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Was machst du, wenn sich alles in deinem Leben von einer Minute auf die andere ändert? Für Laura Hofer soll es der glücklichste Tag ihres Lebens werden. Sehnsüchtig erwartet sie ihren Bräutigam Jakob, doch er erscheint nicht auf dem Standesamt. Nachdem sie mehrmals versucht, ihn zu erreichen, und er kein Lebenszeichen von sich gibt, beschleicht sie der böse Verdacht, dass etwas Schlimmes mit ihm passiert ist. Plötzlich taucht eine Inspektorin der Kriminalpolizei auf und nimmt Laura mit. Was ist geschehen? Treibt jemand ein böses Spiel? Wer könnte dahinterstecken? Doch Laura kann sich an so vieles nicht mehr genau erinnern und wird plötzlich mit den Dämonen ihrer Vergangenheit konfrontiert. Für sie stellt sich die bange Frage: Ist sie Opfer oder Täterin? "Die einsame Braut" erschien bereits vor ein paar Monaten unter dem Titel "Die Braut". Der Inhalt ist gleichgeblieben.
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Impressum
Über die Autoren B.C. Schiller
Weitere Thriller von B.C. Schiller
MALLORCA-CRIME: Insel-Krimi-Reihe
Die Tony-Braun-Thriller
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Jakob – einen Tag zuvor
Kapitel 4
Kapitel 5
Laura – ein Jahr zuvor
Kapitel 6
Kapitel 7
Jakob – neun Monate zuvor
Kapitel 8
Kapitel 9
Laura – neun Monate zuvor
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Jakob – zehn Monate zuvor
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Laura – neun Monate zuvor
Kapitel 16
Kapitel 17
Jakob – zehn Monate zuvor
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Jakob – zehn Monate zuvor
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Laura – fünf Jahre zuvor
Kapitel 24
Kapitel 25
Jakob – zehn Monate zuvor
Kapitel 26
Kapitel 27
Jakob – neun Monate zuvor
Kapitel 28
Kapitel 29
Laura – vier Monate zuvor
Kapitel 30
Kapitel 31
Laura – drei Monate zuvor
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Jakob – zwei Monate zuvor
Kapitel 35
Kapitel 36
Marie – zwanzig Jahre zuvor
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Jakob – zwei Monate zuvor
Kapitel 40
Kapitel 41
Laura – ein Monat zuvor
Kapitel 42
Kapitel 43
Marie – zwanzig Jahre zuvor
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Marie – zwanzig Jahre zuvor
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Marie – zwanzig Jahre zuvor
Kapitel 50
Kapitel 51
Jakob – die Nacht zuvor
Kapitel 52
Kapitel 53
Marie – zwanzig Jahre zuvor
Kapitel 54
Einen Monat später
Kapitel 55
Danksagung
Sämtliche Figuren und Ereignisse dieses Romans sind der Fantasie entsprungen. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist zufällig und von den Autoren nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Blue Velvet Management e.U. urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.
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Titelgestaltung: www.afp.at
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Barbara und Christian Schiller leben und arbeiten in Wien und auf Mallorca mit ihren beiden Ridgebacks Calisto & Emilio. Gemeinsam waren sie über 20 Jahren in der Marketing- und Werbebranche tätig und haben ein totales Faible für packende Thriller.
B.C. Schiller gehören zu den erfolgreichsten Spannungs-Autoren im deutschsprachigen Raum. Bisher haben sie mit ihren Thrillern über 2.500.000 Leser begeistert.
DIE FOTOGRAFIN: Psychothriller
DIE SCHWESTER: Psychothriller
DUNKELSTEIG-Trilogie:
Die Journalistin Felicitas Laudon kehrt zum Begräbnis ihres Vaters in ihren Heimatort Dunkelsteig zurück. Kurz nach dem Abitur verschwand dort ihre beste Freundin Manuela in dem mysteriösen Teufelsspalt. Für Felicitas ist jetzt die Zeit gekommen, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen.
DUNKELSTEIG: Band 1
DUNKELSTEIG: SCHULD – Band 2
DUNKELSTEIG: BÖSE – Band 3
MÄDCHENSCHULD – ist der erste Band der spannenden Mallorca-Crime-Reihe mit der Inspectora Ana Ortega und dem Europol-Ermittler Lars Brückner. Die Krimi sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
SCHÖNE TOTE – der zweite Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.
FAMILIENBLUT – der dritte Band mit Ana Ortega und Lars Brückner
TOTES SOMMERMÄDCHEN – der erste Tony-Braun–Thriller – »Wie alles begann«
TÖTEN IST GANZ EINFACH – der zweite Tony-Braun-Thriller
FREUNDE MÜSSEN TÖTEN – der dritte Tony-Braun-Thriller
ALLE MÜSSEN STERBEN – der vierte Tony-Braun-Thriller
DER STILLE DUFT DES TODES – der fünfte Tony-Braun-Thriller
RATTENKINDER – der sechste Tony-Braun-Thriller
RABENSCHWESTER – der siebte Tony-Braun-Thriller
STILLER BEOBACHTER – der achte Tony-Braun-Thriller
STRANDMÄDCHENTOD – der neunte Tony-Braun-Thriller
STILLES GRABESKIND – der zehnte Tony-Braun-Thriller
Alle Tony-Braun-Thriller waren monatelang Bestseller in den Charts. Die Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Der Tag, an dem sich mein Leben auflöst, beginnt mit einem blutroten Sonnenaufgang. Das Licht taucht den Vorraum meiner Wohnung in ein Meer aus Flammen. In dem runden Spiegel im Flur betrachte ich meine Silhouette und höre die Sätze, die ich leise diesem Gesicht entgegenwerfe.
»Mein Name ist Laura Hofer und ich bin die glücklichste Frau der Welt, denn heute heirate ich die Liebe meines Lebens.«
Ein letztes Mal überprüfe ich die Passform meines Hochzeitskostüms, eile dann die Treppe nach unten, öffne die Haustür, blinzle in die Sonne und steige in das Taxi, das schon auf mich wartet.
Mit klopfendem Herzen lehne ich mich im Fond des Wagens zurück, hole den kleinen Taschenspiegel aus meiner Handtasche und kontrolliere noch einmal mein Make-up und den Schwung meiner Locken. Ich bin Mitte dreißig, meine Bekannten halten mich für kühl und selbstbewusst, aber in Wirklichkeit bin ich ganz anders. Gestern hat die Friseurin meine Locken übertrieben betont und mich auf weiblich gestylt. Damit fühle ich mich ein wenig fremd, denn normalerweise binde ich mein rötlich braunes Haar zu einem schlichten Knoten fest nach hinten. Das unterstreicht meine hohen Wangenknochen und die hellen Augen. Aber für diesen besonderen Tag streife ich meine kühle Aura ab und offenbare meine feminine Seite.
»Sie sehen so freudig aus«, meint der Taxilenker, während er mich im Rückspiegel betrachtet.
»Heute ist ein besonderer Tag«, antworte ich lächelnd.
»Ach, haben Sie Geburtstag?«
»Nein, ich heirate.«
»Herzlichen Glückwunsch. Ihr zukünftiger Mann muss ein richtiger Glückspilz sein. Ich hoffe, er weiß das zu schätzen.«
»Ja, er liebt mich und trägt mich auf Händen«, erwidere ich hastig.
Als das Taxi das Standesamt erreicht, sehe ich eine Gestalt unter den Torbögen ungeduldig auf und ab gehen. Es ist eine Frau mit einem blonden Pagenkopf, die genüsslich eine Zigarette raucht. Als sie mich erblickt, wirft die Frau ihre Zigarette auf den Boden und tritt die Kippe mit ihrem Pumps aus.
»Hallo, Liebes«, begrüßt mich Mona, meine Trauzeugin und beste Freundin, mit einer Umarmung. »Wo ist Jakob?«, fragt sie und blickt suchend umher. »Wolltet ihr denn nicht gemeinsam kommen?«
»Nein, da hast du dich getäuscht«, antworte ich knapp.
Mona nickt und mustert mich mit ihrem Kennerblick. »Wow, toll siehst du aus. Ich sage dir doch immer, trage die Haare offen. Und dann dieses Dekolleté«, meint Mona bewundernd und deutet auf den tiefen Ausschnitt meiner Kostümjacke. Prüfend schaut sie mir in die Augen. »Bist du nervös?«
»Ein wenig.« Ich bin Komplimente noch immer nicht gewöhnt und werde leicht rot. »Es ist schließlich ein besonderer Tag heute.«
»Hast du Jakob gestern noch getroffen?«
»Ja, es war sehr speziell.«
Mona blickt auf ihre Uhr. »Wir müssen uns beeilen. Jakobs Trauzeuge und seine Eltern warten bereits vor dem Saal«, informiert sie mich geschäftig. »Alles wird gut«, beruhigt sie mich, als ich zögere. Dabei sieht meine Freundin mir nochmals tief in die Augen, so als wolle sie die schwarzen Flecke auf dem Grund meiner Seele ergründen. »Ehe ich’s vergesse: Voilà, hier ist dein Brautstrauß. Wiesenblumen, wie du es gewünscht hast«, sagt sie und drückt mir ein in weißes Seidenpapier gehülltes Bukett in die Hand.
»Der ist aber hübsch, danke«, antworte ich. »Dann wollen wir sie nicht länger warten lassen.« Ich ziehe die schwere Tür des Amtshauses auf und atme noch einmal tief durch. Gleich treffe ich auf Jakobs Eltern, die seit unserem Kennenlernen immer gegen diese Verbindung waren.
»Was war eigentlich am gestrigen Abend so speziell?«, fragt Mona neugierig.
»Ach, nichts weiter, ich wollte nur gestern alleine in meiner Wohnung übernachten und das hat Jakob nicht gefallen. Die Nacht vor der Hochzeit muss man getrennt schlafen. Das bringt sonst Pech«, antworte ich.
»Ist das so?« Mona betrachtet mich skeptisch von der Seite. »Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist.«
»Das hat nichts mit Aberglauben zu tun, das ist eine Tradition. Genauso wie das Brautkostüm, das darf der Bräutigam vor der Hochzeit auch nicht sehen«, verteidige ich mich.
»Aber du heiratest doch nicht in der Kirche«, meint Mona und deutet auf mein Kostüm.
»Das war nur ein Beispiel«, entgegne ich leicht genervt. Bei Mona muss man ständig auf der Hut sein. Sie merkt sich alles, was man sagt, stellt ganz gezielt Fragen und bringt mich manchmal in Erklärungsnot. Meine Freundin ist Fitness-Trainerin und außerdem unglaublich belesen. Sie gilt bei unseren wöchentlichen Leserunden als scharfsinnigste Kritikerin. Wir haben uns vor einiger Zeit in meiner Buchhandlung kennengelernt, und obwohl Mona im Gegensatz zu mir sehr emotional ist, verbindet uns seitdem die Liebe zu Sport und Büchern.
»Ist schon gut«, lenkt Mona eilig ein. Ich merke, dass sie mir den heutigen Tag nicht verderben will.
Gemeinsam steigen wir die breite Freitreppe hoch. Ich bin den engen Kostümrock nicht gewöhnt und kann nur mit kleinen Schritten trippeln. Als Mona die Tür zum Trauungssaal öffnet, drehen sich alle Anwesenden zu uns um: Grete und Hans Denkstein, Jakobs Eltern, und Lorenz, Jakobs Trauzeuge, den ich nicht ausstehen kann, obwohl wir uns bereits mehrmals getroffen haben. Etwas abseits steht der Standesbeamte und mustert mich mit einem wohlgefälligen Blick. Genauso habe ich mir die Situation in meinen Träumen vorgestellt, heute sollen mich alle bewundern.
»Wo ist der Bräutigam geblieben?«, fragt der Standesbeamte freundlich.
»Er ist schon unterwegs«, erwidere ich und gehe zu Jakobs Eltern hinüber. »Wie schön, euch zu sehen«, begrüße ich sie und küsse Grete auf beide Wangen. Als ich Hans die Hand hinstrecke, schüttelt er sie mit spitzen Fingern.
»Ich wollte nicht kommen, aber Grete hat darauf bestanden. Jakob ist schließlich unser einziges Kind«, antwortet Hans unterkühlt.
»Ich weiß das sehr zu schätzen«, antworte ich mit strahlendem Lächeln. Verbissen bemühe ich mich um Konversation, verdränge bewusst Hans’ Ablehnung.
»Aber bei der Feier heute Abend sind wir leider nicht dabei«, ergänzt Jakobs Mutter, verdüstert damit für einen kurzen Augenblick das helle Leuchten. »Hans muss Inventur machen und ich helfe ihm dabei.«
»Wie schade.« Noch immer lächelnd verbanne ich diese Störung aus meinem Kopf und umarme spontan meine zukünftige Schwiegermutter, deren Körper sich bei meiner Berührung versteift, das spüre ich ganz deutlich. Jakobs Eltern bilden eine starke Front gegen mich, wollen ihren Sohn nicht verlieren, ihm meine Liebe nicht gönnen. Nachdem wir noch ein paar Floskeln ausgetauscht haben, breitet sich eine unangenehme Stille aus und ich starre auf die Tür.
»Wo bleibt Jakob?« Ich werde langsam nervös. Auch der Standesbeamte schaut auf seine Uhr und winkt mich dann mit einer knappen Handbewegung zu sich.
»Wir sind schon etwas über der Zeit«, flüstert der Beamte. »Aber keine Sorge, noch haben wir etwas Spielraum«, beruhigt er mich sofort, als er meine bestürzte Miene erkennt. »So eine hübsche Braut lässt man sicher nicht zu lange warten.«
»Mein Bräutigam wird gleich erscheinen.« Beunruhigt nestle ich mein Handy aus der Handtasche und schicke Jakob eine WhatsApp. Die Nachricht wird zugestellt, aber nicht gelesen. Ich schreibe eine neue Nachricht, schicke sie los. Dann noch eine. Meine Mitteilungen häufen sich. Ich starre auf das Display, will es kraft meiner Gedanken zu einer Antwort zwingen.
»Was ist los?« Mona beobachtet mich, wie ich hektisch Nachricht um Nachricht an Jakob absende.
»Wahrscheinlich kein Empfang«, meine ich, halte das Handy hoch und lächle nervös.
»Lass uns kurz nach draußen gehen«, schlägt Mona vor und zieht mich zur Tür.
»Bin gleich zurück!«, rufe ich und wir eilen aus dem Trauungssaal, die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße. Wieder schicke ich eine WhatsApp, tippe »Wo bleibst du?« und blicke mich um. Weiter oben steht ein Krankenwagen quer auf der Straße. Neugierige Passanten werden von der Polizei zurückgedrängt. Auf dem Asphalt liegt eine mit einer Plane zugedeckte Gestalt. Ein beschädigtes schwarzes Rennrad lehnt am Bordstein.
»Jakob besitzt doch ein solches Fahrrad?«, murmelt Mona und wird ganz blass.
»Du hast recht.« Ratlos schaue ich Mona an.
»Glaubst du, er ist mit dem Rad zu seiner Hochzeit gefahren?«, fragt Mona zögernd.
Blitzschnell überlege ich. »Oh mein Gott, wie schrecklich!« ›Es macht sicher einen guten Eindruck, wenn ich mich um meinen Bräutigam sorge‹, denke ich und laufe los.
Während ich in meinem engen Rock die Straße entlanghaste, blenden mich die Sonnenstrahlen, Häuserfassaden wirken verzerrt wie in einem Stummfilm, und die Personen sind nur als Schattenrisse zu erkennen.
Ich eile auf einen Polizisten zu, der sich mir in den Weg stellt und die Arme ausbreitet, als wäre er mein Liebhaber. Doch ich stoße den Beamten zur Seite, stürze auf die Gestalt zu, die am Boden liegt. Es ist ein Mann, das erkenne ich an der Größe der Sneaker. Auch Jakob trägt immer Turnschuhe, genauso wie diese Person. Immer weiter steigere ich mich in die Unfallszene hinein und beginne zu schreien.
Ich reiße die Plane vom Gesicht des Mannes, pralle entsetzt zurück. ›Ist das Jakob? Stopp. Beruhige dich‹, ermahnt mich meine innere Stimme. ›Das kann unmöglich Jakob sein, versuche dich einfach an gestern Abend zu erinnern.‹
»Das ist nicht Jakob«, schluchze ich und lasse mich von dem Polizisten wegführen, weg von dem Unfall, weg aus dem düsteren Traum.
»Ich dachte, das sei mein Bräutigam«, flüstere ich und halte meine Arme wie ein Schutzschild vor meine Brust. »Ich heirate heute.«
Die finstere Miene des Polizisten hellt sich auf und ein verständnisvolles Lächeln wandert über sein Gesicht. Mitfühlend deutet er in Richtung Standesamt. »Sie werden dort sicher schon freudig erwartet.«
»Ja, ich werde erwartet«, wiederhole ich mechanisch. Langsam schleiche ich zum Amtshaus zurück und betrete den Trauungssaal. Die Wiesenblumen lassen bereits die Köpfe hängen und genauso fühle ich mich.
Mona kommt mir entgegen und drückt mich an sich.
»Das war nicht Jakob. Aber wo bleibt er nur?«, frage ich beklommen.
»Beruhige dich. Probiere noch mal, ob du ihn erreichst.«
Ich nicke, gebe Jakob eine weitere Chance und schreibe eine WhatsApp. Plötzlich erstarre ich und blicke gebannt auf das Display, denn Jakob hat alle bisherigen Mitteilungen gelesen.
»Sieh mal.« Erleichtert halte ich Mona das Handy entgegen. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl strömt aus allen meinen Poren, umhüllt mich wie einen Panzer, macht mich unbesiegbar.
»Na, dann wird Jakob gleich auftauchen.« Mona holt ein Taschentuch aus ihrer Jacke und tupft notdürftig die verschmierte Mascara unter meinen Augen weg. »Das Kostüm ist etwas verschwitzt«, sagt sie. »Möchtest du die Jacke kurz ausziehen?«
»Nein, das stört mich nicht«, erwidere ich lächelnd. »Wahrscheinlich ist Jakob nur aufgehalten worden.«
»Warum ruft er dann nicht an? Ist wirklich alles in Ordnung zwischen euch?« Mona blickt mich zweifelnd an.
»Natürlich. Wir lieben uns wie am ersten Tag, aber …«
Abrupt schweige ich, als ich Monas verwirrten Gesichtsausdruck bemerke. Meine Freundin kennt sich nicht aus mit einer Liebe, die alle Grenzen überschreitet. Mona ist bereits zweimal geschieden und dementsprechend desillusioniert. Ihr Herz ist erkaltet.
»O. k., dann warten wir einfach weiter auf Jakob.« Mona streicht unsichtbaren Schmutz von meiner Kostümjacke, es ist eine Verlegenheitsgeste, denn es fehlen ihr die Worte.
Anders als Lorenz, der mit den Händen in den Seitentaschen seiner Anzughose wie ein Macho auf mich zuschlendert. Ich vermisse nur noch das Streichholz zwischen seinen Zähnen, dann wäre sein Auftritt komplett.
»Gibt’s was Neues?«, fragt er und mustert mich mit seinem Forscherblick, unter dem ich mich immer wie ein Reptil fühle, das gleich gehäutet und dessen Innerstes nach außen gekehrt wird.
»Jakob hat meine WhatsApp-Nachrichten gelesen.« Zum Beweis halte ich ihm das Handy hin.
»Ja und?« Lorenz zuckt mit den Schultern. »Aber aufgetaucht ist er noch nicht. Vielleicht wurde ihm alles zu viel. Es ging mit euch ja so verdammt schnell. Da kommt man überhaupt nicht zum Denken, zum Abwägen.«
»Blödsinn! Liebe denkt nicht, Liebe wägt nicht ab, Liebe ist keine Ware, sondern eine Welle, die einen mitreißt.«
»Ist das so?« Lorenz weicht zurück, betrachtet mich jetzt wie eine Aussätzige, wie ein Wesen, das eine ansteckende Krankheit hat.
»Mein Sohn trifft immer die richtigen Entscheidungen.« Die Stimme von Jakobs Vater dringt durch meine Panzerung wie ein Dolch aus dem Hinterhalt. »Wahrscheinlich war er doch nicht so verliebt in dich. Jakob hat erkannt, dass alles nur ein Strohfeuer war, das bereits vor der Hochzeit erloschen ist.«
Ich hole tief Luft, bin es leid, immer unsere Liebe verteidigen zu müssen. Eine patzige Antwort liegt mir auf der Zunge, doch als ich Gretes beunruhigte Miene sehe, schlucke ich die bösen Worte hinunter.
»So leid es mir tut, aber wir müssen Ihre Trauung verschieben, Frau Hofer«, meint der Standesbeamte bedauernd.
»Bitte, geben Sie uns ein wenig Aufschub«, flehe ich ihn an. ›Aufschub, das Wort hört sich an, als sei das Unausweichliche bereits beschlossene Sache und würde nur auf Stand-by gestellt.‹
»Gut, aber nur mehr ein paar Minuten. Ich kann die anderen Paare nicht zu lange warten lassen«, lässt sich der Standesbeamte erweichen.
»Da kommt Jakob!«, rufe ich erleichtert, als sich die Tür öffnet. Doch es ist nicht mein Bräutigam, der eintritt, sondern eine Frau mit einem dunkelblonden Zopf, die Jeans und einen braunen Mantel trägt.
»Ich suche Frau Laura Hofer«, sagt sie und blickt prüfend in die Runde.
»Das bin ich.« Verunsichert hebe ich den Arm und trete einen Schritt nach vorn.
»Inspektorin Miriam Sperl«, stellt sich die Frau vor und zückt ihren Dienstausweis.
»Was wollen Sie?«, stammle ich verwirrt. ›Wieso taucht eine Inspektorin auf und nicht Jakob? Warum liest er meine Mitteilungen und antwortet nicht? Warum läuft heute an diesem besonderen Tag alles schief?‹
»Ich habe es dem Polizisten auf der Straße bereits erklärt. Es war eine Verwechslung, das Unfallopfer ist nicht Jakob.«
»Was ist denn passiert?«, mischt sich mit einem Mal Jakobs Mutter ein. »Mein Sohn hatte einen Unfall?«, fragt sie mit banger Stimme.
»Nein, das hatte nichts mit Jakob zu tun. Hör mir doch einfach zu«, antworte ich genervter, als ich will, und relativiere sofort. »Tut mir leid, aber ich weiß selbst nicht, was hier vorgeht.«
»Das wird sich sicher bald aufklären.« Die Inspektorin ist in meinem Alter, weder hübsch noch hässlich, man könnte sagen, sie ist Durchschnitt, wenn das nicht so abwertend klingen würde. Auch ich fühlte mich durchschnittlich, bis mich die Liebe aus der Masse der Gesichtslosen hervorhob und einzigartig machte.
»Weswegen sind Sie eigentlich hier«, frage ich gedehnt.
»Es gab in der Wohnung von Jakob Denkstein einen Vorfall, den wir gern mit Ihnen vor Ort klären würden«, erwidert Miriam Sperl ausweichend.
»Was ist denn passiert? Können wir das nicht hier erledigen?«
Die Miene von Miriam Sperl ist verschlossen und ich ahne bereits, dass ihr Erscheinen nichts Gutes bedeutet. Und so ist es auch. Obwohl die Aufforderung höflich klingt, duldet ihre Stimme keinen Widerspruch.
»Würden Sie mich bitte begleiten?«
Jakob Denkstein fuhr mit seinem Rennrad über das Kopfsteinpflaster auf das Haus zu und blickte an der Fassade hinauf. Die stuckverzierten Fenster im dritten Stock waren hell erleuchtet, und die Umrisse einer Gestalt wurden als riesiger Schatten nach draußen geworfen. Mit einer schnellen Handbewegung stieß Jakob die Haustür auf, schulterte sein Bike und eilte in das düstere Treppenhaus. Der Aufzug hielt gerade im Erdgeschoss und eine ältere Frau trat nach draußen.
»Hallo, Frau Gruber«, begrüßte Jakob gut gelaunt seine Nachbarin, die ihn wohlgefällig von oben bis unten musterte.
»Sie sind immer so sportlich unterwegs, Jakob. Ihre Freundin ist schon seit einiger Zeit in Ihrer Wohnung«, informierte sie ihn. Jakob hatte die alte Dame im Verdacht, über jeden seiner Schritte Bescheid zu wissen und genau zu kontrollieren, wer ihn besuchte.
»Ja klar, Laura hat doch einen Schlüssel. Außerdem heiraten wir morgen«, antwortete Jakob, um der Nachbarin ein für alle Mal zu verdeutlichen, dass Laura nicht eine seiner Bekanntschaften war, sondern etwas Besonderes, nämlich seine Braut.
»Herzlichen Glückwunsch«, erwiderte Frau Gruber mechanisch und hielt Jakob die Lifttür auf.
»Danke, aber ich nehme wie immer die Treppe«, winkte Jakob ab. »Das ist gesünder.«
»Haben Sie sich das auch gut überlegt?«, rief ihm die Nachbarin hinterher.
»Bis in den dritten Stock ist es doch nicht anstrengend«, antwortete Jakob.
»Ich meine das mit der Hochzeit«, stellte Frau Gruber klar.
»Natürlich, denn ich liebe Laura.« Die alte Nachbarin murmelte noch etwas, doch Jakob hatte bereits den nächsten Treppenabsatz erreicht und war außer Hörweite. Jakobs Wohnung unterschied sich nicht von den anderen im Haus. Sie bestand aus zwei Zimmern, von denen man einen schönen Ausblick auf eine kleine Kirche hatte.
Vor seiner Wohnungstür blieb er kurz stehen, stellte das Rad ab und atmete tief durch. In Gedanken spielte er das Szenario durch. Gleich war es so weit, dann musste er reinen Tisch machen. Wie würde Laura reagieren? Ganz leise öffnete Jakob die Tür, sog begierig Lauras Duft ein, der sich in der ganzen Wohnung festgesetzt hatte, den er nie wieder missen wollte.
Wenn Laura mitten in der Nacht schweißgebadet in seinem Bett hochschreckte und sich erst orientieren musste, dann drückte er seine Freundin fest an sich und wusste, dass er mit ihr in einem sicheren Hafen gelandet und nicht einsam an einer Küste gestrandet war. Diese Erkenntnis, die beinahe nächtlich zwischen Mitternacht und Morgen als silberner Lichtstreif am Horizont auftauchte, ließ ihn beruhigt in die Kissen zurückfallen.
Seine Wohnung war schon halb leer geräumt, denn sie hatten beschlossen, dass er nach der Hochzeit zu Laura ziehen würde. Noch stand aber sein Schreibtisch hier und darauf lag sein aufgeklapptes Notebook. Jakob sah mit Entsetzen, dass der Bildschirm aktiviert war, weil er sich immer Musik downloadete und vergessen hatte, den Laptop zu schließen. Hastig überflog er die Dateien auf dem Display, doch Gott sei Dank hatte Laura noch keine davon angeklickt. Erleichtert klappte Jakob das Notebook zu und verstaute es in seiner Schreibtischlade.
Die Tür zum Schlafzimmer war bloß angelehnt, vorsichtig schob Jakob sie weiter auf und betrachtete seine Braut.
Laura stand in Slip und Tanktop vor dem Bett, auf dem ihr Hochzeitskostüm lag. Mit der Hand strich sie über den weichen Stoff, schlüpfte dann in den federleichten Rock, der wie angegossen passte, griff nach der Jacke, deren Seidenfutter elegant über ihre nackten Schultern glitt. In dem riesigen Spiegel, in dem sich beide gerne beim Sex beobachteten, entdeckte er mit einem Mal eine Frau, die, anders als die strenge Buchhändlerin, die gelockten Haare offen trug und sinnlich in einem teuren Kostüm posierte.
Jakob war so sehr in ihren Anblick vertieft, dass er überhaupt nicht bemerkte, wie Laura ihn im Spiegel entdeckte, sich blitzschnell umdrehte und ihn überrascht fragte:
»Du bist schon hier? Wieso schaust du mir heimlich zu?«
»Ich wollte nur sehen, wie dir das Hochzeitskostüm steht. Es passt dir wie angegossen«, versuchte Jakob ein Kompliment, obwohl er sich völlig in der Defensive fühlte. »Entschuldige, wenn ich dich gestört habe.«
»Schnüffelst du mir hinterher?« Mit keinem Wort ging Laura auf Jakobs Entschuldigung ein, stattdessen schob sie ihn rüde zur Seite. »Meine Dinge gehen dich überhaupt nichts an. Du hättest mein Kostüm vor der Hochzeit auf keinen Fall sehen dürfen. Das bringt Unglück!«
»Ach komm schon, Laura. So schlimm ist das doch nicht«, widersprach Jakob.
»Doch. Raus jetzt!« Laura ballte die Fäuste und ihre Stimme kippte über.
»Beruhige dich!« Überrascht hob Jakob abwehrend die Hände, zuckte zusammen, als Laura mit großen Schritten auf ihn zukam und ihm die Tür vor der Nase zuknallte. Kopfschüttelnd schritt Jakob im Wohnzimmer auf und ab, überlegte, ob jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, ihr die Wahrheit zu sagen. Am besten, er würde noch einen Moment warten, bis sich die Wogen wieder geglättet hatten.
Kurz darauf öffnete sich die Schlafzimmertür und Laura erschien in Jeans und T-Shirt. Ihre Haare hatte sie wieder zurückgebunden, sie sah streng aus wie immer, doch ihre hellen Augen blickten unruhig.
»Mach das nie wieder.« Laura schlang ihre Arme um Jakob und legte ihren Kopf an seine Brust.
»Was?«
»Mich heimlich zu beobachten.«
»Versprochen.« Er erwiderte ihre leidenschaftliche Umarmung, der kleine Streit war zum Glück vergessen. »Das Kostüm steht dir wirklich ausgezeichnet.« Jakob strich sanft über Lauras Haar.
»Hör auf, mich wie einen Hund zu streicheln.« Wütend schob Laura Jakobs Hand von ihren Haaren, riss sich los und trat ans Fenster. »Du weißt doch, dass ich das hasse, schon vergessen? Jetzt ist meine Stimmung im Keller und du bist schuld«, fauchte Laura.
»Spinnst du?« Langsam riss Jakob der Geduldsfaden. Was ging bloß in seiner Verlobten vor sich? Wieso machte sie deswegen so ein Theater? »Sag mir, was mit dir los ist. Wieso darf ich dich beim Anziehen nicht beobachten oder deine Haare streicheln? Hat es vielleicht mit deiner Vergangenheit zu tun?«
»Was willst du mir damit sagen?« Laura starrte ihn voller Misstrauen an.
»Ach, nichts«, wiegelte Jakob ab. ›Verdammt, das war ein Fehler gewesen.‹ Er wusste, es waren immer die unwichtigen Dinge, die Misstrauen säten, es waren die falschen Antworten, die Zweifel nicht zerstreuten, sondern aufblähten und damit alles irrational überlagerten und jedes normale Gespräch verhinderten.
Jakob schlurfte mit schweren Schritten in die Küche. Holte zwei Weingläser aus dem Schrank und entkorkte eine Flasche Rotwein, die auf dem Tresen stand. Mit den vollen Gläsern kam Jakob zurück, stellte sie auf den niedrigen Tisch, ließ sich auf die Couch fallen. Er nahm ein Glas und drehte es zwischen den Händen.
»Ich kann dich nicht mit dieser Lüge heiraten«, murmelte Jakob. Noch immer war die Atmosphäre zwar aufgeladen, aber jetzt musste er endlich reinen Tisch machen.
»Was hast du gesagt?« Langsam kam Laura näher, setzte sich auf den äußersten Rand des Sofas. Sie hatte den Rücken durchgedrückt, die Hände im Schoß gefaltet und blickte ihn argwöhnisch an.
»Laura, ich muss dir etwas gestehen …«
»Sei still.« Laura hob abwehrend die Hand. »Du starrst mich mit diesem geilen Blick an, das ist ekelhaft. Jetzt überlege ich ernsthaft, ob wir überhaupt heiraten sollten.«
»Das ist nicht dein Ernst.« Jakob atmete genervt aus und ein, trank das Glas Wein in einem Zug leer, holte die Flasche aus der Küche, schenkte sich nach und trank. Am liebsten hätte er jetzt losgebrüllt, alles, was er herausgefunden hatte, Laura ins Gesicht geschrien, doch er beherrschte sich, nur seine Kiefermuskeln zuckten.
»Du schleichst hier einfach herein und beobachtest mich«, redete Laura weiter. »Ich muss mir jetzt ein neues Kostüm besorgen.«
»Das ist doch albern und völlig unlogisch. Du verhältst dich wie ein Kleinkind.«
»Was verstehst du denn von kleinen Kindern«, zischte Laura und in ihren Augen glomm ein gefährliches Feuer. »Hast du schon einmal für Kinder gekocht oder ihnen vorgelesen?«
»Nein, aber ich kann mir vorstellen, was du meinst. Lass es raus und sprich mit mir darüber.«
»Da gibt’s nichts zu erzählen. Ich will davon auch nichts mehr wissen.« Laura presste beide Hände auf ihre Ohren.
»Du musst mir aber zuhören. Wir beide lügen uns an, doch jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen.« Es war so weit, er musste die Karten auf den Tisch legen, egal was die Konsequenzen wären.
»Ich will nichts hören!« Noch immer hielt sich Laura die Ohren zu und verzerrte das Gesicht zu einer Grimasse.
»Doch, jetzt wird geredet!« Jakob stand auf, um sich erneut Wein nachzuschenken. »Erzähle mir endlich etwas aus deiner Jugend!«, rief er aus der Küche.
»Ich halte es hier nicht mehr aus!« Mit einem Mal sprang Laura auf, packte ihr Glas und schleuderte es auf den Boden, wo es mit einem Klirren zersprang. Rotwein floss auf den hellen Parkettboden. »Immer diese Fragerei.« Mit ihrem Schuhabsatz kickte Laura die Glasscherben zur Seite. »Das ist ja wie ein Polizeiverhör.«
»Du bist völlig übergeschnappt.« Jakob trat aus der Küche, bückte sich, um die Scherben aufzuheben, und spürte plötzlich einen brennenden Schmerz. »Fuck!«, fluchte er und starrte auf seine Handfläche, in der ein tiefer Schnitt klaffte, der die Lebenslinie zerteilte und aus dem Blut tropfte. Zum Glück lag ein Küchentuch in Reichweite, er griff danach und presste es sich auf die Wunde.
»Armer Schatz, du hast dich geschnitten.« Laura war wie verwandelt. Sie huschte an Jakob vorbei in die Küche auf der Suche nach Verbandszeug, doch dann blieb sie wie angewurzelt stehen. Jakob folgte ihr und bemerkte, dass Laura gebannt die blitzenden Messer anstarrte, die an einem metallenen Magnetband über dem Küchenblock an der Wand hingen, wie ein Kunstwerk.
»Laura«, flüsterte Jakob beschwörend. »Tu es bitte nicht.«
Die Situation ist merkwürdig. Ich sitze in einem unauffälligen Wagen, die Häuser ziehen wie Kulissen vorbei. Die Passanten auf den Gehsteigen bewegen sich so unwirklich, als würden sie einer geheimen Choreografie folgen, und ich fühle mich selbst wie in finsterster Nacht.
Miriam Sperl lenkt den Passat geschickt von einer Spur auf die andere, um schneller voranzukommen. Als wir eine Brücke über den Donaukanal passieren und in eine enge Gasse einbiegen, weiß ich mit einem Mal, wo unser Ziel ist.
»Wir fahren zu Jakobs Wohnung, stimmt’s?«
»Das habe ich doch bereits erwähnt.«
»Was ist eigentlich passiert?«, frage ich nervös und endlich antwortet mir die Inspektorin.
»Eine Nachbarin hat in der Früh Jakob Denksteins Wohnung betreten, da die Tür nur angelehnt war. Niemand war in der Wohnung, am Boden lagen Scherben und ein blutdurchtränktes Küchentuch. Die Nachbarin hat angegeben, dass Sie und Herr Denkstein öfter gestritten haben, auch gestern Abend. Die Nachbarin hat auch gewusst, dass Sie heute Vormittag heiraten wollen.«
»Es war kein Streit«, widerspreche ich, will weiterreden, doch Miriam unterbricht mich. Ich nenne sie für mich bei ihrem Vornamen, um meine Panik zu bekämpfen, denn ich weiß, wozu Polizisten fähig sind. Aber das spielt sich nur in meinen Gedanken ab, in der Realität ist sie »die Inspektorin«.
»Die Einzelheiten können Sie mir vor Ort schildern«, meint Miriam. ›Ihre Stimme klingt neutral und sie wirkt wie eine gerechte Polizistin‹, denke ich. Aber natürlich kann ich mich auch täuschen. Ihr Verhalten könnte Taktik sein, um das Gegenüber in Sicherheit zu wiegen. Ich muss also auf der Hut sein. Während der Fahrt schicke ich Jakob erneut WhatsApp-Nachrichten: »Ich bin nicht mehr böse.« und »Bitte, bitte melde dich.« »Nur ein Lebenszeichen, auf Knien flehe ich dich an.« Den letzten Satz lösche ich wieder, ehe ich die Nachricht abschicke. Zu kitschig.
»Wir sind da.« Miriam parkt den Wagen direkt vor dem Haus und legt ein Polizeischild auf das Armaturenbrett. »Gehen wir in die Wohnung.«
Schweigend betreten wir das Stiegenhaus. Miriam öffnet die schmale Aufzugtür, doch ich winke ab.
»Die Kabine ist zu eng. Nehmen wir lieber die Treppe.«
»Ist auch o. k.«, meint Miriam achselzuckend.
Ich muss schlucken und das Atmen fällt mir plötzlich schwer. Je weiter wir die ausgetretenen Stufen emporsteigen, desto dicker wird der Kloß in meinem Hals und ich bekomme fast keine Luft mehr. ›Was wird mich oben in der Wohnung erwarten?‹
»Bitte nichts anfassen«, belehrt mich Miriam, als sie die Eingangstür aufschiebt. Trotz der Sonnenstrahlen, die durch die Wohnzimmerfenster scheinen, kommt mir Jakobs Zweizimmerwohnung mit einem Mal düster und unheilvoll vor. Im Sonnenlicht tanzt der Staub durch die Luft, die leeren Regale und fehlenden Bilder an den Wänden im Wohnzimmer verursachen einen deprimierenden Eindruck, nur Jakobs Schreibtisch vor dem Fenster verleiht dem Zimmer noch eine persönliche Note.
»Wollte Herr Denkstein übersiedeln?«, fragt mich Miriam, während sie sich in dem halb leeren Raum umsieht.
»Wir haben vor, zusammenzuziehen.«
Auf dem Boden liegen noch Glasscherben, und der verschüttete Rotwein ist in die Bodenritzen eingesickert und hat das helle Parkett ruiniert. Miriam hält mir eine Plastiktüte entgegen, in der sich ein blutiger Stofffetzen befindet.
»Erkennen Sie das Küchentuch?«
Ich zögere einen kurzen Moment, nicke dann kurz. Lasse den gestrigen Abend Revue passieren und erzähle, was passiert ist.
»Wir waren angespannt wegen unserer Hochzeit und haben diskutiert.«
»Worüber?«
»Ach, nichts Weltbewegendes. Über die Musik bei der Trauung. Jakob ist Musikliebhaber und wollte etwas Klassisches, ich aber Pop.«
›Warum erzähle ich Miriam nicht, wie es wirklich war? Warum erfinde ich diese Debatte über Musik?‹
»Und was geschah weiter?«
»Wir einigten uns dann auf Klassikrock. Das war’s auch schon. Anschließend haben wir uns mit einem Kuss versöhnt.« Während ich spreche, sehe ich die Szene wieder deutlich vor mir. Ich knallte das Glas wütend auf den Boden, weil mich alles an früher erinnerte, aber das darf ich vor Miriam auf gar keinen Fall erwähnen. »Wir küssten uns und dabei ist Jakob das Weinglas aus der Hand gerutscht und auf dem Boden zerbrochen. Beim Aufheben der Glasscherben hat Jakob sich in die Hand geschnitten. Die Wunde hat stark geblutet. Deshalb ist das Tuch auch so blutdurchtränkt.«
»Mehr ist nicht vorgefallen? Es gab keinen heftigen Streit?« Miriam blickt mich skeptisch an.
»Nein, wir streiten nie. Das ist die ganze Wahrheit. Etwas später bin ich dann nach Hause gegangen.«
»Sie haben sich nicht um Ihren Bräutigam gekümmert? Ihn bedauert und die Wunde verbunden?«, wundert sich Miriam.
»Nein, das war nicht nötig. Ich verstehe nicht, warum Sie mich das fragen. Mein Bräutigam meldet sich nicht bei mir und ist wie vom Erdboden verschwunden. Vielleicht ist ihm etwas Schlimmes passiert?«, murmle ich und kann nur mühsam ein Schluchzen unterdrücken. Es ist wie das böse Gefühl von früher, wenn einem die Tränen in die Augen steigen und der Kloß im Hals immer dicker wird. Mit aller Kraft reiße ich mich zusammen und dränge die Emotionen zurück. Ich hole mein Handy aus der Tasche, spiele nervös damit herum. Ich darf die Beherrschung nicht verlieren.
»Wieso glauben Sie, dass Herrn Denkstein etwas zugestoßen ist?«, fragt Miriam.
»Jakob ist nicht zu unserer Hochzeit erschienen«, antworte ich erregt. »Das ist doch genug Beweis.«
»Vielleicht ist Ihr Streit ja eskaliert«, erwidert Miriam kühl.
»Das war nicht der Fall.« Immer wieder starre ich auf das Handy, warte auf Jakobs erlösenden Anruf. Doch das Display bleibt schwarz und das Gerät liegt wie tot in meiner Hand.
»Jakob schickt mir keine Antwort, obwohl ich ihm schon Dutzende WhatsApp-Nachrichten gesendet habe. Können Sie sein Handy nicht orten?«
»Das ist erst möglich, wenn ein Verdacht auf ein Gewaltverbrechen besteht oder eine Vermisstenmeldung aufgegeben wird. Vielleicht taucht Ihr Bräutigam bald wieder auf«, vertröstet mich Miriam.
»Ich habe Durst. Kann ich mir ein Glas Wasser holen?«, frage ich mit krächzender Stimme. Mit einem Mal fühle ich mich völlig ausgedörrt, wie nach einem tagelangen Marsch durch die Wüste.
Miriam folgt mir in die Küche, und während ich den Wasserhahn aufdrehe, um ein Glas aufzufüllen, schaut sich die Polizistin konzentriert um. Ich folge ihrem prüfenden Blick und entdecke plötzlich, dass zwischen den Messern, die an dem Magnetband hängen, eine leere Stelle ist. Jetzt kann ich nur hoffen, dass Miriam das Fehlen des Messers nicht auffällt. Doch zum Glück dreht sie sich jetzt zu mir und ich entspanne mich wieder.
»Gehen wir wieder ins Wohnzimmer«, sage ich schnell, um ganz sicher zu sein.
»Gibt es jemanden, der bezeugen kann, dass Sie gestern Nacht zu Hause waren?«, fragt Miriam unvermittelt, als wir vor den leeren Regalen stehen.
»Was denken Sie eigentlich von mir? Ich wollte heute heiraten, da werde ich doch nicht am Abend zuvor mit einem anderen Mann ins Bett gehen«, antworte ich entrüstet.
»Das meinte ich nicht. Ich dachte eher an einen Polterabend mit Freundinnen.«
»Ich habe nur eine Freundin, die ein Fitnessstudio führt, und die hatte keine Zeit. Nach der Arbeit sitze ich meistens isoliert in meiner Wohnung und rede mit niemandem außer mit meinem Kater.«
»Haben Sie nicht wenigstens ein paar Internetbekanntschaften?«
»Mit dem Internet kenne ich mich nicht besonders aus.«
»Vor Jakob hatten Sie also mit niemandem näheren Kontakt?«
»Nein, ich war immer allein und einsam.«
Die Männer waren breitschultrig mit dunklen Bärten, doch dazwischen schlich sich ein blonder Typ mit feinen Gesichtszügen. Lange betrachtete Laura das Porträt auf dem Display ihres Laptops, zögerte kurz und klickte dann darauf. In rascher Folge tauchten verschiedene Fotos des blonden Mannes in einer Slideshow auf. Laura trank zur Motivation einen Schluck Rotwein und füllte den angefügten Fragebogen der Dating-App aus.
Eine Dating-Plattform war für Laura die einzige Möglichkeit, mit dem anderen Geschlecht in Kontakt zu treten. In dieser virtuellen Welt fühlte sie sich sicher, hier konnte ihr nichts passieren, niemand würde ihr zu nahe treten und sie berühren.
»Ob er und ich wohl matchen?«, fragte sie Antonia, ihren anthrazitfarbenen Kater. Der Kater schnurrte nur verstimmt und sprang dann mit einem eleganten Satz von der Couch. Er mochte es nicht, wenn Laura nach anderen Männern Ausschau hielt.
»Klick!«, schallte es aus dem Lautsprecher des Laptops, gefolgt von einem albernen Klatschen. Zwei Herzen tauchten auf dem Bildschirm auf, die sich zusammenschoben und zu einem einzigen vereinten. Darunter öffnete sich ein Fenster für einen privaten Chat.
»Super! Wir matchen!« Laura klatschte in die Hände und begann, eine coole Begrüßung in die Tastatur zu tippen.
»Verträumtes Dinner oder hippe Bar?«, fragte sie den blonden Mann, der sich Nils nannte.
»Hippe Bar natürlich«, tippte Nils.
So ging es eine Weile hin und her, die Fragen und Antworten wurden immer direkter, denn schließlich wussten beide, weshalb sie auf dieser Plattform unterwegs waren.
»Couch oder Bett?« Der Cursor blinkte verheißungsvoll und Laura zögerte keine Sekunde.
»Beides!«
»Wann?«
»Nicht so hastig«, schrieb sie und spürte das verführerische Kribbeln im Bauch. Sie wollte gerade weiterschreiben, als ihr Handy klingelte.
»Shit. Da muss ich rangehen«, murmelte sie nach einem Blick auf das Display.
»Magst du es lieber langsam?«, tippte Nils seine Frage, ehe sie das Gespräch entgegennahm.
»Hallo Xaver, das ist aber eine Überraschung, so spät am Abend Ihre Stimme zu hören.«
»Hast du vergessen, dass wir uns duzen?«
»Nein, nein«, beeilte sich Laura zu antworten. »Aber ich dachte, es ist dir vielleicht nicht mehr recht.«
»Aber wie kommst du darauf? Wo wir uns doch schon so gut kennen. Ich habe lange nichts von dir gehört? Ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens, ich fühle mich sehr ausgeglichen«, erwiderte Laura und warf einen schnellen Blick auf den Bildschirm ihres Laptops, wo der Cursor noch immer erwartungsvoll blinkte und Nils auf eine Antwort wartete.
»Wie geht es dir mit dem Durchschlafen? Hast du noch immer Probleme damit?«, hörte sie Xavers vertraute Stimme an ihrem Ohr. Er schien sich anscheinend auf ein längeres Gespräch einzustimmen.
»Ich schlafe wie ein Murmeltier«, antwortete Laura, nahm einen Schluck Rotwein und dachte dabei insgeheim an ihre Melatonin-Tabletten, die auf dem Nachttisch lagen. ›Warum erzähle ich ihm nicht, dass ich nachts immer hochschrecke und erst wieder einschlafe, wenn ich die Tabletten oder das Spray genommen habe? Vielleicht, weil mir das Lügen zur zweiten Natur geworden ist und ich automatisch die Unwahrheit spreche. Denn so manche meiner Lügen hat damals die Kleinen zum Lachen gebracht, den Schrecken vertrieben und auch mir oft das Leben gerettet, wenn der Horror wieder über mich hereinbrach.‹
»Das ist ja toll. Was machst du gerade Schönes?«
»Ich lese, so wie immer am Abend«, erwiderte Laura und schickte am Laptop ein Herz mit dem Text »Langsam und mit allen Sinnen fremdes Terrain erkunden« an Nils.
»Immer nur lesen«, seufzte Xaver. »Hast du denn überhaupt keine anderen Hobbys?«
»Warum?