5,99 €
Auf nach Hamburg! Doch aus Shopping, Sightseeing und Party wird nichts, denn Kim, Franzi und Marie geraten direkt in ihren nächsten Fall: Ein Song der Newcomerband "Ultimate Question" stürmt die Charts, doch das ist eigentlich das Lied von Jos Cousin Till - seine Komposition wurde ihm geklaut! Wer steckt dahinter? Ein spannender Wettlauf gegen die Zeit beginnt ... Die drei !!! sind allerbeste Freundinnen und erfolgreiche Detektivinnen. Mutig und clever lösen sie jeden noch so kniffligen Fall und sind zusammen ein unschlagbares Team.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 164
Petra Steckelmann
Betrug in den Charts
Kosmos
Umschlagillustration von Natascha Römer-Osadtschij, Schwäbisch Gmünd
Umschlaggestaltung von Friedhelm Steinen-Broo, eSTUDIO CALAMAR
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de
© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-440-13831-1
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Überraschender Anruf
»Hey, du bist ja schon da?« Franzi hob erstaunt die linke Augenbraue, als sie ins Café Lomo eintrat und Marie bereits neben Kim auf dem Lieblingsplatz der drei !!! sitzen sah. Franzi setzte sich neben die beiden auf das gemütliche Sofa. »Hast du heute keinen Schauspielunterricht? Kein Aerobic? Keine Gesangsstunde? Ich staune!«
Marie wusste, dass sie mit ihren ständigen Verspätungen die Nerven ihrer Freundinnen oft überstrapazierte.
»Für meine liebsten Freundinnen habe ich mich heute ganz schnell von der Bühne verabschiedet und mich in Windeseile aus dem Kostüm der Titania, der Königin der Elfen, gepult«, sagte sie versöhnlich.
»Hast du denn mittlerweile deinen Text drauf?«, fragte Kim.
»›Schlafe! Dich sollen indessen meine Arme umschlingen. Fort, ihr Elfen, fort nach allen Seiten! So zart umgeben mit lieblichen Blumenranken. Das Geißblatt ist so weiblich zart, das Efeu seiner Ulme raue Finger. Ach, wie ich dich liebe! Ach, wie ich die vergöttere!‹«, gab Marie dramatisch einige Textzeilen aus Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare zum Besten. »Klingt doch schon ganz gut, oder?«
»Toll, Titania«, lobte Franzi. »Aber wenn du dir jetzt bitte den letzten Elfenstaub aus den Haaren schüttelst … wir sind nämlich mit Marie verabredet.«
Marie schüttelte lachend ihre langen blonden Haare, Glitzerstaub wirbelte auf. »So, jetzt bin ich wieder Marie Grevenbroich – und den Rest der Ferien bin ich auch ganz für euch da. Heute war nämlich die letzte Probe vor Pfingsten. Bis zur Aufführung habe ich noch genügend Zeit, auch die restlichen Passagen sauber einzustudieren.«
»Das heißt?«, fragte Kim.
»Wir können uns jeden Tag im Lomo treffen, auf einen neuen Fall warten und wir können durch die Stadt bummeln, Eis essen und …«
»Und Marie hinterherwinken, die doch noch von Termin zu Termin hetzt«, seufzte Franzi. »Aber ich bin eigentlich ganz froh, wenn die drei !!! mal ein paar Wochen verschnaufen können. Der letzte Fall sitzt mir noch immer in den Knochen.«
Die drei Detektivinnen hatten erst vor ein paar Wochen einen wirklich kniffeligen Fall gelöst, bei dem Franzi fast ertrunken wäre. Kein Wunder, dachte Marie, dass sie vorerst genug hat von den gefährlichen Ermittlungen, bei denen wir immer wieder Kopf und Kragen riskieren. Marie klopfte ihr nachträglich noch einmal anerkennend auf die Schulter. »Du warst wirklich mutig. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie du in den eiskalten See gesprungen bist, um Bianka zu retten.« Marie zog fröstelnd die Schultern zusammen.
»Und dabei hast du dich selbst in große Gefahr gebracht!« Kim blickte ihre Freundinnen ernst an. »Wir dürfen in Zukunft nicht mehr so leichtsinnig sein. Ich möchte nicht noch so eine Standpauke von Kommissar Peters bekommen.«
»Ach, das war ja nicht das erste Mal, dass wir Kommissar Peters’ Predigt über uns ergehen lassen mussten. Der Gute ist eben immer eine Sekunde zu spät am Tatort.«
»Aber ich bin froh, dass wir ihn anrufen können, wenn es brenzlig wird«, warf Kim ein.
»Ja, ich auch. Leider kann er mich nicht aus der unangenehmen Situation zu Hause rausboxen. Da muss ich wohl alleine durch. Lasst uns schnell einen Kakao Spezial bestellen. Ich kann eine Stärkung gebrauchen. Das anstehende Gespräch mit meinem Vater und Tessa wird ganz sicher nicht leicht. Mein Vater hat sehr ernst geklungen, als er mich heute Morgen zum Familientreffen dazubat.« Marie sah nicht glücklich aus, als sie bei der Kellnerin drei mit Vanillearoma verfeinerte Kakaos bestellte.
Sie ahnte, worum es gehen würde. Und dieses Mal konnte sie sich nicht drücken. Seit vor einiger Zeit Tessa, die neue Freundin ihres Vaters, mit ihrer Tochter Lina in die Wohnung von Marie und Helmut Grevenbroich gezogen war, war nichts mehr wie vorher. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte Marie alleine mit ihrem Vater in dem noblen Penthouse im besten Viertel der Stadt gelebt. Doch dann hatte sich Herr Grevenbroich, der als Hauptdarsteller der Vorabendserie Vorstadtwache berühmt geworden war, in die Kamerafrau Tessa verliebt und damit auch Maries ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Die Zeiten, in denen er sich nur um seine kleine Prinzessin gekümmert hatte, waren vorbei. Marie seufzte tief.
»So schlimm?«, fragte Franzi und warf ihr einen langen Blick zu.
»Ach, es geht wohl mal wieder um den anstehenden Umzug.«
»Habt ihr denn schon ein Haus gefunden, das euch allen gefällt?«, hakte Kim nach.
»Bisher noch nicht. Aber ich ahne, was später auf mich zukommt …«
Während sie den Kakao schlürften, taten Franzi und Kim alles, um Marie auf andere Gedanken zu bringen. Franzi versuchte sie mit ein paar Sätzen über ihr Lieblingsthema abzulenken: Felipe. Seit sie ihn vor einiger Zeit bei Ermittlungen im Freizeitpark Sugarland kennengelernt hatte, schlug ihr Herz ganz laut für den Halbmexikaner mit den wärmsten braunen Augen, in die sie je geblickt hatte.
»Felipe kommt am Samstag endlich aus Mexiko zurück. Ich freu mich so!« Übermütig klatschte sie in die Hände. Das lenkte Marie zwar für ein paar Sekunden von dem bevorstehenden Gespräch zu Hause ab, brachte ihr aber auch gleich etwas anderes in Erinnerung. Ihre Gedanken sprangen zu ihrem Ex-Freund Holger, dem sie zur gleichen Zeit wiederbegegnet war, als Franzi Felipe kennengelernt hatte. Sofort hatte er ihr Herz wieder aus dem Takt gebracht – wenn auch nur ganz leicht. Sie überlegte kurz, ob sie ihn nachher anrufen sollte. Wenn es ganz schlimm werden würde mit Tessa und ihrem Vater, würde er sie bestimmt gut trösten können. Weiter kam sie mit diesem Gedanken aber nicht, denn Franzis Schwärmereien für Felipe wurden immer überschwänglicher.
»Erinnert ihr euch noch, als er …«
»Franzi!«, mahnte Marie sanft, bevor Franzi zu ausführlich werden konnte, und warf einen Seitenblick in Richtung Kim, die stumm in ihrem Kakao rührte. Marie wusste, dass sie immer noch kreuzunglücklich über die Trennung von ihrer großen Liebe Michi war. Auch wenn Kim sich von Michi getrennt hatte, fiel es ihr nicht leicht und die Liebesgeschichten ihrer Freundinnen waren für sie zurzeit wahrscheinlich nicht die beste Ablenkung. Franzi hatte Maries Warnung verstanden und war zu einem harmlosen Gesprächsthema übergegangen. Marie musste sich also keine Sorgen mehr um Kims Seelenheil machen und konnte die beiden beruhigt alleine lassen.
»So, ihr zwei, ich muss jetzt wirklich los. Knabbert einen Donut für mich mit«, sagte Marie, während sie auf ihre Armbanduhr schaute, und warf dann einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Theke des Lomos, auf der die verlockenden Gebäckkringel standen.
»Mach’s gut, Marie, du packst das schon! Und ich verkneife mir das Zuckerzeug heute auch«, sagte Kim und strich sich über den Bauch. »Meine Hose zwickt mal wieder.«
Normalerweise konnte Kim keiner Nascherei widerstehen. Sie behauptete immer, dass sie viel, viel Nervennahrung brauchen würde. Immerhin war sie der Kopf des Detektivclubs … auch wenn der gerade Ferien machte.
»Kommt ihr später noch bei mir vorbei? Zu einer Wellnessstunde? Ich habe ein ganz tolles neues Rezept für eine Gesichtsmaske. Mit Avocado, Hafer und Honig!«
»Ich bin dabei!«, sagte Franzi. »Hört sich gut an.« Es war rauszuhören, dass sie das nur sagte, weil sie wusste, dass Marie sich über ihre Zusage freuen würde. Gesichtsmasken waren normalerweise nicht ihr Ding.
»Ich komme natürlich auch. Bis später!« Kim winkte Marie hinterher, die mit hängenden Schultern das Café Lomo verließ.
»Und, wie war’s?«, fragte Kim, kaum dass Marie ihnen am Abend die Tür geöffnet hatte und ihre Freundinnen in ihr Zimmer führte.
»Ich erzähle es euch gleich in Ruhe. Das Beautywunder ist schon fertig angerührt.«
Franzi und Kim zogen ihre Jacken aus und ließen sich dann auf Maries riesiges Bett in die Kissen plumpsen.
»Soll ich die neueste CD der Boyzzzz auflegen? Dabei können wir bestimmt ganz ausgezeichnet entspannen«, fragte Marie.
Die ersten Klänge der Lieblingsband von Franzi, Kim und Marie hallten durch den Raum und Marie, die eben noch angespannt gewesen war, wurde ruhiger.
Marie verteilte Handtücher und stellte jedem ein Glas frisch gepressten Orangensaft hin. »Der gehört zum Wellnessprogramm. Und das auch! Danach ist unsere Haut gut durchblutet und sanft wie ein Babypopo – sie riecht aber entschieden besser!«, sagte Marie lachend und hielt Franzi und Kim die große Keramikschüssel mit einer grünlichen Pampe unter die Nase.
»Hmmm, riecht gut. So frisch!«, sagte Kim und steckte einen Finger in die Schüssel. »Und schmeckt sogar!«
»Das ist Nahrung für die Haut, nicht für den Speckring um deine Hüften«, neckte Marie Kim frech. Sie wusste genau, dass Kim sich zu dick fand, aber da Marie das überhaupt nicht so sah, erlaubte sie sich, Kim damit aufzuziehen.
Während sie ihren Freundinnen die Gesichtsmasken auftrug, erzählte sie von dem Gespräch mit Tessa und ihrem Vater.
»Dass unser Penthouse zu klein für alle ist, ist mir ja auch klar. Aber irgendwie möchte ich noch nicht ausziehen. Hier war Mama doch so glücklich. Ich habe Angst, dass ich alle Erinnerungen an sie verliere, wenn ich in einem anderen Haus wohne.«
»Das wird nicht passieren«, tröstete Kim sie. »Du trägst die Erinnerungen in deinem Herzen – für immer.«
»Ja, ich weiß. Trotzdem …« Marie schluckte. »Meine Mutter hat mir doch früher immer Let it be vorgesungen – am besten lege ich im neuen Haus gleich als Erstes eine Beatles-CD ein und beschalle das ganze Haus damit!«
»Das ist eine tolle Idee!«, sagte Kim.
Marie war noch immer nicht ganz zufrieden.
»Jetzt ist der Umzug auf einmal Realität geworden. Bedrohliche Realität! Sie haben ein Objekt …«, sie äffte den gewichtigen Tonfall ihres Vaters nach, »… gefunden, das sie wirklich brennend interessiert. Sie wollen es sich unbedingt noch vor Pfingsten ansehen, bevor es uns ein anderer wegschnappt.«
»Irgendwann wird es sowieso zum Umzug kommen, Marie. Du kannst nicht immer vor der neuen Situation davonrennen.« Kim strich ihr über den Arm.
»Ich weiß, aber muss es ausgerechnet jetzt sein? Ich mag Tessa zwar irgendwie. Und mein Vater ist richtig aufgeblüht, seit sie hier wohnt. Er strahlt immerzu und ist ganz anders als früher. Sogar unsere ausgemachten Vater-Tochter-Tage hat er noch nie abgesagt. Trotzdem: Mir geht das alles zu schnell. Ich brauche noch Zeit.«
»Wofür, um auch noch deinen Schreibtisch mit einer Alarmanlage vor den Übergriffen von Lina zu schützen, so wie du es mit deinem Kleiderschrank machst?«, warf Franzi scherzhaft ein, um Marie aufzumuntern.
»Ach, das kleine Biest … Wenn ich die in die Finger bekomme, dann …«
Wie von Geistern gerufen stand Lina auch schon im Zimmer.
»Was willst du?«, fauchte Marie sie an.
»Ich wollte fragen, ob du mir das gelbe Shirt mit den Pailletten ausleihen kannst.«
»Was? Das Shirt ist nagelneu!«, giftete Marie Lina an.
Zwischen die melodischen Klänge der Boyzzzz mischte sich plötzlich ein anderer Ton. Alle starrten Maries Handy an, das nicht nur lärmend, sondern auch vibrierend auf Maries Bett wippte, und dann hafteten die fragenden Blicke auf Marie.
»Das ist dieser Smashhit von DER Newcomerband schlechthin. Kennt ihr Ultimate Question nicht?«, fragte Marie.
Lina schüttelte heftig den Kopf. »Du kennst dich sowieso mit nichts aus …« Marie verdrehte genervt die Augen. »Ritter Zartbitter muss man einfach kennen!«
Bei Franzi machte es klick. Sie nickte. Auch bei Kim fiel der Groschen. »Klar, der Song läuft doch dauernd im Radio!«
Franzi schubste Marie leicht an. »Warum gehst du nicht ran?«
»Es ist Jo«, hauchte Marie, ihren Blick aufs Display geheftet.
»Du hast seine Nummer immer noch gespeichert?«, wunderte sich Franzi. »Ich dachte, der Typ ist längst Geschichte.«
»Ist er auch«, verteidigte sich Marie. »Ich hab nur vergessen, seine Nummer zu löschen.« Marie wunderte sich selbst, dass Jos Nummer noch immer in ihrem Handy gespeichert war.
Ach, was soll’s, dachte sie. Jo ist ein Freund, aus welchem Grund hätte sie seine Nummer löschen sollen? Die Erinnerungen an die Zeit in Südengland wurden plötzlich wieder lebendig. Zusammen mit Kim, Franzi und Jo, den sie bei dem Sprachurlaub kennengelernt hatten, hatten sie viele lustige Stunden an der Küste verbracht. Nur weil sie sich einmal geküsst hatten und er sich nach dem Sommerflirt lange nicht mehr gemeldet hatte, sollte sie jetzt noch beleidigt sein? Marie schüttelte den Kopf. Blödsinn. Er wohnt schließlich nicht in unserer Stadt, dachte Marie, sonst hätten wir uns bestimmt noch ein paar Mal getroffen. Er ist ein netter Kerl, seine Nummer in meinem Handy hat seine Berechtigung. Den kleinen Stich in ihrem Herzen hingegen fand sie ungerechtfertigt.
»Nun geh schon ran, Marie!«, unterbrach Franzi ihre Gedanken.
Marie nahm das Gespräch entgegen und hörte Jos vorwurfsvolle Stimme: »Hey, brauchst du immer so lange, um dein Handy zu finden?«
»Brauchst du immer so lange, bis du dich mal meldest – unser letztes Gespräch ist Lichtjahre her«, gab Marie schnippisch den Ball zurück. Die Eiseskälte in ihrer Stimme hätte ausgereicht, um die ganze Welt augenblicklich gefrieren zu lassen.
Kein Wunder, dass Jo verunsichert antwortete: »Ähm, wenn ich jetzt sage, ich wollte nur mal hören, wie es dir geht, dann wäre das ein ziemlich schwacher Anfang, oder?«
»Versuch es, vielleicht bekommst du ja eine Antwort.«
»Marie«, zischte Kim und stieß ihre Freundin an. »Was soll das?« Zu Franzi gewandt sagte sie: »Nun meldet er sich schon mal und Marie spielt Schneekönigin.«
»Warte mal kurz, Jo, ich geh eben in die Küche, Franzi und Kim sind zu Besuch und werfen bestimmt gleich mit Avocadocreme nach mir, wenn ich sie weiter mit unserem Gespräch in ihrer Entspannungsphase störe.« Marie hielt das Handy gegen ihre Brust und sauste in die Küche. Im Vorbeigehen schubste sie Lina gleich mit sich. »Raus hier, das ist mein Reich!« Dann wandte sie sich wieder Jo zu.
»Was wollte er?«, fragte Kim ungeduldig, als Marie aus der Küche zurückkam.
Marie stemmte lässig die Hände in die Hüften und grinste ihre Freundinnen vielsagend an. »Mich sehen«, flötete sie zuckersüß.
»Nun lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.« Kim sah Marie herausfordernd an. »Ist er in der Stadt? Nun sag schon!«, drängelte sie.
Marie sah ihr an, dass sie mindestens genauso überrascht über Jos Anruf war wie sie selbst. Aber so schnell wollte sie die Neugier ihrer Freundin nicht stillen. »Langsam, langsam, ich muss erst einmal Luft holen«, winkte Marie ab und ließ sich auf ihr Bett fallen. Theatralisch atmete sie tief ein und aus, während sie zwei neugierige Augenpaare anstarrten.
»Mach es nicht so spannend, Marie«, forderte jetzt auch Franzi.
»Jo hat mich nach Hamburg eingeladen.«
Franzi und Kim fielen gleichzeitig die Kinnladen runter. Stumm starrten sie Marie an.
»Na ja, besser gesagt: Er hat uns nach Hamburg eingeladen.«
»Aha«, sagte Kim verdutzt. Auch Franzi schien erstaunt und fragte: »Wieso? Wieso jetzt? Nach wie vielen Erdumdrehungen, Monduntergängen, gefallenen Sternschnuppen?«
»Ach, er sagte irgendetwas von einem Praktikum, das er bei einer Werbeagentur macht und das jetzt zu Ende geht. Er wohnt wieder bei seinem Cousin in Hamburg in einem der hippen Stadtteile und wollte uns die Elbmetropole zeigen, bevor er zurück zu seinen Eltern in einen der Vororte zieht.«
»Das ist alles? Er will für uns den Stadtführer spielen?« Kim legte die Stirn in Falten. »Und mehr steckt da nicht dahinter?«
»Er hat Urlaubsfotos aus England in einer Kiste gefunden, als er am Wochenende bei seinen Eltern nach irgendetwas suchte, und hat sich wohl daran erinnert, wie viel Spaß wir zusammen in Eastbourne hatten.«
»Den hatten wir wirklich. Wenn ich nur an diesen geschmolzenen frittierten Marsriegel denke, den wir mit Zahnstochern auseinandergenommen haben«, erinnerte sich Franzi und kicherte.
»Ich erinnere mich eher an etwas anderes.« Kim schmunzelte.
»Heiße Küsse im Mondlicht, sag ich nur.«
»Kim!« Marie warf ihrer Freundin ein Kissen an den Kopf, das zum Glück nur ihr Haar streifte, sonst wäre es ein Avocadokissen geworden.
»Ich mein ja nur …«
»Das ist ewig her. Was ist jetzt, fahren wir nach Hamburg?«, lenkte Marie schnell ab, obwohl sie selbst nicht sicher war, ob sie überhaupt fahren wollte. Eigentlich hatte sie Jo ja zum Blödmann erklärt, nachdem er auf ihren letzten Anruf nicht reagiert hatte. Und das, obwohl sie ihm eine lange Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Aber auch das war schon ewig her. Irgendwie fühlte sie sich dennoch auch geschmeichelt, dass er nach all der Zeit noch an sie dachte. Und in Hamburg soll man wunderbar shoppen können, überlegte sie. Das alleine wäre ein Kurztrip wert. Und außerdem könnte sie so der unangenehmen Hausbesichtigung entkommen.
»Und wann? Jetzt gleich?«, fragte Kim.
»Klar, Kim, sag schon mal deinen nervigen Brüdern Tschüss. Und du, Franzi, deinem geliebten Pony Tinka!« Und schon wischte sich Marie die längst eingetrocknete Avocadocreme aus dem Gesicht und kramte dann ihren roten Rollkoffer unter dem Bett hervor, ohne den sie nie auf Reisen ging.
»Du meinst es wirklich ernst, oder?«, fragte Franzi. »Felipe kommt am Samstag zurück, schon vergessen? Und ich freue mich schon so darauf, ihn endlich wiederzusehen! Ich werde jetzt ganz bestimmt nicht Hals über Kopf die Stadt verlassen, um mir in Hamburg den ewigen Nieselregen auf die Stirn tröpfeln zu lassen. Davon hatten wir hier die letzten Wochen genug.«
»Das ist nur ein Vorurteil, Franzi. Hamburg ist total schön. Mein Vater hat da mal gedreht und noch Wochen später von der Stadt geschwärmt. Und bis Felipe wiederkommt, sind wir längst zurück. Kommt schon, ein paar Tage Weltstadtluft schnuppern tut uns allen gut. Juchhe, wir gehen shoppen!«, trällerte Marie unternehmungslustig und tat so, als sei die Sache damit beschlossen. Eine Shoppingtour würde sie jetzt ganz bestimmt aufmuntern und die unumgängliche Besichtigung der neuen Behausung erst einmal in den Hintergrund schieben.
Franzi und Kim ließen sich von Maries Elan anstecken und willigten schließlich ein, mit nach Hamburg zu kommen. Nachdem auch ihre Freundinnen die Gesichtsmasken gründlich entfernt und die Saftgläser geleert hatten, brachte Marie Franzi und Kim zur Tür.
»Ich rede jetzt mit meinem Vater, ihr holt auch die Einwilligung eurer Eltern, und danach besprechen wir alles Weitere am Telefon. Abgemacht?«, fragte Marie.
»Abgemacht«, antworteten Franzi und Kim einstimmig.
»Ich rufe Jo dann gleich an und sage zu, wenn mit unseren Eltern alles klargeht. Der wartet bestimmt schon auf meinen Anruf. Ich hatte ihn gebeten, mir eine Minute Zeit zu geben, um mich mit euch zu besprechen.«
»Die Minute ist längst vorbei«, stichelte Franzi und grinste breit.
»Manche Minuten sind eben etwas länger.« Marie zuckte mit den Schultern. »So ist das nun mal.«
Auf nach Hamburg!
Alle Eltern hatten ihren Mädchen den kurzfristigen Hamburg-Trip erlaubt. Und Tessa hatte sich sogar bereit erklärt, Chauffeur zum Bahnhof zu spielen.
»Der Stau hat uns gerade noch gefehlt!«, sagte Tessa und zog die Stirn kraus, nachdem sie drei Mal leidenschaftlich auf die Hupe gedrückt hatte.
»Wir haben noch genug Zeit.« Marie schaute auf ihre Armbanduhr. »Das ist echt nett, dass du Kim und Franzi abholst und uns dann zum Bahnhof fährst. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so früh losfahren müssen.«
Maries Wecker hatte schon vor Sonnenaufgang geklingelt. Um acht Uhr ging der einzige Zug nach Hamburg, in dem noch drei Plätze in einem Abteil zu reservieren gewesen waren. Sie hatte sich nicht nur vorgenommen, nie wieder so kurzfristig über Pfingsten den Versuch zu starten, eine Reise in eine Großstadt zu buchen, sondern auch, pünktlich abfahrtbereit zu sein. Für die Metropole hatte sie sich ein besonders raffiniertes Reiseoutfit zusammengestellt. Sie hatte eine türkise Tunika mit kurzen weiten Fledermausärmeln angezogen und einen breiten Gürtel umgebunden, der ihre schmale Taille betonte, darunter ein silberfarbenes Shirt mit Stickereien an den Ärmeln. Ihre Beine steckten in einer amberbraunen Strumpfhose und die Füße in türkisen Robin-Hood-Stiefeln mit gekrempeltem Schaft. Allein die Klamottenauswahl hatte sie an diesem Morgen schon fast eine Stunde gekostet. Die verlorene Zeit ging zulasten ihrer Fri