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Als Flo Anfang 2019 Jeany kennen lernt, glaubt er, endlich sein perfektes Lebensmodell gefunden zu haben. Die beiden gründen eine WG, die vegan, achtsam und solidarisch sein soll. Doch es stellt sich schnell heraus, dass diese Werte nicht für alle gelten. Ein Tatsachenbericht über gescheiterte Polyamorie, Depression, Gaslighting und das Bedürfnis, gehört zu werden.
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Seitenzahl: 91
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Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort
Dramatis Personae
Wie alles begann
Der Ursprung der Baumacker-WG
Poly-BDSM-Stammtisch
Was wir uns von einer WG wünschen
Sexwork
Judith als Kurzzeit-Mitbewohnerin
Pleasure Parties bei Lucy
Dating
Katrin & Marcel
Jan & Nora - gute Freund*innen?
Ostsee-Urlaub
monokultur.fm
Lockdown
Liaison mit Juli
Zusammenbruch
Psychisch labil
Beziehungsgrundlage
Realitätsverweigerung
Arbeitsmoral
Undine
Ramona
Jeany und Natascha
Schweden
Urlaub zu dritt
Camping
Malmö
Trennung
Pleasure Party
Jeany liebt mich nicht mehr
Quarantäne
Plenum
Jahreswechsel
Zerwürfnis
Noel trennt sich
Noels Bild
Trauma
Auszug
Kontaktabbruch
Marcel und Lucy
Nachwort
Anhang
Blogpost “Zurück” auf mental- anarchy.de
Blogpost “Meer” auf mental- anarchy.de
Nachricht an Juli
Letzte Nachricht an Lina
Blogpost “Soziale Isolation ist Gewalt” auf mental-anarchy.de
Über zwei Jahre ist es nun her, dass ich all diese Erlebnisse zu Papier gebracht habe. Es hat mir geholfen, damit umzugehen. Aber ist es damit aus meinem Kopf verschwunden? Sicher nicht.
Zeit heilt vieles, aber nicht alles. Ich werde auch in meinen heutigen Beziehungsmustern immer wieder daran erinnert, was mir damals widerfahren ist. Und mir wird immer klarer, wie gewaltvoll diese Situationen waren. Dass dies die schlimmste Zeit meines Lebens war und welche Spuren sie hinterlassen hat.
Trigger werden mit der Zeit weniger, aber sie hören kaum je ganz auf zu existieren. Deshalb bin ich weiterhin in therapeutischer Behandlung. Ich brauche Werkzeuge, um mit dem Geschehenen umzugehen, denn:
Ich bin nicht schuld.
Ich habe in dieser zweiten Auflage am Text wenig verändert, auch wenn er mir - aus heutiger Perspektive - zu “sachlieh” geschrieben ist. Ich möchte aber mit diesem Buch vor allem anderen Menschen einen Einblick in das geben, was geschehen ist. Emotionalität wird mich hinsichtlich dieser Zeit sowieso ein Leben lang begleiten.
Im Gegensatz dazu habe ich auf meinem Blog mental anarchy während dieser Zeit und danach sehr viel über meine Gefühle geschrieben. Einige Texte habe ich im Anhang ab Seite 133 gesammelt. Schreiben war und ist ein großes Ventil für mich. Mittlerweile führe ich regelmäßig Tagebuch und kann diese Praxis sehr empfehlen!
Nur das Schlusswort habe ich ergänzt: es bestand in der ersten Auflage nur aus Stichpunkten, ich hatte vergessen, es auszuschreiben. Außerdem habe ich das Inhaltsverzeichnis entfernt und dafür Dramatis personae (Seite 13) eingefügt.
Hamburg, Oktober 2023
Alle Eindrücke und Beschreibungen, die ein Mensch zu Papier bringt, sind naturgemäß subjektiv.
Die Abhandlung über persönliche Erlebnisse soll und muss von der eigenen Sicht der Dinge geprägt sein. Hieraus resultieren sowohl Vorteile, wie auch Nachteile.
Die singuläre Sicht auf das Geschehen bringt dem*r Leser*in das Innenleben des Autors näher. Im Gegensatz dazu bestünde in der Erzählperspektive allwissender Erzähler (dritte Person) kaum die Möglichkeit, den*die Leser*in durch eine bestimmte Brille sehen zu lassen. Diese Perspektive steht für eine Tatsachenerzählung wie diese aber sowieso außer Frage.
Gerade bei einer solch komplexen Handlung ist es außerdem nicht unwichtig, den*die Leser*in in die Lage zu versetzen, sich mit der Hauptperson identifizieren zu können. Eine reine Aufzählung der Geschehnisse wäre recht langweilig und unverständlich.
Auf der anderen Seite können dadurch auch viele Details, die der Autor nicht als wichtig erachtet oder schlicht nicht weiß, verloren gehen. Sie sind in diesem Fall für das persönliche Erleben des Autors, um das es hier geht, aber auch nicht von Belang.
Ich habe mir viel Mühe gegeben, alles was passiert ist, so neutral wie möglich darzustellen und meine Gedanken und Gefühle als solche kenntlich zu machen. Mir ist durchaus bewusst, dass Menschen, die außer mir in dieser Geschichte auftauchen, zu anderen Schlussfolgerungen kommen als ich.
Dies ist meine Geschichte.
Flo, das bin ich
Jeany, meine Partnerin und Podcast-Co-Host
Mohammed, der erste Mitbewohner
David, zeitweiliger Mitbewohner
Noel, der zweite Mitbewohner
Juli, seine Freundin und spätere Mitbewohnerin
Judith, zeitweilige Mitbewohnerin
Anne, Davids Partnerin
Steffi, Co-Organisatorin des Poly-BDSM-Stammtischs
Jan, ihr Partner und Freund der WG
Linda, meine Ex-Partnerin
Melina, Journalistin und Freundin der WG
Desirée, ihre Mitbewohnerin
Nina, Sexarbeiterin
Lucy, Freundin, Pleasure Party Host und Psychotherapeutin
Manu, Gast der 1. Pleasure Party
Katharina, Gästin der 2. Pleasure Party
Katrin, mein Date
Marcel, Jeanys Date und Partner
Nora, Jans Partnerin
Melanie, Jans Date
Janina, Freundin aus Frankfurt
Undine, Date von okCupid und Freundin der WG
Ramona, Date von okCupid und Freundin
Natascha, Jeanys Date
Max, Freund der WG
Maria, spätere Mitbewohnerin
Marie, Date von okCupid
Mira, Date von okCupid
Phillipp, Freund der WG
Lea, seine Partnerin
Lina, Freundin der WG
Beth, Freundin der WG
Einige Namen wurden geändert, um die Personen zu schützen.
Die Namen der Hauptprotagonist*innen wurden nicht verändert.
Täter*innen müssen benannt werden.
Wie wir behandelt werden, beeinflusst, wie wir uns selbst sehen.
Dr. Judith Spisak, Psychotherapeutin
Content NotesSexualisierte Gewalt, Suizidgedanken, Fatshaming, Narzissmus, Depression, Substanzmissbrauch, Gaslighting, emotionaler Missbrauch, Essstörung
Die Idee zur Gründung einer eigenen WG reifte bei Jeany und mir unabhängig voneinander schon seit einigen Jahren. Bei unseren ersten Dates im Januar/Februar hatten wir über Wohnformen gesprochen, die wir uns vorstellen können und stießen dabei auf erstaunlich viele Gemeinsamkeiten. Wir beide wollten eine WG, in der man nicht fragen musste, wen man mitbringt; in der Entscheidungen per Konsens getroffen wurden; in der alle solidarisch miteinander sind; und in der nur vegan gegessen und gelebt wird. So war es nur folgerichtig, dass wir uns nach erfolgloser WG-Suche dazu entschlossen, dieses Projekt selbst umzusetzen.
Die Wohnung im Baumacker 42 im Hamburger Stadtteil Eidelstedt war schnell gefunden und der Umzug lief reibungslos. Jeany und ich streckten die Kaution vor (etwa 6000 Euro), aber beließen in den Untermietverträgen die Kaution bei 600 Euro, um es auch Menschen mit weniger Einkommen zu ermöglichen, Teil unserer Gemeinschaft zu werden. Außerdem erklärte ich mich dazu bereit, mehr Miete zu zahlen als die anderen (530 statt 450 Euro), weil ich in meiner damaligen privilegierten Position als IT-Freiberufler mehr als genug verdiente. Dass ich diese Entscheidung noch bereuen sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht.
Unsere Mitbewohner*innen-Suche lief nicht immer einfach ab. Mohammed haben wir schon vor dem Einzug gefunden und es war uns sehr schnell klar, dass wir ihn bei uns haben wollten. David wollte nicht in einer WG wohnen, aber zog ein Zimmer bei uns einer Airbnb Unterkunft vor. Das ersparte ihm das ständige Pendeln von Oldenburg zu seinem Job nach Hamburg. Außerdem war er zwar ein netter Typ, passte aber mit seinem Job im Vertrieb nicht unbedingt zu uns. Noel kam als erster Kandidat, nachdem Jeany und ich schon eingezogen waren, und wurde von uns auch direkt angenommen. Er meinte noch “ich nehm nur ganz selten Drogen”, was sich hinterher als nicht ganz der Wahrheit entsprechend herausstellen sollte. Durch eine spontane Absage einer anderen Kandidatin blieb David zwei Monate länger als geplant.
Nach Noels erster Schulwoche im August saß Juli bei uns zum Abendessen und es ergab sich, dass Juli und Noel ein Paar wurden. Juli war von da an fast dauerhaft in der WG. Im Oktober ist schließlich auch Judith eingezogen und David zog mit Änne, seiner Freundin, die mittlerweile einen Job in Hamburg gefunden hatte, ins provisorische Flurzimmer.
Damit war die WG vorerst komplett.
Noch bevor alle in die Baumacker-WG eingezogen waren, gründeten Jeany und ich den Poly-BDSM-Stammtisch in Hamburg. Wir schrieben eine Person an, die einen solchen Stammtisch schon einmal in Hamburg organisiert hatte und bekamen als Antwort, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich für eine Neugründung interessierten. Also wendeten wir uns an Steffi, besagter interessierter Person, und beschlossen zu dritt, alles für eine Neugründung in die Wege zu leiten.
Noch vor dem ersten Poly-BDSM-Stammtisch statteten wir dem Poly-Stammtisch in Hamburg einen Besuch ab. Steffi war auch dort und hatte Jan als Date dabei. Wir fanden ihn von Anfang an sympathisch, aber Steffi wurde nicht müde, ihn (auch vor allen anderen) als fett zu bezeichnen. Kurze Zeit später wurden die beiden trotzdem ein Paar und Jan zog direkt bei Steffi ein.
Bei diesem ersten (und einzigen) Besuch beim Poly-Stammtisch lernten wir auch Melina kennen, die im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen wird.
In den nächsten Wochen und Monaten wurde Steffis Verhalten zunehmend merkwürdiger. Jan berichtete uns von Steffis Psychosen und ihrem gewalttätigem Ex-Ehemann, der noch mit ihr im gleichen Haus wohnte. Auch Jeany und mir gegenüber wurde sie immer grenzverletzender und so distanzierten wir uns mehr und mehr von Steffi. Später schloss sie sich der Querdenker-Szene an, also war unsere Einschätzung wohl gar nicht so falsch. Jan hingegen wurde mehr und mehr Teil unseres Freundeskreises, nachdem er sich von ihr getrennt hatte.
Zum Zeitpunkt als unser erster Poly-BDSM-Stammtisch im froindlichst statt fand, hatte ich immer noch mit einer Schluckstörung zu kämpfen, durch die ich seit der Trennung von meiner Ex-Partnerin Linda fast nichts Festes essen konnte. Die Loaded Fries, die im froindlichst vor mir standen, musste ich abgeben, weil ich eine ständige und unkontrollierbare Angst hatte, mich zu verschlucken und zu ersticken. Ich fühlte mich miserabel und verlor etwa 10 Kilgramm Gewicht in drei Wochen. Im Laufe des Sommers, nach zwei Besuchen in der Notaufnahme und einer Menge Psychotherapie und Logopädie wurde es zum Glück langsam besser. Heute kann ich wieder normal essen.
Den Poly-BDSM-Stammtisch gibt es, nach Corona-bedingter Pause, heute wieder - allerdings ohne Jeany.
Schon lange bevor ich Jeany kennenlernte, schrieb ich auf, was ich mir von einer Gemeinschaft wünschte. Schließlich hatten auch Linda und ich schon darüber gesprochen, solch ein Projekt zu gründen. In meinen Plänen tauchte stets Solidarität auf: niemand, der*die einen gesellschaftlich wichtigen, aber schlechter bezahlten Job hat, sollte davon abgehalten werden, bei uns zu wohnen. Mehr noch: die Gemeinschaft sollte die gesellschaftliche Lohnungerechtigkeit zum Teil ausgleichen!
Meine Vision war folgendes Modell: einige Menschen gehen Lohnarbeit nach und bezahlen so die Ausgaben der Gemeinschaft. Andere arbeiten innerhalb der Gemeinschaft, zum Beispiel im Gemüseanbau. Es sollten sich alle nach ihren Fähigkeiten einbringen können. Auch das Konzept der Baumacker-WG bestand zu einem nicht unerheblichen Teil aus Solidarität.
Die Gemeinschaftskasse war beispielsweise solidarisch finanziert, d.h. alle zahlten einen Beitrag ein, der abhängig von ihrem Einkommen war. Ich verdiente anfangs am meisten von allen, also zahlte ich auch den größten Betrag ein: 190 von den 500 Euro, die wir monatlich benötigten.
Dinge änderten sich aber, als ich entschied, im innerluck als Koch zu arbeiten und Jeany ihren Job als Erzieherin aufgab, um im Vunderland als Verkäuferin anzufangen. Wir verdienten zwar beide schlagartig weniger, allerdings zahlte ich bewusst nicht weniger in die Gemeinschaftskasse ein, weil ich von meinem vorherigen Projekt als Freiberufler noch einiges an finanziellen Mitteln gespart hatte.