Die digitale Bevormundung - Joachim Steinhöfel - E-Book

Die digitale Bevormundung E-Book

Joachim Steinhöfel

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Beschreibung

Facebook, Google, X (Twitter) & Co., die »Big Tech« genannten IT-Riesen aus dem Silicon Valley, glauben, die Kommunikationsstandards von Milliarden Menschen über ihre Richtlinien und Standards vorschreiben zu können. Diese Anmaßung erfolgt ohne jede demokratische Legitimation. Durch ihre geradezu monopolistische Stellung bestimmen sie die Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation. Mit dramatischen Konsequenzen: tausendfacher Rechtsbruch, digitale Massenvernichtung freier Rede und drastische Eingriffe in die Meinungsfreiheit sind die Folge. Selbst Texte von den Seiten des Deutschen Bundestages werden als »Hassrede« gelöscht. Womit selbst der Gesetzgeber Opfer seiner eigenen Medizin, des verfassungswidrigen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, geworden ist. In diesem Buch klärt Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel als einer der streitbarsten Verteidiger der Meinungsfreiheit über die Methoden von Big Tech auf und schildert, wie man sich dieser scheinbaren Übermacht in den Weg stellen kann. Als zentraler Protagonist in unzähligen Klagen gegen Facebook & Co. blickt er mit seinen Siegen vor Gericht auf eine beispiellose Erfolgsquote gegen Löschungen, Sperrungen und rechtswidrige Faktenchecks zurück, trotz bisweilen 1000-seitiger Schriftsätze der jeweiligen Beklagten mit überaus kuriosen Inhalten. Die Kontenpfändung bei den Parteien der großen Koalition ist nur eine von vielen teils amüsanten, teils absurden Facetten eines Kampfes von David gegen Goliath.

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Seitenzahl: 249

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Joachim Nikolaus Steinhöfel

Die digitale Bevormundung

Wie Facebook, X (Twitter) und Google uns vorschreiben wollen, was wir denken, schreiben und sagen dürfen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

6. Auflage 2024

© 2023 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Anja Hilgarth

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer, München

Umschlagabbildung: © Markus Hibbeler

Satz: Carsten Klein

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-570-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-082-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-083-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Testimonials

Ein Aktionskünstler mit juristischem Staatsexamen

Ein Vorwort von Henryk M. Broder

Grundsätzliches

Begriffsklärung und eine Enthüllung in eigener Sache

Die Schlacht um die Meinungsfreiheit: Höllischer Spaß, juristische Meilensteine und antidemokratische Tendenzen

Die Definition von Wahnsinn

Das Allheilmittel »Hassrede«

Hass und Hetze

1. Mit den mächtigen IT-Giganten und dem Staat vor Gericht

#1 Wie Facebook Spenden für »Impfgerechtigkeit« erschwindelte

#2 Facebook löscht mit politischer Schlagseite – Inhalte von Internetseite des Deutschen Bundestages als Hassrede entfernt

#3 Homophobie und Einknicken vor militantem Islam

#4 Facebook behauptet vor Gericht: Preisgekrönte ARD-Serie verharmlost den Holocaust!

#5 YouTube gesteht im Prozess: Wir löschen auf Zuruf

#6 Wer zum Teufel hat Sie gewählt?

#7 Hamed Abdel-Samad: Von Bundespräsident Gauck gelobt, von Facebook als Hassredner gelöscht

#8 Böhmermann und die Denunzianten

#9 Männer sind Schweine

#10 Corona, Abstandscoach und dumme Deutsche

#11 Wie Facebook den Nutzern eine Beschwerdemöglichkeit vorgaukelt

#12 Helmut Qualtinger liest »Mein Kampf«

#13 Barbie, Hidschab, Hass und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts

#14 Die Gerichtssprache ist deutsch

#15 Heinrich Heine, Hassrede und ein Richter im trägerlosen Unterhemd

#16 »Der Staat gegen Julian Reichelt«

#17 Der Staat hat immer recht: YouTube und die »Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über COVID-19«

#18 Johann Joseph Görres, der Hassredner der Konrad-Adenauer-Stiftung

#19 YouTube löscht #allesdichtmachen aus seinen Suchergebnissen

#20 Die Deutschen sind Schafe

#21 Antisemitischer Boykottaufruf gegen Pressefreiheit. Und X (Twitter) hält die Steigbügel

#22 Lucy von den Peanuts, Dunja Hayali und das Diskriminierungsverbot

#23 So doof ist nur die deutsche Kartoffel

#24 Der antisemitische Antisemitismusbeauftragte wütet auf X (Twitter)

#25 Meisterwerke der niederländischen Malerei im Visier der Zensoren

2. Beschneidung von Grundrechten durch Gerichte

Fachliche Mängel beim Oberlandesgericht Bremen

Beim Oberlandesgericht Celle – Befangenheit, Blamagen und Rechtsverweigerung

3. Facebooks AGB: Regeln zur Nutzerdiskriminierung

Deutsche Nutzer sollen irische Gerichte anrufen

LinkedIn: Klagen in Deutschland, aber nach irischem Recht

4. Faktencheck bei den Faktencheckern

Faktenchecker am Beispiel Correctiv – an der Schwelle zur Zensur

Wie Facebook die Faktenchecks verteidigt

Gericht verbietet Faktenchecks der tagesschau

NewsGuard – Protagonisten des staatlich-industriellen Zensurkomplexes

5. Koordinierte Zensur von Regierungen und Social Media

Anhang

1. Vollständiger Text des in »#5 YouTube vor Gericht: Wir löschen auf Zuruf« behandelten Videos:

Anmerkungen

Testimonials

»Der bekannte Rechtsanwalt hat schon so manchen Prozess gegen Social-Media-Anbieter gewonnen und durch sein Engagement viel zum Schutz der freien Meinungsäußerung im Internet beigetragen«, WELT, 08.11.2021. https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus234912896/Die-Sperrung-der-Mein-Kampf-Lesung-auf-YouTube-ist-falsch.html

Der Autor ist laut NZZ eine der »Hauptfiguren in der Debatte über Meinungsfreiheit im Netz«, 06.06.2018.

»Der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel … hat jetzt erstmals vor einem deutschen Gericht eine Entscheidung erstritten, die Facebook die Löschung eines Kommentars untersagt, ebenso wie die darauf beruhende Sperre«, Handelsblatt 12.04.2018.

»Der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel, dessen Kanzlei zahlreiche Verfahren gegen Betreiber sozialer Medien führt und unter anderem Grundsatzentscheidungen zugunsten von Nutzern erstritten hat, deren Inhalte rechtswidrig gelöscht oder die gesperrt wurden, bezeichnete es als einen Akt demokratischer, parlamentarischer und gesetzgeberischer Hygiene, das NetzDG aufzuheben«, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, 2019.

»A brilliant professional, whose work it is a great pleasure to observe«, Alisher B. Usmanow, 11.09.2023.

»Steinhöfel hat in der Frage, welche Inhalte auf Social-Media-Plattformen unrechtmäßig von deren Betreibern gelöscht werden, bisher sehr häufig Recht bekommen«, Meedia, 12.01.2022.

»Der renommierte Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel … sieht die Grundrechte in Gefahr«, BZ, 29.12.2021.

»Auch der deutsche Top-Anwalt und Aktivist für Meinungsfreiheit Joachim Steinhöfel erhebt schwere Vorwürfe gegen Facebook – und die Bundesregierung«, BILD, 06.10.2021.

»Joachim Steinhöfel ist für forsches Auftreten und eine kreative Ader bekannt. Der ehemals als abmahnfreudiger Anwalt der Elektronikbranche und Werbefigur für MediaMarkt bekannte Jurist hat mit dieser Kombination nun nicht nur Facebook vorgeführt, sondern auch gleich die Regierungsparteien am Nasenring gepackt. Die Berichterstattung über den Coup hatte am Montag hohe Wellen geschlagen – und dieser Druck zeigte offenbar Wirkung. Die CDU habe inzwischen gezahlt, die SPD kurz darauf nachgezogen, teilte Steinhöfel der F.A.Z. mit«, FAZ, 23.07.2019 (»Pfändung bei Parteien«).

»Steinhöfel vertrat unter anderem auch den Islamexperten Ahmad Mansour, den ein Nutzer als ›Husohn, Bastrd‹ beschimpft hatte. Facebook weigerte sich, die Beleidigung zu löschen. Vor Gericht gewann Steinhöfel«, WELT, 28.11.2021.

»Deutsches Gericht verbietet Facebook erstmals Löschung eines Kommentars … Steinhöfel erkennt in dieser Praxis Willkür: ›Die Gemeinschaftsstandards stehen nicht über dem deutschen Recht‹«, Handelsblatt, 12.04.2018.

»Und immer vorneweg: Anwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel. Dessen Kanzlei schießt mit allem, was das Gesetz an Munition hergibt«, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.11.2006.

»Joachim Nikolaus Steinhöfel ist einer der profiliertesten deutschen Wettbewerbsrechtler, Medienanwalt sowie Publizist«, Die Weltwoche, 11.01.2018.

»Top-Anwalt für Wettbewerbs- und Presserecht«, WirtschaftsWoche online, 29.07.2014.

Ein Aktionskünstler mit juristischem Staatsexamen

Ein Vorwort von Henryk M. Broder

Ich kannte Joachim Steinhöfel schon lange, bevor wir uns kennenlernten. Er trat in Werbespots für MediaMarkt auf, wandelte durch die Gänge zwischen den mit Kaffeemaschinen, Staubsaugern und Fotoapparaten befüllten Regalen und sprach dabei Sätze wie »Ich bin doch nicht blöd!« und »Gut, dass wir verglichen haben!«. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hat er nie irgendeinen Artikel aus dem Regal genommen und näher begutachtet, wie man das so macht, wenn einem ein von Luigi Colani gestaltetes Bügeleisen entgegenlacht. Er lief einfach hin und her, als sei er gerade in der Mittagspause und habe nichts Besseres zu tun.

Ich weiß nicht, wann, wo und unter welchen Umständen wir uns im richtigen Leben über den Weg gelaufen sind. War es im Bordbistro eines ICE, auf der Kasseler documenta oder bei einem Spiel von Hertha gegen den FC St. Pauli? Es könnte auch ein bekanntes Berliner Etablissement in der Nähe des Funkturms gewesen sein, aber hier hat mein Gedächtnis eine Leerstelle, die ich nicht mit Vermutungen füllen möchte.

Jedenfalls sind wir uns menschlich nähergekommen. Mein erster Eindruck von Steinhöfel – ein »Schwitzer«, was im Jiddischen so viel wie »Angeber«, »Wichtigtuer« bedeutet – löste sich wie eine Alka Seltzer in einem Glas Wasser auf und transzendierte in einen Mix aus Bewunderung, Respekt und Neid. Was auch damit zu tun hatte, dass ich als junger Mensch Rechtsanwalt werden wollte, ein Strafverteidiger, der unschuldige Menschen aus den Klauen der Klassenjustiz befreit.

Deswegen nahm ich gelegentlich an Verhandlungen im alten Strafgerichtsgebäude am Appellhofplatz in Köln teil, natürlich nur als Zuschauer und Zuhörer, wobei mir schnell klar wurde, wie unromantisch der Alltag eines Anwalts ist. Um es mit Karl Kraus zu sagen: »Der Geschlechtsverkehr ist nie so schön, wie man sich ihn beim Onanieren vorstellt.« Gleiches gilt für Verfahren vor Gerichten.

Steinhöfel freilich spielt in einer anderen Liga. Er ist ein Aktionskünstler mit juristischem Staatsexamen. Gut, das ist die Vorbedingung, um als Anwalt zugelassen zu werden, manche sind sogar promoviert, aber nur wenige wissen um den Unterhaltungswert, den man einer Verhandlung abgewinnen kann. Steinhöfel kann es, und er tut es, weil es ihm Spaß macht.

Ich will das an einem Beispiel erläutern. Eine (in Dinslaken weltbekannte) »Islamwissenschaftlerin« zeigte mich vor Jahren wegen Beleidigung an; sie behauptete, ich hätte über sie gesagt, sie habe »einen an der Klatsche«. Sie hätte mich auch auf dem Weg einer Privatklage belangen können, wäre sie nicht der Meinung gewesen, die Beleidigung sei so schwerwiegend, dass sich die Strafjustiz des Falles annehmen müsse. Die Polizei reichte die Anzeige an die Staatsanwaltschaft weiter, diese »ermittelte«, und so kam es zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht in Duisburg, die nur wenige Minuten dauerte. Die diensttuende Staatsanwältin erschien vollkommen unvorbereitet zu dem Termin, sie hatte auch nicht daran gedacht, irgendwelche Beweise mitzubringen. Ich vermute, sie war davon ausgegangen, ich würde sofort gestehen und Steinhöfel um mildernde Umstände für mich bitten, weil ich eine schwere Kindheit in Polen hatte.

Die Geschichte zog sich über drei oder vier Jahre hin und endete – natürlich! – mit einem Freispruch. Für Steinhöfel war es kaum mehr als eine Sparring-Runde, aber auch in diesem Fall konnte er der Versuchung nicht widerstehen, dem Gericht gleich zu Beginn der Sitzung mitzuteilen, wer im Ring das Sagen haben würde: »Ich habe zwar vom Strafrecht keine Ahnung, aber für dieses Verfahren wird es reichen.« Im Plädoyer am Ende der Verhandlung fasste er seine Erfahrungen aus dem Prozess dann so zusammen: »Der MSV Duisburg spielt in der 3. Liga. Ich bedauere, dass ich das nicht auch von der Duisburger Justiz sagen kann.«

Und jetzt werde ich kurz sentimental: Steinhöfel ist großartig in seiner Sprachkraft und seiner Schlagfertigkeit, er ist grandios in seiner Sachkunde und überwältigend darin, wie er die Gegner abräumt. Selbst routinierte Anwälte aus Großkanzleien warten nervös und wie paralysiert auf seine Attacke, wagen sich oft kaum aus der Deckung. Sie wissen, der Schlag wird kommen, unweigerlich. Sie fürchten jeden eigenen Satz, als könnte alles, was sie sagen, vor Gericht gegen sie verwendet werden. Nicht alle mögen ihn, aber jeder fürchtet ihn. Und darauf kommt es an vor Gericht. Kein Anwalt gewinnt jeden Prozess. Aber Steinhöfel verlässt den Saal selbst dann als Gewinner, wenn er das Verfahren verliert. Er verliert selten.

Egal, gegen wen er antritt – Facebook, X (Twitter), eine Bundesbehörde oder ein US-Pharma-Unternehmen, das nebenbei im Netz seine Dienste als »NewsGuard« anbietet –, Steinhöfel macht keine Gefangenen, er strebt keinen Vergleich an, um dem Gegner entgegenzukommen und dem Gericht die Mühsal eines Urteils zu ersparen. Er will es wissen. Seine Körpergröße von 1,90 Meter garantiert ihm Unübersehbarkeit, er kann wie ein guter Schachspieler proaktiv denken und ein Argument der Gegenseite zerpflücken, noch bevor es ganz vorgetragen wurde.

Joachim Steinhöfel und ich sind inzwischen ein gut eingespieltes Team. Wir gastierten bereits in Köln, Karlsruhe, Stuttgart, Mannheim, Bad Wildungen, Bergisch-Gladbach und Goslar. Und demnächst vielleicht in einem Gericht gleich bei Ihnen um die Ecke.

Henryk M. Broder, Berlin, September 2023

Grundsätzliches

Begriffsklärung und eine Enthüllung in eigener Sache

Meta Platforms hieß früher Facebook. Das Unternehmen betreibt weitere Plattformen wie Instagram, ihm gehört auch der Messenger-Dienst WhatsApp. Ich unterscheide in diesem Buch nicht streng bei der Verwendung von »Facebook« und »Meta«, spreche aber nicht von Facebook, wenn es um Instagram geht. Twitter hat sich in X umbenannt. Ich verwende beide Begriffe synonym. YouTube wird von Google betrieben, in Europa von der in Irland ansässigen Google Ireland Ltd.

Dieses Buch wurde von jemandem geschrieben, der auch in eigener Sache berichtet, und es sei der Hinweis gestattet, dass fast alle (nicht: alle) in diesem Buch erwähnten Prozesse von mir geführt – und gewonnen – wurden. Die Erfolgsquote in den Prozessen gegen die sozialen Medien liegt bei über 90 Prozent. Ob das auf Dauer so bleiben kann, wird man abwarten müssen. Denn Sinn und Zweck dieser Verfahren ist es ja auch, in völligem rechtlichen Neuland Grundsatzurteile herbeizuführen, die vielen Millionen Nutzern helfen können, wenn die Monopolisten wieder einmal glauben, sie könnten machen, was sie wollen. Dies ist notwendig und geht nicht anders, damit gehen aber auch prozessuale Risiken einher, die ich eingehen will und muss.

Die Schlacht um die Meinungsfreiheit: Höllischer Spaß, juristische Meilensteine und antidemokratische Tendenzen

»Alle diese Untersuchungen, die gründliche Erforschung der Stasi-Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen. Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.«

Bärbel Bohley, DDR-Bürgerrechtlerin (1945–2010), auch bezeichnet als »Die Frau, die es voraussah«

»Natürlich hat jeder das Recht, anders zu denken als die Mehrheit und begründete Kritik zu üben. Aber wenn er die Hand gegen uns erhebt, dann muß er auch mit der entsprechenden Antwort rechnen.«

Erich Mielke, 1957 bis 1989 Minister für Staatssicherheit in der DDR, am 09.06.1977 in einer Rede vor der FDJ

»Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen, man muss dann halt manchmal mit Konsequenzen rechnen. Das ist das Einzige, was der eine oder andere manchmal nicht ganz versteht.«

Dunja Hayali, ZDF-Morgenmagazin, 29.01.2021

Wenn es stimmt, was die WELT am 02.08.2022 geschrieben hat, dann dürfte sich um »die Meinungsfreiheit … in Deutschland kaum ein Jurist so verdient gemacht haben« wie der Autor dieses Buches.1 Und vermutlich wussten Sie das gar nicht. Bis jetzt. Ich habe mehr Prozesse gegen Facebook, X (Twitter) und Google geführt, als Sie sich vorstellen können. Für diese Konzerne bin ich der personifizierte Antichrist. Aber auch als Teufel hat man gelegentlich Spaß, teuflischen Spaß sogar. So zum Beispiel im Sommer 2019, als ich »nicht nur Facebook vorgeführt, sondern auch gleich die Regierungsparteien am Nasenring gepackt [habe]: Weil Facebook als beklagte Partei die Gerichtskosten aus einem vorangegangenen Streitverfahren nicht beglich, pfändete Steinhöfel kurzerhand Forderungen des sozialen Netzwerks gegen politische Parteien.«2

Ich kann mich nicht mehr an die Farbe meines Arbeitstisches erinnern, weil die Papierberge der Auseinandersetzungen gegen die Tech-Riesen mittlerweile eine 3-Zimmer-Wohnung füllen würden. Aber am Ende geht das uns alle etwas an. Deshalb mache ich das, darum führe ich diese Auseinandersetzungen. Denn: Wollen wir, dass Konzerne darüber entscheiden, was man sagen darf und was nicht? Wollen wir, dass selbst ernannte Tugendwächter und Faktenchecker darüber wachen, was als angeblich wahr oder falsch gilt, und selbst Meinungen kontrollieren? Wenn es nach mir geht: Nein. Ich werde Ihnen im Laufe des Buches die krassesten Fälle dieser Auseinandersetzung vorstellen, zeige Ihnen, mit welchen Waffen die großen Konzerne arbeiten und mit welcher absurden Mischung aus Arroganz, Inkompetenz und völliger Ahnungslosigkeit bei gleichzeitiger Simulierung von Sachkompetenz unsere Politiker agieren. Ich zeige Ihnen, wie die Justiz richtungweisende, wichtige Entscheidungen trifft, wie sie ächzt und auch wie sie versagt. Wie der Staat Meldestellen einrichtet und die Menschen damit ermutigt, sich gegenseitig zu denunzieren, selbst wenn sich alles Gesagte im Erlaubten bewegt und in der Verfassung als Grundrecht verbrieft ist. Wie Sie als Nutzer dieser riesigen Plattformen alleingelassen werden, wenn sich Ihre Meinung auch nur Millimeter neben der vorgegebenen Linie, aber noch immer ganz und gar im Bereich der Meinungsfreiheit bewegt.

Und das Schlimmste daran ist: Es ist die winzige Spitze des Eisbergs. Vielleicht schlafen Sie schlecht, wenn Sie mein Buch gelesen haben. Aber vielleicht schöpfen Sie auch Mut, sehen, dass man auch wirtschaftlichen Giganten die Nase polieren kann und der arroganten Politik nicht alles durchgehen lassen muss. Vielleicht erkennen Sie, dass Sie nicht wehrlos sind. Das wünsche ich mir. Auch wenn es häufig um Rechtsfragen geht, so ist das, was sich dort abspielt, doch häufig spannend, empörend oder erfreulich. Es ist eine nervenaufreibende Achterbahnfahrt, immer mit dem Ziel, die Grundrechte gegen die alltäglichen Übergriffe zu verteidigen. Vor allem die Meinungsfreiheit, die für eine Demokratie schlechthin konstituierend ist.

Das erste Verbot, das jemals von einem deutschen Gericht gegen Facebook (jetzt Meta Platforms) erlassen wurde, weil das Unternehmen einen zulässigen Inhalt gelöscht und den Nutzer für 30 Tage gesperrt hat, habe ich erwirkt. Ein juristischer Meilenstein. Dieses erste Verbot überhaupt wurde von Frau Werner erlassen, Richterin am Landgericht Berlin. Ich finde, dass man auch als Richterin stolz sein darf, einen solchen historischen Beschluss gefasst zu haben. Das war am 23.03.2018 und machte weit über Deutschland hinaus Schlagzeilen. Bis dahin hieß es in Juristenkreisen, die Konzerne haben Hausrecht, die dürfen löschen, wie es ihnen passt. Das nennt man »herrschende Meinung«, und hätte ich mich wie alle anderen damit abgefunden, wäre wohl alles beim Alten geblieben. Und Sie, liebe Leser, wären weiterhin wehrlose Opfer von mächtigen und finanzstarken Großkonzernen geblieben, die mit unserer Meinungsfreiheit umgehen, als handele es sich um eine Kiste mit Pfandflaschen.

»Facebooks Produkt ist Öffentlichkeit. Niemals in der gesamten Geschichte der Menschheit haben mehr Menschen direkt miteinander kommuniziert als auf Facebook. Für Millionen in Deutschland und Hunderte Millionen in der ganzen Welt ist Facebook die primäre Nachrichtenquelle. Mit dieser Verantwortung geht der Konzern um, als stelle er Kugelschreiber her.« Johannes Boie3

Was ich als Anwalt gelernt habe: Es war noch nie falsch, anders als die anderen zu denken und alles, was man selbst oder was andere als richtig erachten, immer wieder infrage zu stellen.

Mark Twain hat es schön formuliert: »Wann immer man sich auf der Seite der Mehrheit wiederfindet, ist es an der Zeit, innezuhalten und nachzudenken.«

Das Märchen vom Hausrecht

So wie von Mark Twain beschrieben war es auch mit der These vom angeblichen »Hausrecht« der Plattformbetreiber als Rechtfertigung für Löschorgien. Mit einem so kleinmütigen Kapitulieren vor dieser Rechtsfrage, wie es unter Juristen vor ein paar Jahren die Regel war, wollte ich mich nicht abspeisen lassen und habe so lange nachgedacht, bis mir die Lösung eingefallen ist. Das Ergebnis war die erste einstweilige Verfügung gegen eine der großen Plattformen, die den Weg öffnete für eine Rechtsprechung, die die zuvor nahezu wehrlosen Nutzer in ihren Rechten deutlich stärkte.

85 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen die sozialen Medien, und 85 Prozent der deutschen Bevölkerung haben jetzt die Möglichkeit, sich vor Gericht gegen deren Selbstherrlichkeit und Willkür zur Wehr zu setzen. Auch wenn das den IT-Giganten nicht schmeckt und sie bis in die Gegenwart täuschen, lügen, irreführen und mit vollem Vorsatz tagtäglich Gesetze brechen und die Verträge, die sie mit Ihnen, den Nutzern, geschlossen haben.

Sollte sich das ein wenig so anhören, als wäre diese Schlacht geschlagen, so muss ich Sie enttäuschen. Sehr viele, sehr wichtige und grundsätzliche Erfolge haben wir erstritten, aber kein Grundrecht steht tagein, tagaus so sehr unter Beschuss wie die Meinungsfreiheit. Und zwar von allen Seiten und häufig auch von denen, die sie eigentlich verteidigen sollten oder sogar von Verfassung wegen dazu verpflichtet sind.

Die Definition von Wahnsinn

Ich schwöre hiermit feierlich, dass ich selbst bei einem irrwitzigen Stundensatz nicht bereit wäre, das zu Papier zu bringen, was einige der Plattformen ihren anwaltlichen Vertretern für Gerichtsverfahren offenbar vorgeben und was diese, so scheint es, tatsächlich brav auf- oder abschreiben. Denn wenn z. B. das, was die Gerichte zu lesen bekommen, auch nach dem Wechsel von einer internationalen Großkanzlei zur nächsten über weite Strecken austauschbar und wortgleich ist, liegt diese Annahme nahe. An der spektakulären Serie von Prozessniederlagen der IT-Riesen hat das alles übrigens nichts geändert. Kürzlich konnte ich einem Landgericht die erfreuliche Mitteilung machen, dass es mir gelungen war, die »stereotypen Ausführungen auf den Seiten 1 bis 29 der Klageerwiderung in 2 Minuten und 16 Sekunden überblättert und damit gegenüber dem Überblättern der ersten 29 Seiten in einem vorangehenden Verfahren fast eine Minute herausgeholt« zu haben. Darüber freut sich dann auch der Mandant, wenn er nach Stundensätzen bezahlt.

Als Anwalt von Meta Platforms würde ich mich fragen: Was denkt eigentlich der Richter von mir, wenn ich ihm in zehn Verfahren, die ich alle hintereinander verloren habe, jedes Mal wieder die gleichen Textbausteine mit demselben nutzlosen Vortrag zumute?

Einstein hat dazu eine überzeugende Erkenntnis formuliert: »Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.«

Oder ist es eine clevere Strategie? Ein Zermürbungskrieg mit dem Ziel, die Gerichte so sehr zu quälen, dass sie sich dieser Verfahren um jeden Preis entledigen wollen? Jedenfalls schickt Meta immer wieder neue Rekruten ins Rennen, wenn die Vorgänger aufgerieben sind und den psychologischen Preis dieser Tätigkeit nicht mehr zahlen können oder von den zermürbenden Niederlagenserien vor Gericht erschöpft sind. Es muss, und das meine ich nicht ironisch, eine wirkliche Last sein, wenn man in aussichtlosen Fällen Rechtsunsinn vortragen muss, den genau dasselbe Gericht immer wieder verworfen hat. Und dies geschieht, um Fälle zu verteidigen, die außer vor dem Amts- oder Landgericht Stralsund oder in Bremen nicht zu gewinnen sind – Fälle, die die Meinungsfreiheit der Nutzer strangulieren – und dabei so aus dem Anzug oder dem Kostüm zu gucken, als sei man von seiner Sache tatsächlich überzeugt.

Das Allheilmittel »Hassrede«

Wenn Meta löscht, muss häufig das Allheilmittel der »Hassrede« herhalten (zu den Floskeln »Hass und Hetze« kommen wir noch). Da wird schon einmal gelöscht, wenn ein Nutzer auch nur die Schlagzeile einer Boulevard-Zeitung zitiert, die wiederum einen Politiker einer Regierungspartei zitiert. Dennoch könne dies, so Meta, bei anderen Nutzern ein »Gefühl der Unsicherheit« verursachen. Man muss dann für die über 30 Millionen Personen, die Facebook nutzen, nur hoffen, dass sie nicht an einem Kiosk oder einem Zeitschriftengeschäft vorbeikommen und die gleichlautende Überschrift der BILD-Zeitung gelesen haben.

Der angebliche Wunsch, aus eigennütziger Opportunität (»Gefährdung … des Geschäftsmodells von Facebook«) Hassrede zu verdammen und Sicherheit und Wohlbefinden der Nutzer zu gewährleisten, kollidiert ganz erheblich mit der täglichen Praxis von Meta.

Seinen reklamehaften Selbstanpreisungen zufolge hat Meta »ein wichtiges und schützenswertes Interesse daran, auf eine zivilisierte Kommunikationskultur hinzuwirken und diese zu sichern« und »einen »respektvollen Umgang … zu gewährleisten«, und nimmt die »Aufgabe sehr ernst«. So steht es in den Nutzungsbedingungen oder Schriftsätzen des Unternehmens. Dass Nutzer »unbesorgt miteinander kommunizieren können«, passt allerdings nicht zur Unternehmenspraxis. Um auf die »zivilisierte Kommunikationskultur hinzuwirken« und diese zu »sichern«, so Meta, sei das Unternehmen befugt, auch rechtlich zulässige Inhalte zu löschen und den Nutzer beim Posten solcher Inhalte zu sperren.

Nun kann es bei der Vielzahl an Inhalten in den Löschhauptquartieren zu Fehleinschätzungen kommen.

»Wenn ein Kommentar aber nicht nur gelöscht, sondern diese Löschung auf die Beschwerde des Nutzers hin aufrechterhalten und im anschließenden Gerichtsverfahren von einer internationalen Großkanzlei in ausführlichen Schriftsätzen verteidigt wird, dann tut man wohl niemandem Unrecht, wenn man die Löschung zum Bestandteil der offiziell verfolgten Konzernpolitik erklärt – und daraus seine Schlüsse zieht.«4

Dies gilt natürlich auch umgekehrt, wenn sich das Unternehmen mit Schriftsätzen, die häufig drei Leitz-Ordner füllen, weigert, strafbare Inhalte zu löschen. Auch dann ist dies offizielle Konzernpolitik.

Ich will mich hier mit einem Beispiel begnügen:

Der deutsch-israelische Psychologe und Islamkritiker Ahmad Mansour erhält regelmäßig Morddrohungen, steht unter Polizeischutz und wird mit strafbaren Schmähungen überschüttet. Facebook weigerte sich aber, z. B. diesen Kommentar zu löschen:

»Halt die fresse, du Husohn Bastrd. Geh Verkauf deine Schwestern an die deutschen, damit du den Integrationspreis 2018 und Ein paar Fernsehshows bekommst. Nimm den türkischen Namen eines stolzen Volkes wie der Türkei nicht in dein Schandmaul.«

Nicht einmal nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlins wurde der Post gelöscht, das Gericht verhängte ein Ordnungsgeld gegen Meta. Das Unternehmen hat dieses Posting dann vor Gericht tatsächlich verteidigt. »Nutte«, »Hurensohn«, »Bastard«, »Arschkriecher« und »Fuck you«, zivilisierte Kommunikationskultur aus dem Hause Zuckerberg. Und man kann hier die oben zitierte Schlussfolgerung der FAZ einfach umdrehen: Wenn ein Kommentar nicht gelöscht, sondern diese Löschung auf die Beschwerde des Nutzers verweigert und »Nutte«, »Hurensohn«, »Bastard«, »Arschkriecher« und »Fuck you« im anschließenden Gerichtsverfahren von einer internationalen Großkanzlei in ausführlichen Schriftsätzen als zulässig verteidigt werden, dann tut man wohl niemandem Unrecht, wenn man die unterlassene Löschung zum Bestandteil der offiziell verfolgten Konzernpolitik erklärt – und daraus seine Schlüsse zieht. Die WELT berichtete über dieses Verfahren und kam zu der Schlussfolgerung:

»Was hängen bleibt: Facebook lässt Tausende Seiten Schriftsatz verfertigen, bezahlt die teuersten Anwälte Deutschlands, nur um sicherzustellen, dass Ahmad Mansour vor allen Ländern der Welt (außer Deutschland) aber sehr wohl vor allen Deutschen, die im Ausland sind, Hurensohn genannt werden darf.«

Nicht verschwiegen werden soll auch diese Passage aus dem Artikel der WELT:

»Im Fall Mansour gegen Facebook zeigte sich schon im Vorfeld, wie skrupellos Facebook vorgeht: Die Anwälte forderten das Gericht auf, Mansours Privatadresse in der Klageschrift anzugeben – wohl wissend, dass dies für ihn lebensgefährlich sein könnte. Dies war dann das erste Mal, dass die Richter Facebook in die Schranken wiesen.«5

Völlig unbeeindruckt von der Wirklichkeit behauptet die Beklagte dennoch über sich selbst:

»Wir wissen, wie wichtig es ist, dass Facebook ein Ort ist und bleibt, an dem Menschen sicher und unbesorgt miteinander kommunizieren können. Außerdem nehmen wir unsere Aufgabe sehr ernst, jegliche Art von Missbrauch von unserer Plattform fernzuhalten.«

Eine »zivilisierte Kommunikationskultur«, so scheint es, könnte Meta gar nicht gleichgültiger sein. Das prozessuale Verhalten rundet vielmehr »das Bild eines Unternehmens [ab], welches sich Konsequenzen von Rechtsverstößen möglichst entziehen möchte«, so das Oberlandesgericht Köln.

Wie es Meta mit dem von dem Unternehmen in Anspruch genommenen »Anstand« und dem Bekämpfen von »Ausländerfeindlichkeit« tatsächlich hält, kann auf der »Facebook Wall of Shame« eingesehen werden. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schrieb in dem Gutachten WD 10-3000-037/17:

»Weitere Beispiele für die schwierige Beurteilung von strittigen Inhalten und von Hasskommentaren können anhand der vielfach intransparenten Lösch- und Nicht-Löschpraxis von Facebook auf dem Portal von Joachim Nikolaus Steinhöfel ›Wall of Shame‹ eingesehen werden, abrufbar unter https://facebooksperre.steinhoefel.de/.«

Meta muss sich, wenn man dort allgemeine Prinzipien bemüht, auch entgegenhalten lassen, wie sich deren Umsetzung in der Praxis im Allgemeinen darstellt.

Daher ist es erweislich unwahr, wenn Meta in Gerichtsverfahren immer wieder behauptet, man habe »nicht die Absicht, bestimmte politische Meinungen zu verbieten, solange diese rechtlich nicht zu beanstanden sind«. Im Gegenteil: Die Praxis geht sogar so weit, dass man bestimmte Namen pauschal löscht, egal in welchem Zusammenhang diese auftauchen. »Facebook löscht mit politischer Schlagseite«, titelte die FAZ und Mark Zuckerberg erklärt in seiner Vernehmung vor dem Justizausschuss des Kongresses der USA am 10.04.2018 auf die Frage, ob sein Unternehmen konservative Stimmen diskriminiere:

»Herr Senator, ich verstehe, woher diese Sorge kommt, denn Facebook und die Tech-Industrie sind im Silicon Valley angesiedelt, einem extrem linkslastigen Ort.«6

Der Chef muss es ja wissen. Aber nicht nur die Löschwut bei erlaubten Inhalten oder die politische Befangenheit sind ein Problem von Meta. Die Praxis besteht auch darin, sehr häufig israel- und judenfeindliche Inhalte unbeanstandet zu lassen und islamkritische Inhalte zu eliminieren. So blieb z. B. selbst nach einer Beschwerde diese drastisch antisemitische Abbildung online:

Und auch dieses widerwärtige Posting, das eine enorme Reichweite erzielte, wie sich aus über 20.000 Likes schlussfolgern lässt, blieb online. Jüdische Mädchen wollte der Nutzer am liebsten »aufreißen«, wenn sie zu Asche verbrannt sind.

So bindet also, um einen Anwalt von Facebook zu zitieren, das Unternehmen in der Praxis seine Nutzer »an Regeln des Anstands und der Rechtmäßigkeit«.

Der Begriff Überwachungskapitalismus (surveillance capitalism nach Prof. Shoshana Zuboff, Harvard, die viele der Überlegungen in diesem Absatz erstmals anstellte) kritisiert, dass diese neue Form des informationellen Kapitalismus zum Ziel hat, menschliches Verhalten vorherzusagen und zu modifizieren, um Einnahmen und Marktbeherrschung zu produzieren. Zuboff sieht die Gefahr eines Abdriftens in Richtung demokratischer Entkonsolidierung. Der Überwachungskapitalismus hat den fünf als Big Tech bezeichneten Unternehmen (Apple, Amazon, Google, Meta, Microsoft) immensen Reichtum erwirtschaftet. Der größte Teil davon stammt aus Systemen, die heimlich in persönliche Welten eindringen, Verhaltensdaten ausbeuten und diese dann als Privateigentum des Unternehmens beanspruchen. Dort steht es für nachgelagerte Herstellungs- und Vertriebsprozesse zur Verfügung. Qualitativ hochwertige Verhaltensvorhersagen werden an Geschäftskunden verkauft.

Die Lage ist vergleichbar mit der frühen Ära der Industrialisierung, als Fabrikbesitzer allmächtig waren. Es gab keine Arbeitnehmer- oder Verbraucherrechte. Diese wurden erst später durchgesetzt, in einer ähnlichen Phase befinden wir uns jetzt.

Die aktuellen Verhältnisse führen zu einer Kaskade antidemokratischer Konsequenzen. Diese betreffen sowohl die moralische Wurzel der Demokratie – die Menschenwürde – als auch ihren Überbau. Beispiellose Konzentrationen von Wissen über Menschen und die verantwortungsfreie Macht, die aus diesem Wissen entsteht, resultieren in der Zerstörung der Privatsphäre, dem Aufstieg der Desinformation und schließlich im Kampf um die Grundprinzipien sozialer Ordnung.

Zur von Zuboff erwähnten Modifizierung menschlichen Verhaltens gehört natürlich auch die Absicht der Monopolisten, ohne jede demokratische Legitimation über »Gemeinschaftsstandards« oder »Nutzerrichtlinien« die Kommunikationsgewohnheiten von Milliarden Menschen zu determinieren und diese zur Grundlage dessen zu machen, »was gesagt werden darf und was nicht«.

Hass und Hetze

1. Wie schüchtert man Menschen ein? Wie gibt man ihnen das Gefühl, sich strafbar zu machen, wenn sie ihre Meinung sagen?

Man greift zu der trivialen Sprechblase »Hass und Hetze«. Oft erzielt das eine Wirkung. Häufig verunsichert der Vorwurf der »Hassrede«. Aber was soll »Hassrede« eigentlich sein? Unser Strafgesetzbuch kennt den Begriff gar nicht. Dafür gibt es dort Verbote von Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede.

Der Bürger muss erkennen, was strafbar ist und was nicht. So steht es in der Verfassung. Schwammige Floskeln haben in Gesetzen nichts verloren.

Wenn jemand von »Hass und Hetze« spricht, plappert er entweder ohne nachzudenken nach, was alle plappern. Oder er will die Meinungsfreiheit einschränken und politisch unerwünschte Kritik kriminalisieren. Diese Kritik ist aber durch die Verfassung ausdrücklich erwünscht. Weil sie überlebenswichtig ist für unsere Demokratie. Meint der, der von »Hass und Hetze« spricht, auch Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind? Dann steht jemand vor Ihnen, der Ihr Grundrecht einschränken, der Ihnen den Mund verbieten will. Meint er aber nur das, was das Strafgesetzbuch ohnehin verbietet, warum sagt er es dann nicht? Und spricht einfach von »strafbaren Äußerungen«? Der Unrechtsstaat DDR kannte die »Staatsfeindliche Hetze«. Mithilfe dieses Verbots wurden viele Oppositionelle weggesperrt, weil die Formulierungen des Paragrafen so schwammig waren, dass beinahe jede kritische Äußerung bestraft werden konnte. So weit, wie gerne geltend gemacht wird, wenn Personen verspottet werden, die aufgrund von Meinungsäußerungen beruflich oder sozial Ächtung erfuhren, sind wir davon nicht entfernt.

Aber: Schwarz-Grün will in Nordrhein-Westfalen »ein bundesweit einzigartiges Netz« von Meldestellen einrichten, die »Vorfälle auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfassen« sollen.7