Die Blume mit der Zahnspange - Joseph Walter Wipfli - E-Book

Die Blume mit der Zahnspange E-Book

Joseph Walter Wipfli

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Beschreibung

Als Geschäftsmann führt Joseph Wipfli eigentlich ein gutes Leben, pendelt mit seiner französischen Ehefrau zwischen Paris und der Schweiz hin und her. Doch wirklich zufrieden ist er mit der Ehe schon seit längerer Zeit nicht mehr. Doch bevor er eine konkrete Entscheidung treffen kann, spielt ihm das Schicksal in die Hände: Auf einer Geschäftsreise in New York trifft er per Zufall auf die Floristin Michelle. Eine "Blume", für die er bereits in kürzester Zeit Gefühle entwickelt. Auch Michelle findet Gefallen an dem Schweizer und möchte ihr altes Leben hinter sich lassen. Dafür ist sie sogar bereit, ungewöhnliche Wege zu gehen.

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Seitenzahl: 245

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Inhalt

Impressum 3

Einleitung 4

Zürich–New York 22

Los Angeles–Miami 24

Miami im Hotel 27

New York, meine erste Nacht in der Blumenwohnung 32

Die erste Nacht und der Tag danach 38

Das Warten, bis die Blume kommt 41

Das Essen nach dem Musical 49

3 Tage in New York 62

Abflug aus New York 78

Zurück in Zürich 79

Mein erster Arbeitstag nach meinem USA-Trip 86

Die Woche vor dem Geburtstagsfest 88

16. Mai/17. Mai 92

17. Mai, Sonntag 93

Die Party kann beginnen 95

Die Vorstellung begann 96

Der Tag nach dem Geburtstagsfest 100

Die Vorbereitung Für Michelle und der Weg in die Schweiz 106

Das Warten auf das Geheimnis 109

Der Tag oder die Nacht vor der Abreise 112

Flug nach Zürich mit Gepäck 120

Hotel Schweizerhof 121

Die Zeit im Ami-Spital 125

Trip nach London 129

Die Frühlings- und Sommermonate 132

Der Herbst 138

Weihnachten/Neujahr 141

Ab nach Spanien 146

Zurück in Spanien 151

Die Abrechnung in New York 153

Mit dem Auto nach Spanien 159

Der letzte Abschied am Flughafen 162

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-139-4

ISBN e-book: 978-3-99130-140-0

Lektorat: Lucas Drebenstedt

Umschlagfoto: Fmdaloglu, Irenastar, Emirsimsek, Ivan Zelenin | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Joseph Walter Wipfli

www.novumverlag.com

Einleitung

Es ist der 1. Dezember 1999, mein Handy klingelt, ich war gerade auf dem Heimweg, nach einem Raclette Abend, den ich mit meiner Schwester und meinem Schwager in ihrem Haus in Spanien verbracht hatte, und ich erwartete so oder so einen Rückruf von Michelle aus New York. Wir hatten uns heute Morgen früh nur kurz gesprochen, denn seit sie von Valencia weggeflogen war, hatten wir kein längeres Gespräch geführt, deshalb freute ich mich auf den Anruf, denn sie mir versprochen hatte. Sie war auf dem Heimweg von Stamford NY 12167, nach New York, wo sie Christbäume für Ihren Blumenladen holte. Ich fuhr an die rechte Seite der Straße und hielt an. „Hallo Michelle.“ Die Stimme auf der anderen Seite klang nicht nach der Stimme von Michelle, es war ein Schluchzen und eine Stimme, die ich im Moment nicht erkennen konnte. Nach einer Weile hörte das Schluchzen auf, und eine Stimme, die schon stundenlang geweint haben musste, so hörte es sich auf jeden Fall an, versuchte auf Englisch mir guten Abend zu sagen, bevor das nächste Schluchzen und Weinen losging. Ich hielt mein Handy an mein Ohr, das mittlerweile schon ganz warm war, und die Töne, die ich erhielt, konnte ich langsam erkennen. Es war Maria, eine Angestellte von Michelle im Blumenladen, und ich kannte sie von dort. Sie versuchte mir in halbem Spanisch und Englisch, weil Sie gebürtige Puerto-Ricanerin ist, etwas von einem Unfall zu erklären, und sagte mir: „Hold on. I will pass the phone to Jimmy.“ Jimmy ist der Polizist, der für das Revier 80 West 86 Street in New York zuständig ist. Ich kannte Ihn nur flüchtig, er kam ab und zu am Freitag in den Blumenladen und Michelle gab ihm immer einen Strauß für seine Frau mit. „Hi Jimmy, hi Joseph, what’s happened.“ Jimmy war ein Schwarzer und hatte sonst immer einen guten Spruch drauf, aber heute klang er so kalt, anders als sonst. Jimmy fing an mit dem Satz, Michelle hatte einen Unfall auf der Rückfahrt von Stamford gehabt. Ich fragte, ob es schlimm ist, denn Michelle war eher eine vorsichtige Autofahrerin. Jimmy schluchzte für einen Moment und es war totenstill geworden. „Joseph, yes.“ Wieder ging es eine Weile, bis Jimmy fortfuhr. „Joseph“, sagte er, „Joseph, Michelle hatte einen Autounfall, sie wurde von einem Lastwagen in einer Kurve gerammt‚ und der weiße Bus, beschriftet mit „AAA Florist“, wurde von der Straße weggerammt, dabei hat sich Michelle tödlich verletzt.“

Ich weiß nicht, wie lange es ging, aber für mich dauerte es eine unendliche Weile, bis ich etwas sagen konnte, bevor ich zu weinen anfing. Ich heulte und wäre ich auf der Straße gewesen, ich hätte wohl die ganze Urbanisation geweckt, da es mittlerweile schon 22.30 Ortszeit in Spanien war. „Jimmy“, sagte ich, „sag mir, wenn sie schon tödlich verunfallt ist, und du warst ja an der Unfallstelle, wie konnte das passieren?“ Jimmy versuchte mir zu erklären, dass ein Lastwagen die Kurve geschnitten hatte und so frontal gegen den weißen Bus Typ Ford geknallt war.

Jimmy sagte: „Ja, ich war an der Unfallstelle, das Komische an diesem Unfall ist aber, dass Michelle einen Rückweg fuhr, den sie normalerweise nie fährt. Michelle, und das konnte Maria bestätigen, fährt immer die Strecke Stamford, Grand Gorge und dann Richtung Prattsville, nicht Richtung Roxbury. Der Unfall ist aber auf der Strecke Grand Gorge, Roxbury passiert. Da kam mir der Gedanke, ob sie wohl verfolgt wurde von Richard, wollte sie eine andere Strecke fahren, so dass Richard sie nicht verfolgen konnte? Hat sie dabei die Übersicht verloren oder sogar die Kontrolle über ihren Bus? Hatte Richard Michelle bemerkt, als sie die Christbäume holte? Nachdem ja Michelle seit längerer Zeit nicht mehr im Greenhouse gewesen war, wollte Richard vielleicht die Chance nutzen, sie zur Rede stellen. Hatte Michelle Richard bemerkt und war auf der Flucht, so schnell wie möglich wieder nach New York zurückzukehren? All das kreiste mir durch den Kopf.

Jimmy fuhr fort:

„Michelle hatte bei dem heftigen Aufprall keine Chance zu überleben, und muss sofort gestorben sein. Sie war angegurtet, und als ich den Bus Typ Ford öffnete, saß sie, bildhübsch wie sie war, fast ein Lächeln im Gesicht, mit den weißen Zähnen, mit der Zahnspange auf der Fahrerseite. Sie muss durch den heftigen Aufprall sofort tot gewesen sein und sich das Genick gebrochen haben.“

Jetzt erst verstand ich, was passiert war. Ich wollte es aber noch nicht glauben, und mit diesen Gedanken, welche in meinem Kopf umherschwirrten, versuchte ich das Gespräch weiterzuführen.

Doch die Gedanken ließen mir keine Ruhe. Steckte Richard hinter diesem Unfall? Da kam mir der Inder in den Sinn, der mich vor einer Person gewarnt hatte, die Michelle und mir nicht gutgesinnt ist. Aber das klang ja fast nach an eine Verschwörung, und diese Theorie wollte ich nicht wahrhaben. Es schien aber, dass ich das musste.

Jimmy war immer noch auf der andern Seite, und es vergingen Minuten für mich, Stunden, ja, Jahre. Meine Blume mit der Zahnspange, aus New York, war nicht nur verwelkt, nein, sie war gestorben.

Alles, was am 25. April 1998 zu blühen angefangen hatte, war nicht verwelkt, sondern heute, am 1. Dezember 1999, abgestorben.

Ich versprach Jimmy ihn in allen Sachen, welche er jetzt braucht, zu unterstützen, sei es für die Angestellten oder für die Angehörigen. Ich weiß nicht, wie lange ich in meinem Auto gesessen hatte, als ich das Gespräch mit Jimmy beendete, und ihm sagte, dass ich morgen, es war ein Montag, sofort alles unternehmen werde, was nötig war. Ich drehte mein Auto um und fuhr zu meiner Schwester zurück. Als ich klingelte, öffnete Ihr Mann Peter die Türe, und er fragte mich, was passiert war. Ich fing an zu weinen, und meine Schwester kam dazu, ich ging in den Salon und setzte mich. Zu diesem Zeitpunkt war ich Nichtraucher und mein Schwager war Raucher, ich bat ihn um einen Zigarette, er rauchte Marlboro Rot. Ich rauchte eine um die andere und versuchte mich zu fassen, mittlerweile war es Montagmorgen geworden, ca. 0400. Die Zigaretten gingen dem Ende zu, und in mir war eine Leere, die ich nicht beschreiben konnte. Meine Schwester machte mit einen Kaffee und ich wollte dann aufbrechen. Ich wohnte zu dieser Zeit in einer gemieteten Finca, ca. eine halbe Stunde von ihr entfernt.

Ich hatte diese Finca gemietet, für die Zeit, in der ich meine neue Finca baute. Es war kurz vor 0600, als ich wegfuhr. Ich wollte am Montagmorgen um 0700 auf der Baustelle sein. Dort warteten schon meine Handwecker. Es waren 4 Spanier, die mir halfen die Finca zu bauen, und sie hatten Michelle bestens gekannt.

Als ich aus meinem Auto ausstieg, begrüßten sie mich wie immer mit einem „buenos días, Jose“. So nannten sie mich. Ich ging auf sie zu und erwiderte „buenos días“. Sie waren eine flotte Truppe und das Haus nahm richtig Gestalt an, so wie ich es mit Michelle geplant hatte. Ich konnte alle meine gelernten Fähigkeiten ausspielen und meinen ersten und zweiten gelernten Beruf nützen. Gelernter Tiefbauzeichner, anschließend Maurer und dann für kurze Zeit am Abendtechnikum in Zürich. Ich fand auch einen guten Architekten, er war ein Engländer, aber schon viele Jahre in Spanien. Hektor hieß er, und mit den vier Spaniern, Peppe, Michel, Antonio und Pedro, waren wir eine gute Mannschaft.

Michel, der Chef der Spanischen Truppe, kam auf mich zu und fragte, was los sei mit mir. Wir setzten uns auf die Steine, die vor der Finca waren, und ich versuchte mit meinen spanischen Kenntnissen dem Michel zu erklären, was gestern, Sonntag, der 1. Dezember, passiert war.

Ich kann es mit Worten nicht beschreiben, was dann passierte, und es vergingen Minuten, die mir wie Stunden, ja, Jahre vorkamen.

Die andern 3 Spanier waren zu uns gekommen und wollten wissen, was denn da passiert war. Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken und fing an zu erzählen, bis ich realisierte, dass es meine Freunde waren, ja, mittlerweile nicht nur Angestellte, sondern Freunde. Kurz gefasst versuchte ich zu sagen, dass Michelle, die sie alle bestens kannten, einen Autounfall gehabt hatte und tödlich verunfallt war. Ich bat sie heute frei zu machen und mit mir den Tag zu verbringen, ich brauchte einfach jemanden um mich. Die sonst ruhigen Spanier, die Michelle geliebt hatten, vor allem, wenn sie mit mir auf die Baustelle gekommen war, sie war ja hübsch wie eine Blume und sie brachte immer etwas mit, sei es selbst gebackenen Kuchen, eine gute Flasche Wein oder sonst eine Überraschung, diese ruhigen Spanier begannen zu weinen, etwas, was ich nie erwartet hatte. Jetzt erst merkte ich, was passiert war. Michelle würde nie mehr auf die Finca kommen, noch weniger würde sie unser gemeinsam geplantes Haus sehen.

Es klingelte mein Handy, ich nahm ab, und Maria war auf der andern Seite. In New York, Mitternacht, Maria war wieder gefasst und ich konnte mit ihr jetzt zum ersten Mal reden. Wir sprachen sicher über eine Stunde, und ich versprach ihr sie um 0800, ihre Ortszeit, anzurufen, um die nächsten Sachen zu erledigen. Nach meinem langen Gespräch widmete ich mich wieder meinen Spaniern, und sie sagten, sie möchten nicht frei nehmen, sondern ganz normal der Arbeit nachgehen, hatten aber eine gute Idee, sie fragten mich, nachdem keiner von ihnen je in New York gewesen war, gemeinsam am nächsten Samstag oder Sonntag von Michelle Abschied zu nehmen.

Das brachte mich auf eine gute Idee, die neue Finca, wo wir bauten, war unweit von dem Golfplatz entfernt, dort, wo Michelle und ich in der Freizeit Golf gespielt hatten. Und wir hatten auch dort im Golfclub gemeinsame Freunde gehabt, die ich auch noch informieren musste. Die Idee mit dem gemeinsamen Abschied von meinen Arbeitern fand ich brillant, und ich sagte meinen Arbeitern, dass ich etwas organisiere.

Die Arbeiter fingen mit ihrer Arbeit an, und ich verabschiedete mich und sagte ihnen, dass ich vor dem Mittag nochmal vorbeikommen würde.

Ich setzte mich in meinen Toyota und war auf dem Weg ins Clubhaus, das ja nur einige Minuten von meiner neuen Finca entfernt war.

Die ersten Golfer waren schon auf der Runde, als ich ankam, und ich ging schnurstracks auf die Rezeption zu, wo Mar arbeitete. Sie hatte Michelle auch gut gekannt, und sie fragte mich, ob ich auf eine Runde gehen würde.

Ich sagte ihr Nein, aber ob sie mit mir auf einen Kaffee kommen würde. Okay, wir setzten uns an die Bar und bestellten zwei Cortado, das ist ein Espresso mit ein bisschen Milch. Ich zündete mir eine Zigarette an, denn mittlerweile war ich wieder bei dem Rauchen angelangt, nachdem ich letzte Nacht von meinem Schwager den Zugang zur Zigarette wiedererlangt hatte. Das war die Zeit, wo noch Rauchen im Restaurant erlaubt war. Mar war auch Raucherin und so genossen wir das Frühstück, Kaffee mit Rauch.

Hinter der Bar war Antonio, der hatte meistens Frühdienst, er war ein Junggeselle und immer gut gelaunt. Die erste Frage war an mich gerichtet, spielst du heute kein Golf, denn ich war nicht wie sonst im Golftenue erschienen. Montag war der Tag, wo wir, immer die gleichen 4 Spieler, auf die Runde gingen. Roger, Tony, Peter und ich. Wir waren aus 4 verschiedenen Ländern, England, Belgien, Deutschland und ich Schweizer.

„Nein, heute spiele ich kein Golf.“ Die Tränen waren mir so nahe, ich biss auf die Zähne, konnte es aber schlussendlich trotzdem nicht verhindern, anzufangen zu weinen.

Mar war ganz geschockt und starrte mich nur an, Antonio wollte gerade zur zweiten Frage ansetzen, stoppte aber, da er keine weiteren Sprüche klopfen wollte.

Ich versuchte mich zu fassen, und stotterte in Spanisch und Englisch etwas dahin, das selbst ich nicht verstand, noch weniger Mar und Antonio.

Also fing ich nochmal an und sagte, ich werde wohl für längere Zeit nicht Golf spielen, so wie auch Michelle. Mar intervenierte und fragte, habt ihr euch getrennt, Antonio, der sonst immer einen Spruch draufhatte, war sprachlos, schaute mich an und fragte, was ist denn passiert.

In der Zwischenzeit waren verschiedene Golfer auch im Kaffee und ich versuchte es nochmals. Ja, wir haben uns getrennt, und wir werden wohl nie mehr Golf zusammen spielen, auch wenn wir beide Mitglieder sind. Mar fragte: „Das darf doch nicht wahr sein, bei so einem Liebespärchen hätte ich das nie gedacht.“ Ich sagte: „Ich auch nicht, aber manchmal sind die Wege halt verschieden und das Schicksal anders, als man denkt.“ Ich wollte seriös sein, aber das fiel mir im Moment schwer, ich machte einen tiefen Lungenzug und blies anschließend den Rauch in die Luft. „Tja, was soll ich sagen, nein Spaß beiseite, früher oder später werdet ihr es so oder so erfahren.“ Antonio fragte: „Hat sie einen andern?“ Weder Mar noch Antonio konnten das glauben, aber sicher hatten sie eine andere Antwort erwartet als diese.

„Nein, Michelle hatte gestern in New York einen Autounfall, und sie ist tödlich verunfallt. Hätte im Hintergrund nicht die Musik gespielt, hätte man sicher das Klopfen beider Herzen von Mar und Antonio gehört.“

Wie lange es dauerte, bis sich die zwei wieder fassen konnten, habe ich nicht gestoppt, aber es ging ganz eine Weile, und wäre in diesem Moment nicht Roger, mein Golfpartner, ins Café gekommen, die zwei würden immer noch wie versteinert dastehen.

„Hi Joseph.“ – „Hi, good Morning Roger.“ Roger fragte: „Du siehst nicht aus, als ob du Golf spielen würdest, nein, vielmehr, als ob du eine lange Nacht im Ausgang verbracht hättest.“ Roger war ein Freund vom Michelle und mir gewesen, und er war ein Single-Handicap-Spieler. Seine Frau Jenny spielte kein Golf, und ab und zu nach einer Golfrunde mit Roger ging ich noch an die Rue de Galopp. Das ist die NationalStraße 312 und sie hat viele Bars. Roger war kein Kostverächter, aber seine Frau war sehr eifersüchtig. So musste Roger immer mich als Alibi nehmen, wenn wir montags noch in die Bars gingen. So kam auch seine Frage, ob ich letzte Nacht an den Bars verbracht hätte.

„Nein, Roger, ich war bei meiner Schwester.“ Auch er kannte sie und sie war im gleichen Golfclub. „Wir hatten einen schönen Abend mit Raclette, bis das Telefon läutete, bis dahin war die Welt für mich noch in Ordnung gewesen.“

Roger realisierte, dass es sich um eine seriöse Sache handelt, welche wir gerade an der Bar besprachen. Und er mit seiner Größe von 1,90 war noch mehr versteinert als Mar und Antonio hinter der Bar.

Er fragte in seinem Slang in Englisch: „What’s happened with Michelle?“ Ich versuchte ihm klarzumachen, was gestern passiert war. Roger nahm an der Bar Platz neben mir und hielt seine Arme über meine Schulter. Das darf doch nicht wahr sein, was du gerade erzählst, ich wünschte, es wäre nicht wahr.

Roger und seine Frau hatten am 29. November gemeinsam mit allen andern Freunden vom Golfclub und auch seitens der Freunde, die Michelle in der Zeit, seitdem wir hier waren, gekannt hatte, eine Modeschau präsentiert. Die Modeschau war für die Boutique von Mike und Jenny, sie machten alle Jahre Ende November eine Modeschau. Nachdem Michelle mit ihrer Größe von 1,80 eine ideale Größe hatte, und es ihr richtig Spaß machte, fand sie einen Platz in den Herzen der Engländer. Mike und Jenny waren auch aus England und lebten schon ca. 10 Jahre an der Costa.

Die Modeschau war ein Erfolg und nach der Show gingen wir alle noch in ein spanisches Restaurant zum Essen. Keiner hätte da gedacht, dass es ein Abschiedsessen sei. Denn am andern Tage, es war Samstag, brachte ich Michelle an den Flughafen nach Valencia. Dort hatte Sie einen Direktflug nach New York. Keiner hätte geglaubt, dass es das letzte Mal sein wird, wo wir gemeinsam mit Michelle einen Abend verbrachten.

Am Flughafen in Valencia verabschiedete ich Michelle in dem Glauben, dass ich am 6. Dezember auch nach New York kommen würde. Wir beide hassten Flughäfen, und so verabschiedete ich mich wie immer mit einer festen Umarmung und nicht mit einem „goodbye“, sondern „see you in New York“.

Das war das letzte Mal, als ich Michelle lebend sah.

Roger saß immer noch versteinert neben mir, und ich wusste nicht, was sagen, außer „danke, dass ihr hier seid“.

Es war ein Trauerspiel, dieser Montagmorgen im Golfclub-Café, und sicher machte es keinem Spaß, über irgendetwas zu reden, mit der Angst, dass es falsch wäre.

Die Uhr rückte bereits gegen 10.00 und mein Körper war todmüde, aber ich lies mir nichts anmerken.

Roger und Mar saßen neben mir und in dem Moment kamen weitere Golfer ins Café, bevor sie auf die Runde gingen.

Jeder kannte sich im Club und in der Zwischenzeit sammelte ich mich und versuchte mich aufzuraffen, was nicht einfach war.

Ich machte eine Bemerkung, dass meine Arbeiter vom Haus auch Anteil nehmen möchten und wir die Idee haben, dass wir gemeinsam Abschied nehmen könnten, da nicht alle nach New York auf die Beerdigung gehen könnten. Ich fragte Mar: „Kannst du das veranlassen? Das Datum weiß ich noch nicht, aber wir werden sicher einen passenden Termin finden, so dass alle hier in den Golfclub kommen.“

Mar sagte: „Kein Problem, ich werde dich da unterstützen und wenn du etwas brauchst, lass es mich wissen.“ Mar musste zurück an die Rezeption, denn der Golfbetrieb ging ja weiter.

Roger telefonierte gerade mit Jenny, seiner Frau, und dann brach er in Tränen aus. Roger hatte viele Male mit Michelle gespielt und er war auch ein guter Lehrer. Insofern war da eine enge Freundschaft entstanden.

Ich sagte Roger, dass ich jetzt nach Javea fahren werde und Mike und Jenny, die Frauen von Roger und Mike heißen beide Jenny, über die Sache informiere, die waren ja noch vor 48 Stunden bei der Modeschau gewesen, da wird es sicher nicht einfach für alle die Beteiligten.

Ich verabschiedete mich von den Leuten an der Bar und fühlte mich so leer wie noch nie.

Da kam mir in den Sinn, dass ich Maria anrufen musste, auch wenn es noch früh war, aber ich musste ja auch die Sache in New York regeln.

Es schien, dass Maria meinen Anruf erwartete, denn das Klingeln ging zweimal, dann nahm sie ab. „Hi, good Morning Maria.“ – „Hi Joseph, how are you?“ Ich sagte ihr, dass ich meine Freunde im Golfclub informiert habe und auch die Leute auf der Baustelle. Niemand konnte es fassen, aber es war nun mal so.

Maria sagte mir, dass Richard, noch der Exmann von Michelle, bereits in der Stadt und auch in den Blumenladen gegangen sei. „Wie du weißt, hat Michelle immer Bargeld im Laden und Richard war nur am Geld interessiert.“ Sie hätte auch sofort Goodman, den Anwalt, informiert gehabt, der ihr aber gesagt hatte, dass Richard der Haupterbe sei von dem Laden sowie den privaten Sachen.

Tia Maria und ich hatten immer mit Michelle einen Vertrag machen wollen, so dass ich wie auch sie abgesichert gewesen wäre. Leider war ich aber nie dazu gekommen und deshalb mussten wir die Sache so akzeptieren. Michelle hatte auch Schmuck, vor allem schöne Uhren, das waren die IWC, die Rolex und eine Tissot, die sicher noch in der Wohnung waren. Ich sagte Maria, sie soll nochmal in die Wohnung gehen. Sie versprach mir das zu tun und mich dann später nochmal anzurufen. Sie erwähnte auch, dass sie keine Minute länger in dem Laden arbeiten werde, da sie Richard hasste wie der Teufel das Weihwasser.

In der Zwischenzeit war es bereits 13.00 Uhr Lokalzeit in Spanien. Also musste ich mich beeilen Mike und Jenny zu finden. Die zwei hatten zurzeit ein Real-Estate-Büro sowie eine Kleiderboutique. Ich fuhr nach Javea in die Boutique und beide waren da.

Sie waren überrascht von meinem Besuch, denn normalerweise rufe ich sie zuerst an oder wir treffen uns für den Lunch. Mike fragte mich, was der Überraschungsbesuch zu bedeuten hätte. Ich versuchte ihm zu erklären, dass die Modeschau und anschließend das Essen ein Erfolg gewesen war, und so lenkte ich Schritt für Schritt das Thema richtig Michelle. Sie fragten mich, ob Michelle gut nach New York gekommen sei und alles okay ist.

Ich macht eine lange Pause, zündete mir eine Zigarette an, und Mike war überrascht, dass ich wieder rauchte. Ich sagte ihm: „Ja, gestern Abend bin ich wieder Raucher geworden. Und ich kann dir auch sagen, was der Grund ist.“

„Ich bekam einen Anruf aus New York und das ist der Grund, dass ich wieder rauche.“ – „Was soll das?“, fragte mich Jenny. „Ja, das fragte ich mich auch, aber ich werde es euch erklären.“ Kurz und bündig kam ich zum Thema und sagte, es ist etwas Schreckliches passiert. Michelle hatte einen Autounfall und ist dabei tödlich verunglückt. Ich sah Mike und Jenny an, beide waren bleich geworden, sie setzten sich in die Korbstühle, welche in der Boutique standen, und es vergingen Minuten, welche mir wieder vorkamen wie Stunden.

Zuerst fing Jenny an zu weinen, stand wie der Blitz wieder auf und umarmte mich, legte den Kopf auf meine Schulter und sagte mit ihrer Stimme, die übertönt war, mit einem Schluchzen: „Joseph, that’s not the truth, tell me, that’s not the truth.“ Ich hielt Jenny fest und sagte: „Auch ich wünschte mir, dass das nicht wahr ist, aber es ist leider so.“

Mike stand auch auf und sagte: „Wir haben doch vor ein paar Tagen noch die Modeschau gehabt, Michelle und alle meine Bekannten, welche bei der Show mitwirkten, waren so gut drauf, und es war für uns ein Erfolg. Und jetzt soll das alles aus und fertig sein? Joseph, sag, dass das nicht wahr ist.“

Wir standen alle drei in der Boutique und wussten im Moment nichts zu sagen.

Jenny brach in einen Weinkrampf aus, und selbst Mike mit seinen 1,92 Metern fing an zu weinen. Ich liess es geschehen und hoffte, dass sich die beiden wieder erholen, und es vergingen Minuten, bis wir wieder sprechen konnten. Mike ging zum Schreibtisch und holte einen Ordner hervor. Er hatte bereits über das Wochenende die Fotos von der Modeschau in einen Ordner gelegt. Er blätterte und da war Michelle mit Christine, es war eine Freundin von Michelle. Die beiden hatten die Schlussfotos auf der Modeschau gemacht. Er zeigte mir das Foto und die beiden Damen sahen so was von glücklich aus. Kein Wettbüro hätte eine Wette angenommen, dass nach 60 Stunden einer dieser Damen nicht mehr da ist.

Aber die Tatsache war anders. Jenny sagte mir immer noch mit einer schluchzenden Stimme: „Joseph, I do not know, what I should tell you, but if you need help we are here for you.“ Ich sagte, das sei gut zu wissen, denn es werden jetzt sicher schwierige Stunden, Tage und Monate auf mich kommen.

Da besinnte ich mich der Aussage von meinen Arbeitern, dass wir gemeinsam Abschied nehmen sollten. Jenny fand das eine gute Idee, und sie war ein gutes Organisationstalent. Sie fragte mich, wann die Beerdigung sei und wie ich mir das vorstelle. Ich sagte, dass Maria, eine der besten Freundinnen von Michelle in New York, abklärte, wie und was jetzt passieren soll. Ich hätte mit ihr telefoniert und sie werde mich auf dem Laufenden halten.

„Ich kann es einfach noch nicht glauben“, sagte Mike, „das ist wie ein Alptraum, this is a nightmare.“ – „Ja, Mike, es ist so.“

Jenny und Mike fragten mich, ob wir auf einen Drink gehen, denn zum Essen hatten alle keine Lust. Ich fand es eine gute Idee, um auf andere Gedanken zu kommen. Es war ein wunderbarer Montag, ja, vom Wetter her, sonst nicht, wir gingen um die Ecke und setzten uns draußen auf die Terrasse. „Jetzt brauche ich einen richtigen Drink“, meinten Mike sowie auch Jenny. Wir bestellten drei Gin Tonic. In dem Moment kam Nadia, auch eine Freundin von Michelle und von Mike und Jenny. Nadia hatte ebenfalls mal für Mike gearbeitet, der neben der Boutique noch ein Real-Estate-Büro hatte. Nadia machte eine Bemerkung und sagte: „So, ihr drei, es ist aber früh für einen Drink.“ Ich sagte: „Setz dich zu uns, ich habe dir etwas zu erzählen. Kann ich dich auch zu einem Drink einladen?“ – „Ja, gerne“, sagte Nadia, „ich schließe mich an.“ Ich rief den Kellner und sagte ihm: „Kannst du 4 Gin Tonic bringen?“ – „Claro“, sagte der Kellner.

Nadia war „wondering“, was wir feierten, und ich nahm das Zepter in die Hand: „Es ist nichts zu feiern, sondern eher zum Runterspülen.“ Nadia sagte: „Ist etwas nicht gut gelaufen an der Modeschau, ich war doch auch dort und mir schien die Party sei vom Feinsten gewesen.“ – „Ja, du sagt es richtig, ‚vom Feinsten gewesen‘.“ – „Was meinst du mit ‚gewesen‘, Joseph?“ – „Ja, die Schlussfeier mit Michelle und Christine ist oder war eine Schlussfeier. Einer der beiden wird nie mehr eine Modeschau machen.“ Nadia insistierte und wollte wissen, wie ich das meine, in dem Moment kam der Kellner und stellte die 4 Gin and Tonic auf den Tisch. Jeder nahm das Glas in die Hand und sagte: „Cheers.“ – „Prost“, sagte ich und fuhr fort mit meinem Gespräch, dass unterbrochen vom Kellner worden war. „Nadia, Michelle ist nicht mehr unter uns, sie hatte gestern einen Autounfall und ist tödlich verunfallt.“

Ich schaute Nadia an, sie nahm ihren ersten Schluck, und es schien, dass ihr der Schluck im Hals steckenblieb. „What you just tell me, Michelle hat einen Autounfall in New York gehabt?“

„Das darf doch nicht wahr sein, doch ist es aber, bist du sicher, Joseph, was du uns da erzählst?“ – „Ja, Nadia, es ist so.“

Jeder von uns vier lehnte sich in den Sessel zurück, und keiner brachte einen Ton heraus, bis Jenny begann, sie weinte nicht mehr, sondern es klang hell und sprach: „Joseph, wie ich dir gesagt habe, wir stehen hinter dir und wir werden gemeinsam diese Sache angehen.“ – „Danke Jenny, ich würde es begrüßen, wenn wir hier in Spanien die Freunde einladen würden, um gemeinsam Abschied zu nehmen.“

In diesem Moment klingelte meine Handy ich nahm ab und Maria war in der Leitung. „Hi Maria.“ – „Hi Joseph.“ Maria erklärte mir, dass sie Goodman angerufen hätte, um Unterstützung zu bekommen, denn die Mutter und der Vater seien auch schon im Laden und würden sich jetzt auf den Weg machen in die Wohnung, die gegenüber dem Blumenladen war. „Gut, Maria, kannst du auch rausfinden, wann die Beerdigung ist?“ Sie sagte: „Das werde ich machen.“ Wie es mir so durch den Kopf ging, sagte ich Maria, aus dem Affekt: „Maria, ich werde nicht zur Beerdigung kommen, ich werde einige Tage nachher kommen, werde dir aber finanziell Unterstützung leisten. Du kannst das auch Pedro und Ruby sagen.“ Das waren weitere Angestellte im Blumenladen. Maria sagte: „ Ich verstehe Dich, Joseph, und respektiere, dass du nicht zur Beerdigung kommst. Wir werden abmachen, wann du kommst.“ – „Maria, ich sitze gerade mit Freunden, die Michelle auch kennen, hier zusammen, und ich werde dich nachher zurückrufen. Also bis dann.“

Ich sprach mit Maria Englisch und so konnten Mike, Jenny und Nadia alles verstehen.

„Joseph, du gehst nicht zur Beerdigung?“ – „Nein, ich werde nicht gehen, und so können wir das hier organisieren mit einem gemeinsamen Abschied.“ Jenny sagte: „Das werde ich machen.“ Nadia hängte an: „Ja, das werden wir für dich machen.“ Ich schlug vor, dass dies in den nächsten paar Tagen sein sollte, am liebsten am nächsten Sonntag. Ich würde vorschlagen, dass wir das im Golfclub machen würden. Gesagt, getan, alle fanden das eine gute Idee. Wir tranken aus und verabschiedeten uns, mit einer starken Umarmung, ohne Worte, denn weitere Worte waren nicht am Platz.

Jenny schlug vor, dass sie eine Einladung für den nächsten Sonntag plane und mit dem Golfclub reden werde.

Es gab noch viel zu tun in dieser Woche, die Einladungen waren draußen und wir erwarteten, wie schon zu der Modeschau, sicher über hundert Leute. Ich von meiner Seite hatte auch meine Geschwister in der Schweiz informiert und sie hatten zu mir gesagt, dass sie es verstehen, dass ich nicht zur Beerdigung gehe, sie aber nach Spanien kommen werden, wo wir gemeinsam Abschied nehmen.