen Arbeitern, die Produktionsmittel, und solchen, die Konsumtionsmittel herstellen. Bei den ersteren bemerkt er, daß der Wertbestandteil, den sie zum Ersatz ihrer Löhne schaffen, in Gestalt von Produktionsmitteln (wie Rohstoffe, Maschinen usw.) zur Welt kommt, d.h. daß hier der zum Einkommen der Arbeiter bestimmte Teil des Produkts in einer Naturalform existiert, die unmöglich zur Konsumtion dienen kann. Was die letztere Kategorie der Arbeiter betrifft, so bemerkt Smith, daß hier umgekehrt das gesamte Produkt, also sowohl der in ihm enthaltene Wertteil, der die Löhne (das Einkommen) der Arbeiter ersetzt, als auch der übrige Teil (Smith spricht es nicht aus, aber dem Sinne nach müßte seine Folgerung lauten: so auch der Teil, der das verbrauchte fixe Kapital darstellt) in Gestalt von Konsumartikeln erscheinen. Wir werden weiter sehen, wie nahe hier Smith an den Angelpunkt der Analyse gelangt ist, von dem aus Marx das Problem in Angriff genommen hat. Der allgemeine Schluß jedoch, bei dem Smith selbst bleibt, ohne die Grundfrage weiter zu verfolgen, ist der: jedenfalls kann alles, was zur Erhaltung und Erneuerung des fixen Kapitals der Gesellschaft bestimmt ist, nicht zum Reineinkommen der Gesellschaft gerechnet werden.

Anders das zirkulierende Kapital.

»Scheiden auch die sämtlichen Unterhaltungskosten des festliegenden (fixen) Kapitals derart notwendig aus dem Nettoeinkommen der Gesellschaft aus, so ist dies doch nicht bei denen des Umlaufskapitals der Fall. Von den vier Bestandteilen des letzteren – Geld, Nahrungsmittel, Rohstoffe und angefertigte Waren – werden die drei letzten, wie bereits dargelegt, ihm regelmäßig entzogen und entweder dem festliegenden (fixen) Kapital oder dem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen der Gesellschaft zugewendet. Jeder Teil dieser Verbrauchswaren, der nicht zum Unterhalt des festliegenden (fixen) Kapitals verwendet wird, fließt dem zum Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zu und bildet einen Teil des Nettoeinkommens der Gesellschaft. Der Unterhalt dieser drei Bestandteile des Umlaufskapitals entzieht somit dem Nettoeinkommen der Gesellschaft nur so viel von dem jährlichen Erträge, als zur Erhaltung des festliegenden Kapitals notwendig ist.«14

Man sieht, daß Smith hier in die Kategorie des zirkulierenden Kapitals einfach alles außer dem bereits angewandten fixen Kapital, also sowohl Lebensmittel, wie Rohstoffe, wie auch das gesamte noch nicht realisierte Warenkapital (also zum Teil noch einmal dieselben Lebensmittel und Rohstoffe, zum Teil Waren, die ihrer Naturalgestalt gemäß zum Ersatz des fixen Kapitals gehören) zusammengeworfen, den Begriff des zirkulierenden Kapitals zweideutig und schillernd gemacht hat. Aber neben und mitten durch diese Verwirrung gibt er dabei eine weitere wichtige Unterscheidung:

»In dieser Hinsicht verhält sich das Umlaufskapital der Gesellschaft anders als das eines Privaten. Das letztere bildet durchaus keinen Teil seines Nettoeinkommens, welches einzig und allein aus Gewinn hervorgehen muß. Obgleich aber das Umlaufskapital eines jeden einzelnen einen Teil desjenigen seiner Gemeinschaft ausmacht, ist es deshalb von dem Nettoeinkommen dieser Gemeinschaft nicht ebenso vollkommen ausgeschlossen.«

Smith erläutert das Gesagte durch das folgende Beispiel:

»Obgleich die sämtlichen Waren, die ein Kaufmann in seinem Laden hat, gewiß nicht zu seinem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen gerechnet werden dürfen, können sie doch als ein Teil dieses Vermögens anderer Leute betrachtet werden, welche mit Hilfe eines anderweitigen Einkommens, und ohne sein oder ihr Kapital zu verringern, dem Kaufmann den Wert seiner Waren samt Gewinn regelmäßig wiedererstatten können.«15