Die Baumhaus-Bande - Jörn Hauf - E-Book

Die Baumhaus-Bande E-Book

Jörn Hauf

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Beschreibung

Die Baumhausbande Paula, Gülçin, Matteo und Sven haben sich auf der Kinderfreizeit der Pfarrei kennengelernt. Gemeinsam mit Anna und Kai erleben sie so manche Abenteuer. Geheimer Treffpunkt ist ihr Baumhaus. Es sind Geschichten rund um das Kirchenjahr, um Streit und Versöhnung, Leid, Trauer, Mut und den Wert der Freundschaft. Wunderschön illustriert von Mascha Greune.

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Seitenzahl: 120

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Jörn Hauf * Albert Biesinger

DIE

Baumhaus-Bande

Geschichten zur Erstkommunion

Mit Illustrationen von Mascha Greune

Kösel

Die Autoren

JÖRN HAUF arbeitet an einer Berufsschule in Reutlingen und an der Universität in Tübingen. Dort denkt er viel über Erstkommunion und Firmung nach und bildet Studentinnen und Studenten aus, die später mal Religion unterrichten wollen wie er. Die Geschichten der Baumhaus-Bande hat er geschrieben, da er selbst fünf Kinder hat, mit denen er gerne über Gott und die Welt spricht.  

ALBERT BIESINGERist Professor für Religionspädagogik und beschäftigt sich damit, wie Eltern und Kinder in der Familie Gott entdecken können. Ihm ist es wichtig, „über den Tellerrand hinauszuschauen“, deshalb ist er oft bei armen Kindern in Elendsvierteln in Lateinamerika. Albert Biesinger ist verheiratet, hat vier Kinder und fünf Enkelkinder.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Copyright © 2013 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Umschlag: fuchs_design, München

Umschlagmotiv: Masche Greune, München

ISBN 978-3-641-11099-4V002

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter

www.koesel.de

INHALT

Annas Kribbeln

Freundebleiben

Andersals erwartet

Ein langerAbend

Verabredungen

Die Baumhaus-Bande

Unentschieden

Fast schonwie im Himmel

Flagge zeigen

Dunkle Wolken

Kurz vor dem Ende

Eine überraschende Einladung

Nachwort

ANNAS

KRIBBELN

ANNA SITZT AUF IHREM BETT und ärgert sich. Beides passiert Anna in letzter Zeit öfter. Und heute ist nicht einmal ihr kleiner Bruder Benjamin schuld daran, mit dem Anna sich ihr Zimmer teilt. Eigentlich ist Annas kleiner Bruder total süß, wenn er nicht gerade an Annas Lieblingskuscheltier kaut oder seine Windel vollmacht oder einfach so, ohne Grund lauthals losbrüllt, bloß weil Anna ihm … Besonders süß ist Benjamin hauptsächlich, wenn er schläft, findet Anna. Annas kleiner Bruder ist jetzt schon seit zwei Stunden mit Mama auf dem Spielplatz. Anna wäre auch gerne auf dem Spielplatz, aber sie ist verletzt. Das tut zwar nicht mehr so sehr weh, aber es ärgert sie. Anna hat sich beim Klettern auf dem Spielplatz den rechten Arm gebrochen und musste sogar operiert werden. Das war ausgerechnet am Tag vor der Abreise zur Kinderfreizeit der Kirchengemeinde. Sie hatte sich so sehr auf diese Ferientage gefreut, aber auch ein bisschen Angst gehabt. Sie wäre das erste Mal alleine ohne ihre Eltern in Urlaub gefahren. Außer bei Oma und Opa im Schwarzwald, aber das zählt ja nicht. Schon zwei Tage vor der Abreise hat sie so ein komisches Kribbeln im Bauch gespürt. Das passiert ihr in letzter Zeit auch öfter, dass sie vor lauter Aufregung so ein komisches Kribbeln im Bauch spürt. Aber Paula wäre ja mitgekommen. Paula ist Annas beste Freundin. Sie gehen zusammen in dieselbe Klasse und waren in diesem Jahr gemeinsam bei den Kindergruppentreffen auf dem Kommunionweg. Das wäre bestimmt ganz toll geworden, zusammen mit Paula auf der Ferienfreizeit.

Stattdessen sitzt Anna jetzt auf ihrem Bett und ärgert sich, weil alles so langweilig ist, wenn man einen gebrochenen Arm hat und die beste Freundin ohne einen auf der Ferienfreizeit ist, und man nicht mal raus auf den Spielplatz kann und keiner einen besuchen kommt.

Kai hat sie auch nicht besucht. Er ist auch in Annas Klasse. Kai ist zwar ein Junge, aber er ist der einzige Junge in ihrer Klasse, den Anna nicht total nervig und doof findet wie die anderen Jungs. Früher, als sie noch klein waren, in der zweiten Klasse und noch früher, haben sie oft miteinander gespielt. Aber seit einiger Zeit ist das nicht mehr so einfach, dass Jungs mit Mädchen spielen. Anna hört kurz auf, sich zu ärgern, und denkt nach: Vielleicht hat Kai sie ja deshalb nicht besucht, weil die anderen Jungs aus der Klasse sonst Witze über ihn machen? Oder vielleicht ist Kai ja jetzt in den Ferien auch ganz plötzlich total nervig und doof geworden, wie die anderen? Oder vielleicht ist er aber auch immer noch traurig und möchte am liebsten alleine sein? Kais Opa ist nämlich gestorben. Von einem auf den anderen Tag, mitten im Leben. Dabei wollte der Opa noch ganz viel mit Kai machen. Die beiden haben schon angefangen, ein Baumhaus zu bauen. Kai und sein Opa haben Anna und Paula sogar einmal nach der Schule gefragt, ob sie nicht mitkommen wollten, um ihnen zu helfen. Damals hat es auch in Annas Bauch gekribbelt und sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Anna mochte Kais Opa, aber der ist ja jetzt bei Gott und kann kein Baumhaus mehr mit ihnen bauen. Und Anna mag Kai, jedenfalls mochte sie ihn noch vor einer Woche. Und Anna mag Paula, ihre beste Freundin, die aber ohne sie auf der Ferienfreizeit ist und erst irgendwann – Anna weiß gerade gar nicht, wann genau – wieder zurückkommt.

Kurz bevor Anna aufhört nachzudenken und wieder anfängt, sich zu ärgern, läutet es an der Wohnungstür. „Papa wird schon aufmachen“, denkt Anna. Von wegen, Papa klebt gerade auf dem Sofa vor seiner heiß geliebten Sportschau. Anna lauscht. Als wirklich nichts passiert und es zum zweiten Mal läutet, steht sie genervt auf, fällt beinahe über Benjamins knallrotes Bobbycar und mault ein unwilliges: „Ich geh schon!“, in Richtung Wohnzimmertür. An der Sprechanlage meldet sich niemand. Anna öffnet die Wohnungstür, obwohl sie weiß, dass man das nicht tun sollte, aber sie ist jetzt doch zu neugierig und außerdem ist ja Papa da.

„Hallo?“, ruft sie durchs Treppenhaus, weil sie gerade noch sieht, dass da jemand die Treppe runterflitzt.

Der „Jemand“ ist ein Junge in ihrem Alter. Als er ihre Stimme hört, macht er auf dem letzten Treppenabsatz kehrt und schaut verlegen zu ihr hoch: „Hallo Anna, du bist ja doch da.“

„Oh, hallo Kai“, erwidert Anna überrascht über den unerwarteten Besuch. Vor lauter Überraschung hat es ihr ein wenig die Sprache verschlagen. Sie weiß gar nicht, was sie sagen soll. Gut, dass ihr Papa gerade jetzt mal „nach dem Rechten schaut“ und Kai freundlich einlädt, hoch- und reinzukommen. Das hat Anna im Moment nämlich ganz vergessen. Nachdem Annas Papa sicher ist, dass Kai weder ein Glas Saft trinken noch zusammen mit ihm und Anna Sportschau gucken möchte, zieht er sich wieder ins Wohnzimmer zurück. Dort ist gerade ein Tor für seine Lieblingsmannschaft gefallen und er will die Zeitlupenwiederholung nicht verpassen. Kai und Anna stehen etwas verloren im Flur herum. Anna findet immer noch keine Worte, außerdem kribbelt es in ihrem Bauch.

Kai betrachtet Annas Verband: „Ich habe deine Mutter mit Benjamin auf dem Spielplatz getroffen. Sie hat gesagt, dass du dir letzte Woche den Arm gebrochen hast und dich bestimmt über einen kleinen Besuch freust … Tut es noch weh?“

„Geht so“, antwortet Anna, „da ist ja ein dicker Verband drum. Ich darf halt nirgendwo anstoßen.“

Mehr fällt ihr wieder nicht ein, dabei freut sie sich eigentlich sehr, dass Kai sie besuchen kommt.

„Ich dachte, du wärst mit Paula auf dieser Ferienfreizeit von eurer Kirchengemeinde. Matteo und Sven aus unserer Klasse sind ja auch dabei.“

Anna zuckt nur mit der linken Schulter.

„Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich schon mal eher vorbeigekommen. Ist doch bestimmt ärgerlich, ausgerechnet in den Ferien. Warum hast du denn nicht mal angerufen?“

„Da hab ich gar nicht dran gedacht“, antwortet Anna. Das stimmt nicht ganz, sie hat nämlich in den letzten Tagen schon ein paar Mal daran gedacht, Kai anzurufen, aber sie hat sich nicht richtig getraut, bloß will sie Kai das jetzt nicht sagen. Anna merkt, dass Kai ein wenig enttäuscht über ihre Antwort ist. Er ist vielleicht sogar kurz davor, wieder zu gehen. Das möchte Anna aber überhaupt nicht.

„Aber ich finde es ganz toll, dass du mich jetzt ­besuchst. Komm mal mit, ich zeig dir was“, ermutigt sie Kai, noch zu bleiben, und führt ihn ins Kinderzimmer.

Kai stolpert auch beinahe über Benjamins Bobbycar und beide müssen grinsen. Vielleicht, weil sie sich gerade beide daran erinnern, dass sie früher in der Kinderkrabbelgruppe ganz oft Wettrennen mit ihren Bobbycars gemacht haben. Vielleicht aber auch, weil Kais Besuch jetzt doch etwas länger dauert.

Während Anna erst in ihrer Schreibtischschublade, dann in ihrem Schulranzen und schließlich überall nach etwas ganz Bestimmtem sucht, sitzt Kai auf Benjamins Bobbycar und schaut sich neugierig im Zimmer um. Dabei fällt sein Blick auf Annas Regal, genauer: auf ein ganz bestimmtes Regalfach. „Das sieht ja schön aus“, staunt Kai.

Anna sieht zwar nicht genau, was er meint, weil sie gerade unter ihrem Bett sucht, was gar nicht so einfach ist, wenn man einen gebrochenen Arm hat. Aber sie kann sich schon denken, was Kai entdeckt hat. Ganz oben, so weit oben, dass ihr kleiner Bruder nicht drankommen kann und sie selbst einen Stuhl braucht, um hochzukommen, hat sie ein Regalfach für Jesus eingerichtet. Anna hat in diesem Jahr ihre Erstkommunion gefeiert. Wochenlang hat sie sich mit Mama und Papa zu Hause und in ihrer Kindergruppe auf diesen großen Tag vorbereitet. Es war ein wunderschönes Fest mit vielen lieben Verwandten, köstlichem Essen, tollen Geschenken und einer ganz besonderen Begegnung. Bei ihrer Kommunion hat Anna nämlich zum ersten Mal das heilige Brot bekommen. Manche Kinder aus ihrer Kommuniongruppe waren hinterher etwas enttäuscht, dass es so langweilig geschmeckt hat. Anna hat das heilige Brot, die Hostie, auch nicht besonders geschmeckt, aber dennoch war es für sie etwas ganz Besonderes: Sie hatte das Gefühl, Jesus ist jetzt ganz nah bei ihr, näher noch als in den Geschichten aus der Bibel oder beim Anzünden der Gruppenkerze oder beim Abendgebet. Seit diesem ersten Mahl bei ihrer Erstkommunion, ist Jesus für sie noch wichtiger geworden. Wenn für Anna etwas besonders wichtig ist, dann sucht sie dafür einen Platz in ihrem Regal. So kam es eben, dass Anna ein Regalfach für ­Jesus eingerichtet hat, ganz oben, wo niemand drankann und wo sie es von ihrem Bett aus immer gut sieht.

Kai hat das Regalfach also entdeckt und findet es schön. Und das findet Anna toll, weil andere Jungs das bestimmt doof fänden.

„Das ist mein Jesusregal“, erklärt sie knapp. „Da ist bestimmt auch, was ich dir zeigen wollte.“ Dann krabbelt sie mühsam unterm Bett hervor und rollt ihren wackligen Schreibtischstuhl zum Regal, um sogleich draufzusteigen.

„Lass mich das lieber machen, nicht dass du runterfällst und dir den anderen Arm auch noch brichst“, bietet sich Kai an.

Aber Anna ist schon oben, zieht ein kleines Buch aus ihrem Jesusregal hervor und zeigt es Kai. „Schau mal, ich habe zur Erstkommunion so ein Freundschaftsbuch von meiner Patentante Ingrid bekommen. Da sollen alle reinschreiben, die man besonders gerne mag. Paula hat als Erste reingeschrieben und ich bin noch gar nicht dazugekommen, es weiterzugeben. Magst du der Nächste sein, der reinschreibt?“

Kai nimmt Anna das Buch ab, damit sie sicher vom Stuhl steigen kann. Er betrachtet das schön eingebundene Freundschaftsbuch und schlägt es auf. „Ich weiß nicht, ich glaube, ich kann das nicht so gut. Das sind aber schwierige Fragen. Muss ich da jetzt gleich was reinschreiben?“, fragt er etwas verunsichert. Kai kann nämlich nicht so gut schreiben und er kennt auch keinen so schönen Spruch, wie Annas Freundin Paula einen da reingeschrieben hat.

„Du kannst es ruhig mit nach Hause nehmen. Wenn du nichts schreiben willst, dann mal doch was Schönes hinein. Das kannst du doch so gut“, ermuntert Anna ihn.

„Also gut, ich habe auch schon eine Idee. Hast du Stifte da?“

„Klar, hier“, Anna reicht ihm ihr Schulmäppchen.

Kai zögert nicht lange und setzt sich an Annas Schreibtisch. „Du musst dich aber umdrehen und darfst nicht gucken, bis ich es dir sage“, ermahnt Kai sie geheimnisvoll, als er merkt, dass sie neugierig über seine Schulter schielt.

„Du machst es aber spannend“, findet Anna, dreht sich um und setzt sich im Schneidersitz auf den Boden. Da war es schon wieder, dieses Kribbeln in ihrem Bauch. Minutenlang ist es ganz still im Zimmer. Kai ist völlig in seine Zeichnung versunken. Manchmal scheint es Anna, als würde er ein wenig schluchzen, aber sie spricht ihn nicht darauf an. Dann geht auf einmal alles ganz schnell. Kai legt die Stifte weg, klappt das Buch zu und steht auf.

„Ich muss jetzt gehen, Anna“, sagt er mit belegter Stimme.

Ohne Anna noch mal anzuschauen, geht er aus dem Zimmer in den Flur, am Wohnzimmer vorbei, zur Wohnungstür. Rasch zieht er seine Sandalen an und lässt leise die Wohnungstür hinter sich ins Schloss fallen.

Anna sitzt immer noch im Schneidersitz auf dem Boden und schon wieder hat es ihr die Sprache verschlagen. Was sollte das denn jetzt? Schon wieder wird sie ärgerlich, über Kai, dass er einfach so weggeht, und über sich, dass sie ihm nicht nachgelaufen ist.

Verdattert richtet sie sich auf, nimmt das Freundschaftsbuch vom Schreibtisch und schlägt es auf. Kai hat wirklich nichts reingeschrieben. Dafür hat er für sie ein wunderschönes kleines Baumhaus gezeichnet. Mitten in einem Garten, mit einem kleinen Bach und einer Hütte, Obstbäumen und Beerensträuchern.

„Warum ist er denn nur so schnell gegangen?“, Anna setzt sich aufs Bett und betrachtet blinzelnd ihr Jesusregal. Am liebsten hätte sie damals eine Hostie für ihr Regalfach mitgenommen, damit Jesus immer in ihrem Zimmer ist. Komisch, dass ihr das jetzt einfällt. Aber das ging natürlich gar nicht. Stattdessen bewahrt sie in ihrem Jesusregal einige Dinge auf, die sie an Jesus und ihren Kommunionweg erinnern: das kleine Holzkreuz und andere Mitbringsel aus den Kindergruppenstunden, ihre Bibel, ein Bild ihrer Kommuniongruppe (wo sie neben Paula sitzt und der freche Matteo aus ihrer Klasse eine doofe Grimasse zieht) und natürlich ihre Kommunionkerze, die sie hinten schräg aufstellen musste, weil das Regalfach nicht hoch genug ist. Gerade jetzt fällt ihr Blick aber auf den kleinen verzierten Pappkarton mit den Glückwunschkarten zu ihrer Erstkommunion. „In der Kiste wäre bestimmt auch eine Glückwunschkarte von Kais Opa drin, wenn er nicht gestorben wäre“, überlegt Anna. Im Flur klingelt das Telefon, aber Anna denkt nicht daran, ranzugehen.