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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Phantastisches und Unheimliches, Paradoxes und Absurdes: Kafka beschreibt die unglaublichsten Sachverhalte nüchtern und minutiös. Grenzbereiche werden ausgeleuchtet, existenzielle Grund- oder Ausnahmesituationen in unvergessliche Bilder gefasst. Seine Texte haben die gleiche Intensität wie Träume. »Es ist das Schicksal und vielleicht auch die Größe dieses Werks, dass es alle Möglichkeiten darbietet und keine bestätigt« (Albert Camus).
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Seitenzahl: 41
Franz Kafka
[Die Brücke]
Fischer e-books
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.
Ich war steif und kalt, ich war eine Brücke, über einem Abgrund lag ich, diesseits waren die Fußspitzen, jenseits die Hände eingebohrt, in bröckelndem Lehm hatte ich mich festgebissen. Die Schöße meines Rockes wehten zu meinen Seiten. In der Tiefe lärmte der eisige Forellenbach. Kein Tourist verirrte sich zu dieser unwegsamen Höhe, die Brücke war in den Karten noch nicht eingezeichnet. So lag ich und wartete; ich mußte warten; ohne abzustürzen kann keine einmal errichtete Brücke aufhören Brücke zu sein. Einmal gegen Abend, war es der erste war es der tausendste, ich weiß nicht, meine Gedanken giengen immer in einem Wirrwarr, und immer immer in der Runde – gegen Abend im Sommer, dunkler rauschte der Bach, hörte ich einen Mannesschritt. Zu mir, zu mir. Strecke Dich Brücke, setze Dich in Stand, geländerloser Balken, halte den Dir Anvertrauten, die Unsicherheiten seines Schrittes gleiche unmerklich aus, schwankt er aber, dann gib Dich zu erkennen und wie ein Berggott schleudere ihn ans Land. Er kam, mit der Eisenspitze seines Stockes beklopfte er mich, dann hob er mit ihr meine Rockschöße und ordnete sie auf mir, in mein buschiges Haar fuhr er mit der Spitze und ließ sie, wahrscheinlich weit umherblickend, lange drin liegen. Dann aber – gerade träumte ich ihm nach über Berg und Tal – sprang er mit beiden Füßen mir mitten auf den Leib. Ich erschauerte in wildem Schmerz, gänzlich unwissend. Wer war es? Ein Kind? Ein Turner? Ein Waghalsiger? Ein Selbstmörder? Ein Versucher? Ein Vernichter? Und ich drehte mich um, ihn zu sehn. Brücke dreht sich um! Ich war noch nicht umgedreht, da stürzte ich schon, ich stürzte und schon war ich zerrissen und aufgespießt von den zugespitzten Kieseln, die mich so friedlich immer angestarrt hatten aus dem rasenden Wasser.
Textgrundlage: Franz Kafka, ›Schriften, Tagebücher, Briefe‹, Kritische Ausgabe, herausgegeben von Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcolm Pasley, Jost Schillemeit und Gerhard Kurz, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1982ff. Entstehung: Januar und Februar 1917. Druckvorlage: Handschrift.
1883
3. Juli: Franz Kafka wird in Prag als ältestes Kind des Kaufmanns Hermann Kafka und seiner Frau Julie, geborene Löwy, geboren.
1889–1893
Besuch der Deutschen Volks- und Bürgerschule am Fleischmarkt in Prag.
1893–1901
Besuch des humanistischen Deutschen Gymnasiums in der Prager Altstadt. Abschluss mit dem Abitur.
1901
Im Herbst Beginn des Studiums an der Deutschen Universität Prag, zunächst kurz Chemie, dann Jura; nebenbei kunstgeschichtliche Studien.
1902
Sommersemester: Studium der Germanistik, Wintersemester: Fortsetzung des Jurastudiums. Erste Begegnung mit Max Brod.
1903
Im Sommer: Staatsprüfung in Rechtsgeschichte, anschließend Sanatoriumsaufenthalt zunächst bei Dresden, dann in Südböhmen.
1904
Beginn der Arbeit an Beschreibung eines Kampfes.
1905
Im Sommer Sanatoriumsaufenthalt in Zuckmantel, ab Winter regelmäßige Zusammenkünfte mit den Freunden Max Brod, Oskar Baum und Felix Weltsch.
1906
Volontariat in einem Rechtsanwaltsbüro. 18. Juni: Promotion zum Dr. juris.
Ferien in Zuckmantel, ab Herbst einjährige Rechtspraxis, zunächst am Land-, danach am Strafgericht.
1907
Arbeit an Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande. Ab Herbst Aushilfskraft in den »Assicurazioni Generali« in Prag.
1908
Juli: Eintritt als Aushilfsbeamter in die »Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag«. Engere Freundschaft mit Max Brod. Erste Publikation von acht Prosastücken (aus dem späteren Band Betrachtung) in der von Franz Blei herausgegebenen Zeitschrift ›Hyperion‹.
1909
Zahlreiche Dienstreisen und Ferienreise mit Max und Otto Brod an den Gardasee. Arbeit an Die Aeroplane in Brescia, Beginn der Tagebuchaufzeichnungen.
1910
Ernennung zum »Anstaltscopist«. Besuch von sozialistischen politischen Veranstaltungen. Ferienreise mit Max und Otto Brod nach Paris.
1911
Zahlreiche Dienstreisen und Ferienreise mit Max Brod nach Oberitalien und Paris, Sanatoriumsaufenthalt bei Zürich. Kafka wird stiller Teilhaber der Asbestfabrik seines Schwagers. Freundschaft mit dem jiddischen Schauspieler Jizchak Löwy, Beschäftigung mit dem Judentum.
1912
Im Sommer Reise mit Max Brod nach Weimar, abschließend Sanatoriumsaufenthalt im Harz. Arbeit an der ersten Fassung von Der Verschollene (Amerika). Im August lernt Kafka Felice Bauer kennen. Versuch der Familie, ihn zur Beaufsichtigung der ihm verhassten Fabrik des Schwagers zu zwingen. Er schreibt Das Urteil (September) und Die Verwandlung (November/Dezember). Betrachtung erscheint.
1913
Beförderung zum »Vizesekretär«. Besuch bei Felice Bauer in Berlin. Im September Reise zum »Internationalen Kongreß für Rettungswesen und Unfallverhütung« nach Wien. Weiterreise über Triest und Venedig an den Gardasee, ins Sanatorium nach Riva. Der Heizer erscheint. Das Urteil erscheint im Jahrbuch ›Arkadia‹.
1914
Besuche bei Felice Bauer in Berlin, Gegenbesuch in Prag. 1. Juni: Verlobung mit Felice Bauer in Berlin. 12. Juli: Entlobung. Danach Reise mit Ernst Weiß ins Ostseebad Marielyst (Dänemark). Beginn der Arbeit an dem Roman Der Proceß. Oktober: In der Strafkolonie entsteht.
1915